schaldek

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Aus einer Schreibübung hervorgegangen, habe ich gestern Abend noch
etwas rumgewerkelt und bin jetzt eigentlich ganz zufrieden mit dieser KG.
Evtl gefällt sie ja. :)

Supernova


Commander Regis hatte Schweißperlen auf der Stirn.
Das konnte Luki, die zweite Kommandantin, gut sehen.
Angestrengt mußte sie nun seinen Worten lauschen – präzise, lückenlos; gleich kam
der Befehl an sie – um ihre Sorgen zu verwischen, die wohl auch seine waren.
Was, wenn der Schild versagen würde?! Nein, Luki dürfe jetzt solche Gedanken nicht zulassen. Sie würde gefälligst kühlen Kopf bewahren.
„Wichtig ist, dass Du das durchziehst, wenn es kritisch wird, Luki.
Wir werden wenig Zeit zum Verständigen haben, wenn Gobuto den ersten Schritt dafür macht, für immer Geschichte zu werden."
„Ähm. Aye, Sir.“
„Dann“, wischte sich der Commander den Schweiß von der Stirn „dann wünsche ich uns gutes Gelingen.
Und im Erfolgsfall wird der Orden, den jeder von uns bekommt, sein eigenes Leben sein. Wegtreten!“
Wuchtig erhob sich der Commander vom Konferenztisch und verschwand hinter
vier surrenden Türen, die auf und zu gingen wie metallische Insektenaugen.
„Shit“, dachte sich Luki. Sie würde es so machen, ja.
Aber was nur?
Ihr Controller beepte plötzlich; ein flüchtiger Blick.
Gi-Werte im roten Bereich, Kerninnentemperatur ab jetzt kritisch.

Luki machte große Augen. So schnell schon? Was hatte der alte Gobuto nur mit ihnen vor?
„Somka! 1335 Gi? Was ist denn los?“, stammelte sie fast.
Blechern krächzte Somkas Stimme auf.
„Assistent Commander? Ja, wir sehen eindeutig keine übliche Benston-Kurve beim Verlauf der Hitzeentwicklung.“
Luki zischte. „Sondern?“
„Ähm, Ma´am. Eine exponierte.“
Mit stillem Schritt war Luki ans Fenster getreten und sah dem riesigen Feuerball zu.
Etwas in ihr pulsierte bei diesem Anblick und sie wusste kurz nicht, ob es ihr Herzschlag war oder der sterbende Gobuto da draußen.
Sie musste sich jetzt beruhigen.
„Entschuldigung, Fähnrich“, raunte Luki. „Ich habe mich im Ton vergriffen.“
Stille, die andauerte. Luki, die nicht wußte, was nun geschah.
„Ma`am, sagen Sie uns nur, was wir tun können?!“
Gezielte Atmungen halfen Luki, ruhig zu werden.
Jetzt sah sie, dass es der glühende Planet war, der pulsierte.
„Halten Sie mich bis in 15 Minuten auf dem Laufenden, ob die Temperatur weiter exponentiell steigt, klar?“
„Aye, Assistent Commander!“
Einatmen, ausatmen.
Einatmen, ausatmen.
Das Schiff hält eine Temperatur von 2000 Gi aus.
Einatmen, ausatmen.
Nachdenken!
Diese Info haben nur sie und der Commander.
Einatmen.
In etwas mehr als ein paar Minuten würde sich das Schiff auf den Weg zum Inneren Ring von Gobuto machen.
Ausatmen.
Dann würde das Schiff dessen Höchsttemperatur messen.
Einatmen.
Und in die Supernova des Planeten fliegen.
Kein Schiff hat jemals Werte aus dem Innern einer Supernova gemessen.
Ausatmen.
Es würde der letzte Atemzug dieses Planetens sein. Und wenn es schief ging, auch, der Crew.
Luki hatte sich auf den Boden gesetzt und starrte den Planeten an wie einen Freund.
Sie lächelte. So hatte sie ihn noch nie betrachtet.

Kim dirigierte geschickt die Energien des gesamten Schiffes mit Hilfe seiner Armatur vor sich.
„Schilde halten, Commander!“, gab er konzentriert und mit dem Rücken stehend an ihn und Luki weiter, die klein neben dem Commander saß.
Wieder eine Stille, die es sonst nie gab auf diesem Schiff.
Der Commander schien wie erstarrt, ehe er sich ruckartig mit seinem Kapitänssessel in die Gegenrichtung drehte und das Gesicht zu einem leichten Grinsen verzog.
Das feierliche Geräusch heulte Luki in den Ohren. Jetzt würden alle 6 Crewmitglieder ein Geschenk bekommen.
„Werte Crew. Hier spricht euer Commander. Wir sind im Begriff Geschichte zu schreiben.
Heute wird das geschehen, was innerhalb der letzten – lasst mich sagen 80 Erdenjahre – versucht, aber nicht geschafft wurde.“
Lukis Controller schnatzte.
„Assistent Commander? Temperatur jetzt bei 1866 Gi.“
Eilig griff sie danach.
„Temperatur noch steigend?“, flüsterte sie.
„Und ich als euer Commander“, erhob der alte, drahtige Mann seine Stimme, „ ich danke euch von ganzem Herzen.“
Schnatz, schnatz.
„Positiv, Ma`am. Steigend.“
„Wie hoch genau jetzt, Fähnrich? Fähnrich?“
„Ihr wart es, die einem alten Haudegen nicht absagen konnten, nach so langen Jahren mit mir.
Ich weiß, wir sind eine ganz besondere Truppe gewesen. Und wir sind es noch!“
„Hört, hört!“, schallte es aus den hinteren Reihen der Brücke.
"Das sind wir allerdings", stimmte Kim mit ein.
„Assistent Commander? Temperatur jetzt bei 1947 Gi.“
Einatmen. Ausatmen.
„Okay, Fähnrich." Luki schnaufte still. "Prognose! Wann ist 2000 Gi erreicht?“
„Nach Benson, Ma´am?
„Ach Gott! Ich weiß es doch nicht!“
Einatmen.
„Ähm, Assistent Commander?“, drehte sich der Commander fragend Richtung Luki.
„Ist alles okay?“
Ausatmen.
„Ja, Sir. Wir sollten uns nur beeilen. Die Kerntemperatur steigt momentan ins Unermessliche.“
Einem ruckartigen Kopfhieb Richtung Kim folgte ein harter Befehl.
„Fähnrich, sofort Kurs setzen!
„Aye Sir!“
Kim hatte seine Position, halb über die Konsole gebeugt, wieder eingenommen, der er zur Ansprache des Commander verlassen hatte.
Sein Blick verhiess nichts Gutes. Auch nicht, dass er schwieg.
„Luki, wann wird Zielttemperatur überschritten?“, schaute der Commander seine Assistentin
hoffnungsvoll an.
Auf ihre Anfrage schnackte der Controller.
„Temperatur bei 2056 Gi.“
"Sind schon drüber", nickte sie mit allem Ernst, der sich auf ihre zarten Gesichtszügen gelegte hatte.
Ausatmen.
Ausatmen.
Schmale Lippen des Commanders - den Blick von Luki kühl abgewendet - formulierten den Befehl.
„Kim, Kurs setzen. Zielort: Inneres des Gasplaneten.“
„Aye Sir“, meldete Kim so geschäftig, wie Luki es nicht nachvollziehen konnte in diesen
Momenten. Es würde vielleicht der letzte Befehl sein.
Wieder begann alles zu pulsieren und Luki wußte, es war sie selbst, die da erzitterte.
„Commander!“ rief Kim plötzlich laut. „Es passiert! Operation Gobuto Zero beginnt jetzt!“
Ein dumpfes Stönen erfasste das Schiff und das runde Feuer vor ihnen zuckte in sich zusammen.
„Commander, Sir!“ Luki sah wieder Schweißperlen auf der Stirn des Commanders.
„Was kann ich tun?"
Zitternde, bebende Stille.
„Nichts“ sagte der Commander ruhig. „Sie können gar nichts mehr tun.“
„Nein Sir, also-.“ Luki brach in Tränen aus. „Im Besprechungsraum vorhin. Da hatten Sie einen Befehl an mich, falls etwas schief gehen sollte. Und ich -“
Der Commander schmunzelte plötzlich.
„Du hast nicht zugehört, was Luki?“
Traurig schaute seine erste Assistentin zu Boden.
„Nein Sir, habe ich nicht!“
Er lächelte.
„Ich wollte Dich nur beruhigen, weißt du?
„Was?!“
Luki schaute auf.
„Wir schreiben doch Geschichte. Und es ist egal, was wir früher mal angestellt haben.“
Kim rief dazwischen: „Erreichen Kern in wenigen Momenten!“
„Kein Schiff, Luki“, fuhr der Commander lachend fort, „Kein Schiff
mit alten Haudegen, also auch keines mit ehemals kriminell gewordenen Sternenflottlern wie uns, kann eine Supernova wie diese überleben.“
Einatmen.
„Nein!“, schüttelte Luki sich.
„Das kann nicht wahr sein!“
„Es ist so, Luki.“, sprach der Commander schnell.
„Aber die Werte, die bislang keine Drohne liefern konnte, werden wir
liefern. In diesem Fall hat die Starfleet Company eben mehr Vertrauen in menschliche
Ressourcen.“
Ausatmen.

Gobuto war gnädig. Er öffnete die unzähligen, weiten Arme seines eigenen Infernos
mit aller Erhabenheit für das Schiff, das eins mit ihm wurde, ehe alles verschwand.

ENDE
 
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PeBu34

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Sprechprobe
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@schaldek: Wow! Was für eine Geschichte! :D Vielschichtig und eine sprachliche Herausforderung für die Leser! Herzlichen Dank fürs Teilen! :D
Liebe Grüße von
Peter :)
 

PeBu34

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Sprechprobe
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Schonmal überlegt daraus ein Mini-Hörspiel zu machen?
Hm, dadurch würde m.E. viel von der Stimmung und der ganz speziellen Ausdrucksweise verloren gehen. Kann gut gehen, muss aber nicht, je nach Umsetzung. :) Als Hörbuch kann ich mir das allerdings gut vorstellen.
 

schaldek

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Das Witzige ist ja, dass ich jetzt KGs schreibe, weil ich nicht mehr cutten tu. ;)
 
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