Ghostwriter

Schreiberling
Vor einigen Jahren kam ich auf die Idee ein Experiment zu machen.
Funktioniert eine Geschichte, die nur aus Dialogen besteht?
Soviel hab ich letzte Nacht gelernt: Ohne Regieanweisungen versteht man die Handlung nicht so gut.
Was meint ihr?



„Karin, bitte…“

„Nein, jetzt rede ich! So kann das nicht weiter gehen. Die dumme Kuh meint wohl, sie könne sich alles erlauben! Aber da geht entschieden zu weit. Die hat sich doch diese Nacht in unseren Garten geschlichen!“

„Bestimmt nicht. Nachts schläft sie doch. Spätestens um Neun macht sie die Lichter aus und geht zu Bett.“

„Na und? Seit Oktober schon ist es früh dunkel. Sie wird das ausgenutzt haben. So ab Sechs kann man von hier aus das Ende vom Garten nicht mehr sehen. Das hat sie doch genau gewusst!“

„Aber Karin, nun beruhige dich doch endlich! Den ganzen Tag tobst du schon herum. Bringt doch nichts, dass du dich so aufregst.“

„Bringt nichts? Soll ich ihr das etwa durchgehen lassen? Alles umsonst. Verstehst du? All die Arbeit umsonst! Ich kann alles noch mal machen!“

„Na und? Davon geht die Welt nicht unter. Außerdem weißt du gar nicht, ob das wirklich Heide war. Ich kann mir das jedenfalls nicht vorstellen. Die Frau ist über achtzig. Die wird kaum über Gartenzäune steigen.“

„Was verstehst du denn schon davon? Ihr Männer seid doch alle gleich. Ihr begreift einfach nicht, welch harte Knochenarbeit das … das … das bisschen Haushalt ist. Und seit du den ganzen Tag zu Hause bist, ist das ganz bestimmt nicht weniger geworden.“

„Aber Schatz! Was kann ich dafür, dass ich die Rente durch hab? Alt geworden bin ich von ganz alleine und gegen meinen Willen, glaub mir.“

„Entschuldige, jetzt fauch ich dich schon an. Aber du musst doch zugeben, dass es eine Gemeinheit ist. Es macht echt keinen Spaß, alles doppelt erledigen zu müssen.“

„Ich würde dir ja helfen, wenn du mich nur lassen würdest.“

„Nein, nicht notwendig. Heinz, Liebling! Du weißt doch, dass du beim Staubwischen nur runde Ecken kennst. Und beim Bettenmachen hat das Laken immer noch Falten. Außerdem willst du doch dein Segelschiff fertig kriegen. Das wird beeindruckend aussehen, wenn das erst in der Vitrine steht. Heide wird ganz grün vor Neid, wenn sie das sieht! Sie hat so etwas nicht, obwohl ihr Eugen zur See gefahren ist.“

„Zur See? Flussschifffahrt. Nur den Rhein rauf und runter. Keine Sorge, ich werde ihr keins bauen. Ich denke eher an einen Schaufelraddampfer für das nächste Fach in der Vitrine. Achim hat alte Fotos und Grundrisszeichnungen. Die könnten mir als Vorlage dienen."

„Triffst du ihn nachher?“

„Ja. Das heißt, wenn du mich weglässt und ich dir wirklich nicht helfen kann.“

„Dummkopf. Dein Stammtisch ist dir doch heilig, da mische ich mich nicht ein. Und die Wäsche, das erledigt die Waschmaschine doch fast alleine.“

„Danke, Schatz! Warte nicht auf mich, es kann heute spät werden. Vielleicht geh ich noch mit zu Achim und hol mir die Pläne.“

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„Heinz! Endlich! Dein Bier wird kalt!“

„Ich kam nicht eher weg. Karin hat sich furchtbar aufgeregt.“

„Bist ihr wohl auf die Nerven gegangen. Hättest besser nicht die Rente beantragt.“

„Ach was! Ich bin doch den ganzen Tag im Keller. Fehlt nur noch die Takelage. Nächste Woche ist Stapellauf. Nö, jemand hat die Wäscheleine durchgeschnitten. Fein sauber abgetrennt. Und ausgerechnet gestern hat Karin die Wäsche über Nacht hängen lassen. Jetzt ist alles versaut.“

„Was? So eine Gemeinheit! Wer macht denn so was?“

„Karin hat Heide im Verdacht. Ich befürchte, wenn die beiden sich begegnen, dann kratzt Karin ihr die Augen aus. Hast du die Zeichnungen mitgebracht?“

„Nein, ich dachte, die holst du bei mir ab. Ah, da kommt Jupp! - Jupp! Hast du das Spiel gesehen? Wie der Torwart…“

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„Tag Achim! Heinz ist im Keller. Den Weg kennst du ja. Soll ich dir Kaffee runter bringen oder magst du ein Bier?“

„Eh, Karin, eigentlich wollte ich zu dir.“

„Zu mir? … Oh, sind die herrlich! So schöne Blumen! Aber ich hab doch gar nicht Geburtstag!“

„Ist ja auch nicht für … na ja, eher so zur Entschuldigung. Tut mir echt Leid, wirklich. Es war ganz bestimmt ein Versehen. Ich hab’s nicht mal gemerkt.“

„Achim, wovon redest du? Komm erst mal rein.“

„Der Apfelbaum! Du hast schon so oft gesagt, dass die Zweige in euren Garten wachsen und du die Wäscheleine nur halb benutzen kannst deswegen. Und gestern war die Leine wieder nicht voll, da dachte ich …“

„Sag nicht, du hast die Äste geschnitten?“

„Doch, ja. Hab ich. Und dann wurde es dunkel, und ich wollte doch noch fertig werden damit. Ich hatte es doch eilig wegen dem Stammtisch … Ich glaub, ich hab die Leine mit erwischt.“
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
Link
AW: Trautes Heim und Nachbarschaft

Hallo Ghostwriter,
also ich denke, eine Geschichte kann auch komplett "nur" aus Dialogen bestehen, insofern alle wichtigen Informationen gut rübergebracht werden.

Ohne Regieanweisungen versteht man die Handlung nicht so gut.

Dem stimme ich, was den Text hier betrifft, zu. Reduziert auf das Medium "Text" fand es recht schwierig in die Geschichte reinzukommen, weil man erst in der Mitte der Geschichte über die Identität des anderen Dialogpartners aufgeklärt wurde (Heinz). War das Deine Absicht? Es kommt mir so vor, als hättest Du deine Kurzgeschichte komplett freigeschnitten und lediglich den Dialog übriggelassen?

Ich denke gerade an Improvisationstheater wo doch direkt zu Anfang immer Ort und Situation als Eckpfeiler (bzw Orientierungshilfe) vorgegeben werden, weil diese Informationen aus dem Schauspiel erstmal nicht direkt ersichtlich werden. Wenn ich jetzt versuche dies auf Deine Geschichte anzuwenden, komme ich ins schwimmen, zumindest was den Text als einziges Medium betrifft ;)
Wenn Du den Dialog als Hörspiel vertonen willst, hast Du neben dem Dialog noch andere Möglichkeiten Informationen rüberzubringen. Hier hättest Du auch von Anfang an die Identität der Dialogpartner geklärt: männliche Stimme, weibliche Stimme. Dazu kommt noch das Schauspiel, direkte Geräusche, Hintergrundgeräusche, Musik uvw.

Soweit meine Gedanken dazu :)
 

reduktor

Krachmacher
AW: Trautes Heim und Nachbarschaft

Kann funktionieren. Kommt auf die Geschichte an.

Ich sag nur Meteor Horror Serie "Der Kopf der weiter lebte".
Textstellen wie: "Ahhh! Du hast mir das Messer bis zum Schaft ins Bein gestochen!" sollten vermieden werden.
Obwohl das gerade deswegen ein geiles Hörspiel ist. Aber eben nur, wenn man Trash mag... ;-)
 
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