Ohrenblicker

Vollaudiot
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Führt die ganze Diskussion nicht notwendigerweise auf das "bedingungslose Grundeinkommen" zu?

Eine Diskussion über das Urheberrecht hat zunächst mal gar nichts mit Einkommen zu tun. Das Urheberrecht regelt ja nur die Selbstbestimmung des Schöpfers über sein Werk. Wie und von wem er sein Werk verwerten lässt, ist dann die andere Frage, er kann es ebenso frei zugänglich machen wie auch Geld damit verdienen oder die Nutzungsrechte einer Verwertungsgesellschaft übertragen. Aber sollte ihm diese Freiheit nicht zugestanden werden? Sollte einem Komponisten nicht das Recht eingeräumt werden YouTube alias Google die Verwertung seiner Musik zu verweigern? Und warum ist es nicht verwerflich, wenn ein Konzern wie Google Profite mit der Musik anderer erwirtschaftet, aber der Komponist selbiger wird von einigen Zeitgenossen schief angesehen, wenn er mit seinen Werken Geld (pfui!) verdienen und auch was vom Kuchen abhaben will?

Und ich finde, dass die Diskussion über Wertschätzung von Musik völlig unabhängig von der Diskussion um ACTA und anderen zwielichten Vertragsungeheuern geführt werden sollte. Es gibt eben nicht nur schwarz-weiß: Die böse "Content Mafia" auf der einen und den "Alles-Kostenlos-Raubkopierpöbel" auf der anderen Seite, auch wenn dieses Weltbild auf der einen wie auf der anderen Seite durchaus Anhänger hat.

Ich finde übrigens im Gegensatz zu Herrn Beuys nicht, dass jeder ein Künstler ist, zumindest nicht nach meiner Definition. Musik ist für mich zum großen Teil auch ein Handwerk, das man erlernen und üben muss. Und ich muss auch nicht alles "Kunst" nennen, wenn es mich einfach gut unterhält, aber einen Wert hat es dann trotzdem für mich und ich bin bereit im Rahmen meiner Möglichkeiten dafür zu zahlen (ich habe in den 90ern eine ganz ordentliche CD-Sammlung zusammengekauft und finde heute dagegen die 5 Euro für ein Spotify-Premium-Abo lächerlich billig, auch wenn ich weiß Gott kein Krösus bin).
Und aller Kapitalismuskritik zum Trotz: Ein bisschen Wettbewerb kann auch der Kulturlandschaft nicht schaden. :)
 
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Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Ich stimme Dir ja voll und ganz zu, auch wenn ich finde, der gute Beuys ist mit seiner provokativen Äusserung zwei Gedankenecken mehr wert....er hat ja nicht einfach eine Meinung geäussert sondern sondern auf eine Art utopischen kulturjorizont verwiesen.
Recht hin oder her, einklagbar und durchsetzbar wird es gemäß gesetzlicher Niederlegung zwar für alle, praktischerdings und pragmatischerhalber aber wesentlich von denen, die am längeren Hebel sitzen - seien es Finanzen, Einfluß oder Ruhm ( und hoft bedingen sich die Drei heutzutage ja gegenseitig, wenn einer es drauf anlegt, wie z.B. die Marke Paris Hilton ). Unsere Gesellschaft ist ja in der Praxis leider nicht egalitär genug, um jemals ein freies Selbstbestimmungsrecht für alle "Künstler" umsetzen zu können. Will ich nicht nur für meine private Schublade sondern für eine Öffentlichkeit produzieren, dann gebe ich heute damit einfach schnell alles aus der Hand - wie wollte ichs kontrollieren, wenn ich nicht im entferntesten ein Warner Brother bin - und es ja auch nicht sein möchte.
Und in puncto Wertschätzung landen wir meiner Meinung nach tatsächlich bei soetwas wie dem bedingungslosen Grundeinkommen.
Der Verweis auf die CCC Antwort auf die Tatörtler ist da schon sinnvoll.
 

joe adder

Karsten Sommer
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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Ein Selbstbestimmungsrecht als "Kuenstler" hast du ja. Es wird dich niemand dazu zwingen, eine ganz bestimmte Kunst zu erstellen oder darzustellen. Ich schliesse mich Ohrenblicker an und bin ebenfalls der Meinung, dass nicht jeder Mensch ein Kuenstler ist. Wir hatten auf der Arbeit einen Herrn, der sich fuer einen Schweisser hielt. Ja, schweissen kann er, aber er ist kein Schweisser, sondern eigentlich ein Logistiker. Das fuer ihn einzusehen ist aber schwierig genug.
Nichtsdestotrotz glaube ich selber nicht an ein bedingungsloses Grundeinkommen, denn das erarbeiten wieder nur die diejenigen, die sich eh schon krumm und buckelig arbeiten, waehrend die, die danach am lautesten schreien mit dem Arsch auf dem Sofa hocken und danach bruellen, dass ihnen alles kostenlos in den Rectum geschoben wird, sich in der Kneipe bei allen durchschnorren und dann am Ende auch noch darueber beschweren, dass man nichts fuer sie uebrig hat.
 

Ohrenblicker

Vollaudiot
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Nichtsdestotrotz glaube ich selber nicht an ein bedingungsloses Grundeinkommen, denn das erarbeiten wieder nur die diejenigen, die sich eh schon krumm und buckelig arbeiten, waehrend die, die danach am lautesten schreien mit dem Arsch auf dem Sofa hocken und danach bruellen, dass ihnen alles kostenlos in den Rectum geschoben wird, sich in der Kneipe bei allen durchschnorren und dann am Ende auch noch darueber beschweren, dass man nichts fuer sie uebrig hat.

Och nee, bitte nicht auf Stammtischniveau! Es gibt Menschen, die sich krumm und buckelig arbeiten und bei denen das Geld trotzdem nicht zum Leben reicht, davon mal abgesehen. Ich glaube auch nicht, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen funktioniert und überhaupt durchsetzbar ist, aber ein bisschen differenzierter sollte man die Sache schon betrachten (wenn auch wohl in einem eigenen Thread). Ein BGE würde meiner Meinung nach auch nichts an der Diskussion über Urheber- und Verwertungsrechte ändern. Es würde nur ein paar taxifahrende Musiker weniger geben. ;)

Was die CCC-Tatort-Antwort betrifft: Das ist doch auch nur eine Polemik als Antwort auf Polemik. Dieser Vergleich zwischen Musik und Software, den halte ich für völlig absurd. Könnte da jetzt einiges zu schreiben, aber mir fehlen Zeit und Nerven. Diskussionen ändern ohnehin nichts.

Letztlich scheint mir die ganze Diskussion auch ein Kampf zwischen IT-Lobby und Kreativ-Lobby zu sein. Hier Google, der CCC, die Piraten und dort die Verwertungsgesellschaften, Verlage, Autoren und Komponisten. Und es geht beiden Seiten nur um Geld und Einfluss (und Wählerstimmen), das ist menschlich, aber dessen sollte man sich bewusst sein.
 

joe adder

Karsten Sommer
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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Och nee, bitte nicht auf Stammtischniveau!
Ist doch nichts anderes als ein Stammtisch, nur gibt's hier kein Bier oder Schnaps oder beides. Besonderes geist- oder hilfreich ist diese Diskussion eh nicht, aendern wird sie ueberhaupt nichts und intellektueller wird sie durch Xilef's viertelverstaendliche Schachtelsaetze mit Fremdwortbezug auch nicht.
Bottomline ist, dass die einen eine Leistung erbringen und diese verwertet sehen wollen, die anderen zu faul, zu geizig oder zu falsch sind, dafuer zu bezahlen und am liebsten noch Geld fuer's klauen haben wollen. Das wird immer so sein und sich auch nie aendern. Das Kind hat in diesem Fall nur einen anderen Namen. Aber Hundescheisse stinkt immernoch, selbst wenn man sie Hildegard nennt.
 

OldNick

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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Dass Beuys Begriff der „Sozialen Plastik“, den Xilef angeschnitten hat, hier im Nebensatz auf das zeitgenössische Leistungsprinzip heruntergebrochen und damit abgewertet wird, ist für mich nur ein weiteres Beispiel einer wirklich schädlichen Entwicklung, die die kapitalistische Gesellschaft nach der Wende mehr und mehr gemacht hat.
Man spaltet die Welt ignorant in Leistungsträger und (vermeintliche) Leistungsverweigerer, wobei jene Leistung sich einzig und allein an den monetären Erträgen messen läßt. Das Resultat dieser Denkweise hat uns die Politik der letzten (gut) 10 Jahre deutlich vor Augen geführt. Eine Gesellschaft voll von ALGII beziehenden Arbeitnehmern, die sich das Motto „rette sich, wer kann“ auf die Fahnen geschrieben hat. Wenn ich nach 8 Stunden harter Arbeit, von der ich am Ende des Monats immer noch nicht ohne sog. Aufstockung leben kann, vollkommen erschossen nach Hause komme, gibt es immer noch die Möglichkeit, mir anzusehen, wie es Anderen noch schlechter geht, wie Statisten vorgeführt und zu unmöglichsten Handlungen gezwungen werden (bsplw. „Schwer verliebt“, „Schwiegertochter gesucht“, etc.pp.), wie angehenden Künstlern ihre Träume von arroganten Arschlöchern unterm Arsch weggezogen werden („DSDS“ und ähnliche Formate) oder ich zappe einfach durch und bleib‘ bei den RTLII-Prominews hängen. Wenn ich jene Promis mal so richtig fertig erleben will, und mich daran aufgeilen möchte, wie sie durch den Dschungel robben, dann gibt‘s auch hier einen machbaren Katalysator für meinen Hass.
Und nein, um auf dieser niedrigen Metaebene nicht klebenzubleiben: Ich weiß, dass die Darsteller allesamt gut bezahlt werden und mir ist auch klar, dass jene „Promis“, die in den Dschungel gehen, ordentlich abkassieren. Darum geht‘s mir nicht.
Sondern es geht darum, dass die Gesellschaft zunehmend in ihrer „rette-sich-wer-kann“-Einstellung auseinanderbricht.

Mit Gauck schallt wieder die große Rede von der Freiheit. Freiheit allein ist nichts wert, denn ohne die im Wahlspruch der Französischen Revolution erwähnte Gleichheit und Brüderlichkeit ist die Freiheit des einen immer die Unfreiheit des anderen. Und genau das erleben wir heute. Die Oberschicht hetzt gegen Mittel- und Unterschicht und beschwert sich, dass sie zu wenig Geld verdient und dabei zu viel Steuern zahlt. Die Mittelschicht mokiert sich über die Unterschicht, die angeblich alles in den Arsch geschoben bekommt und zu faul zum Arbeiten ist - im Fernsehen sieht man ja nur sowas!
Der Niedriglöhner beschwert sich über den ALGII-Empfänger, der, man sieht es doch im Fernsehen und liest es überall, sich auf der sozialen Hängematte ausruht.
Der ALGII-Empfänger beschwert sich über „die da oben“, allerdings eher resignierend, weniger inbrünstig. Gäbe es endlich Demonstrationen mit 5-6 Millionen Teilnehmern, dann wäre das ganze System brüchig.

Kurzum: Wir leben in einer durch Leistungsideologie gespaltenen Gesellschaft, in der es nur noch darum geht, nach oben zu lecken und nach unten zu treten. Wir sind zu einer einzigen Bildzeitungskultur verkommen und diese Wahrnehmung transportiert sich selbst in einer solchen Diskussion. Beuys Gedanke der „Sozialen Plastik“, in der Kultur ein fließender Teil einer ganzen Gesellschaft ist, verkommt hier zu einer unsinnigen Leistungsdebatte, in der ja nicht „jeder Künstler sein kann, weil ihm die Fähigkeit dazu fehlt“.

Und genau da sind wir heute angekommen; eine Kulturlandschaft, die nicht mehr durch eine Mehrheit getragen wird, sondern durch die Gesetze des prinzipiell kulturfremden Marktes, wird sich zwangsläufig denselben unterordnen müssen. Das bedeutet, dass sie durch die Prioritäten desselben vergiftet wird; sie muss marktkonforme Ausgrenzung betreiben, sich dem durch das Marktgeschehen diktierten Zeitgeist unterordnen. Für kritische Töne an dem Konstrukt selbst bleibt kein Platz.
Die reale Situation ist, dass die meisten Leute Kultur als etwas ihnen Fremdes betrachten, und sich lieber durch die typischen KdF-Sendungen berieseln lassen. Als Teil ihrer Gesellschaft haben sie das Prinzip „rette sich, wer kann“ längst verinnerlicht und begriffen und haben deshalb Sendungen wie die o.g., deren Sinn es ist, andere Individuen als Projektionsfläche ihrer Unzufriedenheit zu mißbrauchen, bald als Teil der Gesellschaft akzeptiert.

Die Theorie der „Sozialen Plastik“ sieht deshalb jeden als Künstler, weil jeder Teil einer sozialen Interaktion ist, die die Entwicklung der Gesellschaft formt (darum „soziale Plastik“). Aus diesem Verständnis heraus ist jedes Mitglied einer Gesellschaft deren Künstler, deren Mitgestalter. Nach Beuys ist es die Aufgabe des Kulturbetriebs, jene Entwicklung zu fördern und mitzutragen.
Eine Gesellschaft wie diese aber, die - streng nach dem Leistungsprinzip - nur auf Diskriminierung (im wortwörtlichen Sinne - Unterscheidung, Trennung) basiert, kann gar nicht nach einem solchen Prinzip funktionieren. Die Diskussion hier, die den basal elitären Verlauf nimmt, dass man nicht anerkennt, dass jeder Künstler sein kann, zeigt allein die innere Blockade, die das gesellschaftliche System darstellt.

Auf der anderen Seite - und das ist das Widersinnige - führen die technologischen Fortschritte dazu, dass jeder „Sender“ ist. Keiner ist, wie zu den Zeiten des dominierenden Fernsehmediums, nur Empfänger. Jeder hat die Möglichkeit, ohne Vorauswahl und Zensur zu senden. Somit ist de facto jeder Urheber, völlig unabhängig davon, wie Einzelne die Qualität der gesendeten Informationen bewerten.

Das ist eine spannende neue Entwicklung, und die (m.E.) wirklich interessante Frage hat Xilef aufgeworfen: Wie möchten Künstler in der heutigen Zeit leben? Denn, mit Verlaub, es gibt keine Garantie, dass ein Künstler überhaupt von seiner Kunst lebt. Die Leute, die sich jetzt krähend zu Wort melden, haben sich in dem Marketingbusiness eingerichtet und fürchten um ihr Pfund Fleisch. Das ist alles verständlich - aber es hat mit der Frage, wie die Künstlerwelt darauf reagiert, recht wenig zu tun. Leute wie Sven Regener haben nichts gemein mit den gut 80% der regelmäßig publizierenden Autoren, die von den Erträgen ihrer Arbeit nicht leben können. Ich kann mich nicht erinnern, dass Regener je die Gesellschaft gescholten hätte, die zuläßt, dass Kunstschaffende in der überwiegenden Mehrzahl nicht von derselben leben können.
Nein, diese „Diskussion“, die Regener anstößt, ist de facto eine Businessdebatte, deren Ursprung ich zwar durchaus verstehen kann, die aber weit an dem vorbeigeht, was den durchschnittlichen Künstler wirklich interessiert. Wenn man es nicht schafft, Kultur (ich weiß - pfui, ein böses Wort!) wieder mit der Gesellschaft zu versöhnen, anstatt Unterhaltung als Waffe gegen Verstand und Ästhetik zu benutzen, dann verbleibt man in einer Gesellschaft die, wie es Regener sagte, „nichts wert“ ist.
 

Ohrenblicker

Vollaudiot
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Dass Beuys Begriff der „Sozialen Plastik“, den Xilef angeschnitten hat, hier im Nebensatz auf das zeitgenössische Leistungsprinzip heruntergebrochen und damit abgewertet wird, ist für mich nur ein weiteres Beispiel einer wirklich schädlichen Entwicklung, die die kapitalistische Gesellschaft nach der Wende mehr und mehr gemacht hat.

Falls du damit mich meinst, ich habe gar nicht über den Begriff der "Sozialen Plastik" gesprochen (mit dem ich mich bislang noch nicht genug auseinandergesetzt habe, um darüber diskutieren zu wollen), sondern allein über die (in einem Nebensatz eingestreute) Aussage, dass jeder ein Künstler sei. Das ist eine Definitionsfrage, mir ging es, wie ich bereits erklärt habe, nicht um "Kunst" und alle ihre Erscheinungsformen, sondern um die Musik, die ich liebe (und die in der Regel auch auf Handwerk basiert), ohne die ich nicht leben könnte und für deren Erschaffer ich mir eine faire Entlohnung wünsche, damit sie damit weitermachen können. Interessant, was man da so alles hineindeuten kann. ;)
 

OldNick

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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Xilef erwähnte dies im Beuys'schen Sinne, weshalb ich natürlich auch Deine Aussage als Reaktion darauf verstanden habe. Sollte das ein Mißverständnis sein, so tut mir das leid. Allerdings halte ich diese Aussage resp. diesen Diskussionsverlauf für durchaus repräsentativ - denn das ist das erste Resultat, wenn man so eine These (ich bezeichne es mal als solche) einbringt: Grenzen setzen. Sich abgrenzen, bzw. andere von einem selbst abgrenzen. Vielleicht aus Angst davor, die eigene Leistung könne nicht anerkannt werden (was wiederum ebenfalls ein Produkt dieses leistungsorientierten Systems ist), oder aber aus der Furcht, ein wie auch immer geartetes Alleinstellungsmerkmal zu verlieren.

Würde ich die These (unerklärt und nicht im beuys'schen Sinne) "Jeder ist ein Künstler" in einem anderen Forum einwerfen, so glaube ich, dass die Reaktionen sehr ähnlich ausfallen würden. Ich denke nicht, dass viele Leute antworten würden: "Es ist toll, wenn jemand sein Potenzial ausschöpft und dabei konstruktiv ist!" oder "jeder kann im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas schaffen, das andere Leute beeindruckt - nur Mut!" - nein, der leistungsorientierte Abgrenzungsgedanke ist immer da. Manchmal noch gespickt mit dem Argument: "Als wenn Lieschen Müller Marilyn Monroe werden könnte ..." Im Übrigen eines der idiotischsten Argumente überhaupt. Hätte Whitney Houston jemals versucht, Marilyn Monroe zu sein, wäre sie 25 Jahre früher in der Badewanne gelandet - vielleicht hat sie sehr früh begriffen, dass es besser ist, Whitney Houston zu sein und an ihrem eigenen Potenzial zu arbeiten.
Wie dem auch sei; der destruktive Leistungsaspekt schwebt über allem. Selbst bei so einer harmlosen Aussage.

Ich selbst nehme Regener nur beim Wort; er redet davon, dass diese Gesellschaft nichts wert sei, solange sie ihre Künstler nicht wertschätze. Das ist sein vorgezogenes Argument dafür, dass er einen Marktverlust erleidet. (Er wäre mir übrigens sympathischer gewesen, hätte er das ehrlich eingeräumt - das Anliegen könnte ich nämlich durchaus verstehen). Dass diese Wertschätzung aber generell nur über Identifikation und Teilhabe zu erlangen ist, und dass das Kulturverständnis zwangsläufig untergeht, wenn sich die Kulturschaffenden einem System unterwerfen müssen, das ganz andere Parameter zum Überleben benötigt, das läßt er außer Acht. Und das ist ein ganz gravierender Knoten, der nur mit einer systematischen Änderung innerhalb des Kulturbetriebes aufzulösen ist.

Im Übrigen glaube ich im Gegensatz zu Xilef nicht, dass irgendetwas auch nur annähernd auf das bedingungslose Grundeinkommen zuläuft. Die Kunst wird sich noch weiter, vielleicht in eklatanterem Maße als heute vorstellbar, dem Markt- und Zielgruppengesetz unterwerfen, Sendungen werden noch "breiter gemacht" (d.h. bis zum Geht-nicht-mehr trivialisiert, sodaß die erreichbare Zielgruppe optimal groß ist) und das Kulturverständnis geht in all dieser (scheinbar) harmlosen KdF-Unterhaltung (wobei ich Sendungen, in denen Uri Geller mit Aliens kommunizieren will und Volksverhetzung á la "Schwiegertochter gesucht" nicht mehr wirklich als harmlos betrachte) komplett den Bach 'runter, womit auch das Verständnis für Kultur in den jüngeren Generationen schwinden wird.
Das ist m.E. ein viel eklatanteres und grundlegenderes Problem, als der Gegenstand des Urheberrechts. Aber das Filesharing und der Diebstahl geistigen Eigentums ist ein Resultat (unter vielen) derselben Entwicklung.
 

Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Ich verfolge Diese Diskussion mit großem Genuß :thumbsup: und ohne viel dazu schreiben zu wollen hänge ich meine Fahne bei Xilef und OldNick in den Wind. Was das Grundeinkommen angeht, ich glaube Xilef denkt da einfach eher in größeren Zeiträumen, historischen entwicklungen, Nick meint glaube ich, wo jetzt gerade der Zug hinfährt. Wenn dem so ist würde ich zumindest beiden zustimmen. Ich glaube das Grundeinkommen wird kommen, bin mir nur nicht sicher ob ich's noch erleben werde. Aber meine Überzeugung ist, eine so nachhaltige Idee des Fortschritts kann die soziale Evolution auf dauer nicht zurückweisen :D und ich sehe in der Gegenwart auch ein mögliches Potenziaöl, dass diese entwicklung sehr schnell kommt. mein Tip: 25-250 Jahre.
 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Wer also wirklich beansprucht, in unserer Welt heute als "Künstler" jenseits der Erfolgsfrage überleben können zu wollen, sollte entweder eine Revolution anzetteln oder im besten Beuys'schen Sinne alle Menschen als Künstler betrachten und der ausreichenden Grundbedürfnisversorgung wert erachten
Danke OldNick für Deine ausführliche Einlassung, die ich großenteils so unterschreibe, weil es das ist, was ich u.a. in meinem "Nebensatz" andeuten wollte - und schade, dass der gemeinverständliche Tenor der Dikussion wieder unter die Headline von " Kunst kommt von Können und nicht von Wollen sonst hieße sie Wulst " geraten ist. Das wollt ich nicht. Auch bitte ich um Nachsicht für meine Fremdworte und den Eindruck, ich glaubte, dass "irgendetwas auch nur annähernd auf das bedingungslose Grundeinkommen zuläuft" - dies ist sicherlich nicht der Fall und ich habe in diesem Begriff nur einen utopischen Gedanken gerinnen lassen, zu dessen praktischer Umsetzung unser gesellschaftliches Leben heutzutage garnicht in der Lage wäre; während wir den Kopf schütteln darüber ( gerade als Anekdote frisch von der Arbeit mitgebracht ), dass diplomierte Illustratorinnen ohne "Arbeit" zu 1-Euro Jobs in ihrem Qualifikationsbereich geschoben werden - können wir das andere erst recht nicht denken.
Der Mensch hat nicht "verdient" zu leben sondern bekam sein Leben qua Geburt geschenkt - das er sich nun allerdings verdienen muß; er ist die soziale Plastik, die materiell ihre Existenzweise rechtfertigen muss. Das ist die unformulierte Ideologie, die wir alle täglich unterschreiben, da wir ja an diesem Contrat asocial mitwirken.
Ich höre Dein Lied, Ohrenblicker, es gefällt mir und ich spiele es in der S-Bahn auf meiner Klampfe nach, bevor ich mit dem Joghurtbecher rumgehe. Und dann kommst Du und sagst:" Gib her; der Inhalt gehört mir - genauso wie der Song ", versteh ich Dich richtig oder kommst Du erst, wenn ich auch CDs verkaufe oder dann, wenn ich Dein Spiel mitgeschnitten habe und es auf meiner Party oder beim Karaoke im Mauerpark oder als Warner Bruder als Jingle für FdK 5 der WElt vorführe....? ich meine das nicht polemisch sondern finde, ähnlich wie Nick, dass wir versuchen könnten, die Kategorien zu sprengen, um das Thema weiterzubewegen und zu benennen, inwieweit es vielleicht Sinn macht, künstlerisches Leben zu schützen.
Solange das Einklagen unserer Urheberrechte in der Praxis nur umgekehrt proportional erfolgreich zur Grösse des Arschs steht, der sie entspannt aussitzen kann erkenne ich keine konstruktive gesellschaftliche Selbsterziehung darin sondern zunehmend routinierte Akzeptanz - also eher eine Art "plastische" Verkümmerung hinter einem Feigenblatt.
Ob da z.B. der Aufruf:" laßt tausend Blumen blühen und hundert neue Leistungsverwertungsgesellschaften gründen " hilft......????
Vielleicht sollten wir nicht das bGE befürworten sondern die Tauschringe ausbauen, wie wäre das denn - möge die Macht des Ringes in uns fahren...
 
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OldNick

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AW: Sven Regener über Urheberrecht

@Beipackzettel:

Ui, sehr spekulativ, nicht?;) Ich meine, kaum einer hat in den 60er Jahren auch nur annähernd so etwas wie das Internet vorausgesagt - Monsieur Philip K. Dick hat div. emotionale Verbindungsstationen erwähnt, aber dieses Medium hat in dieser Form keiner erdacht. Und wenn man mir 1999, als ich zum ersten Mal im Internet war, gesagt hätte, dass es mir als ambitionierten 13-jährigen nicht nur Fantasywrestling und freie Pornkurzgeschichten ermöglicht, sondern irgendwann ganze Revolutionen koordiniert - ich glaube, ich hätte das immer noch als abwegig empfunden (und viele nicht-13jährige wohl auch). Und der Youtubeerfolg - hrm, ich hätte es in meinem kindlichen Verstand nie für möglich gehalten, dass es sich jemand angucken würde, wenn ein gerade dem Clearasilalter entschwundener Milchbubi in seinem Kinderzimmer über Pflegeprodukte redet. Hätte man mir gesagt, dass der Typ damit sogar Hunderttausende an Rosenblättern (soviel zu Maos Hundert Blumen) scheffelt, hätte ich den Urheber dieser Information für verrückt erklärt. Wie kindisch man doch sein kann ...
Kurzum: Wir wissen nicht, wie die Welt in 10 Jahren aussieht. Ich traue mir da keinen zu weiten Ausblick zu. Für die nächsten Jahre stehen die Zeichen da eher auf "wir müssen das breiter machen". Auch, wenn mir durchaus die neue skeptische Bewegung einiger selbsternannter "Kritiker" aufgefallen ist, die wahrscheinlich auch den Sex mit ihrer Freundin in ein Notenheft eintragen. Die sind mir zwar wenig sympathisch, aber wohl kaum mit Volksverhetzung à la Pseudo-Reality-Shows zufriedenzustellen.

@Xilef:
Ein solcher Verlauf war vorauszusehen - und das meine ich nicht als Beleidigung, sondern vielmehr als ein Spiegel des herrschenden Konsens. Alles wird begrenzt und in seinem Fluß aufgehalten, nur das heilige Geld nicht, das fließen muß. Und, um der Kritik gleich Vorschub zu leisten; ich habe nichts gegen Geld, ganz und gar nicht. Ich liebe es, wie ein Seehund in das Münzgeld hineinzuspringen und wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen und ich LIEBE den Geruch von räuchernden Geldscheinen, aber wir haben in Europa ganz entschieden vergessen, daß Geld ein Werkzeug des Menschen ist - nicht umgekehrt.
Alles, das sich nicht vermarkten läßt, wird blockiert und abgewertet. Jede Ambition, die nicht unmittelbar in den harmonischen Fluß des Geldes zu integrieren ist („brotlose Kunst“) ist a priori wertlos. Der Wert eines Menschen bemißt sich hauptsächlich daran, nicht an seiner persönlichen Integrität oder anderen eventuell positiven Eigenschaften.
Nein, vielmehr müssen wir uns selbst auf dem Partnermarkt positionieren ...
Wo soll in einer solchen Gesellschaft Platz für die Kultur sein? Es ist ja kaum noch Platz für Bildung, sofern sich selbige nicht unmittelbar in Gold aufwiegen läßt. Und dann noch Kultur? Nein, mit diesen ganzen experimentellen Sachen kann doch wirklich keiner mehr was anfangen - Theater ist was für Idioten, genauso wie Lesen dumm macht.
Die Harmonie mit sich und der Umgebung muß stets im Reinen bleiben. Dies ist ein sehr hohes Gebot und wir haben das große Glück, hierzulande auch von einer Kanzlerin regiert zu werden, die das verstanden hat und praktiziert. Laßt hundert Blumen blühen, laßt hundert Schulen miteinander wetteifern. Mehr Verwertungsgesellschaften, mehr Wettbewerb - das wird die Qualität steigern (hat doch schon immer geklappt, oder sind wir heute etwa eine Billignation?). Kultur bedeutet: Ärmel hochgekrempelt und Ellenbogen `raus, denn der Fluß der Harmonie darf nicht aufgehalten werden.
Aber, Xilef, Du willst doch wohl einsehen, daß die Tauschbörsen nicht im Fluß sind, oder? Du blockierst die Harmonie, der wir alle zustreben. Hier geht es eben nicht um eine Kostenloskultur der vermaledeiten Sozialschmarotzer und Untermenschen, die sich an dem bereichern, was Andere geschaffen haben, sondern um den Wert des Flusses, von dem wir alle abhängen. Kultur ist nur dann von Wert, wenn sie uns auf den Fluß zustreben läßt - alles andere ist de facto keine Kultur, sondern entartet ... Pardon, solche Begriffe nutzt man heute nicht mehr - ich meine, die Zielgruppe ist dafür nicht da. Und wir wollen doch schließlich allen Menschen die Gelegenheit geben, an dem Fluß zu partizipieren, gell?
Kultur ist nicht schmutzig - sie ist blütenrein.
 

Xilef

zerfahrener Verdutzter
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Diesen schönen Beitrag möchte ich vertont hören - wenn vielleicht nicht blüten- so doch immerhin ein astreines Fitzelchen Kultur. Und Du warst 1999 13 Jahre alt ?
 
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OldNick

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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Danke für die Blüt ... äh Blumen. Hoffentlich ist es kein so schwankender Ast, wiewohl ich befürchte, dass dies der Fall ist. Mir soll's egal sein; das Fernsehen kann mich nicht mehr blind machen. Ich habe mir einen Rettungsschirm aus Butterbroten gebaut.
 

OldNick

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AW: Sven Regener über Urheberrecht

Was Orson Welles hier über Hollywood sagt, scheint mir als Ergänzung sehr passend zu dieser Diskussion. (Es gäbe da auch noch ein Interview mit Siegfried Lowitz, das ich neulich wiedergefunden habe, aber ich belasse es mal hierbei).
 
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Xilef

zerfahrener Verdutzter
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Danke - sehr nützlich und umfangreiche Hinweise, die vielleicht für weitere Diskussion dienlich sind. Wann, verflixt nochmal aber, finde ich die Zeit, das alles zu lesen ?
und, @ Nick, Olle Welles ist ohnehin die Reinkarnation eines Piratenkaptäns - deswegen auch Long John Silver...das Thema ist ein Meer
 

OldNick

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AW: Sven Regener über Urheberrecht

und, @ Nick, Olle Welles ist ohnehin die Reinkarnation eines Piratenkaptäns - deswegen auch Long John Silver...das Thema ist ein Meer

In der Tat, lieber Xilef - manchmal wünschte ich, ich wäre ein Wellenreiter. Bedauerlicherweise tauge ich nicht so gut dazu.

@Ellerbrok: Auch von mir vielen Dank für die Links. Haeuslers Einlassung ist für mich sehr nachvollziehbar.
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Sven Regener über Urheberrecht

Siehe ZDF-Videotext Seite 125...soeben entdeckt
 
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