AW: Starr
Zu deiner Lesung:
Ich finde, es ist ein guter Anfang, die Worte kommen klar und verständlich, deine Stimme ist sympathisch.
Verbesserungsvorschläge:
- Bei Zeilensprüngen keine Pause machen; machst du z.B. bei "ganz sonderbar / warm und schaurig ..." Das "warm und schaurig" klingt so, als wäre das ein ganz neuer Satz.
- Bei "Wahnvostellung dacht ich geschwind" bekommt du kurz einen brutalst gelangweilten Unterton.
- Aber der Mitte klingt alles irgendwie zu heiter. Das wird dem Thema und der Wortwahl, die du ansetzt, gar nicht gerecht.
Zum Gedicht selbst:
Ich finde, die Bilder, die du baust, passen gut in die Thematik. Die Anspielungen auf Poes "The Raven" sind absichtlich, nehme ich an?
Trotzdem verstehe ich manchmal nicht, was du sagst:
"Das Blut es brodelt nicht mehr,
draußen ward´s Hülle, innen leer."
Das Blut wird draußen zur Hülle, und innen wird's leer? Ich kann mir das überhaupt vorstellen.
Dann würde ich bei zwanghaften Zurechtbiegungen von Wortformen und Satzbau aufpassen:
"Mitternacht es war." Das kommt schon ziemlich unnatürlich; und das nur, um einen Reim zu retten. Sollte man nicht tun. Der Leser/Hörer wird sich dran stoßen, auch wenn er weiß, dass in Gedichten generell mehr geht als in Prosa. Mein Tipp wäre da, das Gedicht als Fließtext aufzuschreiben; so sieht man am besten, wo etwas hakt und wo Zeichensetzungsfehler etc. sind:
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Mitternacht es war, metallisch dröhnend schlug es klar. Und aus Trübsal blies der letzte Wind, ganz sonderbar Warm und schaurig durch mein Haar.
Ein unnatürlicher Schatten schuf sich wie tausend Ratten Und aus des Ratten Überbleibsel her, trat ein Wesen, Augen leer!
Doch ich war so müd`und die Augen ach so trüb`, Wahnvorstellung, dacht ich geschwind und schloss langsam mein Lied.
Doch nach dem letztem Blinzeln blieb es dort. Augen so leer, ging nicht fort. „Warum bleibst du an diesem Ort“, fragt ich zögernd, doch kein Wort
Das Blut es brodelt nicht mehr, draußen ward´s Hülle, innen leer. Und die Seele sacht, so sacht, gab auf mich, dem Körper, acht.
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Auch Vertipper sollten -- den Sprechern zuliebe -- vermieden werden. "des Ratten" -> "der Ratten"; ist dann invertierter Genitiv, der kommt manchmal etwas zu theatralisch, aber immerhin ist der Satz richtig.
Man sollte generell überlegen, ob man sich auf ein festes Metrum, eine Strophenform oder auf Reime einlassen soll. Schlecht gehandhabt schaden sie dem Gedicht mehr als dass sie ihm nützen würden, wenn man es gut macht.