Chaos

Schneewittchen
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Sprechprobe
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hier eine neue Kurzgeschichte von mir. Ich habe versucht, ein wenig mit Wiederholung von Geschicht-Elementen zu spielen. Feedback ist erwünscht.
(und ja, ich weiß, die Formatierung ist schiete :D)
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VOLLKOMMENHEIT

Vor ihm erstreckte sich das türkisfarbene Meer unter strahlend blauem Himmel.
Er atmete tief durch und schmeckte die wunderbar salzige Luft, die ihm in sanften Brisen ins Gesicht geblasen wurde.
Schnell zog er seine Schuhe aus und machte den ersten Schritt auf den Strand, der vollkommen glatt und unberührt vor ihm lag. Der Wind hatte alle Spuren geglättet und es fühlte es sich an, als wäre er der erste, der jemals dieses beinahe schneeweiße Stück Land betreten hatte.
Es fühlte sich an, als würde die Ewigkeit zwischen seinen Zehen hindurchrieseln.
Langsam ging er über den Strand auf das Meer zu und bemerkte dabei, dass er nicht auf Sand lief, sondern auf Milliarden von winzig kleinen Muschelschalen.
Fasziniert hielt er inne und nahm eine Hand voll davon auf. Er betrachtete die kleinen Muscheln und bewunderte ihre Vollkommenheit. Jede glich der anderen, ihre Form konnte nur als perfekt beschrieben werden. Als hätte die Natur sich die Zeit genommen, jede einzelne Muschel bewusst und mit viel Hingabe zu gestalten, bis jede von ihnen makellos war.
Der Strand erschien ihm nun noch unberührter, wie einer dieser Orte, die es nirgends sonst in vergleichbarer Form zu finden gibt. Ein Unikat. Ehrfürchtig blickte er sich um und bemerkte seine Fußspuren, die sich einsam über die riesige Fläche schlängelten.
Erfüllt von der Atmosphäre dieses Ortes setzte er sich und schloss die Augen, um diesen Augenblick ganz und gar in sich aufzunehmen, ihn zu verinnerlichen und nie mehr loszulassen.
Er spürte, wie sein Körper sich entspannte und er sanft in die Muschelmassen hineinglitt, die ihn umgaben. Sie umhüllten ihn, kitzelten seine Fingerspitzen und wärmten sein Gesicht.
Es fühlte sich an, als würde er einfach durch sie hindurch gleiten, als würden sie ihn verschlucken wie Treibsand, nur auf eine sanfte Art und Weise.
Die wohlige Wärme trieb ihn immer weiter, weiter hinein in das Erdreich, noch immer umgeben von Millionen von Muscheln.

Als er die Augen aufschlug, war er an einem anderen Ort.

Auf den ersten Blick hätte man meinen können, es wäre der selbe Ort, der selbe blaue Himmel, das selbe türkisfarbene Meer, dessen sanfte Wogen auf dem strahlend weißen Strand brachen. Trotzdem war es ein anderer Ort mit einer anderen Geschichte. Der Wind säuselte ihm frostige Worte ins Ohr, die ihn schaudern ließen. Er lag noch immer auf dieser unberührten Fläche und strich gedankenverloren über die Muscheln.
Plötzlich hielt er inne und hob die Hand vor das Gesicht, um ihren Inhalt noch einmal eingehend zu betrachten. Schockiert von dem Anblick ließ er das, was sich nun in seiner Hand befand mit einem Aufschrei herausrieseln und sprang auf.
Wie von Sinnen versuchte er, seine Kleidung zu säubern.
Panisch blickte er sich um, doch er erblickte nur seine eigenen Fußspuren, die sich einsam über die weiße Fläche schlängelten. Es fühlte sich an wie in einem hypnotischen Albtraum, aus dem man nicht entkommen kann, obwohl man weiß, dass man träumt.
Für einen kurzen Moment nahm er allen Mut zusammen und besah sich noch einmal die Muscheln, die keine mehr waren.
Es waren Schädel. Winzige menschliche Schädel. Jeder glich dem anderen, die Form konnte nur als perfekt beschrieben werden. Als hätte die Natur sich die Zeit genommen, jeden einzelnen dieser Schädel ganz bewusst und mit viel Hingabe zu gestalten, bis jeder von ihnen makellos war. Und obwohl er genau das schon zuvor bei den Muscheln gedacht hatte, widerte ihn diese Vorstellung plötzlich zutiefst an und ließ ihm kalte Schauer über den Rücken laufen. Dieser Strand war erfüllt von der grausamen Vollkommenheit des Todes. Ein riesiger Leichenhaufen, geblichen von der Sonne, den Naturgewalten ausgesetzt.
Der Schädel in seiner Hand grinste ihn hämisch mit seinen glattpolierten Zähnen an und machte ihm den Umstand umso bewusster, dass er derjenige war, der diesen Leichenhaufen betreten hatte, ihn entweiht hatte. Er konnte beinahe die Stimmen der Toten hören, vernahm ihr Zähneklappern und spürte den Windhauch der verlorenen Seelen, die hier lagen.
Eine Welle ging durch die Masse und er spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, weil sich ein Strudel um ihn herum bildete, der ihn in die Tiefe zog.
Millionen von Schädeln umgaben ihn, bissen und kniffen ihm in die Haut während er verzweifelt versuchte zu entkommen. Er ruderte mit den Armen und schrie aus Leibeskräften – vergeblich.

Unzählige Zähne nagten ihm die Haut von den Knochen und verwandelten jeden davon in kleine, vollkommene Schädel, die dort regungslos liegen blieben.
Davor erstreckte sich das türkisfarbene Meer unter strahlend blauem Himmel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Y

Yüksel

AW: Vollkommenheit

Hui .... boa ... wow .... klasse
 
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