• Blut-Tetralogie   Dark Space

knilch

Hä? Was heißt das?
>> WOZU brauchst du diese Infos von uns?
liminal spaces beschäftigen mich schon sehr lange. Sie begegnen mir einfach immer und immer wieder - das Gefühl hat irgendwie einen unbestimmten Sog auf mich. Ich würde mich gerne schriftstellerisch weiter damit beschäftigen, in welcher Form wird wohl der Prozess zeigen. Da wir hier ja ein Hörspielforum sind, dachte ich, euch fallen bestimmt auch tolle Sachen ein, die sich vielleicht auch auf akustischer Ebene abspielen. Mal sehen, wie ich das einbaue (Ein Hörspiel, das dieses Liminalitätsgefühl auslöst wäre zB auch total spannend für mich!)

Boah ich wusste nicht, dass es dafür einen Begriff gibt :-D

Ich hatte vor Jahren in einem Urlaub in den Emiraten mal so einen Fall einer Szenerie, die mir bis heute im Kopf geblieben ist:
Wir sind Geocacher und suchen eigentlich im Urlaub auch immer Caches. In den Emiraten war es das erste mal, dass wir das im Urlaub gemacht haben (hatten erst kurz vorher damit begonnen). Jedenfalls hat es uns angezeigt, dass ein cache an Punkt x auf einem kleinen hochgelegenen Plateau sein soll und wir sind da nicht hoch gekommen. Wir haben einfach keinen Weg gefunden. Wir waren 2 mal an der stelle und haben abgebrochen und beim dritten mal haben wir endlich den Weg gesehen. Also Wasser in die Hand und hoch da. Mittags kurz vor 12. Die Umgebung war ein ausgetrocknetes Flusswadi und drum herum nichts. Keine Siedlung, keine Straße (wir selbst sind mit nem Auto über eine Kies- und holperstrecke gekommen, dass konnte man nicht als Straße bezeichnen). Weit und breit nicht ein Baum.
Und dann kommen wir dort hoch und stehen auf einmal vor einer Ruine eines verlassenen Dorfes. Da war ich kurz vollkommen baff, weil ich das dort oben so überhaupt nicht kommen sah. Egal, schnell cache suchen und wieder weg, ist schließlich nur knapp 45 grad in der Sonne. Den cache fanden wir dann auch schnell und wie wir da im Schatten saßen und uns ins Logbuch eintragen und kurz verschnauften, höre ich in dieser atemberaubenden Stille nur ein wenig Wind und wie genau dieses bisschen Wind den Ruf des Muezzin zum Mittagsgebet zu uns trägt. Dieser Moment hatte etwas so stark paralysierendes, da läuft es mir heute noch heißkalt den Rücken runter.
Diese Szene war so surreal. Eine moderne GPS gestützte Schatzsuche in einem vor Jahrzehnten verlassenen Ruine umgeben von karger steiniger Wüste und die Zivilisation ruft dich aus kilometergroßer Entfernung zurück.

Rausgeholt aus dieser Szene hat mich nur der sehr sponane Anblick (und auch das massive, harte, laute Brummgeräusch) von rotleuchtenden Hornissen, die 2m vor uns ein Nest hatten:eek:
Und der Fakt, dass unser Wasser alle war.
 
G

Gelöschtes Mitglied 1980

Ich weiß genau, was Du meinst. Diese Art von Geräuschen, die dadurch auffallen, dass sie ausbleiben.
Also Geräusche, die also immer da sind, man sie aber nicht bewusst wahrnimmt.

Knacken des Motors, nachdem er ausgemacht wurde. Das eigene Blut, das man in ansonsten absoluter Stille flüstern hört.
"Dieses Gefühl" [sup]TM[/sup] kenn ich total. Hab ich seltsamerweise oft im Herbst, wenn es schon dunkel ist, ich Blätterrauschen höre und gleichzeitig ein einzelnes erleuchtetes Fenster eines Wohnhauses sehe.
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
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Ich glaube für mich würde sich so ein komisches Gefühl von Liminalität einstellen, wenn ein eigentlich bekanntes Geräusch seinen Kontext an die Stille verliert.
Beispiel:
Ein leise vor sich hin dudelndes Radio im Kontext ein Gartenparty: Im Wind rauschene Blätter, sich unterhaltende Gäste, lachende Menschen, vorbeifahrende Autos, ein Flugzeug weit entfernt am Himmel....VERSUS...
Ein leise vor sich hin dudelndes Radio in einem leeren Raum.
Eine Kaffeemaschine mit/ohne Bürohintergrund.
Um dann noch das Gefühl eines leeren Raumes darzustellen ist Reverb hier auch gnz wichtig.
 

Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
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Schön, dass der Thread nochmal ausgegraben wurde. Ist auch eines meiner 100 unfertig und nicht zuende gedachten Schreibprojekte.

Ich dachte, an der Stelle schubs ich aber mal einen Textschnipsel hier rein, den ich im Zuge meiner Überlegungen zu Liminalität mal entworfen habe :)
(auch, weil ich grad noch mit @Phollux über die Liminalität von Stränden schrieb)
Es ist 20:22 Uhr im Juli. Mit einer kurzen Bewegung seiner rechten Hand löst er die Schnalle seiner Armbanduhr und lässt sie in den Mülleimer fallen. Es scheppert, als sie auf dem blechernen Boden aufkommt. Der Sand stiehlt sich in seine teuren Schuhe, während er die wenigen Schritte zum Steg geht. In dem Moment, in dem die Sohle das Holz berührt, wird plötzlich alles still. Er blickt auf das Meer, wie Glas das Falten schlägt liegt es da, die Schaumkronen weiß auf den vielen Gipfeln. Im Himmelblau hängt eine Möwe, Blick tief, Schnabel geöffnet. Der Sand in seinen Socken kratzt. Er geht den Steg bis zum Ende. Er tritt über die weiß gestrichene Schwelle des Eingangs und blickt sich um. Leere Tische, die Kerzen sind zu Stummeln herunter gebrannt, die Bodendielen sind verwittert. Im hinteren Teil des Raumes eine breite Bar aus einer einzigen gelten Eichenplanke. Er geht dorthin, stellt seine Tasche zu Boden und setzt sich. Er betrachtet die weiche Haut, die sonst von seiner Armbanduhr verdeckt ist. “Deine Zeit ist abgelaufen”, sagt eine Stimme, eine Hand schiebt ihm ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit zu. Er nickt nur und trinkt, schmeckt Karamell und Salz und ein wenig Bedauern. Die Hand streicht mit einem Finger über die blasse Haut seines Handgelenks. Er schiebt das Glas von sich und rutscht vom Barhocker. Er beugt sich zu seiner Tasche und öffnet sie, der Verschluss klickt leise. Er holt eine kleine Glaskugel heraus und legt sie vorsichtig auf den Tresen. In der Kugel hängt ein weißer Schleier. Er kniet sich wieder hin und zieht an seinen Schnürsenkeln, erst am rechten, dann am linken Schuh und zieht einen Fuß nach dem anderen heraus. Er streift die schwarzen Socken ab und Sand rieselt auf den Boden, er klingt wie eine feine Melodie. Wortlos dreht er sich nach links, hin zu den riesigen Fenstern, die raus aufs Meer zeigen. Er geht darauf zu, öffnet die Fenster und betritt die Veranda. Der Vogel hängt genau mittig in der Luft. Die Sonne leuchtet auf den weißen Körper, der einen Schatten aufs Wasser wirft, eine dunkle Schneise fast. Er geht über die Veranda, auf den Strand, die Sandhügel liegen starr zu seinen Füßen und schneiden ihm die Sohlen auf. Er tritt in die Wasseroberfläche ohne zu Zögern, geht dorthin, wo der Schatten beginnt. Er dreht sich noch einmal um, hin zum Strandhaus, hin zum Tresen, hin zur Stimme. Dort wo der Schatten beginnt, verschwindet er. Der Vogel kreischt und stürzt sich in die Gischt, um einen Fisch zu fangen. Die Wellen schlagen rauschend gegen das Ufer. Ein Windstoß lässt die Verandavorhänge aufwallen. Die Glaskugel auf dem Tresen setzt sich in Bewegung, im Außen und im Innen. Der weiße Schleier wirbelt, die Kugel nähert sich der Tischkante und fällt. Eine Hand fängt sie kurz vor dem Boden auf, schließt die Faust darum und steckt sie ein. Es ist 20:22 im Juli und die Sonne steht tief.

[\SPOILER]
 

PeBu34

Mitglied
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Hallo Zusammen,

mir ist grade auch noch etwas zum Thema eingefallen - es ist aber so ähnlich wie das Thema "Aula nach einer Rede". Ich denke an einen - möglicherweise auch kleinen - Theatersaal (Hobbygruppe) vor der Aufführung, wenn das Ensemble noch die letzten Requisiten für die erste Szene auf die Bühne trägt oder noch eine kurze allerletzte Probe abgehalten wird.

Oder noch besser: nach der Vorstellung, wenn die Zuschauer gegangen sind, die Bühne und der Saal leer sind oder höchstens noch jemand das eine oder andere Requisit von der Bühne trägt.

Liebe Grüße von
Peter :)
 

Delay

Mitglied
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Knarrender uralter Holzfußboden oder wahlweise auch das leise und gleichmäßige Tropfen eines undichten Wasserhahns in einem ansonsten völlig leeren und stillen Raum.
 

Spirit328

Everything - STOP!
Teammitglied
Um es mal technisch ein bißchen einzuordnen:
Um solche leisen Geräusche gegenüber dem allgemeinen "Hintergrund-Geräusch" wahrnehmen und am besten noch orten zu können, sind ca 3 dB Pegelunterschied nötig. Es kann, je nach Geräusch etwas weniger sein, aber so als grobe Faustregel.
Jedes Geräusch, das lauter ist, wird noch besser wahrgenommen und lokalisiert, ist dann aber schon am Rande dessen was liminal ausmacht.
Es ist also eine technische Herausforderung.

Da wir gerade von Hintergrundgeräuschen sprechen: Mikrofone rauschen. Die einen mehr, die anderen weniger. Faustregel hier: Je preiswerter, desto rausch.
Will man also liminal Sounds aufnehmen, stellt das erhebliche Anforderungen an das Material. Nicht nur die Mikrofone, aber an die zuerst und im Besonderen.
Auf jeden Fall würde ich hier immer Kleinmembran-Kondensator Mikrofone einsetzen. Dann ist zu überlegen, ob man nicht so etwas wie die TritonAudio FetHead Phantom Stecker-Verstärker einsetzt. Sie sind wirklich sehr rauscharm und so kann man ein etwas rauschenden Mikrofon-Vorverstärker im Zaum halten.
Damit das aber nach etwas klingt, ist hier mindestens Stereo angesagt.
Besser sogar "Double M/S" und da wird's schon kniffelig. Dazu braucht man entweder eine "Acht" und zwei "Nieren" oder vier möglichst gleich empfindliche "Nieren".
Ihr seht worauf das hinausläuft ... ;) ... das wird eine kleine Materialschlacht.

Aber ... die/der ein oder andere hat vielleicht solche Möglichkeiten und kann hier mal Demos einstellen.

Fände ich spannend!
 

Chaos

Schneewittchen
Teammitglied
Sprechprobe
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Die Frage ist ja: Muss man die wirklich so "aufnehmen" oder kann man sie eben generieren, wie einen illusorischen Trick quasi :)
Man kann ja auch Liminalität in virtuell/fiktionalen visuellen Räumen erschaffen, das geht doch sicher auch in akustisch
 

Brandywine

Falko Diekmann
@Chaos Ich hab jetzt nicht den ganzen Thread gelesen deshalb wurde es vielleicht schon erwähnt: Ich würde eine Film- bzw. Regieempfehlung in den Raum werfen. Die meisten Filme von David Lynch verwenden das Konzept von Liminal Spaces. Er war auch meistens stark in das Sounddesign involviert. Besonders hervorheben würde ich "Blue Velvet" und "Lost Highway". Das Thema oder Gefühl kommt in fast allen seinen Filmen vor, aber die beiden scheinen mir Paradebeispiele zu sein. Manche seiner Bilder und Klänge scheinen fast eine Blaupause für die "Backrooms" zu sein die sich großer Beliebtheit erfreuen.
 

Spirit328

Everything - STOP!
Teammitglied
@Chaos .... Hmmmm. Solche Sounds zu generieren .... Hmmmm.

Theoretisch sollte das gehen. Wird aber eine ziemliche Bastelei.
Das Verorten von Klangquellen in einem Raum ist alles andere als trivial.
Normalerweise reicht es, wenn es "plausibel" ist. Ob das bei liminalen Sounds auch gilt?

Dann müssen die Klangquellen in strikt Mono aufgenommen worden sein und komplett "trocken", also ohne Hall.
Das stelle ich mir machbar vor, ist aber schon ein erheblichen Aufwand.

Bietet aber Möglichkeiten. ....
Vielleicht sollten wir dazu einen eigenen Thread aufmachen?
"Technische Umsetzung von liminalen Hörsituationen" oder so ähnlich.
Wäre spannend!

Noch spannender wäre es ein A/B Vergleich zu haben. Dann kann frau mit eigenen Ohren entscheiden, ob es funktioniert.
 

Spirit328

Everything - STOP!
Teammitglied
Wie wäre es mit einem "Wunsch-Konzert"?
Wir versuchen einfach mal gemeinsam so eine liminale Situation zu "synthetisieren", also aus bestehendem Audiomaterial zu erzeugen.

Vorschläge?
 
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