AW: Dialekte
Liebe Swetty
Ich verstehe, denke ich, Dein Anliegen sehr gut. Vielleicht erinnerst Du Dich, dass ich Dir mal ganz zu anfang, quasi beim Kennenlernen, etwas geschrieben hatte - und das spielt auch eine Rolle.
Ich drösel die Frage, um die es hier geht mal in einzelne Punkte auf, die ich vom wichtigsten zum unwichtigsten Aspekt gliedere - 1. steht also auch an erser Stelle.
Was sich nicht sehr lohnt, ist, zu diskutieren, warum das sogenannte "Hochdeutsch" sich als Standardbasis im veröffentlichten Sprachverkehr im deutschen Sprachraum durchgesetzt hat ( interessant ist höchstens, dass das vor einigen wenigen hundert Jahren auch mit herrschaftlicher Willkür zu tun hat ).
Wenig interessant ist auch, und da kann man die Schweiz ja fast an erster Stelle nennen, dass in manchen Regionen von Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Deutschland die eigene Mundart, oder auch Dialekt genannt, bis hinein in Informationssendungen nachdrücklich gepflegt wird - von liebevoll bis reaktionär.
1. Das Casting richtet sich in der Regel nach dem Geschmack des Werkschaffenden, der besetzt - und dessen Geschmack wiederum ordnet sich meist der Prämisse, möglichst viele mit einem Hörspiel erreichen und beglücken zu wollen unter - und damit ist der Mainstream "HOCHDEUTSCH" schon eingebaut.
2. Das Casting richtet sich aber auch nach der sprachlichen Souveränität und der spielerischen Beweglichkeit, der Fähigkeit, aus einem geschriebenen Text spontan und unmittelbar wie in freier Rede einen vitalen ( und wenn gewünscht; authentischen ) Ausdruck der Figur kreieren zu können.
3. Die Besetzung einer Rolle kann, wie schon oben erwähnt, zwar auch nach Massgabe eines erwünschten Lokalkolorids stattfinden - weil es zum Beispiel wirklich lästig wäre, einen AlmÖhi in Heidi mit einem Hamburger Hanseaten zu besetzen, der sich notorisch an "seinem sspitzen Sstein sstösst" (wie man hierzulande von den Fischköppen sagt) - aber das tut Punkt Zwei keinen Abbruch, denn auch ein Dialekt, wenn er denn für die Besetzung in "Tannöd" gewünscht ist, rettet nicht über die Tatsache, seine Zunge "befreien" zu müssen hinweg.
Ich persönlich spreche zwar auch Berndütsch, aber alle anderen Dialekte, die bei mir als Sprecher dennoch zum Einsatz kommen, kann ich allenfalls nachäffen. Einen Dialekt (neben dem Hochdeutschen) sprechen zu können, als "wär's ein Stück von mir", finde ich grossartig und es ist dann eher, s. Punkt 3, ein zusätzliches Pfund, mit dem mensch "wuchern" sollte.
Deswegen finde ich Dagmars Vorschlag, die aus eigener Erfahrung spricht, sehr gut. Vielleicht macht es ja Spass ( vor allem wenn nicht der Druck, einen Beruf verteidigen zu müssen dahinter steht), sich eher mit sportlicher Einstellung mal mehr den Möglichkeiten seiner Zunge zu widmen. Letztendlich hat das alles mit Motivation und Training zu tun.
Ein Schauspieler, den ich z.B. sehr schätze, ist Sepp (Joseph) Bierbichler. Schon daran, dass er mit seinem tümlichen Kosenamen fast populärer ist, zeigt, dass jemand mit Dialekt alles andere tun muss, als seine Mundart wie ein Teelicht unter den Scheffel zu stellen. Allzugern auch wird der Sepp, wie z.B. in "Hierankl" oder im "Wintermärchen" oder auch als B.Brecht gerade wegen seiner "Ursprünglichkeit" eingesetzt. Massgeblich aber ist, dass der Mann auch "ganz anders kann" und jahrelang z.B. in den Münchner Kammerspielen gespielt hat und perfektes Hochdeutsch spricht.
Sepp Bierbichler ist vor allem gefragt, weil er ein Trumm an Echtheit zu verkörpern versteht - und das zählt.
Ein richtiger Schuh wird daraus, glaube ich, wenn Du Dich nicht wegen der Dialektfrage aufhältst, weil sie wirklich nicht erstrangig ist, und allenfalls im geschmäcklerischen oder tümelig genrebezogenen Revier zum Hauptthema wird.
Sich damit zu beschäftigen ist dennoch sinnvoll und abenteuerlich - es kann einem ja ganz neue Welten erschliessen...
Was einen Zuhörer oder Zuschauer, da rede ich eifach von mir, aber am meisten anzündet ist Echtheit
Weil es eher peinlich ist, hier Namen zu nennen, will ich nur soviel sagen, dass hier vor kurzem z.B. im Forum eine Stimme aufgetaucht ist, die mich (vielleicht gerade, weil sie nicht beruflich ge- oder deformt ist) wirklich überzeugt ( und auch die hat einen lokalen Klang ) und ich wünsche sofort, mehr von ihr zu hören.
Summasummarum: Erlebe Dich selbst als Zuhörerin und benenne für Dich die Gründe, die Dir bei bestimmten Stimmen sofort das Gefühl geben, davon möchtest Du mehr hören. Ich finde, dass ist die intuitiv zuverlässigste Spur, der Du dann getrost folgen kannst. Oft kommt dieser Genuss ja dadurch zustande, dass diese Stimme für Dich auch einen vorbildhaften Charakter annimmt. Und schon hättest Du eine tolle Motivation.
Vor allem: bitte nicht frustrieren lassen. Mit dem Stimmprobenarchiv haben wir alle hier doch einen tollen Marktstand für attraktive Auslegware. Mach Angebote, Swetty !
lG