AW: Die Barash-Tyr Chroniken 1 - Dyrer - Eine ungewöhnliche Freundschaft
So, nun habe ich auch endlich Dyrer gehört und möchte meinen Senf dazu loswerden.
Erstmal kurz mein Standpunkt: ich mag generell Fantasy sehr gerne, epischer Fantasy ist nicht meins und den "Herrn der Ringe" finde ich deshalb nur zum Erbrechen bombastisch.
Für mich ging es beim Hören auch darum, inwieweit Fantasy, oder gerade epischer Fantasy in Hörsprache übertragbar ist, da für mich nicht jeder Stoff in jedem Medium gleich gut wirkt. So höre ich im Fantasybereich vor allem die DSA-Produktionen sehr gerne, die aber Hörbücher sind.
Ich fange mal mit den Stimmen an:
Ich hatte generell Probleme mit der "Stimmigkeit" der Zwerge. Als ich Jessica hörte, war sie für mich gleich eine Zwergin. Ich fand ihre leichte Rauheit, das leicht Kehlige absolut passend. Damit habe ich dann aber auch die anderen Zwerge an ihr "gemessen" und mir die Frage gestellt, was Zwerge stimmlich (nicht sprachlich) ausmacht. Im Schnitt ist die menschliche Stimme über die letzten Jahrhunderte tiefer geworden, weil der Mensch im Schnitt größer geworden ist, der Kehlkopf ist damit halt mitgewachsen. Demnach müssten Zwerge eigentlich höhere Stimmen haben, was aber auch komisch wäre. Wie schon geschrieben, hat mich deshalb die Kehligkeit als Merkmal überzeugt. Damit wurde Markus dann zu einem Elefanten-Zwerg und Jeln zu einem Zwergchen. Ich fand beide vom Sprachlichen wirklich großartig (Markus, ich bin nach wie vor absoluter Fan von Deiner Stimme und Jeln als Verschlagener war köstlich), aber sie wollten für mich nicht zwergeln.
Richtig, richtig gut fand ich ich Thomas bei den Ich-Erzähler-Passagen. Er hatte dabei immer einen Enthusiasmus in der Stimme, den ich für Fantasy sehr gut gewählt fand. Total glaubwürdig und mitreissend. Und damit hat sich für mich auch das Sprechen in den Szenen gut aufgeschlüsselt und den Charakter sehr lebendig gemacht. Generell fand ich übrigens die Männer im Raum-Hall-Mix, gerade im Vergleich mit Jessica oft eher trocken. Kann hier nur daran erinnern, dass tiefe Stimmen in halligen, weiten Räumen sehr weit tragen.
Ebenfalls sehr gut fand ich Detlef, obwohl er mir in seiner Verspieltheit teils über das Ziel hinausgeschossen ist. Das kann aber auch durchaus an dem Dialog an sich liegen.
Am überzeugendsten neben Jessica fand ich Marc. Ich habe seine Stimme, trotz vielem Gequatsche beim IHW überhaupt nicht wiedererkannt, auf der anderen Seite wirkte sie auf mich auch nicht aufgesetzt. Daumen hoch!
Zum Cut:
In sich sehr geschlossen und gut. Aber ein paar Kleinigkeiten zu Mäkeln habe ich doch:
In der Höhle am Anfang ist die ganze Zeit der Wind zu hören, aber ungerichtet, wie mir schien. Wenn die Höhle eine Ausgang hat, dann müsste dort das Windbrausen am stärksten herkommen. So war für mich im Kopfkino der Raum nicht wirklich vorstellbar. Überhaupt war die Sache mit dem Wind bei den Draussenszenen problematisch: Entweder windet es sehr und die Charaktere müssen dementsprechen laut reden, um gegen ihn "anzukommen" oder halt nicht. Aber die Kombination aus nahezu normaler Sprechlautstärke und lauten Wind im Hintergrund finde ich unschlüssig.
Mir persönlich haben zudem die Schritte von den Zwergen nicht gefallen, die klangen mir zu sehr nach Mensch. Wie man das Problem lösen kann, keine Ahnung...
Bei der Fahrt mit der Lore hätte ich mir ein organischeres Grundgeräusch mit mehr Veränderung gewünscht und das ganze dann auch noch gerne im Stereopaning umgesetzt gehört. Klar wäre das eine ziemlich Effekterei gewesen. Aber zumindest hätte der Grundsound komplexer und variabler sein können (Nieten, andere Fahrtgeräusche etc.).
Generell habe ich mir die Frage gestellt, wie und ob sich Fantasy und Grusel von der Klanglichkeit unterscheiden. Beim Grusel geht es ja auch darum, den Hörer Kleinigkeiten bemerken zu lassen, um den Grusel zu erhöhen. Hier war die Soundkulisse viel geschlossener und das war für mich dann sehr fantasy-like und passend.
Zur Musik:
Ich traue mich jetzt mal zu mehr Kritik und hoffe, dass sie als konstruktiv verstanden wird.
Ich fand die Musik da am stärksten und passendsten, wo sie reduziert war, eigen in der Instrumentation und wirklich auf die Szene eingegangen ist.
Bei Szene drei z.B. setzt die Musik mit einem lauten durchdringenden Ton ein und "bläst" sich dann nur kurz auf. Das fand ich stimmig. Genauso Szene 7, die eher Ethnomusik anmutende Darstellung der Stadt. Diese beiden Musiken waren eigen, aber haben mir gleichzeitig viel Platz gelassen, um mir die Szenerie vorzustellen. An vielen anderen Stellen war mir die Musik einfach zu aufgebläht. Alles war immer gleich episch, mächtig. Und das führte dazu, dass die Musik in sich kaum die einzelnen Szenen in ihrer Wichtigkeit gestützt hat. Somit ergab sich durch die Musik kein Spannungsverlauf, sondern war für mich diesen teils entgegengerichtet (halt immer alles gewichtig).
Richtig gut war sie im Gegensatz dazu in Szenen, wo sie sich mit diesen verbunden hat. Beispiel Szene 11 bei Minute 8:25. Da gehen die Klänge fast in die Szene über. Ebenso in der Trollkampfszene. Da passiert in der Musik gar nicht so viel und so unterstützt sie den Cut. Für mich war gerade diese Szene richtig gut, weil Cut und Musik eine Verbindung miteinander eingegangen sind!
Bei vielen anderen Stellen hat mir die Musik ein Kopfkino aufgezwungen, durch dass ich immer gleich die Verfilmung von "Herr der Ringe" vor Augen hatte. Und das stand für mich im Kontrast zur Story und zum Cover. Dick orchestral mag unseren Hörgewohnheiten entsprechen, mir war es zu viel musikalischer Zwang, statt wirklicher Interpretation der Szene auf den Ohren. Nebenbei waren da auch noch kleine Mixfehler für ein Orchester. Z.B. können die Pauken nicht laut angeschlagen werden und die Triangel (?) ist immer noch wesentlich lauter.
Zur Story:
Ich fand gerade für ein Hörspiel war das Skript sehr passend. Das lag an dem Verhältnis von Unterwegs sein und stationären Szenen. Hätte sich das Hörspiel nur auf die "Wanderung von Dyrer" beschränkt und die verschiedenen Szenerien, die er kennenlernt, so wäre mein Eindruck negativ gewesen. Aber dadurch, dass es auch andere Orte, an denen etwas passiert (nicht, wo die Handlung hingetragen wird) gibt, entsteht für das Gehörte ein Rahmen.
Genauso wichtig und richtig fand ich die Wahl, dass erstmal nur zwei Personen auf der Wanderschaft sind. Das hat dem persönlichen Verhältnis der beiden Protagonisten und damit der Darstellung ihrer Charaktere viel Platz gelassen, anstatt das sie - wie gewohnt - fantasymäßig platte Abziehbilder wurden. Da passt es sehr gut, dass die Gruppe erst am Ende erweitert wird. Und so bin ich auf das Verhältnis und die Entwicklung der Charaktere sehr gespannt!
Genau dieses sehr schöne und eigene Entwicklung wurde aber in Szene 7 am Ende durch die Musik und das Skript für mich viel zu dick. Große Entscheidungen, große Musik. Das war mir zu viel Schmelz und da ist dann für mich auch der Punkt erreicht, wo epischer Fantasy blubberig wird. Ich fände es toll, wenn gerade die kleinen Elemente auch wieder viel Platz in einer Fortsetzung fänden und zeigen (so wie das Dyrer immer wieder getan hat), dass Fantasy nicht immer groß und bombastisch sein muss.
Und das ist auch die Frage, bei der ich am Ende hängengeblieben bin. Warum gefällt mir Dyrer besser als manch andere Produktion im Fantasybereich? Vielleicht weil Massen von Menschen, große Schlachten, große Architektur etc. im Hörspiel nicht gut abbildbar ist? Funktioniert Fantasy-Hörspiel, wenn es stimmig in sich ist, anders als verfilmter epischer Fantasy? Für mich hat Dyrer vor allem da geklappt und mich begeistert, wo die Epik sich sowohl in Story als auch Umsetzung in Grenzen hielt.
Edit: Das Cover noch ganz vergessen:
Ich finde die Beinhaltung der Zwergin ein bisschen komisch... aber das wars auch schon mit Kritik. Richtig gut gefallen hat mir die Farbgebung im Zusammenhang mit der Hintergrundtextur. Das wirkt zum einen sehr organisch, zum anderen haben die Figuren noch ein schöne Tiefenschärfe und setzen sich gut gegenüber dem Hintergrund ab. Neben dem stellt das Cover aus sehr schön den Titel dar!