AW: Parapol (2) - Stolpersteine
So, dann will ich mal loslegen. Ursprünglich dachte ich, dass ich mich auf der Rezensionsebene lieber zurückhalten möchte, weil ich manchmal glaube, dass man sich gegenseitig besser kennen muss, um mit Kritik auch produktiv umgehen zu können. Aber erstens muss ich mich hier als jemand outen, der selber viel lieber mit produziert als konsumiert, will sagen, als Hörer von Hörspielen habe ich kein grosses Durchhaltevermögen (deswegen sind so Leute wie Ranger hierherum echt wichtig), weil ich nämlich entweder schnell einschlafe, wenn's mich nicht packt oder aber einfach ausmache, wenn sich für mich das Geheimnis der beteiligten Figuren oder der Spannungsbogen des plots schon vorzeitig selbst erledigt haben - zweitens aber hat hier neulich mal jemand im Forum sinngemäss sowas geschrieben wie :' also für ein Hobbyprojekt auf jeden Fall ganz gut ', und das nagt etwas an mir, denn was bitteschön soll das denn heissen? Als Kompliment für die Beteiligten fasse ich das jedenfalls nicht auf, sondern eher als durch die Blume formulierten Hinweis, dass es an die Profis eben nicht heranreicht. Wer aber sind denn die Profis? Doch nicht diejenigen, die es schaffen, ihre Konservenergüsse gnadenlos zu kommerzialisieren !
Mit anderen Worten, ich rege mich ein klein wenig auf, denn hier im Forum tummelt sich viel Talent und Begabung im Umgang mit dem eigentümlichen Handycap, dass, wie Bob es nochmal deutlich gemacht hat, hier bei der Produktion nicht mal ge-xt werden kann...
Sicher sind wir uns hier im Forum nicht unbedingt einig über die Standards, die wir für wichtig halten ( s. Anke vs. Hardegen in der Frage, wie mit mundartbedingten Akzenten umzugehen ist ) aber alles in allem höre ich aus allen audiblen Bereichen der Hörspiele heraus, dass die treibende Kraft immer der Ehrgeiz ist, es so gut wie möglich zu machen - und zwar mit viel Widmung und "Herzeblut". Und natürlich bedeutet das für alle Beteiligten:
- das Skript muss was zu erzählen haben und dann auch noch so spannend, dass die Leserschaft ( und nach dem Cut das Auditorium ) bis zum Schluss am Ball bleibt.
- die einzelnen Figuren sollen lebendig und durch das, was ihnen widerfährt veränderbar sein können, nicht Typenklischées erfüllen, sondern angemessen spontan und der Situation entsprechend beteiligt sein. Am tollsten sind Figuren, die von einem Geheimnis umgeben sind, dass sich erst im Laufe der Geschichte lüftet.
- die Dynamik der Monologe, vor allem aber auch der Dialoge muss wie aus dem Moment heraus entstehen ( am spannnendsten ist immer die Harmonie der Kontradiktion, wenn also das gemeinsam verhandelte aus wirklich verschiedenen Blickwinkeln und Haltungen bewegt wird )
- Die Endmischung des Cuts versorgt den Plot mit Dichte und Atmosphäre, spinnt also den roten Faden jenseits der Worte auf das Ziel hin zu.
Wie immer, wenn alles aufgeht, vergisst man jegliche Zeit und hat wieder einen kleinen Zipfel von 1000 und einer Nacht erwischt, wo ja bekanntlich eine um ihr leben erzählen musste. Es geht also immer um was.
Also nix da Hobby ! Wir wollen sicher alle besser werden ! Das Forum ist kein Katzeklo.
Ich werde hier deswegen so ausführlich, weil ich mir, wenn ich dann die paar Minuten Spiel anhöre mir all die vielen Stunden vergegenwärtige, die sich alle Beteiligten hier immer reingehängt haben - aus schierer Lust an der Sache.
Im Folgenden, ich hab mir parapol 2 jetzt zweimal angehört ( beim erstenmal bin ich ein kurzes Stück lang eingeschlafen ), nehme ich also meine spontan formulierten Kriterien mal als Grundlage für ein feedback
1. Prod
Meiner Meinung nach sollten die einzelnen Folgen dieses Sequels nur sehr bedingt miteinander verglichen werden, denn die Produktionen sind doch sehr unabhängig voneinander, was offenbar schon der Umstand verdeutlicht, dass es irgendwie beidemale um Granit, Marmor, Statuen und vor allem ein Ermittlungsteam geht, dass sich zu Beginn nicht gerade sehr grün ist - eine eigentümliche Synchronizität, die es der 2. Folge nicht so leicht macht, weil sich Motive irgendwie wiederholen.
1.1. Technikleistung: technische Aufnahmequalität (nach von den Spezis zu gliedernden Prioritäten)
offenbar hatten alle ein recht gutes Mikro
1.2. Sprecher/innen:
Schöne Stimmen im Cast. Hab dem Ermittlerteam gern zugehört. Hut ab, Janne, gelungenes Spiel. Kadomann, komm noch ein wenig mehr weg vom Papier. Das Skript hats Dir nicht leicht gemacht, so eine Art Dreh- und Angelpunkt für Stelios zu finden. Geheimnisvolle melancholische Mutter, Clara, klasse. Tochter, kurz und einprägsam erschüttert, schön. Alle anderen: gute Arbeit Jungs und Mädels (wäre wie gesagt neugierig auf Eure Alternativkakes). Alles in allem lohnt es sich weiter damit beschäftigt zu sein, Emotionen nicht zu vordergründig zu präsentieren.
1.2.1. angebotene Varianten eines Takes
würde mich mal interessieren, wie Ihr es macht ( bei mir sinds immer mindestens drei möglichst verschiedene, mal auf den Typ mal auf die Situation bezogene )
1.2.2. Akzentfreiheit oder bewusste Akzentnutzung
war diesmal nur insofern ein Thema, dass die Artikulation schlicht unterschiedlich ist. Sofia und Zoe haben für mich hier Orientierungswert.
1.2.3. situationsangemessene Stimm- und Sprechlebendigkeit, Spieldynamik
grundsätzlich mit viel Empathie; das gefiel mir und ging solitair gesehen durchgängiger auf als dann im Dialogzusammenhang.
1.2.4. Verspieltheit im Umgang mit dem Text (Befreiung vom Papier)
hätte mich interessiert, ob Sofia und Stelios nicht zwischen den Zeilen noch etwas mehr nach ihrer Mann/Frau-Kiste hätten suchen können, obwohl das Skript dafür kaum Gelegenheit angeboten hat ausser vielleicht in der Sorge um die Kollegin dann. Aber gerade am Anfang bei sowas wie dem "Harten Brocken" kann man noch was rauskitzeln.
Auch hätte Sofia in der Klinik vielleicht souverän mit dem Doc umgehen können, ohne am Anfang so zu giften. Da möchte ich nämlich sonst wirklich denken:"Mensch die Frau ist irgendwie gespannt wie'n Flitzebogen"
1.3. Regie und Cut:
1.3.1. Kommunikation mit den Sprechern
ausbaufähig
etc
und Punkt
2. Postprod:
2.2. Technik zu Schnitt und Mischung (wieder für die Spezis; also z.B. Fragen zu Denoisen, Pitchen etc.)
weiss ich zuwenig drüber aber Brandy, Du beherrschst die Mittel, das wird deutlich. Die Sache hat einen Guss.
2.3. Handhabung des Werkzeugs:
2.3.1. Akzente in der Raumbehandlung: hinten, vorne, Bewegung im Raum etc.
super FX und sensibel eingesetzt. Gleich von vorne weg mochte ich das Hintergrundrauschen des geschäftigen Athens...
2.3.2. Rhythmus: z.B. bei der Dialogdynamik (wie schnell reagieren die Gesprächspartner aufeinander )
Oft hätte ich mir zwischen Rede und Antwort mehr Luft gewünscht. Vielleicht müssen wir uns beim Sprechen auch noch mehr überlegens- und Nachdenklichkeitstöne erlauben. Besonders als die Mutter zum Schluss quasi gestellt wird, purzelt das alles aus ihr zu rasch raus, wie ich finde. Abgesehen davon wäre hier in Sache Knistern auch innerhalb des Ermittlerteams noch Land zu gewinnen gewesen ( s.o.)
2.3.3. Einsatz zusätzlicher Menschenlaut-FX ( z.B. dachte ich, heftig atmen zu sollen, weil Mantini beim telefonieren rennt als F. ihn wegen Renzo alarmiert )
sic !
2.3.4. Einsatz von Musik und zusätzlichen FX
schöne Musiken, manchmal ein bisschen zu ausführlich für die Übergänge. Vielleicht auch manchmal zu elegisch und malend.
Ich finde auch so Musik à la Spy Game klasse.
2.3.5. Gesamtdynamik der Mischung ( Adagio, Andante, Allegro, Piano, Crescendo, Ritadando etc. im übertragenen Sinne )
Grossartig, Brandy !! Weiter so !
etc.
Abschliessend, was eigentlich vorweg kommen könnte: Ich hätte mir ein strengeres lektorat für das Skript gewünscht. Ähnlich wie Dagmar, finde ich, dass vor allem Stelios mehr Butter bei die Fische verdient hätte, gerade auch in Hinblick auf seine Kollegin, die ja an so einem beziehungsverstrickten Schuldtrauma leidet, was sie ja manchmal regelrecht arbeitsuntauglich zu machen droht. Da wäre noch was drin gewesen.
Und dann ist es natürlich riesig schade, dass einem der Gorgonenmythos derart früh bis ins einzelne aufgetischt wird. Das würde ich sogar fast als dramaturgischen Fehler bezeichnen, den man nur hätte wettmachen können, wenn sich schlussendlich herausgestellt hätte, dass die Erklärung für alles eben doch eine völlig andere ist.
Hier wäre soviel drin gewesen, denn fast allen HörerInnen steht die medusa ohnehin mehr oder weniger diffus vor Augen, ausserdem sind wir ja auch noch in Griechenland - wie gesagt: ein Drehbuch sollte von hinten geschrieben werden.
Beim zweiten zuhören bin ich nicht eingeschlafen, vielleicht auch weil mich beschäftigt hat, dass Sofia mit relativ wenig guten Gründen in der Hand plötzlich eine geladene Waffe auf ein Auto gerichtet hat, dessen Passagiere zum Ermittlungszeitpunkt noch nicht als gefährliche Schwerverbrecher eingeschätzt hätten werden dürfen. Also, für uns alle ein grosses Glück, dass Sofia nicht geschossen hat...
Wie rechtsfrei der Raum ist, in dem die Parapol sich bewegen darf, ist mir noch nicht ganz klar, aber mehr von den Griechen möchten wir in diesen Tagen ja alle hören, bei denen sich neben soviel Mythos nun auch sooooviel Schulden angehäuft haben, dass man sich fragt, welche Mittel zur Verbrechensbekämpfung ausser Phantasie überhaupt noch verfügbar sind. SChon bei der Feuerwehr sah es ja diesen Sommer schlimm aus.........aber das führt jetzt zu weit.
Wo spielt dann eigentlich Parapol 3 - in Schottland?