Laurelius

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Hallo Leute,

anlässlich diverser Erfahrungen in den letzten Jahren, habe ich mir einige Gedanken über den kritischen/angebrachten Umgang mit Kunst und Künstlern gemacht.
Für mich ist Kunst (Film, Hörspiel, Musik ect.) erst einmal etwas unpolitisches. Frei von Ideologien oder Weltanschauungen. Ich selbst betrachte mich ebenfalls als einen unpolitischen Menschen. Aber ich habe oftmals feststellen müssen, dass einige Menschen durchaus kritisch mit Kunst und Künstlern umgehen.

Wir hatten zum Beispiel an unserem Theater vor einigen Tagen eine online Lesung einer Lovecraft Geschichte. Dazu hatten wir einen Trailer online gestellt um diese Lesung zu bewerben. Ein negativer Kommentar hat nicht lange auf sich warten lassen. Lovecraft sei Rassist gewesen und man könne doch dementsprechend kein Werk dieses Künstlers vorlesen. Wie denkt ihr darüber? Ich zu meinem Teil wusste nicht einmal, dass Lovecraft Rassist war. Gleich vorweg: Ich verurteile Rassimus in jeder Form. Es stellt sich mir aber die Frage, ab wann jemand ein Rassist ist. Inwiefern ist z.B. Lovecraft ein Kind seiner Zeit gewesen? War damals vielleicht eine Art unterschwelliger Rassimus dem Zeitgeist entsprechend normal bzw. alltäglich? Man wird ja in eine Gesellschaft hinein geboren. In ein Wertesystem. Man wird in ihr sozialisiert. Für mich stellt sich also die Frage, wie sich dieser Rassimus äußert. Wie er gelebt wird bzw. wurde. Desweiteren finde ich es in diesem Kontext wichtig, ob und wie der Rassimus oder allgemein fragwürdiges Gedankengut in den betreffenden Werken transportiert wird. Zeigt sich das Gedankengut des Künstlers? Zeigt es sich unterschwellig oder gar als Propaganda oder Hetze? Letzteres ist zu verurteilen und somit ein kritischer Umgang damit angebracht. Aber sollten wir Aufgrund der Ideologie oder Überzeugung einzelner Künstler kategorisch ihre Werke verschmähen oder gar verbieten? Wo fängt Zensur an? Darf man also, um beim Beispiel Lovecraft zu bleiben, seine Geschichten gerne hören oder gar vertonen, ohne Gewissenskonflikte zu bekommen oder gar kritisiert zu werden?

Wer kann also beurteilen und bestimmen mit welchem Künstler man sich guten Gewissens beschäftigen kann? Kann nicht vielleicht sogar eine Beschäftigung mit den Werken von kritisch beurteilten Künstlern fruchtbare Diskussionen auslösen?

Ich bin gespannt auf eure Meinungen und Ansichten zu diesem kontroversen Themenbereich.
 

Dagmar

I'm not weird, I'm gifted
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Ähnliche Fragen hab ich mir auch schon gestellt. Ich habe als Jugendliche Felidae als Roman sehr gemocht. Erst viel später habe ich erfahren was für ein rassistischer Vollidiot Akif Pirinci ist. Von dieser Idiotie finde ich in seinem Roman aber nichts, der beinhaltet ja keinen Rassismus, und frag mich daher auch: muss ich das Buch jetzt hassen, nur weil der Autor ein Vollpfosten ist? Anders sähe es für mich aus, wenn dem Buch ein latenter Rassismus inne wäre.

Und inwieweit ist es ok wenn bestehende Werke umgeschrieben werden? Ich bin damit aufgewachsen dass Pippis Papa Negerkönig ist. Für mich war das nie auch nur im Kern rassistisch, vielleicht weil ich in Bayern aufgewachsen bin, wo "Neger" einfach eben immer auch für viele Menschen ein ganz wertfreier Begriff für dunkelhäutige Menschen war. Einfach eine Bezeichnung. MIr kam da nie auch nur der Gedanke von Rassismus in den Kopf, sondern nur eben das Bild dass er jetzt wo lebt wo es viele dunkelhäutige Menschen gibt, und da eine Krone auf dem Kopf hat.

Muss man jetzt Astrid Lindgren verachten? Ist es richtig aus dem Negerkönig nachträglich einen Südseekönig zu machen? Ich glaube letzteres: ja. Weil die Bedeutung des Wortes sich verändert hat, weil wir uns nicht mehr das drunter vorstellen was ursprünglich mal ok war. Und Kinder auch noch nicht differenzieren können, sondern dann solche Wörter übernehmen und jemanden verletzen ohne es vielleicht zu wollen. Aber genauso falsch fänd ich es, Werke einfach abzuändern und das Original zu verschweigen. Ich denke es wäre wichtig eher den zeitlichen Zusammenhang zu erläutern. Durch eine Fußnote, oder ein Nachwort. Zu erklären: hier wurde was geändert, und zwar aus folgenden Gründen.

Schwieriger find ich es mit Werken, die eine Gesinnung wiederspiegeln. Aber auch da frag ich mich oft, wo zieht man die Grenze? Und finde keine Antwort. Vor- und Nachkriegsliteratur strotzt vor Frauenverachtung, veralteten Weltbildern, Patriotismus zum Schlechtwerden. Aber zeigt doch gleichzeitig auch einen Zeitgeist, ist ein Zeugnis einer vergangenen Epoche. Das auszuradieren kann doch auch nicht richtig sein. Ein gebildeter Umgang, eine Auseinandersetzung vor dem zeitlichen Hintergrund wäre da doch richtiger. Aber was dann? Nur noch in Unibibliotheken hinter Vorhängeschlössern verfügbar machen?!
Und was ist mit den Autoren, die in ihrer Zeit tolle, bewunderswerte Menschen waren - aber heute so nicht mehr gesellschaftstauglich? Alte Griechen haben kleine Jungs gevögelt, das war damals total normal. Wäre derselbe alte Grieche heute geboren täte er das vielleicht gar nicht, weil er ganz anders sozialisiert wäre.

Was ist mit uns selbst? Wäre eine/r von uns Literaturnobelpreisträger/in oder Charts-Musiker/in, ist aber auf dem Land mit Schnitzel und Bockwurst großgeworden, und in 200 Jahren sind Fleischesser das Verachtenswerteste was auf diesem Planeten rumläuft... wäre es dann ok unsere Kunst auszuradieren? weil wir in einer Welt aufgewachsen sind in der Fleischessen völlig normal war, in einer Zeit in der es das Wort "vegan" noch nichtmal in den Duden geschafft hatte? Und wir vermutlich, wären wir 200 Jahre später geboren worden, ebenfalls nicht verstehen könnten wie man Fleisch essen kann, weil völlig anders erzogen/sozialisiert?

Würde ich meiner Tochter, wenn ich eine hätte, die Nesthäkchen-Kinderbücher oder Pucki-Bücher zum Lesen geben? Ich weiß es nicht... vermutlich würde ich eher zu Büchern mit starken Mädchen greifen, von denen es glücklicherweise langsam immer mehr gibt. Aber VIELLEICHT würde ich ihr auch die alten Kinderbücher geben, und dann aber mit ihr drüber sprechen: wie findest du das? Wärst du gern wie Pucki? Sind Mädchen heute so? Was findest du besser?

Nicht zuletzt darf man ja auch nicht vergessen: wer vor 100 Jahren eine "starke Frau" war hatte es einfach auch verdammt viel schwerer. Vielleicht waren schwache Vorbilder ja sogar für das ein oder andere Seelenheil gesünder, weil insgesamt die Zeit noch nicht so weit war.

Oder was ist mit all den Heldengeschichten? Da laufen testosterongeschwängerte Muskelprotze rum, und schlachten Drachen und andere Ungeheuer ab, und dann kriegen sie als Belohnung das Weibchen. Man müsste eigentlich sämtliche Sagen, Legenden, Märchen vernichten oder umtexten. Wie kann es ok sein eine Frau in glühenden Schuhen rumlaufen zu lassen bis sie stirbt? Als MORAL?

Ich glaube ich fände es wichtiger, Werke einzeln zu begutachten, die Gesinnung darin zu prüfen, und entsprechend vorzugehen. NIcht den Künstler als ganzes zu verurteilen, sondern im Kontext. V.a. bei toten. Es ist doch schade wenn ein wunderschönes Werk zerstört wird weil wir heute irgend einen Aspekt nicht mehr mögen.
Und das Wissen fände ich wichtig. Um selbst entscheiden zu können. Vielleicht kann ich dann auch für mich entscheiden: boah, der Song ist so wunderschön, schade dass den so ein Arschloch singt. Aber ich mag den Song trotzdem.
 
Das habe ich vor ein paar Tagen auch drüber nachgedacht. Conan mit Arnold Schwarzenegger ist einer meiner Lieblingsfilme. John Milius, der Regisseur (der auch noch Red Dawn gemacht und die Drehbücher zur Serie Rome geschrieben hat), scheint, so ich das abschätzen kann, ein Waffennarr und Trump-Wähler zu sein. Mag ich beides nicht. Die Filme gucke ich mir trotzdem an. Auch Robert E. Howard, der Autor von Conan, ein Texaner, hätte heutzutage bestimmt ebenfalls Trump gewählt. Übrigens war er auch ein Brieffreund von Lovecraft. Das dieser schon öfter Rassist genannt wurde, war mir bekannt. Die Romane gefallen mir trotzdem. Aber in meinem Hinterkopf ist trotzdem ein gewisses Unwohlsein. Es ist schwierig.
 

schaldek

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Ich kann das sehr gut trennen.
Deswegen boykottiere ich ganz entschieden Filme mit Tom Cruise und Geschichten von Phillip Noyce, weil sie im Leben
für Dinge einstehen, die für mich nicht diskutabel sind.
Eine kleine Stimme in meinem Ohr empfiehlt mir aber auch, bloß nicht großartig zu kramen in den privaten Stories von prominenten Leuten, die ich mag. ;) Man würde wahrscheinlich sehr fündig werden. :eek:

Das mit Lovecraft wusste ICH nu noch nicht. Gut, den freundsschafte ich dann nicht auf FB. :D
 
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PeBu34

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Hallo Zusammen,

da mir zu diesem Thema viel zu viele Gedanken durch den Kopf schwirren, versuche ich einfach mal die eine oder andere Frage zu beantworten:

Wer kann also beurteilen und bestimmen mit welchem Künstler man sich guten Gewissens beschäftigen kann?
Letztlich niemand außer dir selbst! Andere können Künstler höchstens empfehlen oder - aus welchem Grund auch immer - vor ihnen oder ihren Werken warnen. Ob und aus welchem Grund du dich dann mit diesem Werk oder dem Künstler beschäftigst, ist deine eigene Entscheidung.

Kann nicht vielleicht sogar eine Beschäftigung mit den Werken von kritisch beurteilten Künstlern fruchtbare Diskussionen auslösen?
Das kann sie durchaus!
Zwei Punkte hierzu:
1. Was ist aber, wenn die (politische o.a.) Einstellung - z.B. eines Autors - in seinen Werken gar nicht erkennbar ist, weil er Unterhaltungsliteratur schreibt? Dann bringt die "Beschäftigung mit dem Werk" ja nicht den Diskussionsstoff, sondern die Beschäftigung mit dem Leben des Künstlers - und ggfs. die, mit der Diskrepanz zwischen Leben und Werk.
Ich lese Bücher allerdings meistens der Geschichte(n) wegen und nicht wegen der Einstellung des Autors, weiß darüber also nur etwas, wenn ich entweder zufällig etwas über den Autor erfahre oder wenn ich - aus welchem Grund auch immer - über ihn recherchiere.

2. Die Wirkung jedes Werkes - egal ob Buch, Film, Hörspiel oder was auch immer - ist nie vorhersehbar.
Ein Beispiel aus meiner Kindheit: Wir hatten uns in einer Schulstunde (ich glaube, in er vierten oder fünften Klasse) mit dem Thema Drogen auseinandergesetzt und uns einen Film dazu angeschaut. In einer Szene sagte jemand etwas wie "Farben werden zu Tönen und Töne werden zu Farben." Andere waren davon fasziniert, mich hat diese Vorstellung total abgeschreckt.
Das Resultat mag gewesen sein, dass der eine oder die andere grade auf Grund dieses Filmes "das mal ausprobiert hat", während ich mir gedacht habe: "Das will ich nie erleben!" Und das kann bei Büchern und Filmen zu anderen Themen genauso passieren.

Und jetzt hab ich "den Faden verloren" und höre lieber auf, bevor ich Unverständliches schreibe...

Liebe Grüße von
Peter :) (Wenn Fragen, einfach fragen! ;))
 

Lordol

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Ich mache es kurz..meine Einstellung dazu ist, der Autor Darsteller o.ä. bzw. Künstler interessieren mich nur bedingt. Es sind Personen, die ich höchst wahrscheinlich in meinem Leben nie persönlich kennenlernen werde bzw. kann weil u.a. Tod! Also kann ich mir von der Person auch kein eigenes Bild machen. Alle Infos basieren dann aus mind. dritter Hand. Demnach halte ich es so, dass ich gänzlich zwischen dem kunstobjekt und dem dahinter stehenden Künstler kategorisch trenne. Kurz gesagt der Künstler ist mir Egal... hauptsache das Werk gefällt mir.
 
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Hallo Leute,

anlässlich diverser Erfahrungen in den letzten Jahren, habe ich mir einige Gedanken über den kritischen/angebrachten Umgang mit Kunst und Künstlern gemacht.
Für mich ist Kunst (Film, Hörspiel, Musik ect.) erst einmal etwas unpolitisches. Frei von Ideologien oder Weltanschauungen. Ich selbst betrachte mich ebenfalls als einen unpolitischen Menschen. Aber ich habe oftmals feststellen müssen, dass einige Menschen durchaus kritisch mit Kunst und Künstlern umgehen.

Wir hatten zum Beispiel an unserem Theater vor einigen Tagen eine online Lesung einer Lovecraft Geschichte. Dazu hatten wir einen Trailer online gestellt um diese Lesung zu bewerben. Ein negativer Kommentar hat nicht lange auf sich warten lassen. Lovecraft sei Rassist gewesen und man könne doch dementsprechend kein Werk dieses Künstlers vorlesen. Wie denkt ihr darüber? Ich zu meinem Teil wusste nicht einmal, dass Lovecraft Rassist war. Gleich vorweg: Ich verurteile Rassimus in jeder Form. Es stellt sich mir aber die Frage, ab wann jemand ein Rassist ist. Inwiefern ist z.B. Lovecraft ein Kind seiner Zeit gewesen? War damals vielleicht eine Art unterschwelliger Rassimus dem Zeitgeist entsprechend normal bzw. alltäglich? Man wird ja in eine Gesellschaft hinein geboren. In ein Wertesystem. Man wird in ihr sozialisiert. Für mich stellt sich also die Frage, wie sich dieser Rassimus äußert. Wie er gelebt wird bzw. wurde. Desweiteren finde ich es in diesem Kontext wichtig, ob und wie der Rassimus oder allgemein fragwürdiges Gedankengut in den betreffenden Werken transportiert wird. Zeigt sich das Gedankengut des Künstlers? Zeigt es sich unterschwellig oder gar als Propaganda oder Hetze? Letzteres ist zu verurteilen und somit ein kritischer Umgang damit angebracht. Aber sollten wir Aufgrund der Ideologie oder Überzeugung einzelner Künstler kategorisch ihre Werke verschmähen oder gar verbieten? Wo fängt Zensur an? Darf man also, um beim Beispiel Lovecraft zu bleiben, seine Geschichten gerne hören oder gar vertonen, ohne Gewissenskonflikte zu bekommen oder gar kritisiert zu werden?

Wer kann also beurteilen und bestimmen mit welchem Künstler man sich guten Gewissens beschäftigen kann? Kann nicht vielleicht sogar eine Beschäftigung mit den Werken von kritisch beurteilten Künstlern fruchtbare Diskussionen auslösen?

Ich bin gespannt auf eure Meinungen und Ansichten zu diesem kontroversen Themenbereich.

Lieber Laurelius,

ich spreche auf meinem YT Kanal seit mehreren Jahren Werke von Lovecraft und Howard und kann von dem Rassismus-Hütchen, dass man ständig Autoren versucht überzuziehen ein Liedchen singen. Dabei am Rande erwähnt, das sind sehr wenige, die da der Schuh drückt. Ich finde es auch immer sehr Schade wenn eine künstlerische Darbietung wie dann vielleicht eben z. B. eine Lesung nicht zustande kommt aufgrund solcher kindischen "Zwischenrufe".

Es wäre wirklich mal schön wenn viele Leute auch endlich mal einfach begreifen würden, dass Themen wie Rassismus, Sexismus, etc. ein paar ganz einfache Dinge zugrunde liegen nämlich Verallgemeinerung, Gruppenbildung und der Ausschlussgedanke. Und das sind sind Dinge die immer in den verschiedensten Varianten im Mensch seit tausenden Jahren im Mensch verankert sind und vermutlich auch bleiben werden. Es ist immer das Selbe und das politische Lager, das Geschlecht, Religion ... spielen überhaupt keine Rolle dabei.

In der Linguistik gibt es einen Begriff, der lautet "euphemistische Tretmühle". Er beschreibt das tänzeln von einem Begriff auf den anderen um auch ja "politisch korrekt" zu bleiben um den negativen Gedanken hinter dem Begriff zu neutralisieren. Und so wechselt man beispielsweise vom "Krüppel" über Behinderter zu Mensch mit Behinderung und dann Mensch mit besonderen Bedürfnissen bis die Sprache völlig verhunzt ist. Dito beim Neger übergehend zum Farbigen usw. usf...

Es wird immer Menschen geben die etwas negatives in einen Begriff reininterpretieren werden, egal wie schön oder neutral er klingt, aber auf der anderen Seite auch immer Leute die versuchen werden anderen Menschen, die einen weniger schön klingenden Begriff verwenden, eine negative Gesinnung anzudichten. Und so spielt es sich dann leider auch im Bezug auf die Kunst bedauerlicherweise ab
Es gibt eine sehr berühmte Geschichte von Lovecraft, "Der Schatten über Innsmouth", und einige meinen, das es den Inbegriff von Lovecrafts Rassismus verkörpere. (Der "Rassist" war ja auch mit einer Jüdin verheiratet, nur so am Rande). Für mich persönlich ist das einfach eine spannende und unterhaltsame Horrorgeschichte. Howard, der Texaner war, schreibt in seinen Geschichten oft von "Negern" und in der nächsten Geschichte kämpft dann wieder ein schwarzer an der Seite des Helden und rettet alle. Würde ich so jemanden für einen Rassisten halten nur weil er Texaner war? Ist, weil Lovecraft vielleicht in einer Geschichte seinen Frust und seine Ängste auf alle Fremden projiziert hat alle anderen Geschichten schlecht, die völlig andere Themen behandeln?

Damit komme ich zu einer anderen wichtigen Sache, die man meiner Meinung nach nicht zu unterschätzen ist. Es wird in den Medien so viel Wind gegen Rassismus, gegen Frauenfeindlichkeit, und die ganze Palette, die wir alle kennen, halt gemacht, was dazu führt das viele Menschen selbst gerne ganz schnell den verallgemeinernden Finger zücken und meinen "dieses ist Rassistisch", "jenes ist Frauenfeindlich", aber dabei selbst viele Details außer acht lassen die uns zum Menschen machen und oft selbst ganz schnell dem gleichkommen was sie so verzweifelt zu bekämpfen versuchen. Andere wiederum sind einfach selbst frustriert oder hatten einfach einen schlechten Tag und fliehen sich in solche Themen, um Recht und Ordnung walten zu lassen, um eigene Unzulänglichkeiten zu kaschieren.

Soll wegen solcher Menschen die Kunst leiden? Sollte es nicht uns freistehen einer Geschichte, die vielleicht einen negativen Ursprung gehabt hat auch etwas positives abzugewinnen, oder vielleicht sogar etwas völlig neues woran keiner bis jetzt gedacht hat. Da fängt doch der wahre Faschismus erst an. Mit der Zensur. Dort hört doch die Gedankenfreiheit auf.

Ich finde man sollte sich immer Zeit nehmen so etwas zu verstehen und ich möchte wetten 90% der Leute käuen nur wieder, was sie irgendwo gehört oder gelesen haben ohne einmal selbst darüber nachgeforscht oder nachgedacht zu haben. Einfach zu sagen "dies ist so" und "jene Leute sind SO" is mir einfach zu wenig. Oft sind das Leute die nicht einen einzigen Historiker Bericht gelesen haben oder den Ursprung solch komplexer Thematiken versucht haben kennen zu lernen. Aber ich will jetzt nicht weiter Ausschweifen. Ich denke es ganz klar worum es da in erster Linie geht.

Bleib fröhlich und alles Liebe,

Gregor
 

Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
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....spannend diesen Thread zu lesen und dann vor allem einen Austausch weißer Menschen zu sehen, die von diesen Rassismen nicht weniger betroffen sein könnten? Was als rassistisch wahrgenommen wird, liegt nicht in unserer Deutungshoheit, wir sind nicht die Betroffenen.
Und zu sagen, Lovecraft war kein Rassist, weil er ja mit einer Jüdin verheiratet war, ist wie Äpfel und Birnen vergleichen.
Und zu sagen, Kunst ist unpolitisch und man selbst bezeichnet sich als unpolitisch, ist wie offen in die Welt herausschreien, dass man sich lieber Ohren und Augen zuhält, als sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen.
Wir müssen lernen zuzuhören und uns einzugestehen, dass wir die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben.
Ja, meine Worte sind sehr geradeheraus und direkt, aber ich bin es auch ein wenig müde zu sehen, wie sich derartiger Ausflüchte bedient wird.
Ich finde aber immerhin gut, dass die Frage sich den meisten immerhin stellt, das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
 
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....spannend diesen Thread zu lesen und dann vor allem einen Austausch weißer Menschen zu sehen, die von diesen Rassismen nicht weniger betroffen sein könnten? Was als rassistisch wahrgenommen wird, liegt nicht in unserer Deutungshoheit, wir sind nicht die Betroffenen.
Und zu sagen, Lovecraft war kein Rassist, weil er ja mit einer Jüdin verheiratet war, ist wie Äpfel und Birnen vergleichen.
Und zu sagen, Kunst ist unpolitisch und man selbst bezeichnet sich als unpolitisch, ist wie offen in die Welt herausschreien, dass man sich lieber Ohren und Augen zuhält, als sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen.
Wir müssen lernen zuzuhören und uns einzugestehen, dass wir die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben.
Ja, meine Worte sind sehr geradeheraus und direkt, aber ich bin es auch ein wenig müde zu sehen, wie sich derartiger Ausflüchte bedient wird.
Ich finde aber immerhin gut, dass die Frage sich den meisten immerhin stellt, das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Tut mir Leid, da hast du wohl was falsch verstanden, wenn du denkst, dass ich Lovecraft zum Antirassisten stempeln wollte weil er mit einer Jüdin verheiratet war. Eigentlich erschließt sich ja der Zusammenhang aus dem Rest, den ich geschrieben habe. Aber vielleicht habe ich ja den Grundgedanken zu umständlich erklärt. XD
Was ich allerdings nicht ganz verstehe ist, was daran so "spannend"ist, wie du es nennst, wenn Weiße sich über so ein Thema unterhalten. Wieso betrifft uns das nicht? Weil wir weiß sind? Wenn mein asiatischer Freund von Neonazis angegriffen wird betrifft mich das nicht? Wenn ich von Neonazis gepisakt werde, weil ich einen asiatischen Freund habe betrifft mich das nicht sagst du? Du schreibst es könnte uns nicht weniger betreffen, aber gleichzeitig sollen wir dann aber doch zuhören lernen und uns also auch damit in gewisser Weise auseinandersetzen, und das findest du dann auch noch "spannend". Ich fürchte ich kann dir nicht ganz folgen. Ich habe im übrigen auch eine asiatische Schwester, die wurde fest in der Corona Zeit diskriminiert und das hat mich SEHR betroffen. Privat und in der Firma (wir arbeiten in der selben). Also auf mehreren Ebenen.
 

Chaos

Schneewittchen
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Was ich allerdings nicht ganz verstehe ist, was daran so "spannend"ist, wie du es nennst, wenn Weiße sich über so ein Thema unterhalten. Wieso betrifft uns das nicht? Weil wir weiß sind?

Ok, nein, ich glaube wir reden aneinander vorbei! Ich werde versuchen, mich noch ein wenig klarer auszudrücken. Also, natürlich betrifft uns ALLE dieses Thema, was auch der Grund ist, warum ich nicht verstehen kann, wie jemand sein Leben oder Kunst im Allgemeinen als unpolitischen Raum begreifen kann. Weil wir ja alle Teil des ganzen Systems sind, auf welcher Seite auch immer. Rassismus und Diskriminierung geht uns insofern NATÜRLICH alle etwas an und jeder kann und sollte sich eine Meinung dazu bilden. Kunst ist Idee ist Meinung ist Politik, finde ich. Das dazu, ich wollte keinesfalls sagen, dass das nicht unser Bier ist, wenn wir uns in einer privilegierten Position befinden, uns damit auseinander zu setzen. ABER, und das ist, was ich eigentlich meine, ich finde es fast anmaßend, als nicht direkt von Rassismus betroffene Person bestimmen zu wollen, was rassistisch ist und was nicht. Es tut mir sehr leid, wenn ich Dinge, wie du sie schilderst, lese, dass Menschen in deinem Umfeld diskriminiert werden aufgrund einer von außen eingeordneten Herkunft/ Zugehörigkeit. Ich finde das ziemlich furchtbar und auch sehr nachvollziehbar, dass dich das betroffen macht. Würde mir ja auch so gehen.

Eigentlich finde ich vor allem, dass jeder sich und das was er konsumiert immer kritisch hinterfragen sollte. Sich damit auseinandersetzen, konfrontieren, informieren - und eben mit Menschen auseinandersetzen, die davon direkt betroffen sind. Weil wir eben alle Teil dieses Systems sind. Das "spannend" war wohl eine emotional besetzte zynische Bemerkung von mir, weil es eben doch leider zu häufig passiert, dass wir über solche Themen diskutieren, ohne diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die das ganz unmittelbar betrifft.

Ich hoffe, das ist jetzt klar genug ausgedrückt? Ich finde solche Themen immer ein wenig schwierig, prägnant und treffsicher in einem Thread zu diskutieren. Ich bin auch gerne für ne TS Diskussion oder ähnliches bereit, so is das nicht :D
 
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Für mich widersprechen sich folgende Aussagen: "und jeder kann und sollte sich eine Meinung dazu bilden..." und "ich finde es fast anmaßend, als nicht direkt von Rassismus betroffene Person bestimmen zu wollen, was rassistisch ist und was nicht."
Ich muss doch für mich bestimmen und festlegen, was rassistisch ist und was nicht - wie soll ich mir sonst eine Meinung bilden? Ich muss für mich einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen ich beurteilen/argumentieren etc kann, egal ob ich bereits einmal selbst diskriminiert wurde oder nicht. Warum sollten nur Leute, die bereits Diskriminierung am eigenen Leib erfahren haben, diese Eckpunkte für diese große große Diskussion festlegen? Warum muss ich hierzu 'andersrassig' oder sonst was sein? Sind wir nicht alle Menschen - darum geht es doch? Rassismus ist 'keine Einbahnstraße'. Da zu sagen, den geht's was an, der darf dieses und jenes in einer Diskussion, der andere hat weniger 'Privilegien' in der selben Diskussion - da frag ich mich, wer legt das jetzt wieder fest?
Kunst ist Idee ist Meinung ist Politik - das würde ich niemals fix so festlegen und bestimmen. Was ist mit dem schwarzen Punkt auf der weißen Leinwand, der für Millionen verkauft wird? Ein Gag, aber ganz bestimmt kein politischer. Kunst ist nicht immer politisch.
Ich finde diese Themen eigentlich gar nicht besonders schwierig. In Wahrheit ist das alles SEHR einfach. Aber ich würde anstatt forsch und direkt auf sowas zuzugehen mir stattdessen mehr Zeit nehmen um auf eh schon Geschriebenes direkter einzugehen anstatt zu verallgemeinern.
 
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Chaos

Schneewittchen
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Ich muss doch für mich bestimmen und festlegen, was rassistisch ist und was nicht - wie soll ich mir sonst eine Meinung bilden?
Naja, das kann ja beispielsweise geschehen, indem wir alle Menschen Gehör verschaffen, die Erfahrungen und Erlebnisse beisteuern können.
Sind wir nicht alle Menschen - darum geht es doch?
Ok, ich glaube, das jetzt auszudiskutieren, spreng wirklich das Threadthema.... Ja, wir sind alle Menschen, aber nein, wir sind leider nicht alle gleichberechtigt, weil Menschen Menschen offensichtlich aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Sozialstatus etc. unterschiedlich behandeln. Ich möchte jetzt aber auch nicht den Erklärbären hier mimen, weil ich ja auch aus einer privilegierten Situation heraus argumentiere. Es gibt gerade viel Diskurs dazu, gerade jetzt. Wie gesagt, sprengt vielleicht den Rahmen, aber gerne kann man mit mir auch woanders darüber diskutieren :) Bin ja hier gut erreichbar und wie gesagt auch offen wir "richtige" verbale Diskussionen :)

Kunst ist Idee ist Meinung ist Politik - das würde ich niemals fix so festlegen und bestimmen.
Okay, das kannst du für dich so entscheiden, es bleibt aber dennoch meine Meinung. Ich finde eben, dass Kunst ja auch das Produkt einer Person ist, die aus bestimmtem Kontext kommt und auf bestimmte Art dazu verleitet und inspiriert wurde und finde es deswegen untrennbar mit Meinung. Deswegen ist das ja auch so eine verzwickte Diskussion, wie und ob man jetzt Künstler:in und Werk voneinander trennen kann und die Meinungen dazu haben ja einige auch schon kritisch diskutiert (wie zum Beispiel @Dagmar in Hinblick auf A. Lindgren).
Menschen machen Fehler, das ist völlig normal. Aber Fehler können auch eingestanden werden. Und eben das gestaltet sich schwierig, wenn Schaffende und Konsumierende gleichermaßen die Augen davor verschließen und sich nicht damit auseinander setzen zu wollen.
Niemand erwartet von dir, dass du Lovecraft jetzt so scheiße findest, dass du dich nie wieder mit seinem Werk auseinander setzen möchtest. Aber ich finde es schon, erwartbar, dass sich mit impliziten oder expliziten Rassissmen im Lovecraftschen Werk auseinander gesetzt wird, um das Werk eben kritisch konsumieren zu können, wie ja auch @Dagmar diskutiert hat. Ob man dann wie @schaldek komplett boykottiert, ist eine persönliche Konsequenz. Ich finde das eben auch schwierig, weil die Konsequenzen, die man ziehen KANN, so vielseitig sind. Aber ich finde, es gehört einfach dazu, sich damit auseinandergesetzt zu haben.
Aber ich würde anstatt forsch und direkt auf sowas zuzugehen mir stattdessen mehr Zeit nehmen um auf eh schon Geschriebenes direkter einzugehen anstatt zu verallgemeinern.
Ich finde es ein wenig schade, dass du deinen Post auf dieser Note endest, das hat einen bitteren Beigeschmack für mich, weil es mir das Gefühl gibt, du möchtest meine Kritikpunkte damit entwirken, nur weil ich nicht auf jeden Post einzeln in vollstem Detailreichtum eingegangen bin. Ich bin direkt und sage auch gerne knallhart meine Meinung, aber ich bin ja hier niemandem ein Essay schuldig? Ich habe mich entschlossen, bestimmte Punkte kritisch zu hinterfragen und vielleicht habe ich auch aufgrund der aktuellen Bewegungen recht allgemein ausgedrückt, aber das heißt ja nicht, dass meine Aussage keine Berechtigung hätte. Ich spreche deiner ja auch nicht die Berechtigung ab :)

In diesem Sinne, ich find's richtig super, dass hier immer mal wieder sehr rege diskutiert wird, auch wenn es unangenehm ist. Aber genau deshalb ist es ja so wichtig, sonst hätte es ja gar keinen Grund für @Laurelius gegeben, den Thread überhaupt zu erstellen, wenn alles so einfach und gradlinig und ausreichend diskutiert worden wäre.
 

PeBu34

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ich finde es fast anmaßend, als nicht direkt von Rassismus betroffene Person bestimmen zu wollen, was rassistisch ist und was nicht.
Natürlich kann ich - als nicht von Rassismus Betroffener - nicht "bestimmen", was Rassismus ist! Genau so wenig kann ich das als nicht betroffener für andere "Bereiche" - Frauenfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit u.s.w.
Für mich als "Außenstehenden" geht es um Orientierung also: Welches Verhalten ist konkret rassistisch, frauenfeindlich, behindertenfeindlich und was ist in Ordnung? Und da beginnt für mich das Problem. In jeder dieser Gruppen gibt es viele verschiedene Menschen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen dazu, was als diskriminierend gilt und was nicht. Es gibt zwar Handlungen und Worte, die alle als diskriminierend ansehen, aber eben auch einige unterschiedliche Meinungen zu bestimmten Themen.

Ich bin z.B. Rollstuhlfahrer. Vor ca. 2 Jahren machte - anscheinend von einer relativ kleinen Gruppe von Rollstuhlfahrenden ausgehend - die Idee die Runde, dass man Rollstuhlfahrende nicht mit dem Wort "gehen" in Verbindung bringen dürfe. Statt: "Wo gehst du hin?" oder "Gehst du mit ins Kino?" müsse also gesagt werden: "Wo rollst du hin?" oder "Rollst du mit ins Kino?" Ich hatte mir darüber noch nie Gedanken gemacht, denn ich bin mit Begriffen wie "ins Kino gehen", "schwimmen gehen", "essen gehen" u.a. einfach aufgewachsen und habe sie immer ganz selbstverständlich verwendet. Für mich sind das feststehende Redewendungen und für mich galt einfach "das sagt man halt so". Für andere sind sie gelebte Diskriminierung. - Wie soll ein Außenstehender damit umgehen?

Um bei meinem Beispiel zu bleiben: Wie rede ich über/von Menschen mit Behinderung"? Sage ich "Krüppel", "Behinderter" "Mensch mit Handicap" oder "Mensch mit besonderen Bedürfnissen"?

Bei dem Wort "Krüppel" sind sich wohl die meisten Leute einig, dass das gar nicht geht. Wenn du aber "Betroffene" fragst, wird das unheimlich schwierig. Der eine sagt: "Ich bin behindert!" die andere "Ich habe eine Behinderung!", jemand drittes "Ich hab ein Handicap!" oder was auch immer. (Und wenn es um einzelne Behinderungen geht, wirds oft noch schwieriger.) Deshalb brauchen m.E. alle Menschen einen "Grundstock" an Verhaltensweisen, die sie selbst als nicht diskriminierend einstufen. Wenn sie dann z.B. mit einem Rollstuhlfahrer zu tun bekommen, müssen sie jedesmal wieder neu klären, was dieser eine Mensch als diskriminierend ansieht und was nicht. Und das gilt entsprechend auch für Frauen, Ausländer, u.s.w. ... :)

Liebe Grüße von
Peter :)
 
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Chaos

Schneewittchen
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Wie soll ein Außenstehender damit umgehen?
Ich würde nachfragen, was für dich okay ist und was nicht. Kommunikation halt! Man kann halt nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Reden hilft in der Regel. Deshalb find ichs ja so wichtig, nicht die Augen und Ohren zuzumachen! Ich glaube nicht, dass es eine 'one fits all' Lösung gibt.

Deshalb brauchen m.E. alle Menschen einen "Grundstock" an Verhaltensweisen, die sie selbst als nicht diskriminierend einstufen.

Also, das fällt ja in meine Argumentation rein, nur dass ich es schwierig finde, als Außenstehende zu entscheiden, was dieser Grundstock sein soll. Das meine ich eben mit "die Deutungshoheit obliegt mir nicht".
 
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Ich finde es einfach schade, dass jemandem eine Lovecraft-Lesung madig gemacht wird, weil jetzt jemand die Rassismuskeule schwingen muss. Immer gleich die große Grundsatzdebatte anreißen ist nicht immer zielführend. Manchmal geht es einfach nur um eine Lesung, um Unterhaltung. Nicht mehr. Rassismusdebatten müssen heute geführt werden, klar, mehr als je zuvor, aber WO ist die wichtige Frage. Ist es echt zielführend, das bei einer Lovecraft-Lesung vom Zaun zu brechen? Es gibt da die wahren Verbrecher. Lass es mich mal direkt sagen: Ein Hr. Trump täte gut daran, diese Debatte zu führen. Aber jemand, der einfach nur Lovecraft lesen will, hat wahrscheinlich keine rassistischen Hintergedanken. Ich konsumiere Kunst mit einem kritischen Blick, aber alles zu boykottieren oder schlecht zu machen, was vom Mindset her nicht hundert Prozent eine weiße Weste garantiert... da ist es schade um die Kunst.
 
Y

Yüksel

Wer kann also beurteilen und bestimmen mit welchem Künstler man sich guten Gewissens beschäftigen kann?
Niemand kann das objektiv bewerten, auch wenn es leider derzeit viele gibt, die das für sich in Anspruch nehmen.
Ein negativer Kommentar hat nicht lange auf sich warten lassen. Lovecraft sei Rassist gewesen und man könne doch dementsprechend kein Werk dieses Künstlers vorlesen.
Ach ja. Inzwischen ist es egal, was Du machst. Sobald du an die Öffentlichkeit gehst, wird sich irgendwer auf den Schlips getreten fühlen oder eben mit sowas wie dieser Rassismuskeule wedeln. In den seltensten Fällen ist das sachlich.
Es sind Personen, die ich höchst wahrscheinlich in meinem Leben nie persönlich kennenlernen werde bzw. kann weil u.a. Tod! Also kann ich mir von der Person auch kein eigenes Bild machen. Alle Infos basieren dann aus mind. dritter Hand. Demnach halte ich es so, dass ich gänzlich zwischen dem kunstobjekt und dem dahinter stehenden Künstler kategorisch trenne. Kurz gesagt der Künstler ist mir Egal... hauptsache das Werk gefällt mir.
So handhabe ich das auch. Z.B. mag ich sehr gerne die Musik von Richard Wagner und Richard Strauss. Nach dem, was kolportiert wird, hatten beide aus heutigem Blickwinkeln wohl fragwürdige Einstellungen. Es ist mir ehrlich gesagt egal, denn ich mag einfach deren Musik, und es steht mir nicht zu, die für irgend etwas zu verurteilen, was ich nicht beurteilen kann.
wo "Neger" einfach eben immer auch für viele Menschen ein ganz wertfreier Begriff für dunkelhäutige Menschen war. Einfach eine Bezeichnung.
Genau so siehts aus, auch bei uns zu Hause war das einfach nur eine Bezeichnung.
 

Chaos

Schneewittchen
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Ich konsumiere Kunst mit einem kritischen Blick, aber alles zu boykottieren oder schlecht zu machen, was vom Mindset her nicht hundert Prozent eine weiße Weste garantiert.
Aber das sagt ja auch keiner, dass du alles boykottieren sollst. Wenn du einen kritischen Blick auf die Dinge, die du konsumierst, pflegst, ist das doch schon total gut!

Ist es echt zielführend, das bei einer Lovecraft-Lesung vom Zaun zu brechen? Es gibt da die wahren Verbrecher.
Ich finde das immer ein schwieriges Argument, denn wer bist du, dass du entscheiden darfst, wo die Debatte anfängt? Das ist doch total die privilegierte Sichtweise. Wo soll man denn sonst ansetzen und heißt das, dass diese Kontroverse nicht relevant genug ist, um Beachtung zu erhalten? Ich glaube eben, dass diese Entscheidung bei denjenigen liegt, die das Anstößig finden.

Inzwischen ist es egal, was Du machst. Sobald du an die Öffentlichkeit gehst, wird sich irgendwer auf den Schlips getreten fühlen oder eben mit sowas wie dieser Rassismuskeule wedeln.
Sorry Jan, aber mit irgendwelchen "-ismuskeulen" zu argumentieren ist halt leider n total inhaltlich entleertes Totschlagargument. Du möchtest eine sachliche Debatte, aber drischst selbst Phrasen? Finde ich schwierig. Ich finde auch einfach, dass es nicht stimmt, dass man nichts mehr sagen/schreiben/etc darf. Ja, man 'muss' vielleicht kritischer reflektieren, aber was ist denn daran so schlimm? Das erschließt sich mich nicht.
 
Sprechprobe
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Ich finde das immer ein schwieriges Argument, denn wer bist du, dass du entscheiden darfst, wo die Debatte anfängt? Das ist doch total die privilegierte Sichtweise. Wo soll man denn sonst ansetzen und heißt das, dass diese Kontroverse nicht relevant genug ist, um Beachtung zu erhalten? Ich glaube eben, dass diese Entscheidung bei denjenigen liegt, die das Anstößig finden.
Eigentlich ist das Argument sehr leicht. Und wie ich schon schrieb, es gibt genug Leute die Ihrer Wut Luft machen wollen und jedes Thema als Vorwand hernehmen um eine Diskussion vom Zaun zu brechen. Jeder kann entscheiden wo eine Debatte anfängt und vor allem wo sie aufhört.
 

Laurelius

Mitglied
Hallo Leute,

vorab danke ich euch für die rege und konstruktive Beteiligung. Ich habe leider noch nicht die Zeit und innere Ruhe gefunden um konkret auf einige Punkte einzugehen. Es waren für mich sehr gute Gedanken und Sichtweisen dabei. Von daher freue ich mich über diese Diskussion. Eine gute Diskussion muss für mich übrigens nicht darin bestehen mit meiner Meinung zu überzeugen. Auch nicht darin felsenfest in meinen Sichtweisen verankert zu bleiben. Aber auch ebenfalls nicht alles annehmen zu müssen. Eine gute Diskussion ist für mich die Möglichkeit meinen Horizont zu erweitern. Andere Perspektiven und Sichtweisen ect. zu erfahren und evtl. etwas für mich daraus zu übernehmen. Eine gute Diskussion beeinhaltet für mich auch andere Meinungen stehen lassen zu können. Ich muss weder alles verstehen oder mögen. Aber ich kann versuchen es zu akzeptieren. So etwas ist übrigens nicht immer leicht. Wir sind keine Maschinen sondern emotionale Wesen. Jeder mit seiner individuellen, auf Erfahrungen basierenden Prägung. Da ist quasi vorprogrammiert, dass es so etwas wie rote Tücher gibt. Gerade im geschriebenen Wort entstehen oft Differenzen. Es fehlt Mimik, Gestik und Tonfall usw. Zudem kennt man sein Gegenüber meist nicht (gut genug) um etwas richtig einschätzen zu können. Also sind Missverständnisse oft Bestandteil von Diskussionen. Ich finde aber, dass es hier gut abläuft. Kenne da aus meiner langjährigen Foren Erfahrung ganz andere Situationen. Aber ich schweife ab. Zurück zum Thema.

Für mich ist weniger ein Wort wichtig - als die Gewichtung dahinter. Man sollte also differenziert betrachten wie etwas gemeint wurde. Wenn zum Beispiel eine ältere Person beiläufig und ohne Hass und Ablehnung den Begriff "Neger" verwendet, ganz einfach weil der Begriff zu dem vertrauten Wortschatz gehört, ist es für mich nicht dramatisch. Aber wenn zum Beispiel ein rechter Skinhead oder ein NPD Anhänger abfällig und verächtlich von den Negern redet, sieht die Sache wieder ganz anders aus.

Als Kind hörte ich gerne John Sinclair Kassetten. In einer Folge wurde ein Zeuge zu einem Tatvorgang befragt. Er sagte aus, eine dunkle Gestalt gesehen zu haben. Der Fragensteller sagte daraufhin wie aus der Pistole geschossen: " Also ein Neger". Als Kind habe ich nicht darüber nachgedacht. Heute kann ich darüber schmunzeln. Empfinde es fast als eine Art unfreiwillige Komik. Aber die Frage ist doch, was steckte dahinter? Ist Jason Dark ein Rassisst? Verwendete er diese Situation in seiner Geschichte um seine Ideologie zu transportieren? Oder ist es Beweis für seine unterschwellige Alltags Fremdenfeindlichkeit? Oder hat er den Begriff wertfrei verwendet?

Ich möchte auf einen weiteren Bestandteil eingehen. Vor einigen Jahren machte die Schwester einer Ex gegen eine skandinavische Band mobil. Diese Band war ihrer Meinung nach rechts und man müsse nun verhindern, dass diese Band auf deutschen Festivals auftreten dürfte. Dafür startete sie eine Rundmail Kampagne. Ihre Fakten waren für mich aber etwas wage. Auf Nachfrage gab sie an, dass man sich ja nur einmal das Runentattoo des Bassisten ansehen müsse. Hier wird es für mich schwierig. Die nordische Mythologie weist ähnliche Symbole wie die germanische Mythologie auf. Die Nationalsozialisten verwendeten diese Symbole. Aber ist ein Symbol böse oder schlecht? Und wird jemand, der so ein Symbol auf der Haut trägt auch automatisch böse? Was wenn es mit seiner Kultur oder einer Art Vorliebe für Mystizismus zu tun hat? Ist es dann nicht Hetze aufgrund von Vorurteilen? Vorschnelle und leichtfertige Urteile?

Es gilt also meines Erachtens auf einer differenzierte Art und Weise kritisch mit etwas umzugehen. Kritisch auch im Sinne von prüfend. Ich halte es für gefährlich Kunst und Künstler vorschnell zu kritisieren oder gar zu zensieren. Es muss unterschieden werden zwischen Hetze und Propaganda und Zeitgeist. Es gilt nicht darum diesen Zeitgeit aus heutiger Sicht zu verstehen oder zu mögen. Es gilt darum genauer hinzuschauen. Man sollte also meiner Meinung nach weder naiv oder blind sein. Man sollte aber auch nicht zu sehr übers Ziel hinaus schießen.

Abschließend noch einige Worte über meine Eingangs erwähnte unpolitische Einstellung. Ich halte mich insofern für keinen politischen Menschen indem ich mich nicht in eine politische Schublade einordne. Ich sehe mich also weder als links, rechts, liberal, konservativ, grün oder whatever. Ebenso wie ich mich zum Beispiel auch nicht als patrotisch oder national betrachte. Ich empfinde mich nicht einmal als deutsch. Ich identifiziere mich eher mit meiner Heimatstadt oder der Landschaft in der ich lebe. Aber dadurch, dass ich mich in meiner Defintion als unpolitisch betrachte, sehe ich mich nicht als desinteressiert oder gleichgültig den Problemen der Welt gegenüber. Ganz im Gegenteil. Ich denke oft mehr darüber nach als mir lieb ist. Mehr als es mir oft gut tut. Denn gewisse Dinge kann ich nicht ändern. Dadurch fühle ich mich oft hilflos und frustriert, wenn mein Gerechtigkeitssinn mir zu schaffen macht.

Was die Probleme der Welt wie Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit usw. angeht, empfinde ich als weniger bedeutend unsere Sprache beständig anzupassen, als etwas an den Zuständen zu ändern. Was bringen dem Zeitgeist angepasste Worte wenn die Taten ausbleiben? Es wird sich meiner Meinung nach mehr über Worte echauffiert als über Missstände. Wir können alles schön verpacken. Aber auch in einem schön verpackten Geschenk kann nur ein stinkender Haufen Mist enthalten sein. Neger wird also nicht mehr gesagt. In Astrid Lindgren Büchern wird es gestrichen. Aber die Lettow-Vorbeck Kasernen und Straßen gibt es noch und Frauen verdienen für die gleiche Arbeit weniger. Den schwulen Moderator akzeptieren wir aber die beiden knutschenden Männer auf der Parkbank wollen wir nicht sehen.
Wir arbeiten mit einem Türken und quatschen in der Pause gerne mit ihm, wir essen gerne Döner aber unsere Tochter soll doch gefälligst mit einem Deutschen ausgehen. Doppelmoral?
 
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