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Themenstarter/in
Hallo ihr Lieben,
nachdem der Anfang hier im Forum mit einer Sprechprobe gemacht ist, möchte ich mich nun auch als Autor vorstellen und euch auf diesem Wege einen Einblick in meinen Schreibstil gewähren. Ich habe absichtlich eine Geschichte mit relativ viel Dialog herausgesucht und würde mich auch sehr über Kritik zum Text freuen. Noch mehr natürlich, wenn jemand Lust hätte es einzulesen.
P.S. Die Titelähnlichkeit zu einer Geschichte weiter unten ist mir erst aufgefallen, als ich die Geschichte schon rausgesucht hatte
.
Der Nachtwächter
Andrea Bannert
„Das glaubt ihr doch wohl selbst nicht. Es ist eine törichte Frechheit, so etwas zu behaupten.“ Die korpulente Frau hatte zu beiden Seiten die Arme in die Hüften gestützt und schritt auf den jungen Mann zu. Ditus taumelte zurück, bis er stolperte und weich auf einem Strohballen landete. Er sah weitere Bewohner des kleinen Dorfes auf sich zukommen. Einige der Männer waren mit Heugabeln bewaffnet.
„Jemand wie Ihr, der muss vom Teufel besessen sein“, schnaubte ein älterer Mann.
„Lasst ihn doch weiter erzählen. Ich möchte mich noch ein bisschen amüsieren“, lachte ein Bursche mit übertrieben stolzer Ausstrahlung.
„Wiederholt das noch einmal. Von der anderen Seite seid Ihr gekommen? So wie der Adler fliegt? Von Osten gen Westen mit dem Lauf der Sonne? Und nur drei Tage wollt Ihr gebraucht haben?“, höhnte eine charismatische Stimme und ein Mann mittleren Alters in einem langen, roten Mantel tauchte am hinteren Rand der Menge, oben auf einem Gatter stehend, auf. Er vollführte Sprünge auf dem schmalen Balken, balancierte dann bis zu dessen Ende, bevor er nach unten hüpfte und hinter den Massen verschwand. Aber seine Stimme war weiterhin zu hören.
„Ein strammer Mann wie ich, ja, der könnte es vielleicht in drei Tagen schaffen, wenn ihn die Werwölfe nicht zerfleischen, oder die Waldmänner in ihren Bann ziehen. Aber so ein dahergelaufener Wandersbursche, wie Ihr einer seid … Niemals! In drei Tagen wollt Ihr durch den Schattenwald gelaufen sein? Dann beweist es!“ Und mit diesen Worten war er direkt vor Ditus angekommen. Sein langes, schwarzes Haar hatte er streng zurückgekämmt, seine dunklen Augen funkelten. Aufgeregtes Gemurmel begann aus der Menge zu dringen und es war deutlich herauszuhören, dass Ditus vor aller Augen in den Schattenwald gehen sollte, wenn er seine Ehre bewahren wollte.
Nun, seine Ehre … Die hatte er schon lange verloren. Er war ein Lügner. Ein Betrüger und ein Gauner. Aber ein Guter. Der beste Geschichtenerzähler im ganzen Lande. Wenn er zu sprechen begann, schmolzen seine Worte zu purem Gold und füllten seine Taschen. Er war ein Zauberer, der aus einem flüchtigen Gedanken die Wahrheit schmiedete, die sich sogleich über das ganze Reich ergoss, bis der König selbst sie glaubte. Nur dieses Mal schien er ein ernsthaftes Problem zu haben.
„Der Schattenwald ist die Hölle selbst.“
„Dunkle Pfade winden sich durch sein Inneres. Nie ist es einem Menschen gelungen, diese zu beschreiten. Denn wer den Schattenwald betritt, wird sofort von den Geistern des Waldes gefangen genommen.“
„Der Wald flüstert. Doch geht man hinein, so hört man engelsklare Stimmen der Waldnymphen, die einen mit hinunter nehmen unter das Dickicht, wo jeder Mensch den sicheren Tod findet.“
Eigentlich war er nur ein Sammler; hatte all diese Sätze aus dem ganzen Land zusammen getragen und aufgeschrieben.
Es war ein Leichtes gewesen, um den Schattenwald herumzulaufen; sich nachts in das Dorf zu schleichen und mit den ersten Sonnenstrahlen aus dem Schatten des Waldes herauszutreten, um fast beiläufig zu erwähnen, dass man soeben schnurgerade durch diesen hindurch gelaufen war.
„Was, der soll gefährlich sein? Davon habe ich nichts gehört. Aber ich stamme auch nicht aus der Gegend“, hatte Ditus herzhaft gähnend gemurmelt.
Aber nun hatte man ihn in die Enge getrieben wie ein wildes Tier.
„Ich werde Euch begleiten, um Euren Beweis zu dokumentieren. Wie ist Euer Name?“, flötete der Mann im roten Mantel.
„Wisst Ihr denn nichts von den Gefahren des Schattenwaldes?“, stammelte Ditus.
„Nun seht euch doch einmal diesen Jammerlappen an. Erst stolpert er gähnend aus den Fängen des Waldes und nun sieht es fast so aus, als habe er Angst“, triumphierte der Fremde.
„Nun, ich möchte gerne auf dieses kleine Abenteuer verzichten, solltet Ihr bereit sein zuzugeben, dass Ihr der größte Lügner dieses und aller benachbarten Reiche seid. Ich habe von Euch gehört, mein Freund.“
In diesem Moment war es, als wäre bei Ditus ein Hebel umgelegt worden. Noch ehe er wusste, was er tat, sprang er auf und verkündete lauthals:
„Werte Damen, edle Herren, dieser Mensch dort scheint eine enorme Angst vor dem Wald zu haben. Versucht er doch das Antlitz eines Mannes zu beschmutzen, den er sein Lebtag noch nicht gesehen hat. Aber ich sage euch, im Morgengrauen werde ich mich aufmachen, um von Westen nach Osten durch den Wald zu gehen. Beobachtet mein Verschwinden und erwartet mein Kommen am dritten Tag auf der Ostseite. Und um noch einen zusätzlichen Beweis zu liefern, wird mich dieser Herr hier begleiten, der uns sicherlich gleich seinen Namen nennen wird. Denn dies gebieten Höflichkeit und Ehre, von welchen er so viel schwafelt.“
Ditus versuchte so leise wie möglich tief durchzuatmen. Der Mann im roten Mantel war verschwunden. Sollte er tatsächlich Recht gehabt haben und es handelte sich um einen Hochstapler? Einen Seelenverwandten? Ditus wurde aus seinen Gedanken gerissen, als auf einmal mit lautem Gelächter die Gestalt des Mannes wieder auf dem Gatter des Zaunes hinter der Menschenmenge auftauchte.
„Ihr kennt mich nicht? Wie schade, dass Ihr nicht von mir gehört habt. Man nennt mich den Nachtwächter. Manche sagen auch 'Hüter des Waldes' zu mir. Denn jeden Abend verschwinde ich im Schattenwald, um die Bewohner des Dorfes vor dessen Kreaturen zu schützen. Und am Morgen verlasse ich den Wald unbeschadet. Sehr gerne werde ich Zeuge Eures Unterfangens sein.“
Das unruhige Gemurmel der Menge schwoll in seinen Ohren zu unerträglichem Lärm an, als Ditus am nächsten Morgen, vom gesamten Dorf umringt, vor dem Dunkelwald stand.
„Na dann wollen wir mal, Bürschchen“, sprach der Nachtwächter fast singend, nachdem er plötzlich aus der Menge aufgetaucht war. Ditus nahm all seinen Mut zusammen und ging Schritt für Schritt auf den Wald zu. Der Nachtwächter folgte ihm erhobenen Hauptes, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Das Gerede der Menge war verebbt.
Alle starrten nun wie gebannt auf Ditus, der nur noch wenige Zentimeter von dem undurchdringlichen Dickicht entfernt war. Er verfluchte den Tag, an dem er zum ersten Mal eine Lüge in den Mund genommen hatte. Dann betrat er den Wald.
nachdem der Anfang hier im Forum mit einer Sprechprobe gemacht ist, möchte ich mich nun auch als Autor vorstellen und euch auf diesem Wege einen Einblick in meinen Schreibstil gewähren. Ich habe absichtlich eine Geschichte mit relativ viel Dialog herausgesucht und würde mich auch sehr über Kritik zum Text freuen. Noch mehr natürlich, wenn jemand Lust hätte es einzulesen.
P.S. Die Titelähnlichkeit zu einer Geschichte weiter unten ist mir erst aufgefallen, als ich die Geschichte schon rausgesucht hatte
Der Nachtwächter
Andrea Bannert
„Das glaubt ihr doch wohl selbst nicht. Es ist eine törichte Frechheit, so etwas zu behaupten.“ Die korpulente Frau hatte zu beiden Seiten die Arme in die Hüften gestützt und schritt auf den jungen Mann zu. Ditus taumelte zurück, bis er stolperte und weich auf einem Strohballen landete. Er sah weitere Bewohner des kleinen Dorfes auf sich zukommen. Einige der Männer waren mit Heugabeln bewaffnet.
„Jemand wie Ihr, der muss vom Teufel besessen sein“, schnaubte ein älterer Mann.
„Lasst ihn doch weiter erzählen. Ich möchte mich noch ein bisschen amüsieren“, lachte ein Bursche mit übertrieben stolzer Ausstrahlung.
„Wiederholt das noch einmal. Von der anderen Seite seid Ihr gekommen? So wie der Adler fliegt? Von Osten gen Westen mit dem Lauf der Sonne? Und nur drei Tage wollt Ihr gebraucht haben?“, höhnte eine charismatische Stimme und ein Mann mittleren Alters in einem langen, roten Mantel tauchte am hinteren Rand der Menge, oben auf einem Gatter stehend, auf. Er vollführte Sprünge auf dem schmalen Balken, balancierte dann bis zu dessen Ende, bevor er nach unten hüpfte und hinter den Massen verschwand. Aber seine Stimme war weiterhin zu hören.
„Ein strammer Mann wie ich, ja, der könnte es vielleicht in drei Tagen schaffen, wenn ihn die Werwölfe nicht zerfleischen, oder die Waldmänner in ihren Bann ziehen. Aber so ein dahergelaufener Wandersbursche, wie Ihr einer seid … Niemals! In drei Tagen wollt Ihr durch den Schattenwald gelaufen sein? Dann beweist es!“ Und mit diesen Worten war er direkt vor Ditus angekommen. Sein langes, schwarzes Haar hatte er streng zurückgekämmt, seine dunklen Augen funkelten. Aufgeregtes Gemurmel begann aus der Menge zu dringen und es war deutlich herauszuhören, dass Ditus vor aller Augen in den Schattenwald gehen sollte, wenn er seine Ehre bewahren wollte.
Nun, seine Ehre … Die hatte er schon lange verloren. Er war ein Lügner. Ein Betrüger und ein Gauner. Aber ein Guter. Der beste Geschichtenerzähler im ganzen Lande. Wenn er zu sprechen begann, schmolzen seine Worte zu purem Gold und füllten seine Taschen. Er war ein Zauberer, der aus einem flüchtigen Gedanken die Wahrheit schmiedete, die sich sogleich über das ganze Reich ergoss, bis der König selbst sie glaubte. Nur dieses Mal schien er ein ernsthaftes Problem zu haben.
„Der Schattenwald ist die Hölle selbst.“
„Dunkle Pfade winden sich durch sein Inneres. Nie ist es einem Menschen gelungen, diese zu beschreiten. Denn wer den Schattenwald betritt, wird sofort von den Geistern des Waldes gefangen genommen.“
„Der Wald flüstert. Doch geht man hinein, so hört man engelsklare Stimmen der Waldnymphen, die einen mit hinunter nehmen unter das Dickicht, wo jeder Mensch den sicheren Tod findet.“
Eigentlich war er nur ein Sammler; hatte all diese Sätze aus dem ganzen Land zusammen getragen und aufgeschrieben.
Es war ein Leichtes gewesen, um den Schattenwald herumzulaufen; sich nachts in das Dorf zu schleichen und mit den ersten Sonnenstrahlen aus dem Schatten des Waldes herauszutreten, um fast beiläufig zu erwähnen, dass man soeben schnurgerade durch diesen hindurch gelaufen war.
„Was, der soll gefährlich sein? Davon habe ich nichts gehört. Aber ich stamme auch nicht aus der Gegend“, hatte Ditus herzhaft gähnend gemurmelt.
Aber nun hatte man ihn in die Enge getrieben wie ein wildes Tier.
„Ich werde Euch begleiten, um Euren Beweis zu dokumentieren. Wie ist Euer Name?“, flötete der Mann im roten Mantel.
„Wisst Ihr denn nichts von den Gefahren des Schattenwaldes?“, stammelte Ditus.
„Nun seht euch doch einmal diesen Jammerlappen an. Erst stolpert er gähnend aus den Fängen des Waldes und nun sieht es fast so aus, als habe er Angst“, triumphierte der Fremde.
„Nun, ich möchte gerne auf dieses kleine Abenteuer verzichten, solltet Ihr bereit sein zuzugeben, dass Ihr der größte Lügner dieses und aller benachbarten Reiche seid. Ich habe von Euch gehört, mein Freund.“
In diesem Moment war es, als wäre bei Ditus ein Hebel umgelegt worden. Noch ehe er wusste, was er tat, sprang er auf und verkündete lauthals:
„Werte Damen, edle Herren, dieser Mensch dort scheint eine enorme Angst vor dem Wald zu haben. Versucht er doch das Antlitz eines Mannes zu beschmutzen, den er sein Lebtag noch nicht gesehen hat. Aber ich sage euch, im Morgengrauen werde ich mich aufmachen, um von Westen nach Osten durch den Wald zu gehen. Beobachtet mein Verschwinden und erwartet mein Kommen am dritten Tag auf der Ostseite. Und um noch einen zusätzlichen Beweis zu liefern, wird mich dieser Herr hier begleiten, der uns sicherlich gleich seinen Namen nennen wird. Denn dies gebieten Höflichkeit und Ehre, von welchen er so viel schwafelt.“
Ditus versuchte so leise wie möglich tief durchzuatmen. Der Mann im roten Mantel war verschwunden. Sollte er tatsächlich Recht gehabt haben und es handelte sich um einen Hochstapler? Einen Seelenverwandten? Ditus wurde aus seinen Gedanken gerissen, als auf einmal mit lautem Gelächter die Gestalt des Mannes wieder auf dem Gatter des Zaunes hinter der Menschenmenge auftauchte.
„Ihr kennt mich nicht? Wie schade, dass Ihr nicht von mir gehört habt. Man nennt mich den Nachtwächter. Manche sagen auch 'Hüter des Waldes' zu mir. Denn jeden Abend verschwinde ich im Schattenwald, um die Bewohner des Dorfes vor dessen Kreaturen zu schützen. Und am Morgen verlasse ich den Wald unbeschadet. Sehr gerne werde ich Zeuge Eures Unterfangens sein.“
Das unruhige Gemurmel der Menge schwoll in seinen Ohren zu unerträglichem Lärm an, als Ditus am nächsten Morgen, vom gesamten Dorf umringt, vor dem Dunkelwald stand.
„Na dann wollen wir mal, Bürschchen“, sprach der Nachtwächter fast singend, nachdem er plötzlich aus der Menge aufgetaucht war. Ditus nahm all seinen Mut zusammen und ging Schritt für Schritt auf den Wald zu. Der Nachtwächter folgte ihm erhobenen Hauptes, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Das Gerede der Menge war verebbt.
Alle starrten nun wie gebannt auf Ditus, der nur noch wenige Zentimeter von dem undurchdringlichen Dickicht entfernt war. Er verfluchte den Tag, an dem er zum ersten Mal eine Lüge in den Mund genommen hatte. Dann betrat er den Wald.