aurelin

Where ist online?
AW: Fight Club (Buch) Vorwort

Und dann noch mal meinen Senf dazu aus (gesangs-)pädagogischer Sicht:

Talent als Begriff ist die Ausflucht schlechter Pädagogik, sich nicht intensiv mit den individuellen Möglichkeiten eines Schülers auseinanderzusetzen und statt dessen via Talentbegriff einen Qualitätsbegriff zu definieren, der die Anwendung pädagogischer Methoden über deren Möglichkeiten und Ziele (das "künstlerische Wohl des Schülers") stellt und entspricht damit dem Kaschieren von Seiten des Pädagogen von entweder zu wenig Mühe oder zu wenig fachlicher Kompetenz.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2365

AW: Fight Club (Buch) Vorwort

individuellen Möglichkeiten eines Schülers.

aber ist das nicht eine andere Formulierung des (Nicht-)Vorhandenseins von Talent? :)

Ich denke schon, dass es soetwas wie Talent gibt. Man merkt doch, dass man manche Sachen gut kann (und andere eben weniger). Allerdings denke ich nicht, dass Talent ein Auschlusskritierium ist. Ich denke, man kann alles lernen, manche eben leichter, andere weniger leicht. Aber von vornherein ist nichts unmöglich.

Mal ganz davon abgesehen, denke ich, dass der Mensch ohnehin dazu neigt, das zu tun, was er gut kann. Das ist ja die reine Konditionierung: Kann man etwas gut, dann stellen sich Erfolgserlebnisse ein und man macht weiter. Die Sachen, die man nicht so gut kann, befriedigen einen nicht, sie machen auf Dauer keinen Spaß, also lässt man es.

Edit:
Um die Frage aus dem Threadtitel zu beantworten: Nein! Keine Vorraussetzung. Wenn überhaupt, dann eine Erleichterung.

...oder so :)
 

Tim Gössler

Musiker, Sprecher, Cutter
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AW: Fight Club (Buch) Vorwort

Was man, denke ich, generell feststellen kann, ist, dass jeder Mensch eine oder mehrere Begabungen hat, also Dinge, die besonders leicht fallen und in denen es weniger schwer fällt, Fortschritte zu machen. Manchmal "fallen Dinge" auch quasi zu, bis zu einem bestimmten Punkt. Ebenso und im Vergleich dazu zu einem weit größeren Anteil, gibt es meist Dinge, die Menschen nicht besonders gut oder vielleicht nur sehr schwer können. Da spielt dann auch die Motivation eine Rolle, die das Lernen bekanntlich erleichtern kann, wenn vorhanden.

Mag auch eine Begabung vorhanden sein, so kann die Weiterentwicklung der Fähigkeiten nicht ohne Arbeit und Beschäftigung mit der bestimmten Materie gelingen. Auch Mozart hat als Kind und später als Erwachsener den größten Teil seiner Zeit mit Musik verbracht. Ohne diese Beschäftigung damit, wäre er bestimmt nicht der gerühmte Komponist geworden, auch wenn er noch so eine große Begabung und Auffassungsgabe in dem Bereich besessen haben mag.
 

aurelin

Where ist online?
AW: Fight Club (Buch) Vorwort

aber ist das nicht eine andere Formulierung des (Nicht-)Vorhandenseins von Talent? :)

Ich habe da ja aus meiner beruflichen Perspektive gesprochen: Wenn ich sehe, wie viele Arten des Singens es weltweit gibt (und ich kenne immer noch viel zu wenig davon), dann ist es schwer vorstellbar, dass nicht in zumindest einer diese Arten (die jeweils andere Herausforderungen an den Gesangsapparat stellen) ein jeder talentiert wäre.
Also hängt ein Talentbegriff für mich zumindest im kreativen/künstlerischen Bereich (wie weit hätte sich Fußball entwickeln können, wenn das Spiel kreative Neuerungen zugelassen? Z.B. Fußball mit zwei Bällen und vier Toren würde ja ganz andere "Begabungen" voraussetzen) auch von kulturellen Vorlieben ab.
Also könnte man folgern, dass ein Talentbegriff im kulturellen Bereich umso wirksamer wird, je eingeschränkter die Wahrnehmung und damit die Vorstellung und damit letztlich die Toleranz gegenüber der Verschiedenheit von Kultur ist. Wenn ich davon ausgehe, dann liebe ich es zumindest weiterhin schön bunt und spare mir ein einschränkenden Talentbegriff und versuche lieber in all dieser Buntheit das zu finden, was meine Sinne ganz persönlich anregt. Und das hat nach meiner Erfahrung viel mehr mit Handwerk, Erfahrung und sich aus dem Werdegang herauskristallisierenden Vorlieben zu tun.


Ohne diese Beschäftigung damit, wäre er bestimmt nicht der gerühmte Komponist geworden, auch wenn er noch so eine große Begabung und Auffassungsgabe in dem Bereich besessen haben mag.

Au weh, wieviel langweiliger wäre Mozart dann wohl ohne Talent geworden :eek: - nehme alles vorherige zurück. Kleiner Scherz ;)
 

Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
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AW: Fight Club (Buch) Vorwort

Na hier is ja wieder der Bär los :D

Also ich bin da mit Nick zur abwechslung mal zu 99% einer Meinung. Auch Jamie's Darstellung sagt mir sehr zu. und ich finde es auch kein bisschen müßig über "Talent" zu diskutieren, sondern sehr wichtig. Es ist in der Tat eigentlich die politische Disskussion Genetik vs. Sozialisation. Als ganzheitlich denkender Mnsch sage ich auch, die Wahrheit dümpelt irgendwo in der Grauzone. Man ließt immer mal wieder Haarsträubende Artikel, Genetiker hätten das Gen für dieses und jenes isoliert, Musikalität, Führungskompetenzen, blabla. Ich tendiere eher dazu, dass man die frühkindliche Prägung nicht hoch genug bewerten kann. Wie Jamie schon sagte, es sind ganz oft die eigenen Eltern und auch die Lehrer, die einem quasi das "Talent geraubt haben". Als Instrumentallehrer erlebe ich mit erschreckender Häufigkeit, dass Erwachsene Menschen völlig von zweifeln Zerfressen in meinen Unterricht kommen und sagen, "Ich weiß nicht ob ich Talent habe", und es sind in der Regel die selben die dann am Anfang jeder Stunde die Liste der Ausreden herunterbeten, warum sie nicht zum Üben gekommen sind. Ich finde es auch interessant, woher diese Denke kommt. Ich habe mal ohne irgendwelches Vorwissen eine Ausbildung als Waldorflehrer begonnen und sie dann ziemlich schnell wieder abgebrochen, aus genau diesen Gründen: Die erste hälfte des 20. Jahrhundert war geprägt vom Dogma der Genetischen Disposition, auch wenn es damals andere Termini dafür gab, der ganz Rassen- und Arierscheiß basiert darauf. Auch schon davor, Kollionalisierungsepboche, Sklaverei etc. Dieses Weltbild wurde bis heute durch viele Familien getragen, einfach weil es wie selbstverständlich akzeptiert wurde und es keinen Anlass gab das in Frage zu stellen. Ich unterstelle hier überhaut keinen bösen Willen oder so was.
Ich denke schon, "Man kann alles schaffen, wenn man nur will", aber diese Floskel , denn das ist es auch für mich, ist in meinen Augen genauso unwirksam, weil sich die Katze hier in den Schwanz beißt. Für viele Menschen ist nämlich das Wollen scheinbar eine Leistung, im sinne der Leistungsgesällschaft und das Nichtwollen entsprechend ein Vorwurf, und es stellt sich so ein Bauchgefühle ein, man habe vielleicht auch zum Wollen nicht das nötige Talent.
Ließt man aber pädagogische Fachliteratur die etwa seit den 70ern ganz andere Modelle etabliert, stolpert man öfter über den Begriff Eigenverantwortlichkeit, und Motivation. Bei mir ist es einfach so, wenn mich etwas interessiert, wenn es mich begeistert, dann brauche ich mich überhaupt nicht dazu zu zwingen es zu üben. Die Gitarre steht in der Ecke und zieht mich quasi magisch an. Ich will das Ding einfach nicht mehr weg legen, aus meiner eigenen Verantwortung heraus entscheide ich mich, mich diesem Studium mit Lust hinzugeben, und es kostet mich keine Energie der Überwindung. Es ist aufgrund - wie ich glaube - ungefähr 1% meiner Disposition und 99 % meiner Sozialisation genau das, was mich in dem Moment weiterwachsen lässt, mir hilft mich zu entfalten, und ICH entscheide mich dafür.

Ich habe diese Bücher gelesen, weil ich Vater wurde und große Angst davor hatte. Ich wusste, dass ich anders sein wollte als mein Vater, aber ich wusste nicht warum oder in wie fern. Ich und die Mama haben daraufhin an unserer Sprache gearbeitet, haben eine Zeit lang das Wort "müssen" oder "sollen" konsequent aus unserem Vokabular verbannt und durch wollen ersetzt. Traumhaft! "Ich will noch abwaschen", "Ich will kurz aufräumen". Ich bin ja nicht ferngesteuert sondern mündig, ich mache nichts was ich nicht will, niemand außer mir selbst bewegt meinen Körper zur Spüle und dreht den Hahn auf, es gibt kein "Über-Ich". Das war für mich das größte Erlebnis von Freiheit ever. Und das Gedeihen unseres Sohnes gibt uns recht, er kann alles was er will, egal ob es Kindern in seinem alter zugetraut wird oder nicht. Und er sagt nie "Kann ich nicht" sondern immer "möchte ich nicht". Wir sind begeistert.

Nun frage ich mich natürlich, was motiviert diese Leute, die nicht motiviert sind ihr Instument zu lernen dazu Unterricht zu nehmen? Gute Frage... Einige sind mit ihrem Leben unzufrieden, wollen was neues probieren und sind fasziniert von Menschen die Musik machen, weil sie es schön finden und sie denken "So wäre ich auch gern". Im Prinzip Symptomdokterei, Aspirin. Genau die selben Menschen erzählen auch gern in ihrer bezahlten Unterrichtszeit alles mögliche aus ihrem Leben und nutzen die Sache als Gesprächstherapie. Das dürfte man natürlich nie aussprechen, aber eigentlich ist es ja total folgerichtig, da sitzt einer vor ihnen, der ein Leben lebt, dass sie bewundern und innerlich fragen sie sich, was hindert mich daran das auch zu tun. Das soll sich jetzt nicht selbstverliebt anhören, oder als wäre diese Art zu Leben das einzig ware, ich meine einzelne Menschen, die in ihrem Lehrer was sehen, was sie vermissen, und das ist bei genauerem hinsehen oft nicht das zu erlernende Handwerk.

Aber ich schweife zu sehr aus... in diesem Sinne, ich bin auch für die Kartoffel, in meinen Augen ist der Begriff "Talent" absolutes Gift.
 

OldNick

Mitglied
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AW: Fight Club (Buch) Vorwort

@Beipackzettel:

Also ich bin da mit Nick zur abwechslung mal zu 99% einer Meinung.

HEY! :devil:

Es ist in der Tat eigentlich die politische Disskussion Genetik vs. Sozialisation. Als ganzheitlich denkender Mnsch sage ich auch, die Wahrheit dümpelt irgendwo in der Grauzone.

Vielleicht gibt es in diesem "vs.-Konstrukt" überhaupt gar keine Wahrheit. "Talent durch Genetik oder Sozialisation" sind im Endeffekt nur Anteile desselben Metakonstrukts. Vielleicht ist der gute Nils (ausnahmsweise mal *grummel*) auf der genau richtigen Spur, indem er auf den Willen des Einzelnen setzt. Oftmals steht hinter denjenigen, die angeblich "kein Talent" haben, mangelnder Wille das Wesen der Tätigkeit betreffend. Du hast das schon wunderbar aufgeführt. Wenn ich mir (was, zugegebenermaßen selten und nur für kurze Zeit vorkommt) diese ganzen Talent- und Castingshows angucke, dann liegt der Wille einer Vielzahl der Teilnehmer eher in dem ganzen Drumherum, das das Showbusiness mit sich bringt, nicht aber in dem Erlernen des eigentlichen Gegenstandes selbst (Musik).

Woher das Talentdenken kommt, hast Du wunderbar umschrieben - die wissenschaftliche Akzeptanz der Eugenik in Zusammenhang mit div. Fachdisziplinen (mein Lieblingsbeispiel, die Wiege der modernen Kriminologie, Cesare Lombroso, der sich über den Typus des "geborenen Verbrechers" ausgelassen hat), aber auch in früherer Zeit der Gottesglaube, der zu der Ableitung des gottgewollten Wunderkinds geführt hat.

Je mehr man sich an solche Axiome hängt, desto mehr gibt man seine Eigenverantwortung auf - man begibt sich in einen gewählten Zustand der Determination, aus der heraus es immer komplizierter wird, seinen Willen zu tun - ja, sogar denselben herauszufinden.
Ich glaube (auch, wenn's Dir wenig bedeutet), Du bist da auf einem sehr guten Weg mit Deiner Erziehung.

LG,
OldNick
 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Fight Club (Buch) Vorwort

Ich glaube (auch, wenn's Dir wenig bedeutet), Du bist da auf einem sehr guten Weg mit Deiner Erziehung
Ich hoffe Nick, Du merkst, wie suggestiv du manchmal kommunizierst; genau so etwas, wie hier oben (worauf Du genausogut verzichten könntest) ist ein Beispielsatz (eine semiologische Finte) aus dem Erziehungsrepertoire der Eltern oder Großeltern; denn die längste Zeit hat das Gros der Erziehenden immer möglichst da nach "Talenten" Ausschau gehalten, wo sie in emotionaler Bedingtheit seitens der Eltern für etwas standen, dass das Kind tun könnte, um Papa und Mama nicht zu enttäuschen, um ihr kleiner (neu) aufgehender Stern für all das zu sein, daß sie sich selbst versagen mußten oder nie zugetraut haben (s. auch Jamie's Hinweis auf den "Raub der Talente" ).
Mich verblüfft, wie schnell diese ansich harmlose Frage nach dem Talent eine Diskussion mirnixdirnix auf eine Art Pulverfaßrand hochschäumt. Wieviel persönliche Kränkungen und Schicksale werden denn hier momentan gerade von der Brandung an Land gespült und freigelegt.
Wer von Talent spricht ist ja nicht gleich Eugeniker oder Rassentheorieanhänger etc.
Mein Sohn (11) z.B. hat 10 Schlagzeuglehrer abgeklappert, bis er einen fand, der ihn genau da abholt, wo er mit seiner Begeisterung für Percussion gerade ist - und das ist ein klasse Typ, finde ich, weil er sich sozusagen kreativ als Lehrer freut an dem, was sein Schüler mitbringt - und das auch in Lehre umsetzt; Juri ist es nun ein ureignes Bedürfnis, zu proben, weil er "entflammt" ist.
Es ist also wichtig, sich mit den richtigen Leuten zu umgeben aber wenn sich schon angehende Waldorflehrer wieder zurückziehen, weil sie sich ihrerseits nicht im Anthrooderwasauchimmerkontext gut aufgehoben fühlen, wo fängt dann an, daß sich etwas verändert?
Ich habe mal ohne irgendwelches Vorwissen eine Ausbildung als Waldorflehrer begonnen und sie dann ziemlich schnell wieder abgebrochen, aus genau diesen Gründen
klingt, als hättest Du Sorge haben müssen, in eine Sekte einzutreten, was der Praxis an Waldorfschulen weder entspricht noch pauschalisierbar ist. Unsere Kinder brauchen ja Erwachsene, die sie ermuntern und ihnen Mut auf Neugier machen - im staatlichen Bildungssystem finde ich sie fast garnicht.
 

Swetty8

Foren-seelen
AW: Fight Club (Buch) Vorwort

Allso ich sehe das da ist jemand der hat jetzt ein grosse Talent bekommen, sein Eltern wollen das er das lehrt und Fördern ihn,Nur das war Er da macht macht ihm kein spass, jeden Tag das zu lerne und zu üben,weil sie eben das Talent entdeckt haben.
Später finde er etwas was ihn begeistert,aber kein Talent ist,Er übt und übt und es macht ihn freute und Spass und ist darin sehr erfolgreich.Und ist einer der besten.

Zum Beispiel bei mir ich schreibe ja viel Rechtschreiben Fehler,doch es macht spass Geschichten zu schreiben.

Ich denk es kommt drauf an ob es spass macht, wenn du etwas tust was Du nicht gern machst,macht du es auch nicht gern.Ob es jetzt Talent ist oder nicht.

so sehe ich dass.

und dann soll man das Fördern was ein spass macht.
 

Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
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AW: Talent

@Xilef: Ich persönlich habe keine Lust das versteinerte (im doppelten Sinne) Waldorfsystem zu reformieren, da suche ich lieber nach anderen Alternativen, z.B. Rebeca Wild finde ich sehr vielversprechend. Ich fand die Antros in der Theorie anfangs ganz super, in der Theorie, abgebrochen habe ich nach dem ersten Praktikum, das denken in den Kreisen die ich da kennenlernen durfte war mir viel zu Autoritär (im negativen Sinne), und dann die sog. Thempramentenlehre, nach der die Kids in vier Kategorien gestopft werden und unterschiedlich gefördert und gemischt, fand ich total krass, richt für mich total nach Eugenik, und ist für mich dasselbe wie die Talentdenke in grün. Auch die Art und Weise wie den Kindern da christliche Retuale aufgezwungen werden, zu jedem nur denkbaren Feiertag und jeden morgen vor der ersten Stunde. Dann wurden die Kinder in der siebten Klasse in Eurythmie nach Geschlechtern getrennt, damit die Jungs Heldengedichte interpretieren und ihre Stärke Entecken können, während sich die Mädels mit Liebe beschäftigen müssen, na ganz klasse. Ich könnte noch tausend sachen aufzählen und sie auch sehr viel differenzierter darstellen und diskutieren, aber ich finde das passt hier nicht her, da können wir gerne mal per PN drüber quatschen. Nein ich hatte nicht Angst in irgend einer Sekte zu Landen, ich habe einfach gemerkt, dass die Dogmen dort - und die sind sehr stark - total quer laufen zu meiner persönlichen Ethik. Ich kenne auch richtig viele WaldorfabsolventInnen, die sowas von überhaupt nicht klar kommen im "richtigen Leben", weil, ich zitiere, "wir in diesem Luftschloss weder was über uns selbst noch über die Gesellschaft gelernt haben". Zu der Zeit war ich nicht Vater und hatte es auch gar nicht geplant, ich hatte mich einfach nur nach einem neuen wirtschaftlichen Standbein umgesehen. Ich hatte also auch noch keine Pädagogische Litheratur der Gegenwart gelesen. Aber all das hat mich nur bestärkt.
Der suggestive Ton den Du bei Nick gesehen hast ist wohl eher ein Insider, wir diskutieren auch ab und an per PN, das passt schon. ;)
 

OldNick

Mitglied
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AW: Talent

Ich hoffe Nick, Du merkst, wie suggestiv du manchmal kommunizierst; genau so etwas, wie hier oben (worauf Du genausogut verzichten könntest) ist ein Beispielsatz (eine semiologische Finte) aus dem Erziehungsrepertoire der Eltern oder Großeltern; denn die längste Zeit hat das Gros der Erziehenden immer möglichst da nach "Talenten" Ausschau gehalten, wo sie in emotionaler Bedingtheit seitens der Eltern für etwas standen, dass das Kind tun könnte, um Papa und Mama nicht zu enttäuschen, um ihr kleiner (neu) aufgehender Stern für all das zu sein, daß sie sich selbst versagen mußten oder nie zugetraut haben (s. auch Jamie's Hinweis auf den "Raub der Talente" ).

You got it, sir! Ich, als alter Kinderfeind, suche mit dieser Meinungsäußerung jemanden in seiner Kindererziehung zu beeinflussen, der mich als eine Vorbilds- und Respektsperson wahrnimmt, in der Hoffnung, dass ebenjener in meinem Sinne handelt. In Wirklichkeit ist das zwischen Nils und mir wie zwischen Luke und Darth Vader ... scheiße, ich bin enttarnt.

Wer von Talent spricht ist ja nicht gleich Eugeniker oder Rassentheorieanhänger etc.

Das ist doch derselbe Mechanismus, den man entdeckt, wenn man die kulturhistorischen Wurzeln für alle möglichen überkommenen Verhaltensweisen aufzudecken versucht. Besonders toll ist das gerade in Deutschland (mit dem ganzen historischen Ballast) - Beispiel: Man wirft den Nationalismus des Deutschen Reichs unter Wilhelm II. in einer Diskussion über Sarrazin ein, und schon gibt es diesen Reflex. Noch besser funktioniert das, wenn man auf Hitler als Ursprung von irgendetwas hinweist - was auch immer, vom Muttertag zur Autobahn. "Aber ich bin doch nicht Nazi, weil ich auf 'ner Autobahn fahre!" "Aber ich bin doch kein Nazi, weil ich Zuwanderung nicht toll finde!"
Also - jemand, der den Talentbegriff als Argument einbringt ist kein Eugeniker und kein Rassentheorieanhänger. Und das "nicht gleich" hättest Du Dir auch schenken können. Aber der Ursprung dieses Denkens stammt daher - nicht, dass das irgendeine tiefergehende weltanschauliche Aussage beinhalten wurde, aber hier wird etwas in den Ring geworfen, das mal vor vielen Jahrzehnten zum wissenschaftlichen Konsens gehörte, mittlerweile aber komplett widerlegt ist. Das heißt, dass man entweder diesen Ansatz reflektieren, oder aber eine neue, stichhaltigere Begründung dafür finden sollte.
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Talent

Also, Freunde der Sonne, ich oute mich jetzt mal als jemand, der sicherlich über einen einigermaßen durchschnittlichen IQ verfügt, aber trotzdem nahezu jeden Beitrag hier 2-3 mal lesen muss, um ihm ansatzweise folgen zu können.
Dass meine Aussage über dieses offenbar fürchterliche Wort "Talent" solche Diskussionen hervorruft, zwingt mich, gleichzeitig zu lachen und zu weinen....
Werde wohl öfter gewisse Schlagworte in den Raum werfen......spassig :)
 

Jamie

Jamie Leaves
AW: Talent

@Xilef:
Ich hab nie was von "Raub der Talente" gesagt!
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Talent

Während ich diese Diskussion verfolgte, geisterten in meinem Kopf zwei verschiedene Konzepte umher:

Das eine würde ich als "umfassende Entfaltung der Persönlichkeit" bezeichnen. Dazu zählt für mich: vieles ausprobieren, an eigene Grenzen stoßen, sich in verschiedenen Rollen kennenlernen, sich in unbekannte Kontexte wagen, sich immer wieder neu erfinden etc. Tendenziell eine Entwicklung eher in die Breite als in die Tiefe.

Das andere würde ich als "eigenes Potential maximal nutzen" bezeichnen. Darunter verstehe ich: an den eigenen Stärken ansetzen und sie immer weiter ausbauen, Grenzen nicht akzeptieren, sondern immer wieder überwinden. Tendenziell eine Entwicklung eher in die Tiefe als in die Breite.

Eine starke Fokussierung auf zweitgenanntes Prinzip können wir bei all jenen "Wunderkindern" sehen, deren "Talent" von klein auf erkannt und gefördert wurde, und die dann auch tatsächlich Weltklasse werden. Zwar erreichen sie dann durchaus einzigartige Leistungen, dies geht aber häufig auf Kosten vieler anderer "Lebensmöglichkeiten", die diesen Menschen von klein auf durchaus verwehrt wurden.

Dahinterstehende Fragen für mich:
Nach welchem Bild will ich mich selbst formen? Wie stark will ich an mir arbeiten? Womit will ich zufrieden sein? Wie stark muss/will ich mich selbst "in den Griff" bekommen und wie stark muss/will ich mich "gehen lassen"? Woran erkenne ich, wann ich mich über- oder unterfordere? Wann beute ich mich selber aus? Wann bleibe ich hinter meinen Möglichkeiten zurück? Was erwarte ich von mir selbst? Inwieweit verfolge ich eine konkreten Lebensplan, eine Karriere, einen Traum? Inwieweit lasse ich mich einfach treiben? Wieviel muss/darf/will ich "werden" und wieviel muss/darf/will ich "sein"?
 
Zuletzt bearbeitet:

Dorsch Nilson

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AW: Talent

@Kapartenhund: Lustig, letztendlich kommst doch an das selbe Ziel wie ich mit meinem Ansatz der Eigenverantwortlichkeit, nur dass man von Deinem Ausganspunkt her viel mehr Konflikte und schwer- bis unlösbare Fragen bewältigen muss. Was ist mein Potential? Hab ich Talent? Wurde mein Talent vielleicht nicht frühzeitig geföhrdert? Hab ich's deshalb schwerer? Ich finde all diese Fragen so herzlich überflüssig. Es reicht doch, seinen Weg zu gehen und sich selbst dabei gut wahrzunehmen. Tut mir das gut was ich gerade tue, oder sollte ich eine andere Abzweigung nehmen? Oder wenn ich z.B. das Handwerkliche Niveau nicht erreiche, was mir vorschwebt, dann frage ich mich: Wieso hab ich keine Lust so viel energie zu investieren, woher kommen diese Erwartungen die ich an mich stelle, von wem hab ich die übernommen und brauche ich die überhaupt für mein Glück? Oder einfacher gesagt, wenn ich ein bestimmtes Potenial als Gegeben annehme, dann muss ich a) dieses Potential immer wieder erkennen und definieren und b) es mit meinem Ist zustand vergleichen, was sehr oft zu negativen Selbstbewertungen führt. Nimmt man aber einfach seinen gegenwärtigen Ist-zustand als Potential und sagt sich, ich kann mit einem Schritt an jeden Ort gehen der einen Schritt weit von mir entfernt ist - und gut is! - Kann man sich viel schmerzen erspahren, das ist meine feste Überzeugung (Jetzt gerade ;))
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Talent

Nimmt man aber einfach seinen gegenwärtigen Ist-zustand als Potential und sagt sich, ich kann mit einem Schritt an jeden Ort gehen der einen Schritt weit von mir entfernt ist - und gut is! - Kann man sich viel schmerzen erspahren, das ist meine feste Überzeugung (Jetzt gerade ;))

Ich glaube auch, dass sich viele dieser Fragen "von allein" beantworten (wenn man in sich hineinhorcht). Sie sind für mich vielleicht so etwas wie eine Art "Begleitmusik".

Häufig tragen ja auch viele Fragen schon (zumindest für den, der sie stellt), ihre Beantwortung in sich.
Ich muss da immer an den Parzival denken: "Oheim, was wirret dir?" (Onkel, was fehlt dir?) Die erlösende Frage, die gesunden lässt, weil sie gestellt wird.
 

Dagmar

I'm not weird, I'm gifted
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AW: Talent

Ich denke es ist hier wie überall anders auch: wenn man die grundlegenden Anlagen nicht hat, die man braucht um das Handwerk auszuüben, dann wird das eben schwer. Ob man das Talent nennt oder nicht, ist glaub ich wurscht.

Wenn man nicht in der Lage ist mit nem Hammer auf nen Nagel zu treffen hat man ja auch kein "Talent" um Dachdecker zu werden, wenn man sich schwer tut zwei Sachen gleichzeitig zu machen ist Simultandolmetscher vielleicht nicht das Richtige, wer sich schwer tut mit anderen Menschen warm zu werden sollte überlegen, ob Altenpfleger oder Kindergärtner wirklich der richtige Beruf ist.

Letztendlich ist es einfach eine Frage nach den "Grundvoraussetzungen", ob die vorhanden sind, geweckt werden können. Den Rest kann man trainieren. Das dauert halt dann bei dem einen länger, der andere schüttelts intuitiv aus dem Ärmel. Aber das Aus-dem-Ärmel-Schüttel-Talent finde ich ist keine Gruncvoraussetzung, um Sprecher zu werden. Auch nicht für andere Berufe.
 
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