G
Gelöschtes Mitglied 5339
- #1
Themenstarter/in
Hallo Zusammen,
ich hab mich grade in meinen älteren Texten umgeschaut und diesen hier von 2005 gefunden. Vielleicht gefällt er ja dem einen oder der anderen.
Liebe Grüße von
Peter
Nächtliche Fahrt
Gräser wiegen sich im kühlen Nachtwind. Der steinige Feldweg windet sich grau zwischen Wiesen. Grillen zirpen. Am Horizont steht schwarz der Schatten des Waldes.
Das dunkle Himmelszelt spannt sich über mir, übersät mit funkelnden Sternen. Wolken verdecken die Sterne, ziehen weiter und geben das Glitzern wieder frei.
Steine schlagen mir heftig durch die Räder meines Rollstuhls ins Kreuz, bremsen seinen Lauf. Bockend bahnt er sich seinen Weg, von meinen Händen vorwärts gezwungen. Ich liebe diesen Kampf, dieses Ringen um jeden Meter. Es tut so gut, sich mal richtig auszupowern.
Ich bin schon viel zu lange unterwegs. Wahrscheinlich bin ich irgendwo falsch abgebogen. Der Wind treibt mir ein Schaudern über die bloßen Arme, durch den ganzen Körper. Der Wald rückt näher, umfängt mich mit undurchdringlicher Dunkelheit.
Ich ahne den Weg auf dem ich fahre nur noch. Ich sehe nichts mehr, außer den Bäume, die mich, wie riesige Schatten, umringen. Um mich herum herrscht unheimliche Stille. Plötzlich ein Knacken! Was war das? Nur ein Ast? Ein Tier?
Ich versuche mich zu beruhigen: „Hier gibt es sicher keine gefährlichen Tiere mehr“, sage ich mir selbst. „Und wenn doch?“, fragt eine innere Stimme „Vielleicht hat sich ein Wolf bis hierher verlaufen oder ein Bär?“
Jetzt ist meine Fantasie nicht mehr zu stoppen: „Ein Verbrecher ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und lauert mir hier auf!“ Meine Sinne sind bis aufs Äußerste gespannt. Wo lauert die Gefahr? Vor mir? Hinter mir? Er könnte hinter jedem Baum stecken. Wann trifft mich die tödliche Kugel? Von wo kommt das Messer? Oder wird er mich erwürgen? Ich fahre so schnell ich kann. Nur raus aus diesem Albtraum. Wenn ich nur wieder die Sterne über mir sehen, mich wieder orientieren könnte. Mein Rollstuhl prallt gegen ein Hindernis. Fast wäre ich umgekippt. Ich sehe undeutlich eine Wurzel, die den Weg kreuzt. Ich muss sie umfahren. Gleich nach dem ersten Schub nach links gibt der Boden nach. Ich sitze im weichen Waldboden fest, schiebe, reiße den Rollstuhl an den Rädern vorwärts. Schweiß läuft mir über den Rücken, nicht nur von der Anstrengung. Irgendwo schreit ein Nachtvogel. Greifen die Menschen an? Dann ein Rascheln im Laub. Ist das der Feind?
Ein letzter Ruck, es hat geklappt! Ich bin wieder auf dem Weg. Weiter! Nur weg hier!
Es fühlt sich an, als irrte ich schon stundenlang durch diesen Wald, als es vor mir heller wird. Ich hetze auf diese Helligkeit zu, heraus aus dem Wald, aufs freie Feld. Da vorne, was ist das? Ein Licht? Kann es sein? Ich habe ein Ziel! Ich jage auf das Licht zu. Ein paar Minuten später bin ich sicher: Es ist eine Straßenlaterne. Eine Zweite, eine Dritte sendet ihren Schimmer herüber. Schatten schlafender Häuser. Dann endlich rolle ich über totenstille Straßen. Mit schmerzenden Armen treibe ich den Rollstuhl an – nach Hause.
ich hab mich grade in meinen älteren Texten umgeschaut und diesen hier von 2005 gefunden. Vielleicht gefällt er ja dem einen oder der anderen.
Liebe Grüße von
Peter
Nächtliche Fahrt
Gräser wiegen sich im kühlen Nachtwind. Der steinige Feldweg windet sich grau zwischen Wiesen. Grillen zirpen. Am Horizont steht schwarz der Schatten des Waldes.
Das dunkle Himmelszelt spannt sich über mir, übersät mit funkelnden Sternen. Wolken verdecken die Sterne, ziehen weiter und geben das Glitzern wieder frei.
Steine schlagen mir heftig durch die Räder meines Rollstuhls ins Kreuz, bremsen seinen Lauf. Bockend bahnt er sich seinen Weg, von meinen Händen vorwärts gezwungen. Ich liebe diesen Kampf, dieses Ringen um jeden Meter. Es tut so gut, sich mal richtig auszupowern.
Ich bin schon viel zu lange unterwegs. Wahrscheinlich bin ich irgendwo falsch abgebogen. Der Wind treibt mir ein Schaudern über die bloßen Arme, durch den ganzen Körper. Der Wald rückt näher, umfängt mich mit undurchdringlicher Dunkelheit.
Ich ahne den Weg auf dem ich fahre nur noch. Ich sehe nichts mehr, außer den Bäume, die mich, wie riesige Schatten, umringen. Um mich herum herrscht unheimliche Stille. Plötzlich ein Knacken! Was war das? Nur ein Ast? Ein Tier?
Ich versuche mich zu beruhigen: „Hier gibt es sicher keine gefährlichen Tiere mehr“, sage ich mir selbst. „Und wenn doch?“, fragt eine innere Stimme „Vielleicht hat sich ein Wolf bis hierher verlaufen oder ein Bär?“
Jetzt ist meine Fantasie nicht mehr zu stoppen: „Ein Verbrecher ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und lauert mir hier auf!“ Meine Sinne sind bis aufs Äußerste gespannt. Wo lauert die Gefahr? Vor mir? Hinter mir? Er könnte hinter jedem Baum stecken. Wann trifft mich die tödliche Kugel? Von wo kommt das Messer? Oder wird er mich erwürgen? Ich fahre so schnell ich kann. Nur raus aus diesem Albtraum. Wenn ich nur wieder die Sterne über mir sehen, mich wieder orientieren könnte. Mein Rollstuhl prallt gegen ein Hindernis. Fast wäre ich umgekippt. Ich sehe undeutlich eine Wurzel, die den Weg kreuzt. Ich muss sie umfahren. Gleich nach dem ersten Schub nach links gibt der Boden nach. Ich sitze im weichen Waldboden fest, schiebe, reiße den Rollstuhl an den Rädern vorwärts. Schweiß läuft mir über den Rücken, nicht nur von der Anstrengung. Irgendwo schreit ein Nachtvogel. Greifen die Menschen an? Dann ein Rascheln im Laub. Ist das der Feind?
Ein letzter Ruck, es hat geklappt! Ich bin wieder auf dem Weg. Weiter! Nur weg hier!
Es fühlt sich an, als irrte ich schon stundenlang durch diesen Wald, als es vor mir heller wird. Ich hetze auf diese Helligkeit zu, heraus aus dem Wald, aufs freie Feld. Da vorne, was ist das? Ein Licht? Kann es sein? Ich habe ein Ziel! Ich jage auf das Licht zu. Ein paar Minuten später bin ich sicher: Es ist eine Straßenlaterne. Eine Zweite, eine Dritte sendet ihren Schimmer herüber. Schatten schlafender Häuser. Dann endlich rolle ich über totenstille Straßen. Mit schmerzenden Armen treibe ich den Rollstuhl an – nach Hause.
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: