Frederic Brake

Berufspessimist
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Auch wenn ich als Begrifflichkeitenfetischist rüberkomme, aber durch die Durchmischung von drei Begriffen geht mir so ein bísschen der Fokus der Diskussion flöten. Vermischt werden Zielgruppe, Mainstream und Genre. Die drei Begriffe sind zwar verzahnt, aber eigenständig. Insofern ist auch Werners Ansatz, erst denken, dann schreiben, auf eine Zielgruppe orientiert. Vielleicht klären wir erst einmal, was eine Zielgruppe ist. Eine Zielgruppe ist eine Gruppe von Menschen, die auf bestimmte Reize homogen, also grob gesagt gleicharitg, reagieren. Ich behaupte: Wer ein Hörspiel schreibt, tut dies für eine Zielgruppe, in aller letzter Instanz für die Menge derer, die gleich ticken wie der Autor. Ich behaupte weiter, niemand - außer Egomanen mit Größenwahn - unterzieht sich der Mühe der Geburt eines Hörspieles aus purem Eigennutz ("Ich schreibe so, dass es mir gefällt" ist hier schon gefallen), sondern, weil der Autor etwas mitteilen möchte. Damit aber seine Botschaft gehört - und vor allem verstanden - wird, muss er eine Zielgruppe haben. Sonst verpufft die Wirkung. Das klingt hochgestochen, zugegeben. Aber für sich selber in Anspruch zu nehmen, ohne Zielgruppenorientierung zu schreiben, ist Hybris. Vielleicht ist diese Orientierung nicht jedem bewusst. Aber in dem Moment, in dem ich mich auf ein Genre festlege, habe ich bereits eine Grobwahl der Zielgruppe getroffen, ob ich will oder nicht. Ich nehme eventuell Hörer anderer Genres mit, weil Aspekte meiner Arbeit diese ansprechen, eben diese auch in die Zielgruppe passen (z.B. Krimifans, die ein Horrorhörspiel hören, weil ein Kriminalfall darin vorkommt). Wenn ich dieses Hörspuel dann auch noch Massenkompatibel schreibe, bediene ich den Mainstream. Auch das ist eine Zielgruppe, aber eine recht undifferenzierte. Also, eine Zielgruppenorientierung schließt nicht per se aus, das experimentiert wird oder am Mainstream vorbei geschrieben. Die Zielgruppe kann nämlich auch klein sein. Wäre es nciht so, würde es keine Programmkinos geben.
 

Nero

Anne
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Natürlich schreibt man immer für eine Zeilgruppe, nämlich - wie du schon richtig sagtest - für die, der man selbst angehört. Die Frage ist halt inwieweit man sich danach richtet oder sein Hörspiel drauf abstimmt.
"Ein Happy End würde den meisten vermutlich besser gefallen, aber mir nicht." Und da ist halt die Frage, welche Motivation da das Schreiben bestimmt: nach eigenem Gusto oder für die vermeintliche Zielgruppe.
 

Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
Sprechprobe
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AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Wenn Du, lieber Frederic, sagst, die Zielgruppe sind diejenigen die so ticken wie der Autor, dann kann man sie doch einfach aus der Gleichung rauskürzen. Orientiert man sich an dieser Zielgruppe, so orientiert man sich an sich selbst, und wenn der "Egomane" sagt, "Ich mache ein hörspiel weil es mir gefällt", hat er - behaupte ich - bewust oder unbewust erkannt, dass er Teil einer Gemeinschaft ist, die zu einem Teil aus gleichgesinnten besteht, mit denen es sich auszutauschen lohnt. Die Frage ob er das dann "für sich" oder "für die anderen" tut ist damit ebenfalls rausgekürzt, es macht nämlich keinen Unterschied. Das ist auch ein wichtiger Aspekt von dem was ich meine, wenn ich sage, die "Zielgruppe" sei ein Konstrukt. Da finde ich Neros Ansatz schon realistischer zu sagen "Ein Happyend hätte den meisten wohl besser gefallen, mir gefällt es nicht". Für mich ist diese Entscheidung einfach, weil ich die Überzeugung derer teile, die sagen, dass ein Werk nur überzeugend sein kann, wenn der Autor wirklich dahinter steht. Dabei kann es durchaus eine leienschaftliche Überzeugung sein, so viele Menschen wie möglich erreichen zu wollen. Jedoch erscheint es mir folgerichtig, dass das Werk dadurch erheblich an Charakter und Gesicht einbüssen muss. Aber man erreicht möglicherweise wirklich viele Menschen, nämlich jene die sich in erster Linie darüber identifizieren, dass ihr Konsumverhalten möglichst hip ist, deren Zugehörigkeit zu einer möglichst großen Gruppe einen höheren Stellenwert besitzt als das Wesen der Litheratur die sie vor sich haben. Wenn ich diesen Gedanken weiter spinne, muss ich mir als Autor die Frage nach meinen wirklichen Beweggründen stellen: Will ich mich vor allem in eine Massenbewegung integrieren, die mir einen hohen sozialen und wirtschaftlichen Profit verheißt, oder Arbeite ich aus Begeisterung für das Medium Litheratur/Hörspiel und möchte dafür einen aktiven Beitrag leisten?
 

Brandywine

Falko Diekmann
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Für mich ist der Begriff "Zielgruppe" sehr stark mit "Marktforschung" verknüpft. Mit Marktforschung verknüpfe ich das Bestreben von Produzenten etwas herzustellen das möglichst Vielen schmeckt. Beim Auto-und Limonadenbau mag das ein durchaus ein löblicher Vorsatz sein. Für Autoren die etwas mitzuteilen haben sind solche Überlegungen (finde ich) uninteressant.
 
D

Downunder

AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Hallo,

ich finde das es manchmal gar nicht so leicht ist eine Kopie (nicht music cover) einer erfolgreichen Show oder Hoerspiels zu machen. Am Ende hat man dann etwas produziert was viele als billige Imitation sehen und es macht einen selber nicht gluecklich.
Es ist auch immer schade wenn eine Serie die erst Trendsetter ist sich dann, wenn das Interesse ein bischen nachlaesst, negativ "weiterentwickelt" um kommerzieller zu sein. Dabei isoliert man nur die Die-Hard Fans.
Oft wird ein wirklicher Erfolg nur dann erzielt wenn man ganz an seine Vision glaubt und das Werk (mit der richtigen Promotion) eine Luecke fuellt die viele gespuert aber nocht realisiert haben. Natuerlich hat jeder Riesenerfolg, Tausende von aehnlichen Projekten die nicht in den Mainstream kommen, aber wenn es den Underground der Independents (wie uns hier) nicht gaebe, wuerden die Individualisten keine Community, keinen Naehrstoff fuer ihre Ambitionen finden. Ob du Erfolg hast oder nicht, als truly independent artist bist du auf jeden Fall die Erde aus der die New Generation waechst und oft (ohne es zu wissen) hast du jemanden inspiriert seinen eigenen Weg in der Kunst zu gehen.
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ein paar ungeordnete Gedanken meinerseits:

In Kommunikation mit anderen scheint es mir zwei grundsätzliche Formen der Ignoranz zu geben:
1. zu denken, man sei genau wie alle anderen
2. zu denken, man sei ganz anders als alle anderen
Beide Formen vermeiden die Mühe, eine Brücke zu errichten, denn im ersten Fall ist eine Brücke nicht notwendig und im zweiten Fall ist sie nicht möglich.

Brandywine hat recht, dass Zielgruppenorientierung erstmal aus dem Bereich der Marktforschung kommt. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig eine Adressierung der Masse, man kann auch gezielt eine Nische bedienen. Der Sinn der Zielgruppe ist es ja eigentlich gerade, nicht alle bedienen zu müssen, sondern nur ein definiertes Segment.

Für mich bedeutet Erzählen: Einer, der eine Geschichte kennt (ob er sie nun selbst erlebt oder erfunden hat, ist wurscht), erzählt sie einem anderen, der die Geschichte noch nicht kennt. Als Erzählender stehe ich dabei vor der Herausforderung, die Geschichte so "rüberzubringen", dass der andere sie versteht. Im Extremfall bin ich der Physiklehrer, der der Schulklasse erklären muss, warum Licht mal als Welle und mal als Teilchen funktioniert. Als Erzählender muss ich also im Kopf immer den Hörenden mitdenken.
Das fällt mir umso leichter, je besser ich weiß, wer mein Gegenüber ist: Kinder, Senioren, Technikfreaks, Liverollenspieler etc.

Ist unser gesamtes "erzählerisches Handwerkszeug" nicht gerade eine Sammlung an technischen Tricks, von denen wir hoffen, dass sie unsere Geschichte für möglichst viele Hörer spannend, unterhaltsam, etc. macht?

Verrate ich meine Kunst, wenn ich etwas "für andere" mache?
Könnte Kunst auch ein Geschenk sein?
Was ist mit dem Vater oder der Mutter, die abends am Kinderbett für das Kind Geschichten erfindet?
Sollte ich Liebesgedichte lieber für mich selber schreiben statt für meine Geliebte?
Verliere ich meine Authentizität, wenn ich mich in andere einfühle?

Woran liegt es aber, dass mir die auf mich zugeschnittene Ansprache des Werbefuzzis, der qua Marktforschung mich und mein Konsumverhalten zu kennen glaubt, so unerträglich ist?
Liegt es daran, dass ich durchaus unterscheiden kann, ob jemand mir etwas Gutes will (zum Beispiel mich intelligent unterhalten) oder doch nur mein Geld?
Oder eher daran, dass ich mich als beweglichen, lebendigen, unabgeschlossenen und freien Geist empfinde, der immer dann, wenn er in eine Schublade einsortiert wurde, sich schon wieder darüber hinaus fühlt? (Selbsttäuschung nicht ausgeschlossen)

Beim "Perfekten Dinner" im Fernsehen sah ich, wie eine Vegetarierin meinte, für die anderen Teilnehmer Fleisch braten zu müssen. Freilich hat sie sich vor dem Fleisch geekelt. Mag man aber ein solches "für die Zielgruppe" zubereitetes Essen wirklich genießen, wenn man weiß, dass sich der Koch davor geekelt hat?

Den Koch, der nur seine eigene Lieblingsspeise kocht, fände ich beschränkt.
Aber etwas, was der Koch selbst nicht anrührt, möchte ich auch nicht essen.

Und dann ebenfalls aus Sicht des Hörers/Lesers/Zuschauers etc:
Wie sterbenslangweilig, wenn ich immer nur das angeboten bekomme, von dem jeder weiß, dass ich es mag.
Sind die spannendsten Dinge da draußen nicht die, von denen ich noch gar nicht weiß, dass ich sie einmal lieben werde?

Wie sang Neil Young doch so schön:
I've been looking for a lover
But I haven't met her yet
She'll be nothing like
I pictured her to be
 
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Dorsch Nilson

aka Beipackzettel
Sprechprobe
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AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ich finde, "Zielgruppe" ist, wenn man ihn aus dem Marketingkontext loslöst, schon ein sehr nützlicher Begriff, in dem Sinne wie Du es beschreibst, in sich eine Vorstellung davon zu haben, wem man etwas erzählt. Im Kontext des Marketing wird der Begriff sehr technisch und vom Menschen entfremdet. Ich sehe als Autor die Zielgruppe mehr als ein Aspekt meiner persönlichkeit, mein inneres Kind, meinen inneren Scififan, meinen inneren Senior (gip's den?) Aber das also Gruppe losgelöst von mir zu sehen, ist mir zu Abstrakt und verwirrt mich eher. Es ist blos wichtig, wenn man längere Zeit an einem Skript arbeitet, seine Zielgruppe nicht unbewust zu wechseln, weil man sich heute andersfühlt als gestern. In diesem Sinne kann ich der Idee einer Zielgruppe durchaus was abgewinnen.
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ich behaupte weiter, niemand - außer Egomanen mit Größenwahn - unterzieht sich der Mühe der Geburt eines Hörspieles aus purem Eigennutz ("Ich schreibe so, dass es mir gefällt" ist hier schon gefallen), sondern, weil der Autor etwas mitteilen möchte.
hm...ich glaube nicht, dass man diese Aussage pauschalisieren kann....
irgend ein berühmter Regisseur (leider weiß ich nicht, wer das war) hat gesagt: "Wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich sie mit der Post verschicken".....
Für mich persönlich ist es nix anderes als eine Selbstverwirklichung. Ich liebe Hörspiele und ich liebe die Menschen, die Hörspiele produzieren. Ich höre seit Jahrzehnten Hörspiele, und nun habe ich, auch durch dieses herrliche Forum, die Möglichkeit, auf der "anderen" Seite zu stehen. Ich möchte das tatsächlich in erster Linie für mich selbst tun (vielleicht bin ich auch Egoman...wer weiss :) ). Wenn es vielen anderen gefällt, umso schöner...

Edit: der Regisseur war Polanski :)
 

Nero

Anne
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Man kann Botschaften mit der Post verschicken ... man kann sie aber auch in einem Hörspiel verstecken :)
Meine Skripte habe alle eine Botschaft/Mitteilung/Nachricht.

Und was ist schon reine Selbstverwirklichung? Ich verwirkliche mich doch auch damit, wenn ich verteile, was ich denke, oder?
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

@Nero ja sicher. Das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich wollte nur ausdrücken, dass es sicherlich viele Produzenten usw gibt, die einfach "nur" unterhalten wollen, ohne irgendeinen tieferen Sinn verbreiten zu wollen...
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

@Nero ja sicher. Das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich wollte nur ausdrücken, dass es sicherlich viele Produzenten usw gibt, die einfach "nur" unterhalten wollen, ohne irgendeinen tieferen Sinn verbreiten zu wollen...

Aha, erst hieß es, man macht das Hörspiel für sich selbst, nun heißt es, dass man doch wieder andere damit unterhalten will.
Mir erscheint das alles zu halbherzig und unentschieden.

Überzeugender finde ich da die Extrempositionen:

Einerseits Brandywine, der sagte, Kunst entstehe durch Kompromisslosigkeit, und man solle sein eigenes Ding machen, völlig unabhängig davon, wer dadurch unterhalten oder nicht unterhalten wird. Ergänzt durch Civoks Kurosawa-Beispiel.

Andererseits Frederic Brake, den ich so interpretiere: Wenn man schon andere unterhalten will, kann man es auch gezielt und mit Methode machen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Kolibri

Hannah
Sprechprobe
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AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ich finde gerade das interessant.
Ich glaube man ist sich selbst meist gar nicht bewusst, was man da so richtig macht. . Unterbewusst macht man sein Werk schon für irgendein Publikum, man freut sich ja schon immer, wenn es anderen Leuten gefällt, das kann mir keiner weiß machen, dass er sich dann nicht freut, auch wenn man eigentlich sagt, ich mache mein Werk für mich selbst.
Vielleicht hat man sich darüber einfach nur noch nicht genug Gedanken gemacht?
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ich glaube man ist sich selbst meist gar nicht bewusst, was man da so richtig macht.

Dieser Übergang vom Unbewussten zum Bewussten ist, denke ich, ein wesentlicher Schritt.
Dass man sich fragt: Was will ich? Welche Mittel habe ich zur Verfügung, um mein Ziel zu erreichen? Wie kann ich welches Instrument gezielt einsetzen?

Aber dann nicht bloß als Hirngespinst, sondern eben auch durch Ausprobieren, durch die Arbeit mit dem Material, und im Austausch mit anderen.
Nichts anderes tun wir hier.
 

Brandywine

Falko Diekmann
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

"Wenn der Wind weht" zum Beispiel...was ist da die Zielgruppe? Empfindungsfähige Wesen würde ich sagen. Für Kinder funktioniert er weil es Zeichentrick ist; für "Erwachsene" weil der ganze Grimm einer atomaren Katastrophe ungeschönt dargestellt wird. Egal in welchem Alter, der Film führt zu Tränen.
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

@Karpatenhund ich meinte ja nicht MICH im Speziellen. Meine persönliche Sichtweise habe ich bereits in meinem ersten Beitrag rausgehauen...
 

michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ich warte übrigens sehnsüchtig auf die Beiträge von Xilef und OldNick zu diesem Thema ;-)
 

Paul

Wertentwender
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AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Wer beim Schreiben behauptet, er tue es nur für sich allein, täuscht sich selbst. Diese Behauptung finde ich gerade dann unsinnig, wenn man ein Medium erschafft, dass dann von sehr vielen Rezipienten gelesen/gehört wird/werden soll. Im Langzeitgedächtnis schwingt das Wissen im die künftigen Leser/Hörer immer mit, ganz ausblenden kann man das nicht.

Da stelle ich mir die Frage, ob das Wissen um meine künftigen Rezipienten meinem eigenen Schreibvorhaben entgegensteht. Tut es das wirklich? Kämpfe ich als Freigeist gegen Hundertschaften, die alle gleich oder zumindest sehr ähnlich denken und dementsprechend Gleiches bzw. Ähnliches wollen?

Nein, natürlich nicht. Erstens unterstelle ich damit der Leser/Hörerschaft einen Einheitsgeschmack (was sicherlich niemand von sich selbst behaupten würde) und zweitens arbeite ich dann mit diese Erwartungen, diesen Unterstellungen, die ich selbst erstellt, von Klischees übernommen oder mit ihnen gefüttert habe.

An dieser Stelle stelle ich mir selbst ein Bein und rudere mit meinem Streben nach künstlerischer Freiheit gegen meine eigenen Erwartungen an andere.

Es gibt ein Schreibprozessmodell von Hayes und Flower, das zwar in einigen Punkten stark kritisiert wird, allerdings nicht im Bereich des Wissens um den Adressatenkreis. Dieser gehört ebenso zum Schreiben dazu, wie mein Sprachwissen.

Wenn man es so betrachtet, geht es bei der Zielgruppenorientierung eigentlich um meine Vorstellungen der Rezipienten. Diese sind, das behaupte ich jetzt einfach mal, häufig Klischees. Beispiel: Ein Fantasyfan ist nur glücklich, wenn Elfen, Zwerge und Orks vorkommen. Und ein böser Zauberer, dessen Nasenpiercing ins Feuer... ach ihr wisst schon. :zunge2:

Worauf will ich eigentlich hinaus?

Ich denke, dass hier das Bedienen von Story-Klischees mit Zielgruppenorientierung synonym gehandhabt wurde (ich habe nicht alle Posts gelesen und möchte auch niemanden angreifen, ja?). Ersteres schränkt die künstlerische Freiheit durchaus ein, da nur akzeptierte Muster zur Auswahl stehen und man das Rad nicht erneut in einer anderen Farbe erfinden möchte. Letzteres gehört zum Schreiben dazu wie Nomen und Adjektive. Selbst beim Tagebucheintrag richte ich die Worte an jemanden, beim Verfassen von Publikationsschriften erst recht.
 

ansuess

Andy Suess
AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Irgendwie drängt sich mir der Verdacht auf, das sich die Diskussion im Kreise dreht. Das empfinde ich irgendwie so.

"Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?" war die Grundfrage. Dazwischen gab es aber immer auch wieder andere Dinge und Einwürfe. Ich persönlich hatte ja auch schon gesagt, wie und was und "für wen" ich schreibe. Aber ich finde Pauls Satz sehr gut:

"... allerdings nicht im Bereich des Wissens um den Adressatenkreis. Dieser gehört ebenso zum Schreiben dazu, wie mein Sprachwissen."

Und das würde ich noch ergänzen wollen um daraus folgendes Konstrukt zu basteln:

"Die Zielgruppe gehört ebenso zum Schreiben dazu, wie mein Sprachwissen und die eigene Kreativität und mein Ausdruck."

Ausdruck = was möchte ich mit der Geschichte sagen?

Sicherlich gibt es Extrempositionen wie "Ich schreib das nur für mich, der Rest ist mir egal." oder "Ich schreib das allein für den Hörer und bediene meine Zielgruppe und Klischees." Aber ich behaupte einfach mal (hab ich sogar schon getan, glaub ich) das der größte Teil der schreibenden Zunft ein Mittelmass im Kopf hat und sowohl als auch bedient. (Das aber nur dann, wenn es keine Auftragsarbeiten sind).
 

Marie

Elfchen
Sprechprobe
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AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Es wurde schon ganz viel dazu geschrieben und ich will nicht nochmal alles wiederholen. Ich hab fast alle Beiträge hier gelesen und kann viele Standpunkte verstehen. Ich selbst denke zumindest nicht bewusst über meine Zielgruppe nach, wenn ich mir eine Geschichte ausdenke. Ich richte meine Geschichte nicht bewusst danach aus. Trotzdem glaube ich auch, dass viele Faktoren bewusst oder unbewusst in den Geschichtenfindungsprozess und in den Schreibprozess mit einfließt. Gerade im nicht kommerziellen Bereich sollte man sich aber meiner Meinung nach nicht von Normen zwanghaft einschränken lassen. Darauf müssen eigentlich nur die achten, die einen weiteren Zweck mit ihrem Produkt verfolgen wollen (wirtschaftlicher Gewinn, Werbung, auf ein Thema/eine Kampagne aufmerksam machen...). Ansonsten können solche Normen höchstens als Hilfsmittel oder Leitfaden dienen, so wie auch der klassische Aufbau eines Dramas (Exposition, Erregendes Moment, Peripetie, Retardierendes Moment, Katastrophe). Es hat sich als gut erwiesen, aber es heißt nicht, dass eine anders aufgebaute Geschichte nicht auch spannend, fesselnd, ergreifend oder überraschend sein kann.

Was mir noch beim Stichwort "Zielgruppenfindung" bei Hörspielen einfällt, ist dass ich es durchaus sinnvoll finde, sich Gedanken darüber zu machen, welche Zielgruppe mein Hörspiel denn anspricht, auch wenn das Skript schon geschrieben wurde (beziehungsweise gerade dann). Wenn man sich darüber nämlich klar wird, hat man die Möglichkeit, den Hörerkreis noch um einige Konsumenten zu erweitern. Wer zum Beispiel ein Horror-Hörspiel schreibt, kann sehr gut in einem Horror-Forum sein Hörspiel vorstellen. Wer eine Romanze schreibt, kann in diversen Portalen und Foren für Frauen sein Hörspiel vorstellen. Natürlich kann man davon ausgehen, dass nicht ALLE Frauen, die dort angemeldet sind, dieses Genre zwingend mögen. Man wird niemals alle erfassen können, wie schon bereits geschrieben wurde. Aber man kann überlegen, für wen mein Hörspiel intertessant sein könnte. So schränkt man sich nicht ein durch Zielgruppenüberlegungen und nutzt dieses "Marketingwerkzeug" trotzdem effektiv, um den eigenen Hörerkreis zu erweitern, denn für veraltet oder nutzlos halte ich so eine Überlegung keineswegs. Aus diesem Grund wird Zielgruppenforschung und -marketing ja auch immer noch überall betrieben.

Ich bin mir bewusst, dass das ein bisschen an der eigentlichen Fragestellung vorbei geht und es eher von der anderen Seite heran geht, aber ich glaube schon, dass dieser Gedankengang auch für den einen oder anderen Autor oder Produzent ganz hilfreich sein kann, wenn es ans Vertreiben des Hörspiels geht. :laechel:
 

OldNick

Mitglied
Sprechprobe
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AW: Orientierung an Zielgruppen? Für wen mache ich mein Werk?

Ich warte übrigens sehnsüchtig auf die Beiträge von Xilef und OldNick zu diesem Thema ;-)

Ok, ok, mein Herr:
Maries Antwort gefällt mir. Sie stellt einen Bezug zur hiesigen Realität her, in der es keine klare Marketingbeschäftigung gibt und in der Autor und/oder Regisseur selbst für ihr Produkt die Werbetrommel rühren müssen.
Ansonsten geht diese Diskussion weitgehend an meiner Realität vorbei. Mir hat bisher noch keiner der Beteiligten überzeugend dargelegt, wie er, außerhalb eigener (und höchst subjektiver) Antizipation seine vermeintliche Zielgruppe festlegt und was diese Festlegung konkret an Konsequenzen für die reale Arbeit bereithält und inwiefern sie jene bereichert.
Mir erscheint das so, als wollten einige Künstler gerne die Arbeit ihrer Lektoren und Verlage nichtig machen. Von dieser Idee bin ich, vorsichtig gesagt, nicht überzeugt. Ein Michael Ende, der es seinem inneren Kritiker erlaubt hätte, in einem durch ihn selbst gestalteten "Zielgruppenverstand" zu ihm zu sprechen, hätte ein Buch wie "Die unendliche Geschichte" niemals zuende geschrieben. Auch wären, dieser Logik folgend, ein großer Teil an Werken niemals in der Form fertiggestellt worden, Werke, die die Literatur revolutionierten.
Ein ganz simples Beispiel dazu: Der zweite Roman von Stephen King ("Salem's Lot"). Die ersten gut 100 Seiten dieses Romans hätten, rein vom Thema her, genauso gut von Fontane, von Keyserling oder auch Siegfried Lenz behandelt werden können: Ein erfolgreicher Schriftsteller kommt aus der Stadt in das Provinzdorf zurück, in dem er aufwuchs, und strapaziert die Moralvorstellungen seiner Bewohner. Mit etwas veränderter Prämisse und Perspektive hätte das sogar ein Heimatroman sein können. Dazwischen passiert nichts als Sex und Andeutungen das Anwesen betreffend, auf dem es einige hundert Seiten später horrormäßig zur Sache kommt.
Der extremen Zielgruppenlogik folgend, hätte jeder, der gerne Horrorromane liest (gleich welcher Art: Selbst der klassische Schauerroman ließ sich, wenn überhaupt, nur schemenhaft erkennen), das Buch nach 100 Seiten weggelegt. Nun erinnern wir uns alle daran, wie sehr Stephen King mit diesem seinem zweiten Roman gefloppt ist. Er hat danach nie wieder was verkauft, Hollywood hat seinen Kram nicht mal mit der Kneifzange angefaßt, und eines Morgens wurde er mit der Toilette erschlagen, die ein Klempner aus dem 25. Stock eines Hauses geworfen hat. Ich glaube, es war in den 80er Jahren ... Schon tragisch.

Sicherlich sollte sich ein Autor über das Thema Gedanken machen, das er so präzise wie möglich beschreiben will. Auch und gerade über den Stil, in dem er seine Figur sprechen lassen will. All dies sind aber sowohl künstlerische als auch handwerkliche Fragen (wenn man das denn unterscheiden möchte), aber das hat nichts mit Zielgruppenorientierung zu tun. Und der Glaube, dass ein Rezipient, so ich ihn einer subjektiv ausgewählten Gruppe zuordne, immer im gleichen Maße auf eine Information reagiert, läßt sich durch einen Haufen unterschiedlicher Rezeptionen dergleichen vermeintlichen Zielgruppe widerlegen. Dazu reicht ein Blick in die Rezeptionen auf Seiten wie amazon.de. Davon abgesehen empfinde ich es als ziemlich arrogant, in gewissem Maße auch elitär, als Autor die eigene Menschenkenntnis derart hoch zu bewerten, dass ich mir Geschmacksurteile über ganze Gruppen von Rezipienten erlaube. Wohin solche grotesken Bewertungen führen, sehen wir in den Medien anhand div. Extrembeispiele im Privatfernsehen. In meinen Augen ist das alles nicht nur faktisch nicht nachweisbar, sondern auch ziemlich anmaßend.
 
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