dieVERdener

Mitglied
Einen schönen guten Abend zusammen!
Wieder einmal hoffe ich auf kompetente Hilfe, damit ich mir hier nicht alles versaue :)
Stück für Stück durchblicke im Reaper immer besser - aber es gibt halt immer wieder Dinge, wo ich einiges einfach grundsätzlich noch nicht verstanden habe. Und so wäre ich sehr dankbar, wenn jemand mal generell und mit möglichst wenig Fachbegriffen erklären könnte, wie ich bei folgender Problematik vorgehe:

Das nächste Audiobuch für unseren Enkel ist in der Endphase. Er hört es auf seinem Hörbert/Toni - also auch eher mal so "nebenbei gehört", als intensiver Hörgenuss unter Kopfhörern. Aus diesem Grund müssen wir sehr drauf achten, dass in den Abmischungen dafür die Dynamik nicht die Riesenumfänge hat.

Beim ersten Rendern der Erzählspur bekomme ich folgende Statistik:
Compressoreinstellungen Vorarbeit2 .png



Ich peile immer eine durchschnittliche Gesamtlautstärke von -23 LUFS an. Wenn ich das richtig lese, ist der "Dynamikumfang" hier 8,3 (LRA). Hier würde doch dann sicher ein Kompressor (oder ein Limiter????) ansetzen (was nimmt man wann?). Bislang bin ich immer ohne ausgekommen, habe es "von Hand" angepasst - aber langsam möchte ich es doch auch mal ein wenig vereinfachen und auf "Technik" setzen.
Mein Problem, ich kapiere einfach nicht, was da passiert, wenn ich zB den ReaXcomp oder den MCompressor (Melda) einbinde. Und immer wenn ich meine es verstanden zu haben, verschlimmbessere ich meine Aufnahmen. Vielleicht denke ich ja viel zu kompliziert. Was muss ich tun, um bei o.g. Beispiel meine durchschnittlichen -23 Lufs zu behalten und die Dynamik einzugrenzen auf zB 4-5 LRA?

Und mache ich das dann mit jeder "Stimmenspur" einzelnen, oder lege ich einen Comp/Lim auf den Mastertrack?


Bin gespannt, wie peinlich mir gleich wieder meine technische Naivität sein muss und freue mich auf (wie immer) hilfreiche Antworten.
Gruß aus Verden
 

soundjob

Tontüte & Hörspielfrisör
Sprechprobe
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Hallo Verdener,
mal schauen, ob ich dir mit einfachen erklärbärischen Worten und Illus ein wenig weiterhelfen kann, allerdings kommen wir wahrscheinlich nicht umher, ein paar Begriffe aus dem fachchinesischen zu verwenden.

Was macht ein Kompressor ?
KompressorAmplitude.jpg

Ein Kompressor "verdichtet" ein Signal, in dem er u.a. Lautstärkeunterschiede ausgleicht.
Lautes wird leiser, leises wird lauter und eine annähernd durchschnittliche Gesamtlaustärke erreicht... aber auch die Dynamik wird hierbei im Vergleich Bild 1 zu Bild 3, regelrecht "geplättet".


Was macht ein Limiter ?
LimiterGrafik.jpg

Der Limiter dient der Begrenzung durch Beschneidung eines festgelegt maximalen Pegels (z.B, -1 dB) und verhindert, dass eine Lautstärke über diesem festgelegten Wert weiter zunimmt.
Wenngleich der Limiter ebenfalls ein (harter) Kompressor ist, fungiert er nicht in dieser Funktion der Angleichungen von Laustärkeunterschieden, sondern soll nur einen Pegel, bzw. Maximallautstärke begrenzen, um z.B. u.a. Übersteuerungen zu verhindern.


Wann kommt ein Kompressor zum Einsatz ?
Zumeist kommt ein Kompressor explizit dort zum Einsatz, wo es über eine längere Spieldauer immer wieder mehr und minder starke Schwankungen von Lautstärken gibt, wie z.B. bei Gesang/Sprache/Instrumente und ein durchgehend ausgewogenes Lautstärkeverhältnis erwünscht ist.

Wann kommt ein Limiter zum Einsatz ?
Zumeist bei sehr lauten Signalquellen wie z.B. Explosivgeräusche (Revolverschuss, Kanonenschlag oder auch Instrumente wie z.B. Schlagzeug) mit ohnehin schon hohen Eigendynamikanteil.
Hierbei geht es u.a. um die Sicherstellung und Schutz vor einer Übersteuerung durch Begrenzung des Pegels während eines Aufnahmeprozess oder Mischung etc.

Kompressor UND Limiter
Häufig werkeln Kompressor und Limiter jedoch zusammen.
Zunächst wird das Signal hinsichtlich Lautstärkeunterschiede ausbalanciert, um im letzten Schritt mit einem Limiter u.a. zwar den Pegel technisch zu begrenzen, jedoch die (empfundene) Lautstärke weiter erhöhen zu können (Lautheits-Maximierung).

Was ist aber eigentlich mit der Dynamik ?
Da du dich auf den LRA-Wert beziehst... vergiss` diesen gleich wieder, weil das keine Ziel orientierte Größe/aussagekräftiger Wert ist.
(Und ich möchte hier auch nicht hinsichtlich Schalldruckpegel zu technisch werden, soll ja einfachzu verstehen bleiben).

Als Beispiel nehmen wir mal einen Film:
Ein Kriegsfilm, bei dem es an allen Ecken und Enden kracht, hat natürlich eine weit höheres Dynamiklevel als z.B. ein romantischer Film mit romantisch-seichter Musik und Smalltalk... wenngleich beide Filme die absolut gleichen Lautstärkepegel haben.

Ein anderes Beispiel aus der Musik:
Ein gediegenes Jazz-Stück wird trotz gleicher Lautstärke i.d.R. keinen so hohe Dynamikumfang haben, wie ein Death-Metal Gewitter.
Es gibt zwar z.B. in der Musik Angaben, wie hoch ungefähr der Dynamikumfang bei verschiedenen Genres ist, aber das ist kein Richtwert... denn auch selbst ein Solo spielender Jazz-Kontrabass, könnte hier auch mit Leichtigkeit den gesamten Dynamikumfang eines Death-Metal Konzerts locker überbieten.
Von daher ist der LRA-Wert keine wirklich gerichtete Größe und Aussagekraft, wie dynamisch Dynamik eigentlich sein müsse, weil letztlich der Zusammenhang zur Signal gebenden Geräuschquelle fehlt... woher will die Messung als also aussagekräftiger Anhaltspunkt wissen, um welches Geräusch es sich eigentlich handelt und aus welcher z.B. Entfernung es kommt ?

Ein dafür weiteres Beispiel:
Ein in 5 Kilometer entfernt vorbei rumpelnder Panzer wird vom Motorengeräusch zwar nicht so laut sein, wie die direkt vor deiner Nase im Garten lautstark zankenden Elstern, die um ein vielfaches lauter und deutlicher zu vernehmen sind.
Allerdings wird der weit entfernte Panzer ein spürbar und bebendes Rumpeln verursachen, was vom Dynamikumfang während einer Aufnahme mitunter im Pegel sehr viel kräftiger ausschlagen kann, als die Elstern... weil es hier wiederum um die Frequenzbereiche geht.
Selbst ein relativ "leises" Geräusch, kann aufgrund seiner (tiefen) Frequenzbereiche einen höheren Dynamikumfang aufweisen, als ein relativ "lauteres" Geräusch aus nächster Nähe.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Der Wert auf den du dich mit -23 LUFS beziehst (findet man zumeist auch nur im Film/Kinoton) soll ohnhein garantieren, dass du eine Mischung mit sehr hohen Dynamikanteilen und Kurven fahren kannst...also auch die Relation des Geräusch in Natura zwischen z.B. "Panzer und Elstern".
Es ist auch gar nicht erwünscht oder die Idee, dass die Dynamik wiederum "geplättet" wird, um eine höhere Ausgangslautstärke zu erzielen (siehe z.B. Loudness-War)... ganz im Gegenteil... die R128&Co-Empfehlungen sind dazu gedacht, wieder einen sehr hohen Dynamikumfang haben zu dürfen und die Gesamtlautstärke der verschiedenen Stücke dabei aber eine möglichst selbige bleibt und eben nicht mehr dem Loudness-War gefrönt wird, dass alles noch lauter sein müsse... es soll ja eine Richtlinie sein.

Aber zurück zu deiner Frage, wie du deine -23 LUFS im finalen Mix hältst und dafür ein wenig die Dynamik begrenzt:
- Am besten natürlich durch eine gute Mischung, in der du Lautstärkeverhältnisse untereinander noch einmal überprüfst und dem Mix angleichst. Das kann durch Einsatz von Kompressoren, Limiter- oder auch ganz einfach und oft, schon nur mit einem besseren EQing (Equalizer) erreicht werden, in dem du gewisse Frequenzen im z.B. von Bassbereichen heraus nimmst.

- Die andere/weitere Möglichkeit, ist der Einsatz eines speziellen "Loudness-Meter" mit integrierten TruePeak-Limiter (z.B. der Waves WLM+), um deine Level konstant(er) zu halten... dennoch ist Grundvoraussetzung eine zunächst immer ausgewogene(re) Mischung.

Was auch immer du einsetzt (für Sprache empfehle ich immer einen Kompressor), ist es dir überlassen, ob du es auf einer Einzelspur, also pro Spur machst oder in der Summe auf dem Master.
Wenn es relativ wenige Spuren/Sprecher sind, dann reicht ein Routing über das Master, wo alles zusammenlaufen kann... sind es allerdings viele Spuren/Sprecher und Situationen, dann mache z.B. ich das für den PreMix immer pro Einzelspur (jeder Sprecher bekommt seine Vorabmischung auf seiner eigenen Spur) und später läuft das im finalen Mix und Zusammenspiel noch einmal über eine kleine dezente Summenkompression und Limiter.

Hoffe, ich konnte dir ein klein wenig weiterhelfen
Beste Grüße aus Berlin
Markus
 
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MonacoSteve

Dipl.-Lachfalter - und nicht ganz Dichter
Teammitglied
Wow, vielen Dank, das verstehe ja sogar ich (zumindest das Meiste!)
 

dieVERdener

Mitglied
jau!!!!! dann habe ich da doch endlich mal ein wenig mehr Klarheit!! Vielen Dank!
 

Spirit328

Everything - STOP!
Teammitglied
Eventuell macht es Sinn eine Sub-Gruppe für die Stimmen zu bilden (vielleicht auch männlich und weiblich getrennt, wegen des unterschiedlichen "De-Essings") und auf dieser Subgruppe noch mal einen Summenkompressor einzusetzen und auch einen Peak-Limiter, um etwaige Dynamikspitzen und schnelle Transienten abzuschneiden.

Natürlich ist es von großem Vorteil, wenn jede Stimme auch schon mal in der Dynamik und Sound kontrolliert wird, durch entsprechende Komponenten, (Comp, EQ ...)

Im Master kann man auch mit einem M/S Kompressor arbeiten, der das Verhältnis von Stimmen (Mitte = M) zu den Umgebungsgeräuschen (Seite = S) noch einmal bearbeitet. Das erfordert etwas Fingerspitzengefühl und Erfahrung, aber damit kann man noch mal mehr Durchsetzungsfähigkeit für die Stimmen erzielen.

Ich persönlich bin ein Freund davon soviel Kompression wie nötig und so wenig wie möglich einzusetzen. Dadurch bleibt der Charakter der Stimme besser erhalten, der Ausdruck und die Emotionen kommen noch authentischer rüber und es klingt nicht alles so plattgedrückt.
Auch wenn ich mit dieser Meinung nicht im Main-Stream stehe, so kann ich nur sagen: Esst mehr Mist! - Milliarden Fliegen können nicht irren!

Nein, im Ernst. Da ist Vieles Geschmackssache und von den Hörgewohnheiten abhängig. Doch am Ende entscheidet Dein Ohr, Deine Zielsetzung und ... last, but not least, die technischen Vorgaben, die zu erfüllen sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

Calle

Darf ich Sie mal kurz ansprechen?
Sprechprobe
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Ich persönlich bin ein Freund davon soviel Kompression wie nötig und so wenig wie möglich einzusetzen. Dadurch bleibt der Charakter der Stimme besser erhalten, der Ausdruck und die Emotionen kommen noch authentischer rüber und es klingt nicht alles so plattgedrückt.
Mein Herz teilt deine Meinung, mein Vorgesetzter im Rahmen der Radiospot Produktion sagt aber dass die Stimme erst fertig komprimiert ist wenn die Wurst nicht fetter geht :ROFLMAO:
 
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