Karpatenhund
Karpatenhund
AW: Der erste Schnee
In den frühen Achtzigern lief einmal in der Woche (ich glaube immer Sonntag abends) im Süddeutschen Rundfunk die Reihe "Science-Fiction als Radiospiel". Ich war damals 7 oder 8 Jahre alt und kannte unter Science-Fiction eigentlich nur "Krieg der Sterne" und "E.T." Die Hörspiele, die ich dort im Radio aber zu hören bekam, waren etwas völlig anderes: Häufig kammerspielartige, beklemmende Visionen aus einer dystopischen Zukunft. Ich erinnere mich an eine für mich damals äußerst verstörende Umsetzung von Philip K. Dicks "Die Kolonie" (den Autor kannte ich damals nicht, ich habe die Story dann Jahre später beim Lesen einer Kurzgeschichtensammlung wiedererkannt) oder an eine bizarre Geschichte "Der Mann mit dem Schnurrbart", wo ein Hausmeisterehepaar eines verkommenen dystopischen Wohnkomplexes von einem gehässigen Zwerg mit Oberlippenbart heimgesucht wird.
Ob diese Hörspiele tatsächlich "gut gemacht" waren und ob sie mich heute noch überzeugen würden, kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, dass sie damals einen starken Eindruck auf mich hinterlassen haben. Sie waren auch mein erster Kontakt zu "ernsthafter" Science-Fiction.
Heute habe ich mir "Der erste Schnee" angehört und es war für mich ein starkes emotionales Erlebnis. Die geistige Verbindung zu meinen frühen "Science-Fiction als Radiospiel"-Hörerfahrungen kam mir sofort, denn Science-Fiction-Hörspiele von vergleichbarer Tiefe, Originalität und emotionalem Nachhall kenne ich nur aus dem Radio. Von den kommerziellen Hörspiel-Labels, die darauf angewiesen sind, ihre Hörspiele im Einzelhandel zu verkaufen, ist ein solches Hörspiel vermutlich undenkbar - es sei denn, es steht ein berühmter Autorenname drauf.
Ich muss gestehen, dass ich einiges tatsächlich (logisch) nicht verstanden habe - aber mein Eindruck war auch, dass es hier eben GERADE NICHT darum geht, dass der Hörer herumrätseln soll, bis das Ding "gelöst" ist und damit brav zu den Akten gelegt werden kann. (Es gibt auch Filme, die beim wiederholten Sehen zwar mehr Tiefe erhalten, aber sich niemals völlig logisch widerspruchsfrei "auflösen".) Für mich war dies eher ein immer dichter sich auffächerndes Gewebe menschlicher Gefühle und auch Verletzungen. Am Ende bin ich in einer Art "Herz" angekommen. Gefühlsmäßig hat alles gepasst, war nachvollziehbar und stimmig.
Drei Säulen sind es, die dafür sorgen, dass das Hörspiel so gut wirkt, wie es wirkt:
- Das großartige Skript
- der großartige Audioschnitt, der von der ersten Minute an eine starke hypnotische Sogwirkung entfaltet, den Hörer gefangen nimmt, das ganze Hörspiel über festhält und bis zum Ende nicht mehr loslässt.
- die großartigen Leistungen der beiden Hauptdarsteller, die in jeder Situation ganz glaubwürdig waren
Dreimal "großartig" - sorry für die Wortwiederholung, aber es ist wie es ist.
Und wem dies nicht genug Science-Fiction ist, weil dort kein Bösewicht im Darth-Vader-Mäntelchen herumläuft, dem sei gesagt, dass Science-Fiction eben so viel mehr sein kann. "Der erste Schnee" beweist es.
Allen Beteiligten gebührt großes Lob! Ihr habt ein saustarkes Hörspiel auf die Beine gestellt, das uneingeschränkt jedem empfohlen werden kann! Das Hörspiel zeigt, was diese Kunstform zu leisten imstande ist. Ich wünsche mir viel mehr davon.
P.S.:
An zwei Filme hat mich das Hörspiel erinnert:
- "Moon": Ich habe mich stark an die Einsamkeit und Ausgeliefertheit des Protagonisten dort erinnert gefühlt.
- "Vergiss mein nicht"/"Eternal sunshine of the spotless mind": Auch wenn thematisch etwas völlig anderes, hatte ich doch dieses Paar vor Augen, das sich liebt und doch verfehlt / nicht erreichen kann.
In den frühen Achtzigern lief einmal in der Woche (ich glaube immer Sonntag abends) im Süddeutschen Rundfunk die Reihe "Science-Fiction als Radiospiel". Ich war damals 7 oder 8 Jahre alt und kannte unter Science-Fiction eigentlich nur "Krieg der Sterne" und "E.T." Die Hörspiele, die ich dort im Radio aber zu hören bekam, waren etwas völlig anderes: Häufig kammerspielartige, beklemmende Visionen aus einer dystopischen Zukunft. Ich erinnere mich an eine für mich damals äußerst verstörende Umsetzung von Philip K. Dicks "Die Kolonie" (den Autor kannte ich damals nicht, ich habe die Story dann Jahre später beim Lesen einer Kurzgeschichtensammlung wiedererkannt) oder an eine bizarre Geschichte "Der Mann mit dem Schnurrbart", wo ein Hausmeisterehepaar eines verkommenen dystopischen Wohnkomplexes von einem gehässigen Zwerg mit Oberlippenbart heimgesucht wird.
Ob diese Hörspiele tatsächlich "gut gemacht" waren und ob sie mich heute noch überzeugen würden, kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, dass sie damals einen starken Eindruck auf mich hinterlassen haben. Sie waren auch mein erster Kontakt zu "ernsthafter" Science-Fiction.
Heute habe ich mir "Der erste Schnee" angehört und es war für mich ein starkes emotionales Erlebnis. Die geistige Verbindung zu meinen frühen "Science-Fiction als Radiospiel"-Hörerfahrungen kam mir sofort, denn Science-Fiction-Hörspiele von vergleichbarer Tiefe, Originalität und emotionalem Nachhall kenne ich nur aus dem Radio. Von den kommerziellen Hörspiel-Labels, die darauf angewiesen sind, ihre Hörspiele im Einzelhandel zu verkaufen, ist ein solches Hörspiel vermutlich undenkbar - es sei denn, es steht ein berühmter Autorenname drauf.
Ich muss gestehen, dass ich einiges tatsächlich (logisch) nicht verstanden habe - aber mein Eindruck war auch, dass es hier eben GERADE NICHT darum geht, dass der Hörer herumrätseln soll, bis das Ding "gelöst" ist und damit brav zu den Akten gelegt werden kann. (Es gibt auch Filme, die beim wiederholten Sehen zwar mehr Tiefe erhalten, aber sich niemals völlig logisch widerspruchsfrei "auflösen".) Für mich war dies eher ein immer dichter sich auffächerndes Gewebe menschlicher Gefühle und auch Verletzungen. Am Ende bin ich in einer Art "Herz" angekommen. Gefühlsmäßig hat alles gepasst, war nachvollziehbar und stimmig.
Drei Säulen sind es, die dafür sorgen, dass das Hörspiel so gut wirkt, wie es wirkt:
- Das großartige Skript
- der großartige Audioschnitt, der von der ersten Minute an eine starke hypnotische Sogwirkung entfaltet, den Hörer gefangen nimmt, das ganze Hörspiel über festhält und bis zum Ende nicht mehr loslässt.
- die großartigen Leistungen der beiden Hauptdarsteller, die in jeder Situation ganz glaubwürdig waren
Dreimal "großartig" - sorry für die Wortwiederholung, aber es ist wie es ist.
Und wem dies nicht genug Science-Fiction ist, weil dort kein Bösewicht im Darth-Vader-Mäntelchen herumläuft, dem sei gesagt, dass Science-Fiction eben so viel mehr sein kann. "Der erste Schnee" beweist es.
Allen Beteiligten gebührt großes Lob! Ihr habt ein saustarkes Hörspiel auf die Beine gestellt, das uneingeschränkt jedem empfohlen werden kann! Das Hörspiel zeigt, was diese Kunstform zu leisten imstande ist. Ich wünsche mir viel mehr davon.
P.S.:
An zwei Filme hat mich das Hörspiel erinnert:
- "Moon": Ich habe mich stark an die Einsamkeit und Ausgeliefertheit des Protagonisten dort erinnert gefühlt.
- "Vergiss mein nicht"/"Eternal sunshine of the spotless mind": Auch wenn thematisch etwas völlig anderes, hatte ich doch dieses Paar vor Augen, das sich liebt und doch verfehlt / nicht erreichen kann.
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