Ann Katharina Re
Autorin
- #1
Themenstarter/in
Hallo ihr Hörspiel-Häschen,
und noch ein bissl mehr Mental Health. Als Slammerin hatte ich irgendwann das Glück, dass meine Slam-Mami mich zu Themenslams gestupst hatte und siehe da: "Barrierefreiheit" darüber sollte ich schreiben. Haha, dachte ich. Guter Witz. Ich bin gesund, priviligiert, what the f**k. Mit welchem Recht soll ich denn über dieses Thema reden. Doch dann hatte ich eine Idee und es entstand dies hier.
Ich wusste eines Tages würde ich reden. Ich wusste eines Tages würde mich nichts mehr fesseln, nichts mehr zurückhalten, während ich völlig apathisch Buchstaben, Wörter ja meine Seele dem Papier überantwortete. Meine Miene war ausdruckslos und leer. In mir tobte ein Sturm aus eisigster Kälte. All meine Aufmerksamkeit legte ich auf diesen Text, denn ich wusste, wenn ich aufhören würde zu tippen würde mich der Ozean des Wahnsinns wieder einfangen. Fast schon stand ich außerhalb meines Körpers. Doch ich wusste in diesem Moment so klar, dass ich diesen Text eines Tages vorlesen würde. Auf einer Bühne. Öffentlich. Vor vielen mir fremden Menschen. Mich bekennen würde zu meinem Schicksal. Das Schweigen brechen. Und dann würde mich nichts mehr zurückhalten. Ich wusste es so sehr, dass die Tage gehen und neue kommen würden und ich mich den Stigmata der Gesellschaft nicht mehr beugen und die Mauern einreißen würde.
Doch in diesem Moment lastete so viel Leid auf mir, dass ich mich nicht gewachsen sah, meinen Kampf sowohl gegen den Wahn meines Inneren zu führen und gleichzeitig gegen die Missstände in unserer Gesellschaft, die all mein Empfinden noch verschlimmerten.
Ich war damals 20 Jahre alt, in vielen Ländern noch nicht einmal volljährig und lange hatte ich mich nicht mehr so klein und verletzlich gefühlt.
Es sollte zwei Jahre dauern, ehe ich mich zu meinem Leben, ja mir selbst bekennen konnte.
Bis dahin reichte ich den Text weiter an meine Freunde, an meine Familie. Die Worte sollten den Menschen, die ich liebte, erklären, zeigen wie sich die Welt für mich damals drehte. Ihn vorzulesen dauert fast sieben Minuten. Sieben Minuten voller Schmerz und Verzweiflung und der flehentlichen Bitte, dass es da jemanden gibt der mich versteht.
Doch nach diesen zwei Jahren kam der Tag, da ich mich an dieses Mädchen in ihrem Klinikzimmer erinnerte wie sie völlig neben sich stehend diese Worte getippt hatte.
Es fühlte sich wie Seelenstriptease an, wie sich auf offener Bühne vor allen nackt und verletzlich machen an.
Wie Fesseln lagen das Wissen um Vorteile und Stigmata um meine Brust. Ich war nicht frei zu reden, obwohl es mir keiner verboten hatte. Denn ich war doch nur krank gewesen. Man sah mich schief an, weil ich krank war. Meine Seele war vergewaltigt worden und ich, das Opfer, war scheinbar selbst schuld daran.
Denn über diese manchmal tödliche, schleichende und doch allgegenwärtige Krankheit sprach man ja nicht.
Doch ich tat es.
Zwei Jahre später stand ich auf der Bühne, noch immer nicht wieder vollständig gesund und ich sagte das, wovor mich jeder gewarnt hatte und wovor ich eine Heidenangst hatte. Hallo, mein Name ist Ann und ich habe Depressionen.
Seitdem ist ein weiteres Jahr vergangen. Ein weiteres Jahr, in dem ich wütend werden konnte.
Denn es betraf ja nicht nur mich. Circa jeder 6. Studierende ist psychisch krank. Das sind 470000 Betroffene.
Und ich stehe jetzt vor euch, um euch zu sagen, diese Gesellschaft kranke Menschen noch kränker macht.
Ich kann nicht über das Wort Barrierefreiheit im klassischen Sinn reden. Denn ich bin kein Rollifahrer und wie könnte ich mir anmaßen nachzuvollziehen wie man sich so fühlt.
Aber ich war (ich hoffe ich war und bin nicht mehr) psychisch krank.
Und es macht mich so wütend das Bild, dass heutzutage vermittelt wird.
Stigmata sind genau wie Fesseln.
Ich hatte Angst davor, mich schwach zu fühlen. Weil es doch immer heißt, nur schwache Menschen werden depressiv. Das alles sind Mimosen. Und ich habe keine Lust mehr auf diese Mauern. Diese Menschen sind nicht schwach. Du, der du jetzt vielleicht im Publikum sitzt, du bist nicht schwach. Mutter oder Vater eines kranken Kindes, euer Sohn oder eure Tochter sind nicht schwach. Und wenn dich das nächste Mal dein Arbeitskollege fragt, wo du die letzten sechs Wochen warst, dann sag ihm die bittere Wahrheit. Denn verdammte Axt, du hast den Kampf gegen eine Krankheit aufgenommen, die oft tödlich endet.
Und ich hatte auch Angst davor zu sagen, dass es mir nicht gut geht, weil niemand in meine Seele hineinsehen kann und bloß, weil ich gerade lächle, heißt es nicht, dass meine Seele das auch tut.
Um es mal ganz anschaulich und einfach zu machen stellt euch mal vor Depression wäre wie Bauchweh. Wenn ich mir vorstelle, dass das Kind, dass ich noch nicht habe, nachts bei mir am Bett steht und jammert, dann ist es mir egal, ob ich dem kleinen Wesen eine Krankheit ansehen kann oder nicht. Und ich glaube, dem Kind auch noch, wenn es kurzzeitig beim Fernsehen vergisst, dass es eigentlich gerade Bauchweh hat. Und ich glaube den Menschen in meiner Umgebung auch, dass sie krank sind, auch wenn ich sie bei einer amüsanten Begegnung kurz lachen sehe. Und du, der du hier vielleicht krank bist. Du weißt, dass einer Krankheit, dein hoher Kontostand, dein schöner Vorgarten oder der wundervolle Mensch an deiner Seite egal ist. Du bist dennoch krank. Wer würde schon folgendes sagen:
„Komm schon. Du hast Knochenkrebs, aber es könnte schlimmer sein. Ich meine, schau dir mal dein schönes Haus an.“
Und ich hatte Angst davor, über mein Leid zu reden, weil die Gesellschaft teilweise noch nicht einmal verstanden hat, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt.
Ich war krank. Punkt. Ich hatte eine Krankheit, gegen die manche Menschen den Kampf verlieren. Da hilft es auch kein lustiges Katzenvideo anzusehen, rauszugehen, Sport zu machen, in den Urlaub zu fahren oder mal mit der besten Freundin sich zu betrinken. Das sind nämlich die Ratschläge, die verteilt werden. Ich frage mich nur wer würde das sagen, wenn ich Krebs hätte.
Und jetzt fühle ich mich gesund, rede offen. Man sagt mir ich sei mutig gewesen, doch ich finde, darüber zu reden, dass ich krank war, ist kein bisschen mutig. Ich finde es sollte normal sein, so normal, dass sich weder Betroffene noch Angehörige ihr Leid verschweigen müssen. Und ich möchte diesen Text nicht mit einer schönen Anekdote beenden, denn dieser Abend ist noch lange, sondern viel mehr mit Gesprächen neben der Bühne oder vor der Tür. Mit Fragen, Ängsten und Unverständnis, über das wir uns ganz normal unterhalten, fast wie überMännerschnupfen eine ganz normale Erkältung. Man kann mich ansprechen. Denn ich werde nicht schweigen, weil es auch in unseren Köpfen keine Barrieren geben sollte.
Ich freue mich über Feedback und Austausch.
und noch ein bissl mehr Mental Health. Als Slammerin hatte ich irgendwann das Glück, dass meine Slam-Mami mich zu Themenslams gestupst hatte und siehe da: "Barrierefreiheit" darüber sollte ich schreiben. Haha, dachte ich. Guter Witz. Ich bin gesund, priviligiert, what the f**k. Mit welchem Recht soll ich denn über dieses Thema reden. Doch dann hatte ich eine Idee und es entstand dies hier.
F32.2
Ich wusste eines Tages würde ich reden. Ich wusste eines Tages würde mich nichts mehr fesseln, nichts mehr zurückhalten, während ich völlig apathisch Buchstaben, Wörter ja meine Seele dem Papier überantwortete. Meine Miene war ausdruckslos und leer. In mir tobte ein Sturm aus eisigster Kälte. All meine Aufmerksamkeit legte ich auf diesen Text, denn ich wusste, wenn ich aufhören würde zu tippen würde mich der Ozean des Wahnsinns wieder einfangen. Fast schon stand ich außerhalb meines Körpers. Doch ich wusste in diesem Moment so klar, dass ich diesen Text eines Tages vorlesen würde. Auf einer Bühne. Öffentlich. Vor vielen mir fremden Menschen. Mich bekennen würde zu meinem Schicksal. Das Schweigen brechen. Und dann würde mich nichts mehr zurückhalten. Ich wusste es so sehr, dass die Tage gehen und neue kommen würden und ich mich den Stigmata der Gesellschaft nicht mehr beugen und die Mauern einreißen würde.
Doch in diesem Moment lastete so viel Leid auf mir, dass ich mich nicht gewachsen sah, meinen Kampf sowohl gegen den Wahn meines Inneren zu führen und gleichzeitig gegen die Missstände in unserer Gesellschaft, die all mein Empfinden noch verschlimmerten.
Ich war damals 20 Jahre alt, in vielen Ländern noch nicht einmal volljährig und lange hatte ich mich nicht mehr so klein und verletzlich gefühlt.
Es sollte zwei Jahre dauern, ehe ich mich zu meinem Leben, ja mir selbst bekennen konnte.
Bis dahin reichte ich den Text weiter an meine Freunde, an meine Familie. Die Worte sollten den Menschen, die ich liebte, erklären, zeigen wie sich die Welt für mich damals drehte. Ihn vorzulesen dauert fast sieben Minuten. Sieben Minuten voller Schmerz und Verzweiflung und der flehentlichen Bitte, dass es da jemanden gibt der mich versteht.
Doch nach diesen zwei Jahren kam der Tag, da ich mich an dieses Mädchen in ihrem Klinikzimmer erinnerte wie sie völlig neben sich stehend diese Worte getippt hatte.
Es fühlte sich wie Seelenstriptease an, wie sich auf offener Bühne vor allen nackt und verletzlich machen an.
Wie Fesseln lagen das Wissen um Vorteile und Stigmata um meine Brust. Ich war nicht frei zu reden, obwohl es mir keiner verboten hatte. Denn ich war doch nur krank gewesen. Man sah mich schief an, weil ich krank war. Meine Seele war vergewaltigt worden und ich, das Opfer, war scheinbar selbst schuld daran.
Denn über diese manchmal tödliche, schleichende und doch allgegenwärtige Krankheit sprach man ja nicht.
Doch ich tat es.
Zwei Jahre später stand ich auf der Bühne, noch immer nicht wieder vollständig gesund und ich sagte das, wovor mich jeder gewarnt hatte und wovor ich eine Heidenangst hatte. Hallo, mein Name ist Ann und ich habe Depressionen.
Seitdem ist ein weiteres Jahr vergangen. Ein weiteres Jahr, in dem ich wütend werden konnte.
Denn es betraf ja nicht nur mich. Circa jeder 6. Studierende ist psychisch krank. Das sind 470000 Betroffene.
Und ich stehe jetzt vor euch, um euch zu sagen, diese Gesellschaft kranke Menschen noch kränker macht.
Ich kann nicht über das Wort Barrierefreiheit im klassischen Sinn reden. Denn ich bin kein Rollifahrer und wie könnte ich mir anmaßen nachzuvollziehen wie man sich so fühlt.
Aber ich war (ich hoffe ich war und bin nicht mehr) psychisch krank.
Und es macht mich so wütend das Bild, dass heutzutage vermittelt wird.
Stigmata sind genau wie Fesseln.
Ich hatte Angst davor, mich schwach zu fühlen. Weil es doch immer heißt, nur schwache Menschen werden depressiv. Das alles sind Mimosen. Und ich habe keine Lust mehr auf diese Mauern. Diese Menschen sind nicht schwach. Du, der du jetzt vielleicht im Publikum sitzt, du bist nicht schwach. Mutter oder Vater eines kranken Kindes, euer Sohn oder eure Tochter sind nicht schwach. Und wenn dich das nächste Mal dein Arbeitskollege fragt, wo du die letzten sechs Wochen warst, dann sag ihm die bittere Wahrheit. Denn verdammte Axt, du hast den Kampf gegen eine Krankheit aufgenommen, die oft tödlich endet.
Und ich hatte auch Angst davor zu sagen, dass es mir nicht gut geht, weil niemand in meine Seele hineinsehen kann und bloß, weil ich gerade lächle, heißt es nicht, dass meine Seele das auch tut.
Um es mal ganz anschaulich und einfach zu machen stellt euch mal vor Depression wäre wie Bauchweh. Wenn ich mir vorstelle, dass das Kind, dass ich noch nicht habe, nachts bei mir am Bett steht und jammert, dann ist es mir egal, ob ich dem kleinen Wesen eine Krankheit ansehen kann oder nicht. Und ich glaube, dem Kind auch noch, wenn es kurzzeitig beim Fernsehen vergisst, dass es eigentlich gerade Bauchweh hat. Und ich glaube den Menschen in meiner Umgebung auch, dass sie krank sind, auch wenn ich sie bei einer amüsanten Begegnung kurz lachen sehe. Und du, der du hier vielleicht krank bist. Du weißt, dass einer Krankheit, dein hoher Kontostand, dein schöner Vorgarten oder der wundervolle Mensch an deiner Seite egal ist. Du bist dennoch krank. Wer würde schon folgendes sagen:
„Komm schon. Du hast Knochenkrebs, aber es könnte schlimmer sein. Ich meine, schau dir mal dein schönes Haus an.“
Und ich hatte Angst davor, über mein Leid zu reden, weil die Gesellschaft teilweise noch nicht einmal verstanden hat, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt.
Ich war krank. Punkt. Ich hatte eine Krankheit, gegen die manche Menschen den Kampf verlieren. Da hilft es auch kein lustiges Katzenvideo anzusehen, rauszugehen, Sport zu machen, in den Urlaub zu fahren oder mal mit der besten Freundin sich zu betrinken. Das sind nämlich die Ratschläge, die verteilt werden. Ich frage mich nur wer würde das sagen, wenn ich Krebs hätte.
Und jetzt fühle ich mich gesund, rede offen. Man sagt mir ich sei mutig gewesen, doch ich finde, darüber zu reden, dass ich krank war, ist kein bisschen mutig. Ich finde es sollte normal sein, so normal, dass sich weder Betroffene noch Angehörige ihr Leid verschweigen müssen. Und ich möchte diesen Text nicht mit einer schönen Anekdote beenden, denn dieser Abend ist noch lange, sondern viel mehr mit Gesprächen neben der Bühne oder vor der Tür. Mit Fragen, Ängsten und Unverständnis, über das wir uns ganz normal unterhalten, fast wie über
Ich freue mich über Feedback und Austausch.
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