soundjob

Mucketier, Tontüte & Hörspielfrisör
Sprechprobe
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Auf der Suche nach Anreizen für potenzielle Tutorials etc. möchte ich euch gerne fragen, was euch bei der Umsetzung und Realisierung eines Hörspiels große (und kleine) Probleme macht, bzw. euch vor Herausforderungen stellt ?
Es dürfen sich ALLE eingeladen fühlen... Hörspielmacher, Mitwirkende, Sprecher, Autoren, Lektoren, Musiker, Grafiker etc. um gerne miteinander zu diskutieren, sich auszutauschen, zu streiten usw.
Denn auch an die im ganzen Rahmen Mitwirkenden stellt sich jene Frage, was euch abschreckt, um an einer Produktion teilzunehmen ?
(BITTE UNTERLASST NACH MÖGLICHKEIT ABER TRIVIALE DISKUSSIONEN UM KI ☝️)

Sicherlich, der Faktor Zeit, bzw. die knappe Verfügung dieser wertvollen Ressource, dürfte mit die größte Herausforderung darstellen, denn Familie, Job und diverse andere Dinge, fordern natürlich auch ihren Tribut.
Auch ist die korrelierende Motivation hinsichtlich Zeitmanagement, insbesondere bei größeren Geschichten am Ball zu bleiben, ein allseits bekanntes Symptom von Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Hörspielproduktion.
Insofern sind wir von diesen beiden expliziten Aspekten sicherlich alle gemeinsam und gleichermaßen betroffen, denke ich.
Kurz: "Kennt jeder von uns nur zu gut !"

Aber werfen wir unseren Blick primär auf die Herausforderung und Stolpersteine der Umsetzung und Realisierung einer Produktion.
Individuell betrachtet steht also die Frage im Raum, welche Hürden ihr euch bei der Umsetzung gegenüberseht, welche euch mitunter Motivation und ggfls. auch mal den letzten Nerv klauen ?

- Sind es z.B. Schwierigkeiten im handwerklichen Umgang mit tontechnischen Aspekten ?
- Sind es z.B. qualitativ unbefriedigende Resultate (tontechnische, künstlerische/inhaltliche Aspekte) ?
- Unterschätzt man vlt. den Aufwand einer Produktion ? Ist es zu viel ?
- Sind es vlt. zu häufige Nachforderungen inmitten der Produktion durch etwaige Fehleranfälligkeiten im Skript oder bei Retakes ?
- Überfordert man sich selbst oder Mitwirkende oder ist man sogar unterfordert ?
- Ist man zu sehr Perfektionist und versteift sich auf kleinste Kleinigkeiten, während der primäre Anreiz wie z.B. die Fertigstellung eines Projekts, auf der Strecke bleibt ?
- Sind es vlt. auch etwaige Unzuverlässigkeiten oder halbherzige Mitwirkung innerhalb einer Produktion ?
und und und...

Was erschwert euch die Umsetzung bzw. Mitwirkung in einer Produktion ?
Gerne dürft ihr im respektvollen Umgang miteinander im Senf rühren und hoffe auf eine rege Diskussion.
 
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soundjob

Mucketier, Tontüte & Hörspielfrisör
Sprechprobe
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Gerne mache ich auch den kleinen Anfang:
Die größte Herausforderung ist für mich bei jedem Hörspiel immer wieder das Angleichen der Sprechersounds zueinander.

Da jeder ein anderes Mikrofon benutzt, bzw. selbst bei gleichen Mikrofonen, welche allerdings natürlich unterschiedlich besprochen werden (der eine ist mal näher dran, der andere mal weiter weg), ergeben sich natürlich Unterschiede im Sound.
Diese Unterschiede auszugleichen ist für mich die größte Herausforderung, macht mir allerdings mitunter auch am meisten Spaß.

Ärgerlich finde ich allerdings Aufnahmen- wenngleich ausdrücklich darauf hingewiesen wird, Vocalchains nicht einzubinden, wenn ich bereits stark vorkomprimierte Tonerzeugnisse erhalte, welche zusätzlich auch noch über ein recht abenteuerliches EQing verfügen, die nicht ohne weiteres auszubügeln sind.
(Es hat schon seinen Grund, weswegen aufgefordert wird, Aufnahmen unbearbeitet einzureichen, das macht es dem Tonmenschen ungleich leichter, den besten (Sprecher)Sound im Hörspiel zu formen).
Pre-EQte und gemasterte Sachen kosten im Nachgang mehr Zeit und Geduld, als einem eigentlich lieb ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

ErgoEE

Mitglied
Das ist wieder ein sehr schöner Beitrag von dir @soundjob danke.


Diese Unterschiede auszugleichen ist für mich die größte Herausforderung, macht mir allerdings mitunter auch am meisten Spaß.
Über diesen Satz habe ich mich sehr gefreut, weil das Ausgleichen tatsächlich schwierig ist, mir aber auch Spaß macht.
Was ist beim Ausgleichen dein Ziel? Willst du alle Sprachaufnahmen quasi „perfekt“ hinbekommen, oder orientierst du dich an der „schlechtesten“ Aufnahme und passt alle anderen in etwa daran an? Also häufiger schraube ich eher an guten Aufnahmen um sie den zu halligen oder zu komprimierten anzupassen.

Meine größte Schwierigkeit ist die Frage: wo bin ich eigentlich? In der Realität kann ich mich irgendwo hinstellen und ein Ereignis betrachten. In der Regel drehe ich meinen Kopf dort hin, wo etwas passiert, oder ich bewege mich. Aber im Stereo-Hörspiel habe ich nur einen starren zweidimensionalen Halbkreis als Raum. Da braucht es oft eine genau Vorstellung wo und wie etwas passiert und wie man das psychoakustisch umsetzt.
 

Lauschecke

Lauschecke
Mindset-Herausforderng: Wann ist gut gut genug? Manchmal treibt einen der Hang zum Perfektionismus an. Du hörst beispielsweise auf einer Aufnahme ein minimales Hintergrundgeräusch, die Stimme klingt minimals verzerrt oder die Betonung kommt für dich nicht zu 100 % so rüber, wie du es dir gerade vorgestellt hast - zumeist bei den eigenen Takes.

Dann stellt sich die Frage: Nehm ich den Take nochmal auf, obwohl ich erst wieder in den entsprechenden Flow reinkommen muss? Dasselbe gilt auch für Hörbücher, wenn da kann eine unerwartet frische Stimme mitten im Hörbuch schon ungewohnt klingen.

Technische Herausforderung:
Abstimmung von Sprache & Musik aufeinander. Oft kommt es mir vor, dass die Hintergrundmusik meiner Produktionen nach Endfertigung viel zu leise ist, obwohl es in der DAW passend geklungen hat. :cool:
 

pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
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Ha, gleich das erste Thema hat es in sich. Macht man hier keine ordentliche Arbeit geht die Illusion flöten. Die Stimme muss natürlich klingen. Alle Stimmen sollten auf die gleiche Art und Weise natürlich klingen, aber nicht gleich klingen. Ich lege mir für jede Stimme zu Beginn der Produktion einen PreSet für jede Stimme an. So muss ich das nicht für jeder Szene wiederholen und das Ergebnis wird homogener. Und ja, es ist ärgerlich wenn man immer wieder schreibt, MONO, 16/24 bit, 44,1 KHz und man dann STEREO 24 Bit, 48 KHz bekommt. Wenn Mitwirkende nicht wissen wie man das hinbekommt, ist da ja nicht schlimm.....ABER....einfach EINMAL fragen, dann erkläre man das und gut ist. Der verursacht immer zusätzliche, unnötige Arbeit. Davon hat man bei einer Hörspiel Produktion eigentlich genug.
 

Tinchen

Autorin, Poetry Slammerin, Sprecherin, Lektorin
Teammitglied
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Als Autor:
Ich kann die Hörspiele nicht so umsetzen, wie sie in meinem Kopf klingen, weil ich nicht cutten und somit nicht produzieren kann. Das ist aber mein persönliches Problem, auch wenn ich mir beim Schreiben schon andere Stimmen dabei vorstelle, weiß ich, dass es nicht so werden kann wie ich es eigentlich haben möchte. Das ist auch der Grund, weshalb die großen Hörspiele, die ich angefangen habe, in meiner geheimen Schublade unvollendet verschwunden sind.

Als Sprecher:
1. Ich hätte bei Castings gerne detaillierte Infos vor allem zum Genre, denn zB Horror würde ich nie mitmachen, wenn ich es vorher definitiv wüsste.
2. Ich würde zu gerne mal nicht nur die Live Regie mitmachen, sondern besonders in Dialogen die Möglichkeit haben mit dem Dialogpartner zusammen zu sprechen. Weiß nicht, ob das technisch zB über Discord möglich wäre, aber es gibt da etwas, das mir als Hörer aufgefallen ist (s. Hörer 2.)
3. Ich hätte gerne viel mehr Möglichkeiten mit anderen zusammen zu sprechen.

Als Hörer:
1. Das hat wohl etwas mit der Anpassung der Stimmen zu tun: Manchmal klingt eine Stimme wie aus dem Keller oder weiter weg, obwohl alle Sprecher in einem Raum sein sollen.
2. Es war mir in einer Dark Space Folge aufgefallen. Da gibt es einen Dialog, der so anders klingt als das, was ich bisher hier gehört hatte. Ich denke, dass beide Sprecher in einem Studio zusammen aufgenommen haben oder keine Ahnung, wie Pio das hinbekommen hat. Normalerweise spricht einer einen Satz, der andere spricht einen Satz, der erste spricht wieder, der andere spricht. Es ist so eine Art der oberflächlichen Infoweitergabe.
Bei dem Dialog, der anders war, wunderte ich mich warum und hörte den nochmal. Ich wusste, ich war konzentrierter dabei, aber warum? Weil die Sprecher (besonders Marcel) mit Zwischengeräuschen den Monolog des anderen begleitet hatten. Als Autist bin ich auf genau dieses "Zwischen den Zeilen" angewiesen, um Menschen besser zu verstehen, deshalb habe ich mich gut darauf programmiert das zu hören, und deshalb war ich in dem Dialog konzentrierter. Er wirkte echt. Das wäre etwas, was ich mir mehr wünschen würde. Es geht also nicht nur um die Takes, die man einspricht, sondern um das Zuhören, wenn der andere spricht. Also den Gesprächspartner mal mit einem "Hmpf", einem stärkeren Einatmen, wenn einem die Aussage nicht passt, einem bejahenden "Hm-hm" in seinem Monolog zu unterstützen. (Ich hoffe ich habe es so ausgedrückt, dass es verständlich ist.)
 

soundjob

Mucketier, Tontüte & Hörspielfrisör
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Was ist beim Ausgleichen dein Ziel? Willst du alle Sprachaufnahmen quasi „perfekt“ hinbekommen, oder orientierst du dich an der „schlechtesten“ Aufnahme und passt alle anderen in etwa daran an? Also häufiger schraube ich eher an guten Aufnahmen um sie den zu halligen oder zu komprimierten anzupassen.
Prinzipiell passe ich die "qualitativ schlechteren" Aufnahmen den qualitativ guten Aufnahmen an, soweit möglich.
Es bleibt ja dennoch ein Kompromiss, denn ein "typisches 50 Mark Kaufhaus-Podcast Mikro" mit einem z.B. U-47 oder Brauner, bzw. gestandenen Studiomik heranziehend vergleichen zu wollen, ist in etwa wie der Vergleich zwischen Schlauchboot und Superyacht.
In der Toningenieure heißt es zurecht, dass man aus "Scheiße kein Gold machen kann, bzw. wo keine Frequenzen vorhanden, lassen sich keine zuzaubern".
Man versucht, einen akzeptablen Mittelweg bei den "schlechter" klingenden Aufnahmen zu finden, aber Referenz bleiben die (überwiegend) tadellosen Aufnahmequalitäten professioneller Güte.
Es ist nicht immer einfach und bis zu einem gewissen Grad muss man dann auch akzeptieren, dass die "schlechten" Aufnahmen halt auch trotz aller Hexerei im post-edit, etwas schlechter klingen als der qualitativ gute Durchschnitt. 🤷‍♂️

Lange Rede, kurzer Sinn: Meine Arbeitsweise entspricht dahingehend, sich möglichst nach oben hin zu konzentrieren.
Braucht Geduld, aber es lohnt sich. 😊
 

soundjob

Mucketier, Tontüte & Hörspielfrisör
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Aber im Stereo-Hörspiel habe ich nur einen starren zweidimensionalen Halbkreis als Raum. Da braucht es oft eine genau Vorstellung wo und wie etwas passiert und wie man das psychoakustisch umsetzt.
Auch ein guter Aspekt für ein Tutorial. (y)
"Arbeiten mit Stereo-Imaging zur Begrenzung von Ausweitungsbreichen, um Tiefe, Weite und Positionen zu Verorten (nah/fern), um einen räumlicheren Eindruck auf einer (simplen) Stereobühne zu erzielen".

(Kein Atmos/Surround, sondern einfaches Stereo-Tutorial)
 

pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
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Als Autor:
Ich kann die Hörspiele nicht so umsetzen, wie sie in meinem Kopf klingen, weil ich nicht cutten und somit nicht produzieren kann. Das ist aber mein persönliches Problem, auch wenn ich mir beim Schreiben schon andere Stimmen dabei vorstelle, weiß ich, dass es nicht so werden kann wie ich es eigentlich haben möchte. Das ist auch der Grund, weshalb die großen Hörspiele, die ich angefangen habe, in meiner geheimen Schublade unvollendet verschwunden sind.

Als Sprecher:
1. Ich hätte bei Castings gerne detaillierte Infos vor allem zum Genre, denn zB Horror würde ich nie mitmachen, wenn ich es vorher definitiv wüsste.
2. Ich würde zu gerne mal nicht nur die Live Regie mitmachen, sondern besonders in Dialogen die Möglichkeit haben mit dem Dialogpartner zusammen zu sprechen. Weiß nicht, ob das technisch zB über Discord möglich wäre, aber es gibt da etwas, das mir als Hörer aufgefallen ist (s. Hörer 2.)
3. Ich hätte gerne viel mehr Möglichkeiten mit anderen zusammen zu sprechen.

Als Hörer:
1. Das hat wohl etwas mit der Anpassung der Stimmen zu tun: Manchmal klingt eine Stimme wie aus dem Keller oder weiter weg, obwohl alle Sprecher in einem Raum sein sollen.
2. Es war mir in einer Dark Space Folge aufgefallen. Da gibt es einen Dialog, der so anders klingt als das, was ich bisher hier gehört hatte. Ich denke, dass beide Sprecher in einem Studio zusammen aufgenommen haben oder keine Ahnung, wie Pio das hinbekommen hat. Normalerweise spricht einer einen Satz, der andere spricht einen Satz, der erste spricht wieder, der andere spricht. Es ist so eine Art der oberflächlichen Infoweitergabe.
Bei dem Dialog, der anders war, wunderte ich mich warum und hörte den nochmal. Ich wusste, ich war konzentrierter dabei, aber warum? Weil die Sprecher (besonders Marcel) mit Zwischengeräuschen den Monolog des anderen begleitet hatten. Als Autist bin ich auf genau dieses "Zwischen den Zeilen" angewiesen, um Menschen besser zu verstehen, deshalb habe ich mich gut darauf programmiert das zu hören, und deshalb war ich in dem Dialog konzentrierter. Er wirkte echt. Das wäre etwas, was ich mir mehr wünschen würde. Es geht also nicht nur um die Takes, die man einspricht, sondern um das Zuhören, wenn der andere spricht. Also den Gesprächspartner mal mit einem "Hmpf", einem stärkeren Einatmen, wenn einem die Aussage nicht passt, einem bejahenden "Hm-hm" in seinem Monolog zu unterstützen. (Ich hoffe ich habe es so ausgedrückt, dass es verständlich ist.)
Mit Marcel nehme ich grundsätzlich immer mit Live Regie auf. Dabei lese ich den Gegenpart ein, so dass Marcel tatsächlich auf seinen Counterpart reagieren kann. Darüber hinaus ermutige ich Sprecher/Sprecherinnen immer wieder "natürlich" zu sprechen, teilweise schreibe ich die Dialoge ja auch entsprechend. Und....ich schneide wie ein Weltmeister. Teilweise besteht ein Satz aus Versatzstücken von drei, manchmal sogar vier Takes. Dabei schneide ich Dialoge "ineinander", da Menschen meist auch genau so reden.

Grundsätzlich wäre das toll, wenn Sprecher/Sprecherinnen entsprechende Zwischentönen selbständig mit aufnehmen. Wenn man da ein bisschen in den Dialog schaut bekommt man schon mit wo solche "Zwischenlaute" passen würden.
 

Spirit328

Aff un zo jeht et uns jar nit schlääsch!
Teammitglied
Was für mich am anstrengendstens ist, ist die Auswahl von passenden Sounds.
Es gibt sehr viele Soundbibliotheken, aber die wenigen freien sind meistens nicht wirklich ergiebig.
Das wird um so schwieriger, je mehr ich möglichst "trockene" Sounds haben möchte, damit ich sie frei positionieren kann.

Die zum Teil drastischen Unterschiede in den Klangfärbungen der Aufnahmen ist schon eine echte Herausforderung und ein "Schwarzes-Zeit-Loch".
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass hier die Wahrnehmungen zwischen Sprechenden und Knöpfedrehenden zuweilen weit auseinander liegen.
Auch wenn es den eigenen Ehrgeiz kitzelt und das Können fordert, so ist das auch ein Schwarzes-Zeit-Loch.
Hier könnte man vieles verbessern, aber das kollidiert irgendwann (meistens ziemlich fix) mit den Möglichkeiten bei den Aufnahmen und denen die sie machen. (Wir hatten die Diskussion im Zusammenhang mit der Reform des "intern")

Was ich bei vielen Hörspielen schade finde, ist die Tatsache, das die Cutter häufig "nur" für ein Abhör-Medium mischen. Manche Sachen hören sich auf Boxen ganz gut an, aber wenn ich sie mir dann mal auf Kopfhörer anhöre, was aktuell die häufigste Form des Konsumieren ist, dann ist in der Mitte ein "Loch" und manchmal phased es durch die Lauscherchen, dass einem Angst und Bange wird. ;)

Ich finde, daß die Grenze zwischen Perfektionismus und "gut-genug" immer schwierig zu ziehen ist.
Hyunkook Lee hat mal den Begriff des "plausibel" geprägt. Also, ist eine Hörsituation plausibel, so akzeptiert unser Gehirn das und es ist angenehm, weil es sich mit bestehenden Hörerfahrungen verknüpft.
Der Unterschied im Aufwand zwischen "plausibel" und "realistisch" ist zum Teil um große Faktoren verschieden.
Natürlich ist realistisch am besten und bietet alles aus der Kunst des "Sound-Schraubens".
Aber für ein Hörspiel ist plausibel in aller Regel gut genug.

Beispiel:
Ein elektrischer Hubwagen fährt an der Hörposition vorbei.
Das Signal wird lauter und dann wieder leiser, wenn es wieder wegfährt.

Jetzt machen wir es eine Spur komplexer:
Der Hubwagen kommt aus der linken Ecke von weit weg, nähert sich der Hörposittion, um dann nach rechts gerade weg zu fahren.
Das ist schon komplex. Jetzt noch den Dopplereffektt dazu und schon wird's komplex UND kompliziert.
Wo man hier die Grenze zieht hängt auch von der Bedeutung für die Story ab, aber ... "you get the picture?"

Was mir manchmal auffällt ist, dass einige einen entscheidenden Grundsatz der Tontechnik nicht so richtig verinnerlicht haben: "Know you gear" - "Kenne Dein Equipment".
Das beinhaltet auch, dass sich auch die Sprechenden mit ihrem Equipment befassen und seine Eigenheiten kennenlernen.
Ja, es reicht vielen, wenn sie ihre Stimme hören können, wenn sie etwas aufgenommen haben. Aber da geht noch viel mehr.
Stichwort: "Nahbesprechnungseffekt". Richtig eingesetzt ist das ein mächtiges Werkzeug. Genau so auch der Abstand bei der Aufnahme. Welcher Abstand klingt wie und was kann man damit gestalten?
Wie vermeide ich Übersteuerungen? Welchen Pegel sollte ich anstreben? und warum?
Da die meisten mit "Nieren" arbeiten, macht es eben doch einen großen Unterschied, ob man von direkt vorne auf das Mikro spricht oder von der Seite.

Aber auch der ein oder andere Cutter/Cutterin könnte noch vieles herausholen, wenn das notwendig Wissen um Dinge etwas links oder rechts des Mainstreams vorhanden wäre.
Schon mal beim Mastering einen M/S EQ benutzt und wenn ja warum und wie?
Oder ein M/S Kompressor über das Master-Stereo gejagt? Und wenn nein, warum nicht?

Warum man am besten schon vor der A/D Wandlung einen De-Esser einsetzen sollte und warum es so wenige tun.

Es fehlt häufig an Wissen um die Möglichkeiten. Und was einem da auf YT so angeboten wird, ist zum Teil .. nun ... sagen wir es freundlich: nicht der Weisheit letzter Schluß.

Es ist immer eine komplexe und komplizierte Abwägung, wann man einen Re-Take anfordert und wann man sich besser einen zurecht schnippselt.
Denn eigentlich ist es nicht wirklich effizient, wenn die Cutter die virtuelle Schere schwingen. Da wird viel Arbeit an einer Stelle konzentriert, die man sicherlich in vielen Fällen arbeitsteilig erledigen könnte.
Ja, das dauert manchmal noch länger, als wenn man es schnippselt, aber das ist nicht immer gut.

Was mir hier in letzter Zeit verstärkt auffällt ist der diametrale Widerspruch zwischen dem eigenen Anspruch und der Fähigkeit diesem gerecht zu werden.
Wenn man sich mit den professionell produzierten Hörspielen messen will, dann erkennt man recht schnell, dass diese Leute auf einem anderen Niveau arbeiten.
Das bezieht sich nicht nur auf das Können, sondern auch auf die Technik, die zum Einsatz kommt.
Damit meine ich nicht, dass alle Sprechenden ein Neumann U87 ai haben müssen. Nein! David Bowie hat häufig im Studio über ein Shure SM57 eingesungen oder Joe Cocker hat lange ein Shure SM58 als Gesangsmikrofon verwendet. Und dabei hätten diese Leute mehr als genügend Geld für MGs, Brauner, Neumänner oder was auch immer.
Sie haben sicherlich viele Mikrofone ausprobiert und wissen, warum sie ihren "Sound" mit diesem speziellen Mikrofon hinbekommen. "Know your gear".

Ich würde mir auch mehr Experimente wünschen. Sowohl was die Skripte betrifft, die Themen, die Umsetzung, das SoundDesign und die Mischung.
Wenn man "nur" Mainstream macht, dann wird man auch mit dem Mainstream verglichen und das ist zuweilen schwierig und nicht fair.

Häufig finde ich die Dialoge wie aneinander geschnittene Monologe. Wie schon von Tinchen beschrieben, kann man mit ein paar natürlichen "Zwischengeräuschen" einem Dialog viel mehr Realismus und "Leben" einhauchen. A B E R ... das macht das Cutten auch nicht wirklich einfacher. Denn solche Zwischengeräusche sind sehr kontextabhängig.

... und wenn ich noch einen Wunsch äußern dürfte: Schmeißt die Schuhe mit den Lederhacken auf den Müll. Derartige Schuhe werden heute kaum noch getragen und das klingt häufig so stereotyp. Es sei denn das ist so gewollt und dient der Story. :)

Last, but NOT least: Lasst uns mal aus dem Stereo-Panorama ausbrechen und in den "Raum" gehen.
Das ist zwar noch mehr Aufwand beim Cutten, aber das Ergebnis ist schon ... Klasse!
 
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