• Blut-Tetralogie   Dark Space

Thimras

Rauschmeisser... nee, äh, Rauschmeister!
Hey alle zusammen,

vielleicht ist es eine von Carl Jung's Synchronizitäten, aber Ich hatte mehrere Unterhaltungen in letzter Zeit bezüglich authentischer Representation und wollte mal fragen, wie Ihr das handhabt und ob da besondere Schwierigkeiten für Deutsche Hörspiele auftauchen.

Im Englischen Sprachbereich, ganz besonders in Hollywood, ist ja Repräsentation ein wichtiges Thema. Wenn der visuelle Aspekt fehlt, ist es ja viel leichter, einem Charakter einen "exotischen" Hintergrund zu geben, ohne daß dieser die Auswahl für die Rolle beeinflußt. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß diese Hintergründe erst nachträglich hinzugefügt werden.
Das Beste Beispiel, das mir da einfällt, ist Suko aus der John Sinclair Reihe.
Der Charakter wurde ja in den Romanen kreiert bevor die Hörspiele auf den Markt kamen, und Ich kann mir gut vorstellen, daß zur Zeit der Hörspielproduktion in den 80ern die Priorität, einen Chinesischstämmigen Schauspieler für die Rollen zu finden, eher gering war, wenn sie überhaupt existierte. Ich kann mich an niemanden erinnern, der da gepaßt hätte, aber das heißt ja nicht, daß es keine Kandidaten gegeben hätte. Ich weiß nicht, ob die Schauspieler für Shao und Suko in der neuen Sinclair Serie, wo sie ja die Hauptrolle spielen, in irgendeiner Art einen relevanten Hintergrund haben.

Während Suko und Shao (und soweit Ich mich erinnere, keine der irgendwie Asiatisch angehauchten Figuren) in JS nie einen Akzent hatten, ist das krasseste Gegenbeispiel, das mir einfällt, die Folge von Kolumbus und Sohn mit dem Chinesischen Restaurant und dem Rufmord:
Heissakatreinerle, das ist ja so kaputt, das ist schon fast wieder lustig.

Wie ist denn für Euch als Produzenten und/oder Konsumenten?

P.S. : Ich hab' einfach yellowfacing und blackfacing übersetzt, Ich weiß gar nicht, ob's dafür im Deutschen einen Begriff gibt. Leicht zynisch nehme Ich mal an, daß es auf "Deutsch" jetzt auch yellowface oder blackface heißt...
 

MonacoSteve

Dipl.-Lachfalter - und nicht ganz Dichter
Teammitglied
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Thimras

Rauschmeisser... nee, äh, Rauschmeister!
Ach Du liebe Güte, das erzählt einem das Youtube aber auch nicht. Also, kurz erläutert: Da klimpert eine Sitar (ja, eine Sitar) im Hintergrund während die Familie des Detektivs in einem Chinesischen Restaurant die Speisekarte studiert. Und der Restaurantbesitzer, Herr Wang, hat einen Bilderbuch-stereotypischen Akzent. "Vielen Dank fül das fleundliche Kompliment" usw, schlimmer als die China-Wochen bei McDonalds.
 

uburoi

Mitglied
Ich habe für Maritim die "Irene Adler" Reihe konzipiert und ein gutes Dutzend Bücher dafür verfasst. In dieser Reihe gibt es eine Nebenfigur - Mister Wu. Wu ist Chinese, Experte für Spezialeffekte und fungiert als Irene Adlers Waffenmeister. So eine Art viktorianischer Mister Q wie bei James Bond. In den Büchern spricht Wu gebrochen, aber ohne r/l Verwechslung, das fand sogar ich zu klischeehaft.

Ich hatte mich damals bei der Entscheidung für einen Chinesen festgelegt, weil die Chinesen das Schwarzpulver erfunden haben und weil er als Gadget-Master sich auch mit Feuerwerk auskennt und auch das passt wieder zu China.
Ich bin in den 80ern groß geworden, und so ist Wu auch eine Referenz an Chalie Chan, dessen Schwarzweißfilme ich damals begeister angesehen habe.
Wu wird ganz fantastisch von Michael Pan gesprochen (Spongebob, Data), ich könnte mir keinen besseren vorstellen.
Ich war dann ziemlich überrumpelt von den sehr negativen Rückmeldungen der Hörer, die das total klischeehaft und altmodisch fanden. Würde ich an der Serie noch weiterschreiben, würde ich ihm ein besseres Deutsch spendieren, die Art wie Michael Pan ihn spricht und die konfuzianischen Weisheiten, die im Text vorkommen, machen das gebrochene sprachliche überflüssig.
Trotzdem wollte ich auf ihn aus übertriebener Rücksichtnahme nicht verzichten.
 

pio

Autor, Audio Engineer (BA), Sprecher und Musiker
Sprechprobe
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Beim Thema Gender und kulturelle Anmaßung kann man sich ja heutzutage eigentlich nur in die Nesseln setzen. Ich halte das so, dass die Charaktere durch die Namensgebung einen kulturellen/ethnischen Hintergrund erhalten. Entweder weil es für die Story wichtig ist (z.B. Miko, die Betreiberin eines japanischen Teeladens in Hamburg) oder weil ich die Realitäten einfach abbilden will. Meist sprechen diese Charaktere allerdings ohne Akzent.
 

Noir

Mitglied
Ich handhabe das genau so wie bei Suko aus den Hörspielen. Allein schon deshalb, weil ich finde, dass künstliche Dialekte und Akzente fast immer richtig scheiße klingen.
 

Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
Sprechprobe
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ich habe darüber auch schon oft nachgedacht und bin zu keiner richtigen Lösung gekommen. das mit den dubiosen Sprachfehlern und Akzenten kann man gerne einfach mal lassen vor allem wenn es so offensichtlich kein authentischer Akzent ist. Finde das mit eines der unangenehmsten Dinge in Hörspielen.
 

Thimras

Rauschmeisser... nee, äh, Rauschmeister!
Das sind super-interessante Antworten, danke vielmals!
Einer der Produzenten eines Projekts, für das Ich den Ton mache, ist auf der Suche nach einem authentischen Akzent. Und es gab schon mehrfach Fratzegeballer, weil der Charakter Japaner ist und sie gerne einen Japanisch-stämmigen Schauspieler engagieren würde (das Projekt aber natürlich sehr beschränktes Budget hat), aber niemanden finden kann, der die Rolle für die selbe Gage wie der Rest der Crew spielen würde. Ihre Zweitlösung ist derzeit zumindest einen Asiatischen Schauspieler zu buchen, um im Rahmen der Möglichkeiten so viel Representation wie möglich zu gewährleisten. Und heieiei, da gab's heiße Diskussionen, wie rassistisch es doch sei, zu glauben, alle Asiaten wären austauschbar, etc etc (auch wenn das natürlich einen totale Verdrehung der eigentlichen Absicht ist).
Nach den Maßstäben dieser Leute sollte sie die Rolle/Szene/Geschichte umschreiben, um den japanischen Hintergrund komplett zu entfernen, alles andere ist Ausbeutung.

Ich hatte die Brücke zwischen den zwei Sprachen noch gar nicht geschlagen (duh...) - es scheint so, als wäre der Charakter im Englischen nicht denkbar ohne Akzent, während das in deutschen Hörspielen ohne weiteres schon Praxis ist.

Edit: Hab' Ich ja fast vergessen - Ich weiß nicht, wie die Mischung an Herkünften und kulturellen Hintergründen auf HoerTalk so aussieht, oder ob HoerTalk für den ganzen Deutschen Markt repräsentativ ist, aber wenn Ich das richtig verstehe, ist ein Teil des Verzichts auf Akzente u. ä. auch darauf zurückzuführen, daß die meisten dieser Rollen beim Casting gar nicht die Möglichkeit haben, eine authentische Stimme mit dem richtigen Akzent, Sound, Alter etc zu finden.
 
Zuletzt bearbeitet:

stephan1979

Mitglied
Bei Discovery sollte zu Beginn eine Sprecherin mit indischem Akzent die Rolle der Adhira Lavali übernehmen. Aber der Wunsch scheiterte an der Realität, denn wo sollte man so jemanden auftreiben bei einem nichtkommerziellen Projekt? Und das war auch gut so, denn zum Glück hat sich die wunderbare Dagmar Bittner für die Rolle gemeldet.

Für obiges Problem "Japaner/Asiate" wäre es vielleicht eine Lösung, wenn die Figur einen entsprechenden Hintergrund bekommt, dass er zwar in Japan geboren wurde aber in Asien aufgewachsen ist, weil sein Vater Japaner ist und seine Mutter ...

Ganz schwierig ist es übrigens, Aliens zu besetzen. Da meldet sich so gut wie keiner. :)
 

Thimras

Rauschmeisser... nee, äh, Rauschmeister!
Bei Discovery sollte zu Beginn eine Sprecherin mit indischem Akzent die Rolle der Adhira Lavali übernehmen. Aber der Wunsch scheiterte an der Realität, denn wo sollte man so jemanden auftreiben bei einem nichtkommerziellen Projekt? Und das war auch gut so, denn zum Glück hat sich die wunderbare Dagmar Bittner für die Rolle gemeldet.

Für obiges Problem "Japaner/Asiate" wäre es vielleicht eine Lösung, wenn die Figur einen entsprechenden Hintergrund bekommt, dass er zwar in Japan geboren wurde aber in Asien aufgewachsen ist, weil sein Vater Japaner ist und seine Mutter ...

Ganz schwierig ist es übrigens, Aliens zu besetzen. Da meldet sich so gut wie keiner. :)
Da bin Ich mir bei Alan Tudyk ja nicht so sicher... ;)
 
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