• Blut-Tetralogie   Dark Space

schaldek

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Mein Herr

Ich bin ein wunderschöner, runder Spiegel.
Uralt zwar, aber ich erkenne das Glück,
denn Schönheit ist das Einzige.

Ich bin der Spiegel meines neuen Herrn.
Er erstand mich in einem Laden voll alter Tische
aus geschwungenem Holz und Uhren, die sich selber schaukelten.

Hier nun an meinem neuen Platz bin ich das einzig alte Stück,
umsäumt von der Schönheit schwarzen Granits.
Und die goldenen Fresken, die mein Glas umranden,
schicken Sonnenstrahlen auf das dunkle Kühl.

Einfach schön bin ich, und mein junger, neuer Herr, der ist es auch.
So küsste er mich manchmal und hatte immerfreundliche Augen für mich.
Keine biedre Höflichkeit, kein frostiges Nicken. Er war ganz bei sich und ganz bei mir.
Oft spürte ich seine Lippen auf dem warmen Glas, das vollends auf mir beschlug.
Sein Blick war so tief und ich sah mich in ihm, wenn er anmutig stöhnend den Beschlag wegwischte,
während unsere Seelen sich trafen. Es war das allergrößte Geschenk, das wir teilten.

Nun hat er einen neuen Freund, seit ein paar Tagen.
Und ich wage kaum zu schildern, was seitdem passiert.
Im freien Oberkörper putzt er mich zunächst blitzblank, und dann –
mein Herr sieht durch mich hindurch.
Zu sich.

Sein Blick ist konzentriert und doch ganz weg. Ein Blick, eine Drehung ein Klick.
Von vorn, die Seite, ein Klick, den Schopf zurück, den Schopf verwuschelt vor die Augen.
Wieso kommt er nicht näher? Kein Lächeln und kein Kuss.

Heute Nacht – das weiß er nicht – da wanderte mein Blick ganz tief ins Dunkel.
Der weiße Spalt fernab in seiner Tür, verriet mir auch, wo er grad war.
Erst recht der Aufschrei und das Klagen, das nun plötzlich von ihm kam.
Ich wusste es! Sein neuer Freund, er war nicht gut zu ihm! Er hatte ihn verraten!

Ohne jeden Blick dann machte mein Herr Licht und in die schwarzen Wände des Granits hinein,
weinte er und weinte. Laut hallend, jammerten sie ein Klagelied zurück, als er wütend nach der Klinge griff.
Schnaufende Wangen, entsetzliche Augen und Bisse auf die weichen Lippen! Und alles ging auf
in diesen blitzend roten Strahlen meines wunderschönen Lichts!

Und dann – das war kein Wunder – sah er mich an und er berührte mich erneut,
mit festem Blick, so streng, so voller Wut! Warm waren seine Hände und sie salbten mich ein,
wurden zu Fäusten, bis endlich alles rot geschlagen war.

Dann - nach seinem langem Schluchzen - war es ruhig, und in eben diese Stille hinein
wurden wir beide endlich eins.
 
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PeBu34

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Am Anfang so schön und dann so schrecklich!... Sehr berührend und trotz des schrecklichen Endes sehr schön geschrieben!
 

Brandywine

Falko Diekmann
trotz des schrecklichen Endes sehr schön geschrieben!

Nein, eben nicht. schaldek, sieh es mir nach, aber ich bin in Meckerlaune ;)

Im Kern des Textes liegt etwas profundes das mich angesprochen hat und vielleicht auch ein Stück weit bewegt hat. Die Umsetzung und speziell die Schreibe sind aber dem Effekt den er haben soll eher abträglich. Du verwendest (meiner Meinung nach) zu viele Füllwörter, unterbrichst immer wieder die Struktur, irritierst mit Gegenwartsbegriffen in einem sonst eher klassischem Text. Verwuschelte Haare? Ich bitte dich.

Das zugrunde liegende Thema ist interessant und provoziert Emotionen. Der Text ist aber in seiner schieren Masse und den Stilbrüchen nicht koheränt. Es steckt ein gutes Gedicht unter all den überflüssigen Worten. Ich würde die Anzahl der Worte stark reduzieren und den Text stärker verdichten. Es ist kein Zufall das man Gedichte Gedichte nennt; allgemein darf kein Gramm Fett dran sein ;) Mehr Mut zu abstrakteren, weniger fassbaren Bildern würde ich mir persönlich auch wünschen. Nicht alles muß sich auf den ersten Blick erschließen.
 

Lady_Di

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:hearteyes:sehr schön geschrieben. Das Ende jedoch bricht mir das Herz. Der arme Spiegel. Er wünscht sich doch nur von seinem Herrn beachtet und liebkost zu werden. :sob: muss sich aber mit der stillen Zweisamkeit begnügen.

Wird's eine Fortsetzung geben? :smiley:

@schaldek
 

SeGreeeen

Kaaaaarakaluuuuuuuhhhh!!!!
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War auch eher ne spontane Sache, Brandywine. :) Gedichte an sich schreib ich nicht; war nur wegen der Eitelkeit des Spiegels so ne Eingebung, dass er eben auch so klingt. ;) Vllt setz ich mich da nochmal dran, auf jeden Fall danke für die Kritik. :)

Finde auch, dass es eher kein Gedicht ist, sondern ein in Gedichtform gebrachter Fließtext. Ich interpretiere das so, dass der Spiegel gerne mehr wäre als er letztendlich ist und darum nur der Form nach in Gedichten spricht. Denn wie er selbst sagt, hält er sich für wunderschön - wurde aber in einem Laden erstanden in dem lauter alte Tische und kaputte Uhren (die sich selbst schaukeln? wie?) verkauft werden. Wäre er wirklich wertvoll, wäre er wohl nicht in einem Ramschladen gelandet. Dementsprechend hält er sich selbst für etwas, das er nicht ist - ein Poet mit gehobener Sprache. Aber so sehr er es auch versucht, kann er nicht aus seiner Imperfektion heraus und auch nicht mit seiner Gedichtsprechweise darüber hinwegtäuschen, dass er in Wirklichkeit ein sehr schlichter Spiegel ist.

Am Ende begeht auch der Besitzer Selbstmord über die Tatsache, dass sein Leben, genau wie das des Spiegels, eine Täuschung war. Er ist wütend und aufgebracht darüber, dass - egal wie hart er versucht mehr zu sein als er ist (immerhin hat er so einen teuer-kitschigen Spiegel erstanden) - eben nur ein Mann mit verwuschelten Haaren ist.

Das sind so meine Gedanken dazu.
 

Chaos

Schneewittchen
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Ich fand den Text auch weniger lyrisch als prosaisch. über manche stellen bin ich allerdings auch gestolpert, weil sie nicht so zugänglich waren für mich in ihrer stimmung. ich glaube, diesen umbruch in der hälfte des textes und die neue "liebschaft" des herren hättest eventuell du noch besser bzw fühlbarer ausschreiben können?

an sich mochte ich das thema aber sehr sehr gerne, hat mich ein bisschen auch an etwas dorian grey artiges/ narzisstisch motiviertes erinnert. thematisch hat es gut auch zu einer kurzgeschichte von mir gepasst, die ich hier mal vor langer langer zeit reingepostet habe. kurzum, diese spiegelperspektive ist einfach super interessant an sich.
 

schaldek

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Danke für eure Rückmeldungen. :) Wie gesagt, es ist ein spontanes Gefühl gewesen,
den Spiegel eitel klingen zu lassen. Er ist eben selbstverliebt wie sein Herr und
deswegen spielt es auch keine Rolle, wie hübsch er ist, sondern nur, dass er sich dafür hält,
nämlich für unwiderstehlich. Aber die Zurückweisung durch seinen Herrn versteht er
einfach nicht, weil er so eine Annahme gar nicht machen könnte. Er muss alles, was
geschieht, auf sich beziehen. Der Herr spiegelt auch ihn und so interpretiert er alle
Ablehnung als furchtbar, alle Zuwendung (selbst so eine, wie zum Schluss) als schön.
 
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