pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
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AW: Aktiv gegen ACTA!

da ich ja offenkundig polnische Vorfahren habe stehe ich hier mit stolz geschwällter Brust....schaut her, die Polen zeigen der Welt wie es (nicht) gemacht wird!:D:neo::taunt:

(die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt)
 

OldNick

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AW: Aktiv gegen ACTA!

@OldNick:
Genau das befürchte ich auch. Und damit stiege auch wieder die Macht der Konzerne, jedenfalls bis das BVG durhc ne Klage Gelegenheit erhält, dem Einhalt zu gebieten.

Ich halte das für einen recht alten Trugschluß. Was steigt ist die Bereitschaft der Politik, die bestehende legislative Macht anzuwenden. Aber solche Maßnahmen entstehen - genauso wie die unsinnigen Konzernrettungen à la Holzmann - immer aus der Ohnmacht bestimmter Konzerne und Sparten, sich am Markt zu halten. Genau aus dem Grunde habe ich das von Dir oben angefügte Zitat auch erweitert. Solche Sachen halten nicht für immer. Du kannst nicht für immer ein Marktmodell darauf einstellen, bestimmte Defizite durch Schadensersatzklagen auszugleichen. Diese indirekten Subventionen werden nicht funktionieren, wenn Deine Produkte immer weniger gekauft werden. Du musst trotzdem noch auf den gegebenen Markt und die Veränderungen und die Voluntilität reagieren - wer das nicht tut, bleibt auf der Strecke. Konservative, die alles als "illegal" ablehnen, bleiben auf der Strecke. Das taten sie schon immer.
Natürlich kann man diesen ganzen Filesharingwahnsinn als absolute Fehlentwicklung begreifen und damit durchaus richtig liegen; das ändert aber nichts an den realen Gegebenheiten des Marktes, denen man sich anpassen muß oder aber man hat eben das vermeintliche Glück, dass Regierungen einen retten. Bei Holzmann hat man gesehen, wie lange es gut gegangen ist, und auch bei Opel sieht's nicht gar so gut aus (Steinmeier hätte die ja auch gerettet) ... Manchmal gibt's halt einfach keine Nachfrage mehr, und dann muß man sich neu orientieren. Wer das nicht begreift, der bleibt halt eben auf der Strecke. Und dieses ACTA-System wird m.E. höchstens so lange halten, wie es die Prohibition in den U.S.A. gab. Ich meine, das wären knapp 13 Jahre gewesen, oder?
 

Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
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AW: Aktiv gegen ACTA!

Und dieses ACTA-System wird m.E. höchstens so lange halten, wie es die Prohibition in den U.S.A. gab. Ich meine, das wären knapp 13 Jahre gewesen, oder?

Ja, und damals lief die Zeit viel viel langsamer als heute, so eine Art Inflation. was damals 13 Jahre waren sind heute höchstens noch zwei.
 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Aktiv gegen ACTA!

Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte ist geprägt von einer kulturellen Entwicklung, deren Motor im wesentlichen auf dem Prinzip "Vormachen - Nachmachen und wahrscheinlich verändern - Weitergeben" beruht. Das leuchtet ja auch ein, denn egal in welcher (künstlerischen) Gattung - und in der Musikgeschichte ist es am sicht- bzw. anhörbarsten - war bis an die Schwelle des Medien(träger)zeitalters diese Form der dynamischen Wissensüberlieferung quer durch die Generationen völlig sinnvoll und auch menschlich nachvollziehbar. Denn wie alle Lebewesen ist auch unsere Entwicklungsgeschichte darauf angewiesen, Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln, die nicht nur von Kopf zu Kopf weitergegeben werden, sondern auch immer Hand und Fuß haben müssen. Bevor also das kapitalisierbare Industrieprodukt entstand, war, salopp ausgedrückt, das ( abgesehen von einer quasi biologisch bedingten coditio sine qua non ) CopyandPaste sogar eine Tugend - und zwar im besten Sinne kultureller Tradition ( nach dem Motto, Tradition bedeute, die Glut zu bewahren und nicht die Asche zu verehren ).
In was für ein Dilemma sind wir also heute geraten ? Für Nichtjuristen insbesondere sind je nach eigenem Sozialisations- bzw. Bildungshintergrund vermutlich solche Tofuhuhn-Kampagnen bedeutsam, um gereizt zu werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen; je geschickter die Manipulation, desto eher kriege ich ja dann auch Angst um meine Hoden. Deshalb danke Nick, für das Filmchen, das ich nicht schlecht fand - vielleicht auch gerade, weil die Polemik der Interpretation noch moderat war...

Neben allen klugen und tauglichen Argumenten gegen ACTA gehe ich aber auch sehr mit pio, weil mich ein konstruktiver Lösungsansatz sehr interessieren würde.
Natürlich stimmt,..
- dass es schon mehr als anrüchig ist, wenn z.B. David Nathan all seine Rechte als (schöpferischer) Synchronsprecher derart abtreten muß, dass selbst Hörspiele völlig legal zusammengeschnipselt werden dürfen aus dem Material, was er im Grunde nur für den Film kreiert hat - das steht für mich ausser Frage.
- dass mit zunehmender Konzerngröße auch eine proportionale Ansammlung an Anwälten schlicht dafür rekrutiert wird, jeden anzugreifen, der auch nur die Anmutung erweckt, sein Label oder Werk kopiere zum eigenen gewerblichen Nutzen eine auf dem Markt bereits platzierte "Größe" - und dies nimmt manchmal völlig abstruse Formen an ( so dass z.B. kleine Unternehmen mittlerweile hochprofessionell recherchieren müssen, damit sie nicht gar ausversehen einen Namen für ihr Label wählen, das plötzlich als Produkt krimineller Aneignung betrachtet wird ). Je höher die Juristenbugwelle, desto schneller wird eine einseitige "Wahrheit" manifest und vermutlich darf ich nicht nur meinen Laden nicht "Hans & Moritz" nennen sondern werde auch verdammt aufpassen müssen, wenn ich mit Nachnahmen Mauritz heisse und mein Baby gern Hennes nennen möchte - angemessene und vor allem gleichberechtigte Wahrung von Patentinteressen steht eindeutig in Frage.

Mich würde in Hinblick auf das Forum interessieren, wie wir konkret eigentlich vorgehen würden, wenn es plötzlich doch mal jemandem einfiele, mit Hörspielen, die hier produziert werden ( und der Qualitätsstandard scheint ja zu steigen ) Kasse zu machen. Wie auch immer das aussehen könnte - würde Dennis dann einen Rechtsanwalt anrufen ? Und wie dann weiter, würde wir dann einien Fond kreieren, um unser Hobby zu verteidigen und für den Verteidigungskrieg eine Kasse bereitstellen ? Mit den Achsen zucken und den Kopf schütteln ? Was wäre angemessen und was wäre durchgedreht ?

Unser Problem seit über 150 Jahren ist, daß wir immer häufiger dem Trugschluß erliegen, wir könnten uns Erfahrung aneignen, indem wir sie kaufen oder klauen, und nicht, indem wir sie einfach selber machen.
 
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OldNick

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AW: Aktiv gegen ACTA!

Deshalb danke Nick, für das Filmchen, das ich nicht schlecht fand - vielleicht auch gerade, weil die Polemik der Interpretation noch moderat war...

Damit sprichst Du ein großes Problem an ... 1.) sind alle aufbereiteten Informationen, die ich zu ACTA gefunden habe, einseitig. Entweder pro oder contra, das gibt sich alles nichts. 2.) Ist der Text entweder enorm mißverständlich, oder aber mich verfolgt hier die Tatsache, dass ich nie etwas mit Copyright zu tun hatte und kein Jurist bin. Ich habe viele solcher Texte im Studium lesen müssen, aber der Interpretationsspielraum ist m.E. sehr weitgehend.
Daraus ergibt sich, dass es für interessierte Propagandisten ein leichtes ist, die schlimmsten Szenarien überhaupt daraus abzuleiten. Wie's dann in Realiter am Ende aussieht, weiß noch keiner. Dass die Möglichkeiten für die Industrie, Klagen einzureichen weitaus "niederschwelliger" werden, dürfte außer Frage stehen. Auch die Benutzung des mannigfach (nicht nur in pios erwähnter Studie, auch schon in früheren Studien innerhalb der EG) erwiesenermaßen ineffektiven Instruments der Vorratsdatenspeicherung, dürfte unmißverständlicherweise eine Folge aus ACTA sein.

Mich würde in Hinblick auf das Forum interessieren, wie wir konkret eigentlich vorgehen würden, wenn es plötzlich doch mal jemandem einfiele, mit Hörspielen, die hier produziert werden ( und der Qualitätsstandard scheint ja zu steigen ) Kasse zu machen. Wie auch immer das aussehen könnte - würde Dennis dann einen Rechtsanwalt anrufen ?

Interessante Frage, die ich natürlich nicht beantworten kann (bin ja nicht Dennis). Allerdings als Hinweis: Es wurden bereits Verstöße gegen CC-Lizenzen geahndet. Im Jahr 2010 gab es mal eine einstweilige Verfügung einer Fotografin, die einen Internetauftritt veranlasste, die Lizenz deutlich geltend zu machen. Die Klägerin bekam Recht.
Wenn natürlich Finanzinteressen eine Rolle spielen, kann es, je nach Einsicht der Gegenseite, schon zu enormen Schwierigkeiten in Punkto Prozeßkosten führen. Aber ich glaube kaum, dass irgendeine einigermaßen vernünftige Firma dieses extreme finanzielle Risiko auf sich nehmen würde - die käme nie wieder aus den Schadensersatzansprüchen raus.

Unser Problem seit über 150 Jahren ist, daß wir immer häufiger dem Trugschluß erliegen, wir könnten uns Erfahrung aneignen, indem wir sie kaufen oder klauen, und nicht, indem wir sie einfach selber machen.

Der gesamte Lernprozeß beruht darauf. Schau' Dir das Hörtalkforum an: Wir erzählen hier Geschichten. Allein die "Geschichte" als solche (genreunabhängig) ist das Resultat einer Aneignung. Wie man Geschichten erzählt, ist ein seit Jahrhunderten stetig wachsendes Handwerk - aber auch, dass man Geschichten erzählt, geht auf uralte Erfahrungswerte zurück, denen wir uns angeschlossen haben. Jeder will irgendwie das Handwerk revolutionieren, sich nicht in irgendwelche Kategorien pressen lassen - dabei ist jeder, der eine Geschichte erzählt, schon mitten in dieser Kategorie.
Wir leben in Häusern - auch das basiert auf Erfahrungswerten. Wer Erfahrungen selber machen will, der geht in den Wald und baut sich eine Hütte ... aber Moment mal; auch das ist Resultat einer angenommen Erfahrung anderer, aus der man gelernt hat oder zumindest lernen kann.
Die aller wenigsten von uns sind tatsächlich Schöpfer von etwas total neuem. Es gibt diese revolutionären Erfinder vielleicht auch nur ein- bis zweimal in einem Jahrhundert. Die meisten angeblichen "Neuschöpfungen" sind Weiterentwicklungen einer anderen Idee, Schlüsse, aus den Erfahrungen anderer. Im Grunde genommen hast Du diesen Punkt auch weiter oben selbst dargelegt.
 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Aktiv gegen ACTA!

Die aller wenigsten von uns sind tatsächlich Schöpfer von etwas total neuem. Es gibt diese revolutionären Erfinder vielleicht auch nur ein- bis zweimal in einem Jahrhundert. Die meisten angeblichen "Neuschöpfungen" sind Weiterentwicklungen einer anderen Idee, Schlüsse, aus den Erfahrungen anderer. Im Grunde genommen hast Du diesen Punkt auch weiter oben selbst dargelegt.
@Nick
völlig richtig, deswegen ja auch meine Ausführungen am Anfang. Wenn ich in meinem letzten Satz auf die letzten 150 Jahre Bezug nehme, dann deshalb, weil mit der Fotografie und ihrer Verbreitung sozusagen ein erstes modernes Copy&Paste Medium auftauchte, daß sich ( jetzt mal vom Buchdruck abgesehen) quasi simultan zur künstlerischen Entdeckung auch als effektstarke und vervielfältigbare Handelsware eignete. Man denke beispielsweise an die beiden Papparazzi, die sich, vom bestochenen "Hausdiener" ermöglicht, die allerersten Fotos vom frisch verstorbenen Bismarck erknipst hatten und - auch wenns damals nicht gelungen ist - auf einmal vermögensträchtiges Material in Händen hielten.
Worauf ich hinaus will, ist eher die Frage und das Ziel der Aneignung im Zusammenhang mit dem Material, das heute im Rahmen kreativer Prozesse entsteht. Ein Bedeutungswandel findet statt und die Konsumerabilität eines Kunst- oder Kulturprodukts bemißt sich zunehmend nach ihrem merkantilen Wert. Was für Gründe führen dazu, daß sich Menschen mit einem Van Gogh beerdigen lassen ?
Angenommen, die Resultate künstlerischen Schaffens, ähnlich wie beim Theaterspiel, wären reifen Früchten vergleichbar, die in einer bestimmten Phase konsumiert und genossen würden und anschliessend eben der Verdauung unterworfen wären oder einem Faulungs- und Zersetzungsprozess. Wie würde man umgehen mit so einem besonderen "Lebensmittel", dass sich quasi nicht zur Lagerung und nachhaltigen Konservierung und Vervielfältigung, zur industriellen Verbreitung also, eignen würde. Wieviel höher wäre der Einsatz jener, die einfach nur von dem Werk anderer profitieren wollten im Vergleich zu jenen, die sich , wie von den Geschichtenerzählern aus alten Zeiten, inspirieren und anregen liessen, das Gschaffene "durch sich selbst gehen zu lassen" und es im erneut geschöpfeten weiterleben zu lassen.
Im Buddhismus gibt es ja das Bild von dem Floß, das einen in die Lage versetzt, den Fluß zu überqueren und dann - für einen anderen zurückgelassen werden kann oder, sich selbst überlassen, sich eben wieder in seine Bestandteile auflöst. Eine Metapher als Kontrapunkt zu dem "modernen" Menschen, der nach gelungener Überfahrt eher ein Fährunternehmen oder eine Reederei gründen würde als sich weiterzubewegen...

Alles hängt zusammen und unsere heutige Spaß- und Unterhaltungsgesellschaft hat dem Moment ihrer Gier auch einem Geist eingepflanzt, der heute wahrscheinlich mächtiger ist denn je: die Verbreitung von kulturtradierenden Marktprodukten hat den gesamten künstlerischen Bereich okkupiert und mit in die verhängnisvolle (Moebius)schleife von Angebot und Nachfrage gezerrt.
Wo landen wir, wenn wir verlernen auch dort etwas anzubieten, wonach nicht gefragt wird und Fragen zu stellen, für die noch keine Antwort parat steht ?
 

OldNick

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Hi Xilef,

ich verstehe, worauf Du hinaus willst - Du befindest Dich aber in einem unweigerlichen Dilemma. Du kritisierst den Massenmarkt, die industrielle Verbreitung von Kunst, lässt dabei allerdings das Problem aus, dass Dein Bild desjenigen, der sich mit einem Van Gogh begraben lässt, durchaus auch auf den Zustand vor dem Durchbruch des Massenmarktes zurückführen läßt. Erst wirklich mit den "roaring twenties" (mit im Verlauf zwischenzeitig abgeschwächter Entwicklung durch die Wirtschaftskrise) hat sich der gesamtgesellschaftliche Zugang verbessert. Auch die Filmtheater haben es vergleichsweise ärmeren Leuten ermöglicht, an Kultur zu partizipieren. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt, auch auf andere Bereiche übertragen, u.a. in den Freizeitbereich. Überhaupt klassische Freizeitbeschäftigungen waren bis in die 20er kein Thema für die working class.
Dies war ein Zustand mangelnden Zugangs. Und die Idee hinter dem Massenmarkt ist es, Zugang bei Wahrung egoistischer Interessen zu gewähren. Diese Möglichkeit hat erst den Grundstein zu einem kulturellen Bewußtsein bei einem überwiegenden Teil der Bevölkerung ermöglicht. Zuvor war der Zugang zur Kunst i.d.R. beschränkt, d.h. für die meisten nicht leistbar und ebensowenig betretbar (z.B. durch harte gesellschaftliche Richtlinien, die es Dir nicht erlaubten, einen Theater- oder Museumsbesuch ohne entsprechende Kleidung vorzunehmen).
Das kollektive, "freie" kulturelle Bewußtsein ist also noch jung, und es ist in aller erster Linie durch die Massen- und Unterhaltungsgesellschaft gestiftet, die Du angreifst.
Ich sehe, dem letzten Absatz folgend, allerdings auch nicht alles dergestalt schwarz wie Du. Es gibt außerhalb des Mainstreams durchaus eine sehr breite Szene, die Material dieser Art zur Verfügung stellt und Fragen - oftmals bis in die Extreme - stellt, die so niemals auf dem Mainstreammarkt veröffentlicht worden wären. Allerdings ist der Zugang dazu naturgemäß schwerer zu erreichen und mit einer Suche verbunden und die Einträglichkeit nicht annähernd auf dem Level, auf dem sich Mainstreammedien bewegen.
 

Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
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AW: Aktiv gegen ACTA!

Also ich sehe das weitgehend so wie Felix. Ich glaube der gegenwärtig vorherrschende "Antiplagiatismus" ist auch ein Wert, den die Werbepsychologen hinter der Wegwerfgesellschaft geschaffen haben, im Prinzip ein Resultat des Individualismus. Heutzutage ist eine "Mode" in Wirklichkeit ein Produktionszyklus von i.d.R. sechs Monaten, danach sollen die Leute gefälligst alles wegwerfen und neu kaufen. Den von Felix so schön beschriebenen Prozess kultureller Entwicklung des sich gegenseitig Befruchtens wollen sich viele gar nicht mehr eingestehen, weil ihnen die gültigen Werte suggerieren, es sei was schlechtes, wenn man zugibt von diesem oder jenem inspiriert worden zu sein, mal sowas ähnliches zu machen, aber in dem und dem Punkt eben anders. Ganz viele Musiker in meinem Umkreis reagieren ganz aggressiv, wenn isch sage, "Ah Dein Refrain gefällt mir, der erinnert mich an einen Song von Schießmichtot". Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass es überhaupt keine Schöpfung gibt, nur Rekombination. Auch Einstein beruft sich auf Theorien die es schon gab, als er sein Werk schuf.
Nick möchte ich freudig widersprechen ;), in der Hinsicht, dass 'das kollektive, "freie" kulturelle Bewußtsein' zwar in der Tat im Rahmen der gegebenen 'Unterhaltungsgesellschaft' entstanden ist, dass ich aber Kausal vor allem den Technischen Fortschritt der Gesellschaft Ursächlich dafür sehe, und ich denke, das dieser Aspekt gar nicht gleichzusetzen ist mit dem unterhaltungsgesellschaftlichen Charakter der Gesellschaft, sondern für mich ist aus dem was Xilif geschildert hat eher folgerichtig, dass letzterer Aspekt das freiheitliche Potential des Fortschritt eher ausbremsen tut. Amen.
Jedenfalls zeigt sich mir aus der ganzen ACTA-Geschichte, dass der Druck für einen Paradigmenwechsel steigt, dass man diese Probleme nur lösen kann, wenn man in Ganzheitlicheren Rahmen denkt, wie Xilef es vorgemacht hat.
 

OldNick

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AW: Aktiv gegen ACTA!

Nick möchte ich freudig widersprechen ;), in der Hinsicht, dass 'das kollektive, "freie" kulturelle Bewußtsein' zwar in der Tat im Rahmen der gegebenen 'Unterhaltungsgesellschaft' entstanden ist, dass ich aber Kausal vor allem den Technischen Fortschritt der Gesellschaft Ursächlich dafür sehe,

Hi Beipackzettel:),
ich zitiere jetzt deshalb so verschachtelt, weil man das aufdröseln muß. Du siehst als primären Kausalzusammenhang zur stückweisen Auflösung der zugangsbezogenen Klassengesellschaft den technischen Fortschritt? Das kann ich in diesem Sinne nicht erkennen. Gewiß ermöglichte der technischen Fortschritt (Kino, Radio) einen niederschwelligeren Zugang zu bestimmtem Material. Allerdings muß das Material erstmal da sein. Und ein Anbieter desselben. Die kommerzielle Nutzbarmachung, die Möglichkeit, einen großen Kreis an potentiellen Kunden anzusprechen, hat dafür gesorgt, dass diese technischen Möglichkeiten in dem Maße überhaupt erst zur Weitergabe an kulturellen Informationen genutzt wurde. Wenn Du sagst, dass die kommerzielle Nutzbarmachung obsolet ist, dann stimme ich Dir zu. Aber die Unterhaltungsindustrie hat zu einem erheblichen Maße dazu beigetragen, Klassenunterschiede auszuheben. Und das können wir - grob ab den 30er Jahren - mit stetigem Fortschritt beobachten.
Die technischen Möglichkeiten erleichtern den Zugang, aber das Marktprinzip hat die zugrunde liegenden Medien und die Nachfrage geschaffen. Jetzt leben wir in einer Zeit, in der ein Umbruch stattfindet - ich glaube auch, dass die Grenzen zwischen Schöpfer und Rezipient immer mehr verschwimmen wird, (das Hörtalkforum ist ein gutes Beispiel dafür).
Aber man darf, bei aller Massenmarktschelte, nicht vergessen, dass es ebenjener gewesen ist, der dazu geführt hat, die vorherigen Begrenzungen aufzuweichen.
In der Betrachtung des gegenwärtigen Zustandes sind wir uns, Beipackzettel, auf nahezu gruselige und erschreckende Weise einig ... smiley_emoticons_borg.gif
Aber ich würde fast sagen, dass dieses Thema einen neuen Thread bedingt und evtl. auch verdient.
 

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Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Aktiv gegen ACTA!

Ich finde es spannend, welchen Gang diese Diskussion hier genommen hat.

Auch wenn mir viele eurer Argumente einleuchten und sympathisch sind, möchte ich dann ganz dialektisch noch eine Gegenmeinung einbringen: Meiner Ansicht nach ist das (oft nichtige, vergebliche, also: eitle) Bestreben nach Originalität doch ein Motor, der die Kunst weiterbringt und lebendig hält.

Ein Phänomen der letzten 150 Jahre ist das Bestreben um originelle Urheberschaft dabei ja durchaus nicht. Ich mag nur kurz an den Geniekult des 18./19. Jahrhunderts erinnern.

Grundsätzlich bin ich jedem Künstler dankbar, der sich (häufig vergeblich) darum bemüht, mir als Rezipienten etwas zu bieten, was ich zuvor noch nicht gesehen, gehört, gelesen, gedacht habe. Und der eben nicht einfach bloß das kopiert, was er selbst vorher anderswo rezipiert hat. Und gerade wenn man sich die populären Genres anschaut, die ja prädestiniert dafür sind, Kunst "von der Stange" zu bieten, dann waren häufig jene Genrebeiträge, die wütend und aggressiv darauf abzielten, das Genre implo- oder explodieren zu lassen, gerade diejenigen, die ihm neue Möglichkeiten geschaffen und neue Räume erobert haben.

Aber mein eigentlicher Punkt ist ein anderer: Originalität kommt für mich aus einer Nähe zur Realität. "origin" ist der Ursprung, und der Ursprung all unserer Erzählungen ist das, was uns in der Wirklichkeit widerfährt oder das, was wir uns hinter der Wirklichkeit (im Sinne einer Metaphysik) vorstellen.
Der Bauarbeiter, der seinen Kollegen am Montag von seinen Wochenenderlebnissen berichtet, ist ein origineller Geschichtenerzähler.
Die Wirklichkeit ist immer neu, überraschend, originell.

Hätte ich vor einem Jahr eine Geschichte über den Untergang eines Kreuzfahrtschiffs schreiben müssen, hätte ich notgedrungen mit den mittlerweile generisch gewordenen Versatzstücken der Titanic-Berichte und -Fiktionalisierungen hantiert. Das Produkt wäre gähnend langweilig geworden.
Dann schlägt mit der "Costa Concordia" die Realität zu und erzählt eine unerhörte und deshalb vollkommen originelle Geschichte: Davon, dass es anscheinend üblich ist, dass Kreuzfahrtschiffe gefährlich nah ans Festland heranfahren, damit die Besatzung ihre Angehörigen grüßen können und die Passagiere etwas zu sehen haben. (Wer hätte das gewusst?) Die Geschichte von einem Kapitän, der (zumindest dem aktuellen Kenntnisstand nach) alles falsch macht, was man falsch machen kann, den Unfall kleinredet, sich als eriner der ersten selber rettet etc. etc.

Meine These: Wann immer wir uns darum bemühen, nah an die Wirklichkeit zu gehen, werden unsere Geschichten orginell.
Das soll aber keine Geringschätzung der phantatischen Genres ausdrücken. Im Gegenteil: Der Wirklichkeit kommen wir, meiner Ansicht nach, nur mit Phantasie bei. Die besten Werke des Science-Fiction- und Horror-Genres leiteten sich immer aus ganz real empfundenen Ängsten, Hoffnungen, Wünschen, Träumen, Phantasien ab.

Geschichten aber über Geisterjäger, die 500 Dämonen verhauen, entstehen nicht aus einem Funken, der aus der Realität herüberschlägt, sondern weil es vorher ähnliche Geschichten gab, die dann wiederum auf noch älteren Geschichten basieren. Am Anfang der Reihe stand möglicherweise die Sage von einem Helden, der den Drachen erschlagen hat. So etwas mag funktionieren, wenn man den Geschichten immer wieder aufs Neue irgend etwas beimischt, was ihren Bezug zu unserer heutigen Welt sicherstellt. Falls dies nicht geschieht und man stattdessen immer bloß Kopie an Kopie reiht, werden solche Geschichten öde und belanglos.
 
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Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Aktiv gegen ACTA!

@Zettel und Nick
Danke für Eure Beiträge, die ich beide gerne gelesen habe. Wir beginnen das Thema auf für mich interessante Weise zu umkreisen und beide Antworten regen sehr zum Nachdenken an. Spannend wäre sicher auch, wenn es eine Art wissenschaftlicher Studien gäbe darüber, wie sich von der Feudal- zur Bürgergesellschaft hin Kultur(Kunst)entwicklung und ihre Rezeption von vor 250 Jahren bis heute in den dynamisierten Schichten der Gesellschaft entwickelt hat. Allein schon die Parameter einer solchen Untersuchung zu definieren wäre aufregend...
 

wer.n wilke

wer.n the voice
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AW: Aktiv gegen ACTA!

(...) Spannend wäre sicher auch, wenn es eine Art wissenschaftlicher Studien gäbe darüber, wie sich von der Feudal- zur Bürgergesellschaft hin Kultur(Kunst)entwicklung und ihre Rezeption von vor 250 Jahren bis heute in den dynamisierten Schichten der Gesellschaft entwickelt hat. Allein schon die Parameter einer solchen Untersuchung zu definieren wäre aufregend...

-: "[…] Man bewundere die menschliche Gesellschaft, soviel man will, es wird deshalb nicht weniger wahr sein, dass sie die Menschen notwendigerweise dazu bringt, sich in dem Maße zu hassen, in dem ihre Interessen sich kreuzen, außerdem sich wechselseitig scheinbare Dienste zu erweisen und in Wirklichkeit sich alle vorstellbaren Übel zuzufügen. -
Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. … alle diese Übel sind die erste Wirkung des Eigentums und das untrennbare Gefolge der entstehenden Ungleichheit.“ (Wikipedia)
– Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen 1750 (Reclam, 1998, S. 115ff)

... nicht wahr, ersetzen wir das Wort "Land" durch "Geistiges Eigentum" und "bürgerliche Gesellschaft" durch "ACTA" - und schon haben wir die Verbindung zu einer seit 250 Jahren währenden Diskussion - ? -

lg wer.n



 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
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Hi Wern, schreib mir bitte mal den Autor dieser Abhandlung von 1750 auf - das gefällt mir. Am reizvollsten ist natürlich der Vergleich, denn während man den Trick mit den eingeschlagenen Pflöcken auf dem freien Land sehr plastisch als solchen nachempfinden kann, bin ich sicher, dass normalerweise "geistiges Eigentum" als Imponderabilie schlechthin empfunden wird, denn wer wollte mir streitig machen, daß nur ich selbst Anspruch habe auf die Heurekas innerhalb meines Hirnkaschtels. Aber nicht nur das Rad ist sicher mehr als einmal erfunden worden - und vielleicht wäre das der Aufhänger für eine nette Geschichte. Man stelle sich vor, Fred Feuerstein hielte das Patentrecht in Händen. Wo also verläuft eigentlich die Grenze des geistigen Eigentums ? in einer Zeit, in der eigentlich schon ab der ersten medialen Aufzeichnung kein Original mehr zustande kommt, sondern nur eine Kopie.
 

wer.n wilke

wer.n the voice
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Hi Wern, schreib mir bitte mal den Autor dieser Abhandlung von 1750 auf - das gefällt mir. Am reizvollsten ist natürlich der Vergleich, denn während man den Trick mit den eingeschlagenen Pflöcken auf dem freien Land sehr plastisch als solchen nachempfinden kann, bin ich sicher, dass normalerweise "geistiges Eigentum" als Imponderabilie schlechthin empfunden wird, denn wer wollte mir streitig machen, daß nur ich selbst Anspruch habe auf die Heurekas innerhalb meines Hirnkaschtels. Aber nicht nur das Rad ist sicher mehr als einmal erfunden worden - und vielleicht wäre das der Aufhänger für eine nette Geschichte. Man stelle sich vor, Fred Feuerstein hielte das Patentrecht in Händen. Wo also verläuft eigentlich die Grenze des geistigen Eigentums ? in einer Zeit, in der eigentlich schon ab der ersten medialen Aufzeichnung kein Original mehr zustande kommt, sondern nur eine Kopie.


:) - "... Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört. … alle diese Übel sind die erste Wirkung des Eigentums und das untrennbare Gefolge der entstehenden Ungleichheit.“

Nicht wahr? - das kommt uns doch irgendwie bekannt vor? - Geschrieben hat das der berühmt - berüchtigte "Zurück zur Natur" Jean-Jacques Rousseau (* 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville bei Paris) - über den sein Zeitgenosse Voltaire bemerkte: „Ich habe, mein Herr, Ihr neues Buch gegen die menschliche Gattung erhalten ... Niemand hat es mit mehr Geist unternommen, uns zu Tieren zu machen, als Sie; das Lesen ihres Buches erweckt in einem das Bedürfnis, auf allen Vieren herumzulaufen.“

lg wer.n
 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
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Danke Wern
Grosse Worte - da geht man wirklich in die Knie und - auf alle Viere. Muß ich mir besorgen.
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Aktiv gegen ACTA!

Wobei ich mir vorstellen kann, dass in unserer immer virtueller werdenden Welt demnächst nicht mehr das Eigentum so sehr entscheidend sein könnte, sondern der Zugang zu bestimmten Dingen.
"Access denied" könnte es demnächst immer häufiger heißen.

Denn während man eine Ware einmalig verkauft und danach über komplizierte Prozesse wie Sollbruchstellen ("1 Tag nach Ablauf der Garantie war der Staubsauger kaputt."), Moden ("Also, diese Jacke kannst du nun wirklich nicht mehr anziehen") und "Jetzt noch besser"-Features (Film X jetzt als Director's Cut mit 10 zusätzlichen Minuten! Film X jetzt in 3D! Film X jetzt in der Original-Kinofassung!) dafür sorgen muss, dass der Kunde die gleiche Ware noch einmal bzw. immer wieder kauft, kann man Zugänge wunderbar VERMIETEN.
 
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