Feenstaubtrulla

Sabrina Letzner
Sprechprobe
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Wer? Was? Wo? Wann? Warum?
Arbeit am inneren Dialog.

Bevor ich eine Rolle einspreche, durchforste ich den gesamten Text nach Informationen über diese Person. Wer ist sie, was bewegt sie, warum ist sie in dem Stück. Stichpunktartig notiere ich alles, was dem Text zu entnehmen ist. Dann lese ich die Szene.

Wer bin ich? Was tue ich hier? Wo bin ich? Wann spielt die Szene? Warum mache ich das?

Es stellt sich die Frage: Warum handelt meine Person so, wie sie handelt?

Generell und auch ganz speziell in der Szene selbst. Fehlen Informationen zur Rolle, weil es sich eventuell um eine kleine Rolle handelt, erfinde ich welche.

So wird aus *Reinigungskraft 3 *Beate Lehmann, 35 Jahre, musste schon früh auf ihre kleineren Geschwister aufpassen und konnte die Schule nicht beenden. Nun arbeitet sie als Reinigungskraft in dem Museum, um zur Abendschule gehen zu können.
“Bitte der Herr, verlassen sie jetzt das Gebäude. Ich muss hier sauber machen” klingt auf einmal ganz anders. Beate ist müde und kaputt. Morgen steht ihre letzte Prüfung an für die sie noch lernen muss und dieser Herr lässt sie ihre Arbeit nicht erledigen.

Um die Rolle zu finden gehe ich im Raum umher und halte einen inneren Dialog. Wie bewegt sich Beate? Sie hat Kopfschmerzen von den ganzen Reinigerdämpfen. Ihre Hände schmerzen, da sie rau und rissig sind. Obwohl sie müde ist, versucht sie schnell zu gehen. Ihr Dienst ist vorbei, wenn das Museum wieder sauber ist. Worüber denkt Beate nach?
“Was ist, wenn ich die Prüfung morgen nicht packe? Hätte ich mir nicht lieber doch frei nehmen sollen? Ach nein, das wäre zu stressig geworden. Der Dienstplan ist jetzt schon ein großes Chaos, weil der Chef es nicht auf die Reihe kriegt. Wehe, ich verhaue wegen ihm die Prüfung! Mathe. Wer braucht Mathe? Niemand braucht Mathe! Was ist dass denn für ein Fatzke? Der soll verschwinden, ich kann ja wohl schlecht um ihn herum putzen! Was will der noch hier? Das Museum ist schon seit 15 Minuten geschlossen.
“Bitte der Herr, verlassen sie jetzt das Gebäude. Ich muss hier sauber machen”

Vielleicht hilft einem diese Technik bei der nächsten Szenenentwicklung.
Diese Übung habe ich aus dem Schauspielunterricht.

Wie bereitet ihr euch auf eine Rolle vor?
Habt ihr weitere gute Tipps?
 

Noir

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Jep, das kann ganz hilfreich sein. Schön, dass du diese Methode hier teilst.
Tatsächlich mache ich das meistens ganz ohne Vorbereitung. Klar, ich lese mir die Szene durch ... aber das ist dann im Grunde auch schon alles. Es gab sogar schon Hörspiele, da hab ich einfach losgesprochen ... habe nicht einmal die Szene vorher gelesen. Ich vertraue da ganz auf meine persönliche Einschätzung. Ich lese den Satz und in meiner Birne bildet sich der Charakter. Bisher hat es fast immer mit den Vorstellungen der Autoren und/oder Cutter zusammengepasst. Und wenn es tatsächlich mal Diskrepanzen zwischen der Vorstellung der Macher und meiner persönlichen Interpretation gab, hab ich halt Retakes geliefert, nachdem man mir gesagt hat, was geändert werden soll.
 

Spirit

Fühle die Macht in dir...
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Bevor ich eine Rolle einspreche, durchforste ich den gesamten Text nach Informationen über diese Person. Wer ist sie, was bewegt sie, warum ist sie in dem Stück. Stichpunktartig notiere ich alles, was dem Text zu entnehmen ist. Dann lese ich die Szene.

Wer bin ich? Was tue ich hier? Wo bin ich? Wann spielt die Szene? Warum mache ich das?

Herrlich!
Aber sollte ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein..[Kopf-kratz]?!

Ist es aber eben nicht immer und deshalb finde ich es sehr schön, dass Du Dir die Mühe gemacht hast,
das hier so schön anschaulich zu beschreiben.

@Feenstaubtrulla nominiert zum "Vorbild" des Monats! (y):)
 

Feenstaubtrulla

Sabrina Letzner
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huuuuch, näääääääääääh 😆 den Text habe ich nur aus meinem Blog rauskopiert @PeBu34 hat ihn korrigiert und mich motiviert ihn hier hochzuladen;)
 

PeBu34

Mitglied
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@Feenstaubtrulla und @Spirit Jetzt bin ich baff! Dafür ist doch kein Dank nötig! (Er freut mich aber natürlich trotzdem! :))

Der Beitrag passt thematisch perfekt ins Forum und ist auch noch toll geschrieben. - Auch vor meiner Korrektur - dem letzten Schliff sozusagen - fand ich ihn sehr interessant! :)
 

Super8

Fröhlicher Pessimist
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Toller Beitrag, Dank an alle Mitwirkende!
Ich sehe mir manchmal Filme an (habe allerdings auch eine große Filmothek), falls ich mich an eine bestimmte Rolle erinnere, von den großen Schauspielern kann man sehr gut lernen. 😌 Oder ich suche den Typen mit der Suchmaschine, welche mir entsprechende Video-oder Audioschnipsel ausspuckt...
 

WolfsOhr

Mario Wolf
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Das ist eine sehr schöne grundlegende Zusammenfassung finde ich - ja, genau so!
Dazu kommen dann unmittelbar vor der Sprachaufnahme gezielte Übungen, welche für die eigene Stimme geeignet sind sowie Übungen um die Muskulatur zu lockern.
Und dann idealerweise vor jedem Take in die Situation reinfühlen und mit entsprechenden Tricks die innere Haltung der gespielten Person annehmen. An dieser Stelle empfehle ich Chechov! Wer ernstes Spielinteresse hat und sich weiterentwickeln und Methoden an die Hand gegeben haben möchte sollte sich hierüber Literatur besorgen und das durchackern (die Zeit muss ich mir auch noch dringend nehmen).

Sich nicht auf eine Rolle vorzubereiten ist für mich unvorstellbar und nicht nachvollziehbar. Gerade im Hörspiel geht es nicht nur um‘s Sprechen, sondern um‘s Spielen. Und je mehr ich über meinen zu spielenden Charakter weiß, je mehr Merkmale ich von ihm habe oder mir zumindest vorstelle, desto besser kann ich in die Rolle schlüpfen und diese spielen.
 

Super8

Fröhlicher Pessimist
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Wer ernstes Spielinteresse hat und sich weiterentwickeln und Methoden an die Hand gegeben haben möchte sollte sich hierüber Literatur besorgen und das durchackern (die Zeit muss ich mir auch noch dringend nehmen).

Stanislawskis Arbeit des Schauspielers an sich selbst, an der Rolle etc., in 3 Bänden, ist sehr aufschlussreich und empfehlenswert. Obwohl Brecht den großen Lehrmeister nicht mochte, hat Stanislawski die "Fibel" des Schauspielers geschaffen.. Ich glaube Lee Strasberg hat Stanislawski sehr verehrt. Ich finde es gut geschrieben, zu lang wohl, aber sehr interessant!
 

Spirit328

Everything - STOP!
Teammitglied
Vielleicht können wir das noch ein wenig weiter verbessern.
Anstatt der zeitaufwendigen "Rechereche" über Informationen im Text, könnten die Autoren doch ein "Charakterblatt" erstellen und dem Skript beifügen. Wenn ich die meisten Skriptsoftwaren so ansehe, gibt es dort eine Vielzahl von Informationen über die jeweiligen Charaktere.
Das könnte man doch einfach (und ich meine, es ist wirklich einfach) dem Skript als Appendix beifügen.
Natürlich ersetzt das keine Vorbereitung und Einarbeitung in konkrete Szenen, aber es reduziert den Aufwand doch signifikant, denn es erleichtert das "Kennenlernen".

Wie sehen daß die Sprecher*innen und Autor*innen?
 

Ani

Nicht mehr die Frau im Schrank :D
Teammitglied
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Ich habe als Schreiber nicht zu jedem Charakter ein Charakterblatt und möchte auch nicht, dass das von mir erwartet wird. WENN ich sowas habe (z.B. bei der 13-Folgen-Serie, die ich mit Frank schreibe, da haben alle Hauptcharaktere sowas), dann teile ich es auch gern mit Sprechern. Das wird Sprecher aber nicht davon entbinden / entlasten, sich für andere Charaktere weiter Techniken anzueignen, um sie für sich beim Einsprechen greifbarer zu machen ;)
Du sagtest schon, den 'Einarbeitungsaufwand' ganz ersetzen würde es eh nicht. Ich persönlich habe auch Spaß daran, die Charaktere zu erforschen, als Sprecherin jetzt. Ich brauch dafür nicht unbedingt ein Charakterblatt. Und ein paar Stichworte bekommt man zu größeren Rollen ja immer mit.

Und ich bin immer dafür, Dinge nicht zu 'überbürokratisieren', also soll das jeder gern so machen, wie er am besten arbeiten kann und am meisten Spaß daran hat. Meine Meinung ;)
 

PeBu34

Mitglied
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Wenn ich die meisten Skriptsoftwaren so ansehe, gibt es dort eine Vielzahl von Informationen über die jeweiligen Charaktere.
Ich kenne zwar nur Celtx gut, aber ich denke, ich müsste diese Infos als Autor doch erstmal "liefern", damit das Programm sie zur Verfügung hat und einordnen kann. Diese Arbeit müsste ich mir also schon machen und da ergibt sich die Frage, ob ich für eine Charakter mit einem Take einen ganzen Lebenslauf erstellen muss/möchte oder ob ein paar Stichpunkte reichen.

Anstatt der zeitaufwendigen "Rechereche" über Informationen im Text, könnten die Autoren doch ein "Charakterblatt" erstellen und dem Skript beifügen.
Zum Einen sehe ich hier die "Gefahr", dass sich manche Sprecher/innen dann nur noch auf die Takes ihres Charakters konzentrieren und vom Zusammenhang, in dem der Text steht und den anderen Charakteren, keine Ahnung haben. (Diese Arbeitsweise habe ich tatsächlich schon mitbekommen.)

Zum anderen: Bei mir entstehen die Geschichten meistens "während ich schreibe". Irgendwann merke ich, dass ich so nicht weiterkomme und fang zu "plotten" an. Das heißt aber meistens auch "nur", dass ich verschiedene Szenarien und Gespräche ausprobiere.
Bei mir besteht da die "Gefahr", dass die Texte - also die Sprache und Ausdrucksweise des Charakters - nicht zu dem passen, was/wie er sein soll. Oder auch dass meine Vorstellung von der Rolle nicht zum "Status" oder zum Beruf oder der Stellung des Charakters anderen Menschen gegenüber passt.
Das erste Mal wurde mir das richtig bewusst, als die Rolle von "Direktor Sander" in "Der Zufluchtsort" sich für mich, nachdem sie eingesprochen war, "falsch angefühlt hat" und @Yüksel die Rolle komplett neu so eingesprochen hat, wie er sie sich vorgestellt hat. Das hat auf den Punkt gepasst und die Rolle sozusagen gerettet. :)

In dem Zusammenhang finde es es interssant mir auch für kleinere Rollen einen gewissen "Hintergrund" auszudenken um mir der Sprache und des Auftretens des Charakters sicherer zu werden. Diese Erkenntnis ist allerdings ganz neu und ist - genau genommen - beim Lesen des Textes von @Feenstaubtrulla entstanden.

Liebe Grüße von
Peter :)
 

Catjusha

Vielversprechend
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Liebe alle

@Nanami hat mich auf diesen Thread aufmerksam gemacht, und ich kann @Feenstaubtrulla nur zustimmen!: Es hilft sehr, sich als Vorbereitung, die vier "W"-Fragen zu stellen!

Ich habe auch gemerkt, dass es den Charakteren mehr Tiefe gibt, gewisse Körperlichkeiten anzunehmen (Haltung, Sprechweise, Ticks...), um den RollenLeben einzuhauchen. Auch dazu gedichtete Tätigkeiten, die die Person nebenbei macht (z.B. rauchen, Fingernägelfeilen etc.) und Biographien der Figuren im Hinterkopf sowie physische Hilfsmittel (mit einem Stift herumfuchteln, wenn das zum Text passt etc.), machen das Gesprochene oft authentischer. Das kenne ich so vom Improvisationstheater, und in meiner Sprecher-Weiterbildung machen wir das auch, s. Rollenarbeit im Hörspiel.

Auch klare Regieanweisungen im Skript zu Tonfall und Tätigkeiten sind sehr wichtig, da es sonst passieren kann, dass die Rolleninterpretationen in einem Dialog nicht zusammen passen und das Ganze nicht authentisch wirkt.

Liebe Grüsse
Katja
 
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