AW: Tempus Fugit - Raus aus Berlin
Hallo miteinander,
ich muss ja noch so vieles hören, um da auch noch mal ein Feedback geben zu können. Bei Tempus Fugit hatte ich die Gelegenheit, vorab das fertge Werk zu hören.
Das Skript: "Raus aus Berlin" ist nun keine Geschichte, die, frei erfunden, eine Reaktion beim Publikum auslösen soll. Flucht, Vertreibung, Verluste (in der Familie, Freunde und/oder die eigenen 4 Wände) quälten damals die Zivilbevölkerung immens, so dass es hier viele Blickwinkel gibt, aus denen man die Geschichte betrachten kann. Dieses Hörspiel betrachtet sie aus der Sicht von Kindern, die fernab von ihrer Heimat langsam erkennen müssen, dass die Doktrin des Nationalsozialismus sie komplett vereinahmt hat. Es zeigt die Ängste und Hoffnungen auf, die die Kinder damals hatten, da sie fernab von ihrem zu Hause keine Ahnung hatten, wie es ihren Eltern oder Verwandten geht. Ohne eine Moral von der Geschichte aufzudrücken, werden die Veränderungen sowohl von außen, als auch in der Sichtweise der Kinder manchmal langsam wie auch drastisch verändert. Am Ende steht zwar Happy End, welches aber durch die Ereignisse und die Lebenserfahrung gezeichnet ist. Wenn man nun im Augenmerk hat, dass all das, was man gehört hat, die Erinnerungen eines Menschen sind, der diese Zeit miterlebt hat, kann man sich heute glücklich schätzen diese Art der Dramatik nicht selbst miterlebt zu haben. Als Hörer jedoch ist es eine packende Geschichte, die eigentlich alles bietet, was man von einem Drama erwartet. Gute Arbeit, Marco
Die Sprecher:
Phillp Süß als Klaus und Stefan Fritsche als Dieter haben hier in ihrem Spiel eine hervorragende Mischung an Dialogen abgeliefert. Die Rollen wirken autentisch und auch die Gefühle nicht aufgesetzt oder gar überzogen. Felix Würgler als Papa Heine überzeugt ebenfalls, zumal er hier eine Rolle spielt, die man von den anderen Hörspielen weniger gehört hat. Warm, herzlich, streng und fürsorglich. Absolut klasse. Auch Jan Münter als Fähnleinführer Holz stach für mich besonders hervor. Aber auch die anderen, wie Aiga Kornemann, Roland Möntemann, Dennis Oberhach, Patrick Steiner, Klaus Schankin und all die hier ungenannten fand ich sehr einfühlsam im Spiel.
Der Schnitt:
Hier hat Marcel etwas wirklich großartiges abgeliefert. Es war nicht spatanisch geschnitten. Aber die Effekte flossen wohldosiert in die Handlung ein. Die Dialoge waren flüssig und in dem Tempo wie man es erwartet. Effektvoll und toll umgesetzt fand ich die sowohl die Frontszene als auch die Bombardierung Berlins. Aber vor allem die stillen Szenen wirkten in ihrer Kulisse sehr homogen.
Musik:
Diese fand in dem Hörspiel einen seichten Unterton. Die Handlung lag im Vordergrund - nicht die Musik. Dennoch war sie stimmungsvoll hatte eben diesen Schmerz, als auch eine seichte melancholische Ader. An manchen Stellen hätte ich sie vielleicht noch in ihrer Lautheit mehr nach vorne geholt. Allerdings ist Marcel hier seiner Linie treu geblieben und so bleibt alles in sich homogen.
Cover:
Das gewählte Bild der alten Lok, wie auch die Farbabmischung rücken das Gesamtergebnis ins rechte Licht. Schön gemacht.
Fazit:
"Raus aus Berlin" trifft sowohl den Nerv der Jahrgänge, die in dieser Zeit gelebt haben, als auch diejenigen, die mit diesen Geschichten aufgewachsen sind. In den letzten Jahren ist immer mal wieder die "Schulddiskussion" entbrannt, in der man sich doch am liebsten von der vergangenen Zeit lossagen will um damit seine eigenen Ideologien ins "rechte" Licht zu rücken. Eben den letzteren unter uns Deutschen wird dieses Hörspiel ein weiteres "ausgelutschtes" Thema bleiben. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Generation, die diesen Krieg erlebt hat, bald ausgestorben ist. Noch haben wir die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge zu hören. Diese sollten wir nutzen. Das Hörspiel fängt eben diese Momente ein. Ohne Anklage, ohne Schuldzuweisung oder Entschuldigungsfloskeln. Es ist einfach eine Geschichte einzelner in einer der düstersten Kapitel deutscher Geschichte.
Viele Grüße, Michael