• Blut-Tetralogie   Dark Space

mikrima

Michelle Martin
Mittlerweile habe ich eine ganze Reihe Skripte gelesen und nach Dingen gesucht, die bei der Umsetzung als Hörspiel Probleme machen können. Einige Sachen tauchen dabei immer wieder auf.
Und daher dachte ich, ich sammele sie mal und stelle sie nach und nach hier als Referenz ein.
Mit dem Erzähler will ich hier in diesem Thread anfangen. (es kommen weitere Einträge nach und nach)

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[size=12pt]Einzeiler[/size]
Grundsatz:
Ein Erzähler sollte in der Regel keine einzelnen, allein stehenden Sätze haben. (Jede Regel hat Ausnahmen)

Begründung:
Es gibt gleich zwei Gründe. Erstens muss sich der Erzähler von den Charakteren und ihrem Dialog abheben. Seine Texte sind anders aufgebaut als die Texte der anderen Charaktere (er kann z.B. Handlungen im Zeitraffer darstellen, darf lange Sätze haben und muss keine "natürliche, gesprochene" Sprache benutzen). Wenn er nur einen Einzeiler hat, kann der Zuhörer nicht schnell genug zwischen den Charakteren umschalten und wird verwirrt. Und Verwirrung ist unbedingt zu vermeiden.
Zweitens stört der Erzähler immer die Immersion (=Eintauchen in die Szene). Im Klartext – jedes Mal, wenn der Erzähler was sagt, wird man aus der aktuellen Szene ein kleines bisschen rausgerissen und daran erinnert, dass man nur eine Geschichte hört. (unterbewusster Prozess)

Das bedeutet nicht, daß der Erzähler am besten ganz weggelassen werden sollte! Er sollte aber nur an sinnvollen Stellen im Skript eingesetzt werden, wo er mehr als einen Satz beizutragen hat. Wenn sein Part nur sehr kurz ist, kann er meistens durch Geräusche ersetzt werden.

Negativ-Beispiel 1:
Peter: „Susanne, kommst Du mal hier rüber?“
Erzähler: „Susanne trat neben ihn.“
Peter: „Hier, halt das mal.“

Ein Hörspiel ist kein Roman. Handlungen wie diese können ohne die störende Unterbrechung des Erzählers rübergebracht werden.
Mögliche Verbesserung:
Peter: „Susanne, kommst Du mal hier rüber?“
Lauter werdende Schritte.
Peter: „Hier, halt das mal.“

Negativ-Beispiel 2:
Peter: „Was haben wir denn hier?“
Erzähler: „Peter hob etwas vom Boden auf.“

Wenn der Erzähler schon was sagt, dann muss er mehr sagen. Oder er muss durch Geräusche ersetzt werden. Beides ist möglich.
Mögliche Verbesserung 1:
Peter: „Was haben wir denn hier?“
Kratzendes, metallisches Geräusch, Metallbox wird vom Boden aufgehoben.

Mögliche Verbesserung 2:
Peter: „Was haben wir denn hier?“
Erzähler: „Vor Peter lag eine kleine, unscheinbare Metallkassette auf dem Boden. Sie war zur Hälfte von alten Zeitungen bedeckt und nur eine Ecke lugte hervor.“
Papier zur Seite Schieben. Kratzendes, metallisches Geräusch, Metallbox wird vom Boden aufgehoben.
 

mikrima

Michelle Martin
[size=12pt]Charakteransagen[/size]
Es ist nicht die Aufgabe der Erzählers, zu sagen, welcher der Charaktere gerade spricht - oder wie er spricht.

Der Erzähler ist nicht mit dem erzählenden Text in einem Roman zu verwechseln.
Wer gerade spricht, sollte anhand der Stimme klar werden. Wer Angst hat, daß der Zuhörer sich nicht an die Namen erinnern oder die Charaktere auseinander halten kann, kann einfach die Charaktere häufiger mal die Namen nennen lassen, wenn sie andere Personen ansprechen.

Wie sich ein Charakter beim Sprechen fühlt, sollte ebenfalls mit dessen Stimme transportiert werden, also geschauspielert sein, und nicht vom Erzähler vermittelt werden.

Negativ-Beispiel:
Peter: „Ich konnte ihm nicht helfen.“
Erzähler: „Sagte Peter niedergeschlagen.“
Susanne: „Ich weiß. Es ist nicht Deine Schuld.“
Erzähler: „Erwiderte daraufhin Susanne.“

(Bevor sich die Leser jetzt fragen "Wer macht denn sowas??" -- Ich habe das bereits in mehreren Skripten lesen müssen!)

Regieanweisungen helfen hier den Sprechern ungemein weiter und motivieren erst so richtig zum schauspielern! Selbst wenn die Stimmung scheinbar aus dem Text ersichtlich ist - darauf sollte sich nie ein Autor verlassen (vor allem nicht bei uns Hobbyisten).

Mögliche Verbesserung:
Peter: „(niedergeschlagen) Ich konnte ihm nicht helfen.“
Susanne: „(mitfühlend, tröstend) Ich weiß. Es ist nicht Deine Schuld.“
 

mikrima

Michelle Martin
[size=12pt]Tempuswechsel[/size]
Der Text des Erzählers sollte durchgehend im gleichen Tempus geschrieben sein.

Manchmal ist man versucht, ein Skript in der Gegenwartsform zu schreiben. Das fühlt sich bei Kindergeschichten z.B. manchmal besser an. Allerdings ist es ganz schön schwer, diese Zeitform auch beizubehalten. Meistens rutscht man früher oder später in die Vergangenheitsform ab. Die ist ja in den meisten Romanen üblich – und daher klingen die Texte auf einmal so komisch und unnatürlich… und ohne dass man es merkt, schmeißt man Gegenwart und Vergangenheit wild durcheinander.

Negativ-Beispiel:
Erzähler:
„Gähnend stieg Thomas aus dem Bus und wandte sich nach links. Auf einmal klingelt sein Handy. Aus seiner Jackentasche dröhnt unverkennbar die Melodie von Star Wars. Mit einem Seufzer zog Thomas sein Telefon heraus und schaute auf das Display.“

Mehrere Tempuswechsel im gleichen Erzähler Abschnitt erscheinen jetzt vielleicht schon extrem. Aber es kommt regelmässig in den Skripten vor, die die Gegenwartsform gewählt haben, weil es einfach so schwierig ist, die durchzuhalten.

Ich mag die Gegenwartsform grundsätzlich, habe aber noch nicht ein einziges Skript gelesen, dass diese Form hat durchhalten können. Mein Tip wäre daher, lieber gleich die Vergangenheitsform zu wählen, wenn es keine besonderen Gründe gibt, die dagegen sprechen.

EDIT:
Nachtrag 25.10.2008 - mittlerweile habe ich ein Skript vorgelegt bekommen, daß die Gegenwartsform durchgehend beibehalten hat. Es war allerdings nur zwei Seiten lang ;)
 
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