Tut mir leid, wenn ich darauf jetzt etwas ungehalten reagiere - aber ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören, einfach, weil er mich schon mehr als ein Jahrzehnt lang fest im Genick hat.
Ich bin kein Schauspieler, weswegen ich die Profession des Schauspielers nur unzureichend beurteilen kann. (Wenn ich allerdings Stanislavskis Buch zur Vorbereitung einer Rolle lese, dann habe ich nicht den Eindruck, dass er an irgendein obskures Talent appelliert, sondern vielmehr an emotional-analytische Fähigkeiten und Empathien, die handwerklich geschult werden). Aber was das Schreiben betrifft, so macht mich dieser Gedanke fertig, seitdem ich bewußt besser werden will.
Die grundsätzlichen Probleme bei dieser Talentunterstellung sind 1.), dass sie jedwede gute Leistung schmälern, indem sie sie auf irgendeine unbeeinflußbare - fast spirituelle - Größe, namentlich "Talent" schiebt, und die schwere handwerkliche Arbeit, die hinter einer Leistung steht, nicht annähernd würdigt, 2.) dass sie - davon gehe ich aus - bis dato ganze Generationen an künstlerisch Interessierten in den selbstzerstörerischsten Zweifel getrieben hat, weil sie - aufgrund ihrer generellen Selbstzweifel - nicht davon ausgingen, dass sie dieses ungreifbare "Etwas" hätten.
Was das Geschichtenerzählen betrifft, so habe ich mich als Kind auf alle möglichen imaginären Situationen eingelassen. Noch bevor ich schreiben konnte, musste meine arme Oma meine Geschichten am Telefon mitschreiben. Im Gartenhaus habe ich die ein oder andere imaginäre Leiche versteckt und mir überlegt, wie ich handeln könnte, damit sie niemandem auffalle. Ich hatte immer Spaß an Geschichten und an den "was-wäre-wenn"-Fragen. Ich habe viel geschrieben, aber das war alles durchgehend scheiße. So scheiße, wie man es nun mal von einem 6-8-jährigen erwartet. Rechtschreibung war ein Fremdwort (und ich rede nicht von Flüchtigkeitsfehlern), Stil nicht vorhanden. Absolut untalentiert, gell?
Ich habe mir Bücher übers Schreiben besorgt und habe angefangen, mit 12 Jahren die ersten Verlage zu quälen. Damals las ich gerne Heftromane - John Sinclair, Mark Hellmann (Asche über mein Haupt). Diese Serie (aus heutiger Sicht wirklich richtig schlecht) war damals echt cool für mich. Nach der Schule und während des Studiums habe ich mich mit einem Lektor in Verbindung gesetzt, den ich von damals noch kannte, und habe Heftromane geschrieben. (Teilweise kann ich da hinter einigen dieser Sachen auch heute noch stehen, auch, wenn meine Ansicht zu dem Medium an sich sehr ambivalent ist). Dieser Lektor musste mir erst einmal beibringen, wie man eine Geschichte plottet! Ich hatte keine Ahnung ...
Aus div. Gründen habe ich damit vor einigen Jahren aufgehört und seit gut 5 Jahren kaum noch irgendetwas geschrieben. Kleine Geschichten, handwerklich schlechte Kurzgeschichten, Schreibübungen, etc. Was mich immer wieder - auch heute noch - 'runterreißt, ist dieser pseudo-religiöse Gedanke, es gäbe irgendetwas wie "Talent", das ich nicht hätte, das mir fehlte, um "wirklich gut" zu werden, was auch immer "wirklich gut" ist. Den kindlichen Spaß am Geschichtenerzählen habe ich mir, insb. durch diesen Talentdreck, komplett abgebaut. Schreiben ist für mich heute etwas Grausames, Beängstigendes. Ich habe Angst vor dem leeren Blatt Papier, das ich mir nicht zu füllen zutraue, weil mir dieses "Etwas" fehlt. In meinen schlimmsten Phasen artet das in regelrechte Selbstvernichtungsphantasien aus.
Natürlich habe ich immer noch Spaß daran, mir Geschichten auszudenken - aber sie aufs Papier zu bringen wird immer schwieriger.
Ich halte es für völlig deplatziert, jemandem am Anfang seiner Reise mit diesem Gedanken jedwede Freude an seinem Tun zu nehmen. Je mehr sich Chim mit anderen Hörbüchern, auch im Zusammenhang mit den Ausführungen von Xilef, beschäftigt, desto mehr wird er reifen und "seine Stimme" finden - auf rein emotionaler Ebene. Der Gedanke an ein übergeordnetes, irgendwie metaphysisches (da nicht faßbares) Talent, das ihm abgehen könnte, blockiert diese Entwicklung ungemein. Schlimmstenfalls führt es sogar dazu, dass er lieber ganz aufhört, anstatt sich von seinem Zweifel geißeln zu lassen.
Das ist nicht das, was ich für eine besonders positive Herangehensweise an eine Aufgabe halte.
LG,
OldNick