• Blut-Tetralogie   Dark Space
Hallo ihr lieben Hoertalk-Häschen,

ich krieg hier Anfälle, weil mir Corona auf die Nerven geht. o_O Ich fühle mich furchtbar faul und unproduktiv. Mein Leben eiert so vor sich hin, weswegen ich euch jetzt meinen ganze Slam Schriftstellerei vorwerfe, die ich noch so auf meinem Lap finde und die schon fertig ist. :eek: Also hoffe ich jetzt auf ein paar Kommentare, damit ich mich wenigstens ein bissl sozial fühle. Wem langweilig ist und mir eine Freude machen möchte, ich habe da offensichtlich die Gedichtesektion etwas überflutet und freue mich wenn jeder Text wenigstens einen Kommentar bekommt.

Dieser Text entstand mitten in der Nacht, als ich zuvor selbst auf einem Slam aufgetreten war und die Kombination aus ein wenig Alkohol und dem berührenden Text einer Slamkollegin über ihren toten Vater mein Herz komplett durcheinander gebracht hatten. Ich kam also gegen 0 Uhr zu meiner Zimmertüre herein und überschwemmte mit meinen Tränen den Schreibtisch während ich fast schon mechanisch und blind auf die Tastatur eintippte und diese Zeilen entstanden sind.

Dieser Text ist Elfriede Elisabeth Witzgall geborene Braunersreuter, meiner geliebten Omi gewidmet, die am 23.8.2017 von mir ging.

Von Ann Katharina Re. Bamberg - An Oma im Himmel

Hallo Oma,
Du hast ja gar keine Ahnung wie sehr ich dich manchmal vermisse und wie nachdrücklich ich manchmal die Trauer verdrängen muss, damit ich nicht schon wieder in bitterliche Tränen ausbreche.
Ich wünschte ich könnte dich noch wie früher jeden Sonntag anrufen und vorbei kommen um mit dir Mittag zu essen. Für dich wurde ich als überzeugte Veganerin temporär zum Fleischesser. Wenn es dich nur glücklich gemacht hat, drückte ich beide Augen zu und habe den doofen Schweinebraten genossen.
Ich wünschte so sehr ich könnte dich wieder umarme. Ich wünsche mir so sehr, dass du auf mich im Himmel wartest. Ich hoffe so sehr, dass du siehst was ich tue und auf mich stolz bist. Die kleine Möchtegernkünstlerin die jetzt nachdem du tot bist angefangen hat sich auf Slambühnen zu wagen.
Oh wie sehr ich die Krankheit hasse, die dich von uns nahm. Krebs! Krebs kann manchmal nur eine Krankheit sein. Eine schreckliche, furchtbare, verhasste Krankheit! Und doch nur eine Krankheit. Für dich war Krebs keine Krankheit. Für dich, war Krebs das Ende.
Ich weiß, dass du gesagt hast, „Mei Madla, du mer fei jo ned greina, wenn ich mol sderb.!“ Und ich habe dir erklärt, dass ich das wohl nicht so gut finden würde, wenn du von mir und uns gehst. Dass das doch nur verständlich wäre, wenn du nicht mehr da bist, dass ich dann weinen würde. Du hast gesagt, dass du dann „bei unnerm Hergodd“ bist und beim Opa. Aber auch wenn du vielleicht jetzt bei den beiden da oben im Himmel bist, so sehe ich dich noch heute in deiner Küche, wie du auf deiner Eckbank sitzt und „mei Madla“ sagst, als ich reingekommen bin und mich strahlend angeschaut hast und wie mir mein Herz aufging und überfloss von all der Liebe.
Noch nach über einem Jahr fällt es mir schwer von dir in der Vergangenheit zu reden. Für mich warst und bist du die Beste Oma auf der ganzen Welt. Immer wenn wir uns sahen habe ich dir gesagt, wie sehr ich dich liebe und diese Liebe tut so weh, wenn der andere nicht mehr da ist. Oh Oma, ich weiß, du würdest mich schelten, wenn du könntest, weil ich weine und ich mit meinen Tränen den ganzen Schreibtisch volltropfe während ich das hier schreibe.
Wir hatten doch abgemacht, dass du erst sterben dürftest, wenn ich dir ein Urenkelkind in die Arme gelegt habe. Das hatten wir doch ganz fest ausgemacht. So ein kleines Wesen in deinen guten Armen zu wissen, die auch mich schon gehalten und geborgen hatten. So oft laufe ich durch diese Welt und irgendein Geruch ein Moment fühlt sich nach Heimat an und ich muss an dich denken. An die gemütlichen Abende in deiner Küche.
Ich erinnere mich an so viel, als sei es gestern gewesen. An all den Unfug, den wir erfolgreich angestellt haben. Mitten in der Nacht angefangen viele Pralinen zu essen, sie in der Mitte durchzuschneiden, damit jeder von uns jede Geschmacksrichtung probieren kann. Und immer haben wir versucht, dem jeweils anderen die größere Hälfte zuzumogeln. Oder wir beim Nachbarn Walnüsse geklaut. Wir haben zusammen gekocht und gebacken, was du richtig gut konntest. Immer wenn ich meinte, dass ich jetzt auch mal was ausprobieren wollen würde, ist es nichts geworden und du hast amüsiert den Kopf geschüttelt, aber mich machen lassen. Nur ab und zu hast du süffisant angemerkt: „Mei Madla, ja ja. Woar widder des Ei gscheider wie die Henna?“ All diese Worte sind Vergangenheit. Niemals mehr essen wir zusammen Pralinen, klauen Walnüsse, backen oder kochen. Das einzige was bleibt sind Erinnerungen und Dinge, die du hier zurückgelassen hast.
Oma, ich habe so viel „Schnickschnack“ von dir geerbt und ich würde dir gerne erzählen, dass ich das alles so sehr wertschätze, jeder Teller, jede Gabel, Kerze, all diese Kleinigkeiten erinnern mich an dich.
Ich würde dich gerne anrufen und dir erzählen, dass Opas und dein Name in meinem Künstlernamen weiterleben. Ann Katharina Re. Re wie Rudolf und Elfriede. Wie bedeutungslos sind schon Nachnamen. Sie zeigen nur dass man zu einer Familie gehört, doch ich gehöre nicht nur zu euch, sondern ihr ward Teil meines Lebens und werdet es solange ich lebe bleiben. Von jemandem der schreibt geliebt zu werden heißt für immer zu leben. Bis zu diesem Moment, da diese Buchstaben aufhören zu existieren.
Auch wenn du manchmal sehr eigenwillig sein konntest und mich fragtest, warum ich denn studiere, wo ich doch eh hinter dem Herd stehen würde, wenn ich mal Kinder hätte. Und du glaubtest nicht an die Evolution, sondern daran, dass Gott die Welt geschaffen hat und sagtest trotzdem Sätze wie: „Also bei manche Leud könnd ma bal glaam, dass sa vom Affn osdamma.“
Aber jetzt bist du fort und ich würde so viel geben, wenn ich wieder mit dir über die Entstehung der Welt diskutieren könnte, wenn diese Kette noch an deinem Hals hing, wenn ich mit dir noch Weihnachten feiern könnt, dich meinen Freunden voll Stolz vorstellen könnte. Dich noch umarmen könnte, dir über die Wange streichen und dir verheimlichen, dass ich ach so ungesund vegan lebe und hoffentlich mal eine halbwegs gute Slammerin werde.
Der Tod ist scheiße. Ich finde den Tod überhaupt nicht sympatisch. Der ist ein noch viel größeres Arschloch als Krebs. Krebs kann man manchmal heilen, den Tod nicht.
Ich weiß es noch wie gestern. Dein letzten Worte am 23.8.17. „Ann, mach des Fenster auf, dei Oma grichd ka Lufd“! Und dann hat deine Lunge den Dienst quittiert und du lagst in diesem Bett auf der Quarantänestation und deine Seele war gegangen und vor mir lag ein toter Körper, den ich so oft umarmt hatte. Du warst fort, obwohl dein Körper da war. Wie kann ein solches Leben von einem Atemzug auf den nächsten einfach ausgelöscht sein.
Selbst jetzt noch, obwohl du schon tot bist, ist die Vorstellung noch immer beängstigend, dass du bald nicht mehr da sein würdest, obwohl, du ja schon lange weg bist. Wie soll man so etwas verstehen? Begreifen, dass die Welt sich weiterdreht, dass du fort bist und für fast alle ist das egal. Eine Existenz, ein Schicksal, ein Leben gegangen. Fort. Für immer fort.
Immer wieder weine ich, obwohl du es mir damals verboten hast und verhalte mich manchmal so ähnlich wie du, benutze deine Standardsprüche, koche und backe so gerne wie du und mittlerweile gelingt mir das auch einigermaßen und in mir lebst du wohl irgendwie weiter und doch würde ich all meinen Besitz geben, wenn ich dich nur zurück hätte.
Ich hoffe, da wo du jetzt bist, bist du glücklich und ich hoffe so sehr, dass wir uns wieder sehen werden. Und ich hoffe du bist stolz auf mich, ich werde mir auch nie eine zweites Paar Ohrlöcher stechen, denn ich weiß ja, dass du das nicht gut geheißen hättest.
Ich danke dir für jede Sekunde, die ich mit dir habe verbringen dürfen und irgendwann sehen wir uns ganz bestimmt wieder. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage nur damit du gleich Bescheid weißt!

In Liebe
Ann

Ich freue mich über Feedback. Und falls auch ihr Omis und Opis dieser Sorte habt, dann hütet sie, gerade in dieser Zeit.
 

stjaernfall

Mitglied
Unglaublich berührend. Meine Oma ist vor etwas über einem Jahr gestorben, und beim Lesen habe ich an sie gedacht. Jetzt sitze ich hier mit Tränen in den Augen. Danke!
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
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Typisch Ann, unproduktiv fühlen und dann solch einen Text raushauen! :D
Ich find's toll, das Du es auf die Slambühne geschafft hast. Deine Texte ungelesen oder ungehört zu lassen, wäre wie Perlen vor die Säue zu werfen. Ganz tolle und berührende Worte!
 
Hey @Phollux , wie ich ja geschrieben habe, so schön ist dass dann doch nicht, dass ich diesen Text gerade erst geschrieben hätte. Der ist schon ein bissl älter.
Danke dir, für die Blumen. Das freut mich sehr.
Ich habe meine ganzen Texte mittlerweile im Forum, vllt hast du ja Lust, dich noch ein bissl weiter umzusehen, sonst bleibt wohl viel ungelesen ;)
 
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