Ich bin von KIs (genauer gesagt von ML und/oder neuronalen Netzen) nicht sonderlich überzeugt.
Das ist alles nur ein Algorithmus, der eine gewisse Unschärfe und Zufälligkeit zulässt bzw. die ihm inhärent ist.
Man muß nicht gleich in die Vollen gehen und mal ein bißchen nach Bruce Swedien YTen. Was GodfatherSound so manches Mal angestellt hat, ist schon echt beeindrückend.
Nie werde ich vergessen, wie er mal vorführte, was ein Brauner VM1 (~ 3.500 €) unter einem aus groben Bohlen zusammen gezimmerten Drum-Riser in einem Studio ausmacht. Das hat er dann durch einen TPF gedreht und bei ca. 180 Hz beschnitten. Dann diese Spur zwei Mal kopiert, eine Spur (Original) nur etwas EQ, auf der ersten Kopie einen leicht anderen EQ und einen moderarten Compressor und auf der zweiten Kopie einen Kompressor mit 12:1 alles zusammendrücken lassen, was geht.
Das alles gefühlvoll zusammengemischt war der unglaublichste Drum bzw. Kick Sound, den ich je gehört habe.
... und darauf soll eine KI kommen?
Dieses ganz KI Jedrisse hat eine ganz entscheidende Fähigkeit NICHT: Kreativität. Kreativität entsteht aus Erfahrung, Intuition und einer ordentlichen Prise Verrücktheit.
Und genau das hilft auch beim Mastern. Natürlich kann man sich da gewisser Plugins bedienen und das ist ja auch völlig in Ordnung.
ADPTR AUDIO Streamliner ist so ein Tool, das einem wirklich helfen kann. Oder der berühmte t.c. Finalizer oder, oder, oder ...
Damit kann man sicherlich 90% der Anforderungen erfüllen.
Doch wenn man dann etwas genauer hinsieht bzw. hinhört, dann erkennt man, daß diese Plugins hauptsächlich für Musik optimiert wurden.
Hörspiel Mastering ist eine ganz, ganz, ganz kleine Nische. Ich kenne keine Plug-Ins von der Stange, die man hierfür einsetzen könnte. Wenn jemand etwas hat oder kennt, wäre ich sehr dankbar das mal zu hören.
Stattdessen liest man hier immer wieder Tricks und Tipps, wie man das am besten macht.
Und auch damit kann ich nicht immer 100% konform gehen. Hörspiele sind sehr unterschiedlich, haben eine eigene Dynamikstruktur. Es ist entscheidend, wann man Kompression einsetzt und wie viel davon auf was ....
Nachher alles auf einen vernünftigen Level zu bringen ist sicherlich eine wesentliche Herausforderung und die Dynamikvorgaben für Streaming Dienste, etc zu erfüllen eine weitere.
Ich habe schon einige Hörspiele gehört, die kaputt komprimiert wurden, wie das Album " Fields of Gold: The Best of Sting 1984–1994". Das ist einfach nur noch schauerlich und eine schlichte Unverschämtheit dafür Geld zu verlangen.
Meine Meinung ist, dass ein Hörspiel möglichst natürlich, will sagen: plausibel, klingen sollte. Denn was unsere Ohren "verstehen", ist plausibel, muss aber nicht zwingend auch natürlich sein. Der Aufwand zwischen plausibel und natürlich ist nicht nur sehr groß, sondern eher exponentiell.
So gibt es Passagen, wo jemand etwas leiser und weniger dynamisch spricht, weil das dramaturgisch so gehört. Wenn man Normalisierung und/oder einen harten Limiter über das Hörspiel im Gesamten "drüberbügelt", dann wird aus dieser leisen, fragilen Passage eine Art Geschrei und die Dramaturgie ist im Eimer.
Mein Ansatz ist: Soll das so klingen? Oder nicht? Was soll erreicht werden mit dieser Szene?
Wer meint, man könne wie bei einem Musik-Stück beim Mastern eines Hörspiels noch viel rausholen, mit dem würde ich mich gerne austauschen und etwas lernen. Denn wie soll eine Einstellung oder auch viele Einstellungen für gewisse Passagen, aus einem dynamisch und frequenztechnisch so unterschiedlichem Gebilde wie einem Hörspiel noch etwas herausholen?
Eine Erzählerstimme: trocken, wenig Kompression und nur eine Prise EQ, wenn überhaupt.
Eine Außenszene: Breites Stereobild, hohe Dynamik, Geräusche aus dem gesamten Frequenzspektrum: Brummender Laster, Hupen, Abrollgeräusche von Reifen, die ganzen Doppler-Effekte, Zischen, Quietschen, ....
Eine Innenszene: Kleiner Raum, großer Raum, wenig Leute, viel Leute, Geschnatter einer Cocktailparty, eine feierliche Ansprache ...
Eine Kampfszene: Waffengeklirre, Faustschläge, Explosionen, Schüsse.... (Kampfszene innen / Kampfszene außen ...)
Ein Dialog: Geflüstert, Wut und Zorn, eine Geschäftsverhandlung, eine sachlicher Austausch, eine Liebeserklärung, ...
... und was sonst noch alles in einem Hörspiel vorkommen kann.
Das alles durch eine Mastering Einstellung? Man könnte versuchen verschiedene Mastering-Einstellung für die verschiedenen Arten von Szenen zu fahren, aber ich wage zu bezweifeln, dass das hinterher einigermaßen homogen wird.
Und jetzt stellen wir uns mal vor, eine KI soll das machen. Das wird nichts. Noch nicht und sicherlich auch sehr lange nicht.
Da hilft also nur gute "Handarbeit", mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung und einer guten Prise Kräh-Aktivität.
Just my 2 cents.
P.S.:
@Stefan Hartlein: Ich unterstütze Deinen Vorschlag. Es sollte mehr Cutter*innen geben. Doch wenn dieser "Beruf" nicht die angemessene Beachtung und Wertschätzung erfährt, man die Wichtigkeit erkennt und respektiert, wird das mit dem Nachwuchs nicht viel werden.
Vielleicht würde es helfen, wenn wir ein wenig "Aufklärungsarbeit" betrieben? Mal zeigen, was für interessante Tätigkeiten ein Cutter erfüllt, wie kreativ das sein kann und wie viel Spaß das macht. Wo man Tools einsetzt und wo man doch lieber selber Hand anlegt.
Und es ist, so glaube ich, auch wichtig zu zeigen, dass man eben doch nicht alles mit irgendwelcher Software machen kann.
