• Blut-Tetralogie   Dark Space
Hallo ihr süßen Hörspielhäschen,

ich habe mal wieder einen Text den ich euch nicht vorenthalten möchte. Wie immer nicht ganz ohne kritisiert er eine Industrie, die ich nicht verstehen kann und die wir nur allzuoft vergessen. Als ich jedoch über ein nur wenige Sekunden andauerndes Video gestolpert bin, war es um mich geschehen. Ich sage immer Texte passieren. Ich plane sie kaum, denn Gefühle führen meine Schreibhand. Ekel. Der Ekel vor der Menschheit, hat diese Buchstaben eineinander gereiht.

Dies hier könnte genau so irgendwo jetzt gerade geschehen.
Morgen?

Sie liegt in einem Käfig. Die Gitterstäbe in ihrem Rücken, unter ihrem Bauch. Doch das stört sie kaum mehr. Sie erinnert sich einmal einen Namen gehabt zu haben.
Lucy.
Sie spürt ihren Herzschlag in der Brust, ihr Atem geht gleichmäßig, doch wenn sie damit aufhören könnte, würde sie es tun. Leider weigert sich ihr Körper zu sterben.
Ihr Geist hatte das schon getan. Zuerst hatte sie gekämpft, als man sie in das Labor gebracht hatte, gekämpft gegen das alltäglich Leid. Doch sie hatte schnell eingesehen, dass das nichts brachte. All morgendlich setzte man ihr Essen vor, doch es war nicht nur Nahrung die der Teller enthielt. Manchmal kam es vor, dass einer mit ihr sprach, doch es drang nicht mehr an ihr Ohr.
Zwanzig Minuten später erbrach sie sich. Sie wünschte sich, sie könne daran ersticken, damit das Leid ein Ende nehmen würde. Sie zitterte. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Manchmal schien es, als würde sie jemand erhören und ihr Körper begann um Atem zu ringen.
Sie dachte an Josef und frage sich ob er es bereits geschafft hatte, dachte an die Tage, als sie sich auf dem Spielplatz getroffen hatten, während die Männer erklärten: „Dieses Mittel wird viel verändern!“
Sie schnappte nach Luft. Dann wurde es dunkel und sie fiel in eine bodenlose Ohnmacht. Doch das Schicksal war nicht so gnädig, sie schon heute vom Leben zu erlösen. Sie wartete einfach auf ein besseres Morgen. Es musste einfach kommen.

Josef öffnete seine Augen. Seine Zunge klebte an seinem Gaumen und sein Magen war eine einzige scherzvolle Kugel.
Er versuchte die Augen zu öffnen. Das rechte Auge war voll funktionstüchtig, doch sobald er sein linkes Auge auch nur zu bewegen versuchte, schossen ihm Schmerzen durch den Kopf. Sein ganzes Sein schien der Schmerz einzunehmen. Jeder Gedanke war unmöglich. Es war als ob er aus einer Narkose erwachte und wie der Ozean kamen die Schmerzwellen hereingespült und wurden mit jedem Atemzug unerträglicher.
Jede Bewegung entzündete ein Feuerwerk in seinen Augen und schien in seinem Kopf zu explodieren.
Sein Atem wurde flach. Sein rechtes Auge fiel zu, doch der Schmerz hielt ihn bei Bewusstsein.
Jetzt erinnerte er sich auch wieder.
Gestern hatten sie ihm in „Lieber-Onkel-Tonfall“ erklärt: „Das kleine Maschinchen, das wir in dein kleines Köpfchen einsetzen, wird uns so viele neue Erkenntnisse bringen.“
Josef brachte es aber nur ein was ein: Leid, Folter und wenn in zwei Tagen sein kleiner Körper noch am Leben sein sollte, dann würde er immer nur noch hoffen das ein Wunder geschehen würde. Er wartete einfach auf ein besseres Morgen. Es musste kommen.

Mimi fror. Sie zitterte. Dann durchlief sie plötzlich eine Hitzewelle. Doch der Schweiß floss ihr in kalten Strömen über ihren nackten Körper. Kein einziges Haar war mehr darauf zu sehen, nur die blauen Adern, die ihr Blut viel zu langsam zu ihrem Herzen transportierten. Ihr Atem ging flach.
Jede Bewegung schien ihrem Körper das letzte Fünkchen Wärme zu rauben.
Dann jagte ein Gefühl durch ihre Gliedmaßen.
Ein Gefühl von… Ahhh
Ihr ganzer Körper brannte, obwohl nirgendwo Feuer war, doch ihre Haut schien in Flammen zu stehen. Sie schloss die Augen. Doch nicht einmal die kühlen Tränen, die ihre kleinen Bäckchen hinunterrannen brachten Erleichterung.
Ihre Gliedmaßen fingen zu zucken an.
Was hatte man ihr angetan?
Vor einer Stunde hatte man sie aus ihrer kleinen Zelle geholt, ihr alle Haare abrasiert und sie dann mit einer Flüssigkeit eingeschmiert.
Durchsichtig, kalt, glitschig.
„So, mein Häschen“, hatten sie gesagt, „jetzt sind wir gespannt!“
Sie hatte keinen Ton herausgebracht. Zusammengekauert, bewegungsunfähig und erstarrt hatte sie versucht ihre Gedanken auf etwas anderes zu lenken.
So auch jetzt. Sie hoffte so sehr auf ein besseres Morgen. Es musste kommen. Doch mehr als nach Luft schnappen konnte sie nicht tun. Sie hörte nicht mehr, als ihren Atem und die Schreie aus dem Nebenzimmer…

Dort lag Stella. Sie öffnete ihre Augen und sah grau. Ein silbriger, grauer Glanz. Obwohl sie wusste, dass sie irgendwo lag, schien sich die Welt um sie herum zu drehen. Ihr wurde schwindelig. Grelles Licht blendete sie plötzlich. Sterne tanzten vor ihren Augen.
„Na, schläft sie noch nicht? Was soll’s fangen wir an.“
Ein Schrei gellte durch den Raum. Sie riss die Augen auf.
Dann hatte sie das Gefühl sie würde fallen.
Tief, tief, tief.
Doch immer wenn sie zwischen der Übelkeit und der Körperlosigkeit versuchte zu verstehen, schien es, als steckte in ihrem Kopf ein Messer, das sich Zentimeter für Zentimeter tiefer schob. Irgendwann verstand sie, dass die markerschütternden Schreie von ihren Lippen kamen. Doch der Versuch sich zu bewegen und der Folter zu entfliehen blieb erfolglos. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper. Auch ihre Gedanken schienen nicht mehr die Ihrigen zu sein und von weit her zu kommen. Doch eines spürte sie noch. Ihr Herz. Es klopfte, stark und viel zu schnell, doch es klopfte, klopfte für das Leben.
Tok, tok, tok, tok, tok, tok, tok, tok.
Tok, …, tok, …, tok, …, tok.
Tok, …, …, tok.
Tok.


Es hatte immer für das Leben geklopft. Doch das würde es von nun an nie mehr tun.
Stella wusste nicht was mit Lucy, Josef und Mimi geschehen war, doch das brauchte sie auch nicht. Allein ihr eigenes Schicksal ließ sie den ewigen Schlaf dankbar empfangen.
Sie würde nicht mehr erleben, wie an Lucy und etliche weitere Hunde verantwortungslos toxische Mittel getestet werden um die Tiere danach zu töten.
Und Josefs Katzenöhrchen sollten nie wieder munter von liebenden Menschenhänden gekrault wurden, trotz dessen das er nach den zwei Tagen noch lebte. Stattdessen musste er zwei Monate lang leiden bis er endlich erlöste wurde. Und sein kleiner flauschiger Katzenkörper für immer schlafen konnte.
Einzig Mimis Lebensflamme glimmt noch vor sich hin um für die Kosmetikindustrie Erkenntnisse zu liefern. Doch wie die eines jeden anderen Versuchstieres auch, wird dieses Feuer bald erstickt, wenn es nicht von selbst erlischt. Am Ende steht immer der Tod.
Aber all dies sollte das Äffchen Stella nicht mehr erleben. Für sie gab es schon heute kein Morgen mehr.

Ich freue mich über Feedback, Meinungen und wenn ich euer Denken in eine Richtung schubsen konnte, welche das Leid der Welt verringert.
Ach ja und wer Lust hat, das Grauen zu vertonen ist herzlich eingeladen, wenn ihr euch traut gerne auch mit Hintergrundsounds.
 
Zuletzt bearbeitet:

PeBu34

Mitglied
Sprechprobe
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@Ann Katharina Re Du hast es wieder geschafft! Ich bin sprachlos, traurig und entsetzt! Der Text ist ganz toll geschrieben! Bei der Tiefe der Geschichte(n) fallen die paar Schreibfehler kaum auf. Die Geschichte berührt mich unheimlich stark! Sie wird mir eine Weile nicht aus dem Kopf gehen!

Was ich gleich erwähnen möchte - du weißt schon: #Perfektionistenalarm! ;)
wie Lucy und etliche weitere Hunde verantwortungslos toxische Mittel testen würden
Hier würde ich die Passivform wählen, also: "...wie an Lucy und etlichen weiteren Hunden verantwortungslos toxische Mittel getestet würden." Sonst wirkt es für mich so, als würden die Tiere freiwillig mit sich selbst verantwortungslos umgehen, aber das tun sie ja nicht. :)

Liebe Grüße von
Peter :)
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
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Whow...harter Tobak! Du hast echt Talent die richtigen Worte zu finden. Richtige Worte für zwei Schicksale die falscher nicht sein können. Es schnürt mir buchstäblich die Kehle zu.
 
@PeBu34 Das freut mich sehr, dass der Text dich berühren, zum Nachdenken anregen konnte und dir meine Art zu Schreiben gefällt.
Perfektionisten sind super. Keine Scheu, wenn du Kritik hast. Ich höre sie mir immer gerne an. Ich bin fähig genung zu entscheiden, was ich dann als verbesserungsnotwenig ansehe und wo ich sage, nein, das lass ich jetzt so. Und die Kritik bezüglich des Passivs ist sehr angebracht und habe ich schon eingepflegt.

@Phollux vielen Dank, dass du das so siehst. Das freut mich sehr. Ja, es ist harter Tobak, aber eigentlich ist es nur die Realität. Nur eines. Es sind keine zwei, sondern vier Schicksale. Josef, Mimi, Stella und Lucy.

@Luna Tick Das freut mich, dass ich dich berühren konnte, wenn auch mit so einem schmerzlichen Gefühl.
 
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