An Eid Sensortyp
Dennis Prasetyo
- #1
Themenstarter/in
Eine kleine Geschichte, die ich mal geschrieben habe und gerne nun teilen möchte:
Erwachen
Erwachen.
Ich schreie, denn es ist kalt. Ich schreie, denn das Licht brennt in meinen Augen. Schreiend und blutig und klebrig werde ich kopfüber aus meinem Heim herausgezogen. Eine kalte Klinge trennt mich von meinem alten Leben und ich betrete diese Welt nackt und schreiend und klebrig. Ich werde in Tücher gewickelt und in warme schützende Arme gegeben. Schläuche werden mir und Mund und Nase gesteckt und Wasser wird aus meinen Atemwegen gesaugt. Ich werde ausgemessen und gewogen. Später werde ich ettiketiert und in einen Glaskasten gelegt. Dann wird es dunkel...
Erwachen.
Ich liege in meiner Burg. Es wird mich nie bekommen, denn diese Burg ist uneinnehmbar. Sie ist mein Schutz, meine weiche Wärme, mein zu Hause. Ich weiß genau wie es unter mir in der Höhle lauert. Dort ist es finster, aber ich kann seine roten Augen und seine schwarzen Klauen genau spüren. Ich weiß, dass es da ist. Ich kann es spüren wenn ich früh morgens im Zwielicht meine Burg verlasse. Es lauert dort und wartet, dass ich des Nachts rauskomme, aber solange es dunkel ist werde ich meine Burg nicht verlassen. Es wird mich nie bekommen...
Erwachen.
„Na? Haben wir gut geschlafen?“. Gelächter. Meine linke Wange tut weh. Ich habe wohl auf meinem Füller geschlafen. Mein linker Unterarm ist blau von der Tinte. So ein Mist. Mein ganzer Platz ist verschmiert.
„Ich fürchte, da wird jemand nach dem Unterricht noch ein wenig hier bleiben, um die Sauerei zu entfernen und den Stoff von heute zu wiederholen! Und ein Wörtchen mit deinen Eltern werde ich wohl auch wechseln müssen!“. Gelächter. Dumme Kuh, denke ich. Es klingelt. Alle gehen. Nur sie und ich bleiben.
Ich stelle mich zu ihr ans Pult. Sie sagt, sie muss mit mir reden. Sie fängt an mit mir zu reden. Sie redet hauptsächlich über mich. Sie redet von Zukunft, sie redet von Gegenwart und sie redet von Vergangenheit. Sie redet davon mit meinen Eltern reden zu wollen. Sie redet davon was mal aus mir werden soll und was ich mir vorstelle. Sie redet generell eine ganze Menge. Als sie fertig ist reinige ich meinen Platz und wiederhole die Arbeitsblätter. Es beginnt mit „Berechne durch Ausmultiplizieren...“. Dumme Kuh, denke ich.
Erwachen.
Langsam öffne ich die Augen. Alles ist trüb und klingt dumpf. Was war passiert? Es hat damit angefangen, dass die Couch mich gefressen hat. Ein süßlich bekannter Geruch steigt mir in die Nase und ich grinse. Ich fühle mich tausend Tonnen schwer und unendlich träge. Mühsam stehe ich auf und gehe mit halb geöffneten Augen durch den Raum. Ich schalte den Gitarrenverstärker aus, der leise vor sich hin brummt. Die anderen liegen und schlafen im Raum verteilt. Meine Dreads jucken. Ich kratze mich am Kopf. Wo sind meine Schuhe? Da sind sie ja und... GEIL PIZZA! Gierig schlinge ich das letzte kalte Stück Dönerpizza in mich hinein und spüle es mit einem Rest abgestandem Bier aus einer rumstehenden Flasche runter. U.w.e, denke ich dabei. Unten wird’s eklig. Ich schaue mich um. Alles dreht sich. Plötzlich fällt mir auf, dass sie auch da ist! Wann mag sie gekommen sein? Sie liegt mit ihrer Freundin auf der Couch und schläft. Wow! Ich habe neben ihr geschlafen! Mir wird plötzlich ganz heiß. Zeitgleich mit meiner aufsteigenden Hitze öffnet sie ihre schönen Augen und lächelt mich an. „Hi!“, sagt sie leise mit heiserer aber lieblicher Stimme. „Alles klar?“ fragt sie. Ich nicke. „Magst du mir nochmal was vorspielen?“. Sie lächelt. Ich merke, dass ich immer noch grinse. Ich schlucke trocken, nicke, nehme mir meine E-Gitarre und setze mich zur ihr auf die Couch. Sie schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf an meine Schulter. Mir wird furchtbar heiß, aber mir geht es gut. Dann zünden wir uns beide noch eine Zigarette an und ich spiele leise und unplugged „Nothing Else Matters“...
Erwachen.
Ich schrecke auf. Scheisse, denke ich, ich habe verschlafen. Ich schaue auf meinen Wecker und stelle fest, dass ich noch eine Stunde Zeit habe. Achja. Die Zeitumstellung. Entspannter und beruhigt stehe ich aus meinem Bett auf, ziehe mir meine Jeans von gestern an und mache ein paar Sit-ups. Dann öffne ich meine Tür und lausche in den Flur. Die anderen Jungs schlafen wohl noch. Ich gehe in die Küche und mache wie immer eine Kanne Kaffee. Ich mache mir eine Schale Cornflakes mit Milch, genieße dabei meinen Kaffee und lese die Nachrichten auf meinem Tablet. Dann gehe ich ins Bad. Ich rasiere mich, dann scheisse ich, dann dusche ich. Ich ziehe die Jeans von gestern und mein Lieblings-T-Shirt an. Ich packe meine Ordner in meine Ledertasche ein, schaue noch kurz auf die gemeinsame to-do Liste, schwinge mich dann auf mein Fahrrad und fahre in die Bibliothek. Eigentlich viel zu schönes Wetter, denke ich. An der Bibliothek angekommen suche ich mir meinen Lieblingsplatz. Er ist frei. Ich breite meine Sachen aus, besorge mir die Bücher, die unser Professor vorgeschlagen hat und fange an zu lesen. Mittags treffe ich mich mit ihr und wir gehen gemeinsam zu unserem kleinen günstigen Italiener an der Ecke und essen Spaghetti aglio i olio. Wir chillen noch kurz bei der großen Wiese, dann drückt sie mir einen Kuss auf und geht zurück zur Arbeit. Ich gehe zurück in die Bibliothek und nicke bei Kapitel 5 ein.
Erwachen.
Ich öffne die Augen. Ich höre ein Schreien. „Du bist dran...“, sagt sie mit müder Stimme. Das Schreien wird lauter. Ich stelle fest, dass ich tatsächlich dran bin. Ich knurre kurz, dann stehe ich auf, suche noch kurz meine Schlappen neben dem Bett und gehe durch den Flur ins Nebenzimmer. Das Nachtlicht taucht das Zimmer in ein warmes Orange. Ich höre eine Schreien. Ich gehe an das kleine Bett und nehme sie vorsichtig in meine Arme. Sie schreit weiter. Meine Lippen berühren ihre Stirn. Sie ist ganz warm und weich. Ich rede mit sanfter Stimme auf sie ein, dann wird sie ruhiger. Ich halte sie noch eine ganze zeitlang wiegend in meinen Armen,dann setze mich mit ihr auf den Liegestuhl neben dem kleinen Bett, lehne mich zurück und lege sie auf meine Brust. Ich erzähle ihr die Geschichte von dem kleinen Vogel. Dann schläftsie ein und auch ich schließe wenig später die Augen.
Erwachen.
„Schatz, wie findest du das Kleid?“ Ich schaue vom Sessel auf, ich habe unsere kleine im Arm und wir sitzen in der Umkleide. Ich finde es hübsch, denn schmiegt sich schön an ihren Körper und die Farbe gefällt mir. Es ist ein Sommerkleid. Sie kauft dazu noch ein Jäckchen und zwei Paar Schuhe, ich kaufe mir ein paar neue Hemden. Sie setzt unsere Kleine wieder in den Kinderwagen, dann bummeln wir noch ein wenig durch die Stadt und essen noch ein Eis. Später setzen wir uns noch in das griechische Restaurant am Fluss. Sie isst einen Salat mit Feta, ich esse einen Olympia-Teller mit Reis, unsere Tochter bekommt ein wenig von uns ab. Ich zahle und wir gehen zurück zum Auto und fahren Heim. Wir bringen unsere Tochter noch ins Bett, dann schauen wir uns unsere Lieblingsserie an, später gehen wir zusammen ins Bett und lieben uns.
Erwachen.
„Liebling, ist alles okay?“, fragt sie verängstigt. Ich öffne die Augen und mein Kopf dröhnt. Ja, alles okay, sageich. Ich muss ausgerutscht sein. Ein kleine Delle im Badezimmerschrank schaut mich an.
„Papa, alles klar?“, fragt mich unsere Tochter als sie ins Bad gehastet kommt. Jaja, es geht schon, nichts passiert. Schnell hält sie mir einen Eisbeutel an den Kopf. "Blutet zum Glück nicht!" sagt sie. Ich nehme noch eine Schmerztablette ein, dann mache ich mich fertig und ziehe meinen Anzug an. „Bist du heute abend wieder zum Essen da?“, fragt sie mich. Ich denke schon, sage ich. Ich hab zwar noch zwei Termine außerhalb, aber zum Essen müsste ich wieder da sein. Falls es später wird rufe ich an. Sie korrigiert noch kurz meinen Kragen, dann umschließt sie mich in ihren Armen, drückt mir einen Kuss auf den Mund und sagt, dass sie mich liebt. Ich liebe sieauch. „Geht's wirklich?“, fragt sie noch. Ich nicke und sage ja. Dann steige ich ins Auto, meine Tochter steigt mit Ihrer Tasche neben mir ein und wir fahren los.
Ich soll nicht direkt bei der Schule halten. Sie steigt eine Kreuzung früher aus, drückt mir noch einen Schmatzer auf die Wange und geht das restliche Stück zu Fuß. Dann fahre ich zur Arbeit, nehme noch meine zwei Termine außerhalb war und komme ein halbe Stunde später zum Essen. Später sehe ich mir noch meine Lieblings-Live-DVD vom Konzert an. Schade, dass das bei mir nicht geklappt hat, denke ich mir.
Erwachen.
Ein Vogel weckt mich. Es ist noch hell, aber die Sonne beginnt sich abzusenken. Ich schaue auf den grünen Rasen. Gut gemacht, denke ich. Ich sitze in meinem Schaukelstuhl und beginne wieder zuwippen. Sie sitzt neben mir und hat die Augen noch geschlossen. Zwischen uns steht unser Gartentisch, gedeckt mit Tellern, Kaffee und einem Rest Kuchen. Ich nehme ein paar Krümel auf und esse sie. Dann stehe ich langsam auf, die Beine etwas wacklig vom langen Sitzen. Das Brennen in meinem Rücken ist wieder da, verschwindet aber nach kurzer Zeit wieder. Ich decke den Tisch ab, in der Zwischenzeit steht sie auch auf und wir machen den gemeinsamen Abwasch, dann spielen wir eine Partie Rommé am Wohnzimmertisch. Später im Bad putzen wir unsere Zähne, ich nehme noch die Tabletten ein, die der Arzt mir verschrieben hat, dann gehen wir gemeinsam ins Bett. Ich lese noch einen Moment „Die Abenteuer der Ritter von der Tafelrunde“.
Sie liegt neben mir, das Gesicht zu mir gewandt. Ihre Augen sind wieder geschlossen, aber ich sehe immer noch wie schön sie ist und grade die Fältchen, die sie inzwischen hat, machen ihr Gesicht noch interessanter. Meine Hände fangen wieder an zu zittern, aber ich lasse mir nichts anmerken. Dann beginnen die Tabletten zu wirken und meine Hände werden ruhiger.
Erwachen.
Langsam stehe ich auf. Anscheinend habe ich es doch geschafft noch ein wenig zu schlafen. Ich brauche einen Moment bisder Schwindel nachlässt, dann gehe ich in die Küche, aber ich kann nichts essen. Ich nehme meine Tabletten und trinke zittrig ein Glas Wasser, dann gehe ich langsam ins Bad, dusche meinen Körper soweit es geht, den Rest wasche ich mit einem Tuch. Dann rasiere ich mich, gehe ins Schlafzimmer und ziehe mühevoll meinen Anzug an. Mit leichten Schmerzen in der Schulter binde ich mir die Krawatte um den Hals. Mein Kragen sitzt nicht richtig, aber ich schaffe es ihn noch mühsam zu korrigieren. Wenig später klingelt es und meine Tochter und meine zwei Enkelsöhne stehen an der Tür. Wir sehen uns traurig an. „Hallo Papa...“, sagt sie und nimmt mich in den Arm. „Können wir los?“. Ich nicke. Wir steigen zu meinem Schwiegersohn ins Auto und fahren los. Niemand spricht. An der Kirche angekommen, stelle ich fest, dass bereits Gäste da sind. Wir steigen aus, ich werde umarmt und angesprochen, aber ich verstehe in der Menge nicht mehr alles. Später sagen sie, dass es eine schöne Trauerfeier war. Abends lege ich mich alleine ins Bett. Ich versuche noch, mich zu beherrschen, das habe ich den ganzen Tag getan. Dann weine ich mich in den Schlaf.
Erwachen.
Ich liege in meiner Burg. Es wird mich nie bekommen, denn diese Burg ist uneinnehmbar. Sie ist mein Schutz, meine weiche Wärme, mein zu Hause. Ich weiß genau, wie es unter mir in der Höhle lauert. Dort ist es finster, aber ich kann seine roten Augen und seine schwarzen Klauen genau spüren. Ich weiß, dass es da ist, ich kann es spüren, wenn ich früh morgens im Zwielicht meine Burg verlasse. Es lauert dort und wartet, dass ich des nachts rauskomme, aber solange es dunkel ist, werde ich meine Burg nicht verlassen. Es wird mich nie bekommen...
Erwachen.
Ich schweige, denn es ist ganz ruhig. Ich schweige, denn alles ist trüb. Schweigend und unbeweglich liege ich in einem Bett mit Schläuchen in der Nase, damit ich besser atmen kann. Ich möchte aufstehen, aber ich kann nicht. Es gibt nicht mehr viel zu fühlen und meine Schmerzen sind auch weg. Ich versuche mich daran zu erinnern, warum ich hier bin, aber ich habe es vergessen. Ich schaue aus dem Fenster. Ich erkenne nicht viel. Nur einen kleinen Vogel, der auf dem Fenstersims sitzt und mich anschaut.Er dreht noch seinen Kopf leicht, dann fliegt er davon. Ich schaue ihm noch einen Augenblick hinterher, soweit ich ihn erkennen kann. Dann denke ich an meine Familie und an meine Freunde. Ich denke an die, die ich gefunden habe und an die, die ich verloren habe. Ich denke an das, was ich geschafft habe und was ich versäumt habe. Schade, dass es bei mir nicht geklappt hat, denke ich. Dann denke ich an sie und ich muss lächeln. Dann wird es dunkel...
Erwachen
Ich schreie, denn es ist kalt. Ich schreie, denn das Licht brennt in meinen Augen. Schreiend und blutig und klebrig werde ich kopfüber aus meinem Heim herausgezogen. Eine kalte Klinge trennt mich von meinem alten Leben und ich betrete diese Welt nackt und schreiend und klebrig. Ich werde in Tücher gewickelt und in warme schützende Arme gegeben. Schläuche werden mir und Mund und Nase gesteckt und Wasser wird aus meinen Atemwegen gesaugt. Ich werde ausgemessen und gewogen. Später werde ich ettiketiert und in einen Glaskasten gelegt. Dann wird es dunkel...
Erwachen.
Ich liege in meiner Burg. Es wird mich nie bekommen, denn diese Burg ist uneinnehmbar. Sie ist mein Schutz, meine weiche Wärme, mein zu Hause. Ich weiß genau wie es unter mir in der Höhle lauert. Dort ist es finster, aber ich kann seine roten Augen und seine schwarzen Klauen genau spüren. Ich weiß, dass es da ist. Ich kann es spüren wenn ich früh morgens im Zwielicht meine Burg verlasse. Es lauert dort und wartet, dass ich des Nachts rauskomme, aber solange es dunkel ist werde ich meine Burg nicht verlassen. Es wird mich nie bekommen...
Erwachen.
„Na? Haben wir gut geschlafen?“. Gelächter. Meine linke Wange tut weh. Ich habe wohl auf meinem Füller geschlafen. Mein linker Unterarm ist blau von der Tinte. So ein Mist. Mein ganzer Platz ist verschmiert.
„Ich fürchte, da wird jemand nach dem Unterricht noch ein wenig hier bleiben, um die Sauerei zu entfernen und den Stoff von heute zu wiederholen! Und ein Wörtchen mit deinen Eltern werde ich wohl auch wechseln müssen!“. Gelächter. Dumme Kuh, denke ich. Es klingelt. Alle gehen. Nur sie und ich bleiben.
Ich stelle mich zu ihr ans Pult. Sie sagt, sie muss mit mir reden. Sie fängt an mit mir zu reden. Sie redet hauptsächlich über mich. Sie redet von Zukunft, sie redet von Gegenwart und sie redet von Vergangenheit. Sie redet davon mit meinen Eltern reden zu wollen. Sie redet davon was mal aus mir werden soll und was ich mir vorstelle. Sie redet generell eine ganze Menge. Als sie fertig ist reinige ich meinen Platz und wiederhole die Arbeitsblätter. Es beginnt mit „Berechne durch Ausmultiplizieren...“. Dumme Kuh, denke ich.
Erwachen.
Langsam öffne ich die Augen. Alles ist trüb und klingt dumpf. Was war passiert? Es hat damit angefangen, dass die Couch mich gefressen hat. Ein süßlich bekannter Geruch steigt mir in die Nase und ich grinse. Ich fühle mich tausend Tonnen schwer und unendlich träge. Mühsam stehe ich auf und gehe mit halb geöffneten Augen durch den Raum. Ich schalte den Gitarrenverstärker aus, der leise vor sich hin brummt. Die anderen liegen und schlafen im Raum verteilt. Meine Dreads jucken. Ich kratze mich am Kopf. Wo sind meine Schuhe? Da sind sie ja und... GEIL PIZZA! Gierig schlinge ich das letzte kalte Stück Dönerpizza in mich hinein und spüle es mit einem Rest abgestandem Bier aus einer rumstehenden Flasche runter. U.w.e, denke ich dabei. Unten wird’s eklig. Ich schaue mich um. Alles dreht sich. Plötzlich fällt mir auf, dass sie auch da ist! Wann mag sie gekommen sein? Sie liegt mit ihrer Freundin auf der Couch und schläft. Wow! Ich habe neben ihr geschlafen! Mir wird plötzlich ganz heiß. Zeitgleich mit meiner aufsteigenden Hitze öffnet sie ihre schönen Augen und lächelt mich an. „Hi!“, sagt sie leise mit heiserer aber lieblicher Stimme. „Alles klar?“ fragt sie. Ich nicke. „Magst du mir nochmal was vorspielen?“. Sie lächelt. Ich merke, dass ich immer noch grinse. Ich schlucke trocken, nicke, nehme mir meine E-Gitarre und setze mich zur ihr auf die Couch. Sie schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf an meine Schulter. Mir wird furchtbar heiß, aber mir geht es gut. Dann zünden wir uns beide noch eine Zigarette an und ich spiele leise und unplugged „Nothing Else Matters“...
Erwachen.
Ich schrecke auf. Scheisse, denke ich, ich habe verschlafen. Ich schaue auf meinen Wecker und stelle fest, dass ich noch eine Stunde Zeit habe. Achja. Die Zeitumstellung. Entspannter und beruhigt stehe ich aus meinem Bett auf, ziehe mir meine Jeans von gestern an und mache ein paar Sit-ups. Dann öffne ich meine Tür und lausche in den Flur. Die anderen Jungs schlafen wohl noch. Ich gehe in die Küche und mache wie immer eine Kanne Kaffee. Ich mache mir eine Schale Cornflakes mit Milch, genieße dabei meinen Kaffee und lese die Nachrichten auf meinem Tablet. Dann gehe ich ins Bad. Ich rasiere mich, dann scheisse ich, dann dusche ich. Ich ziehe die Jeans von gestern und mein Lieblings-T-Shirt an. Ich packe meine Ordner in meine Ledertasche ein, schaue noch kurz auf die gemeinsame to-do Liste, schwinge mich dann auf mein Fahrrad und fahre in die Bibliothek. Eigentlich viel zu schönes Wetter, denke ich. An der Bibliothek angekommen suche ich mir meinen Lieblingsplatz. Er ist frei. Ich breite meine Sachen aus, besorge mir die Bücher, die unser Professor vorgeschlagen hat und fange an zu lesen. Mittags treffe ich mich mit ihr und wir gehen gemeinsam zu unserem kleinen günstigen Italiener an der Ecke und essen Spaghetti aglio i olio. Wir chillen noch kurz bei der großen Wiese, dann drückt sie mir einen Kuss auf und geht zurück zur Arbeit. Ich gehe zurück in die Bibliothek und nicke bei Kapitel 5 ein.
Erwachen.
Ich öffne die Augen. Ich höre ein Schreien. „Du bist dran...“, sagt sie mit müder Stimme. Das Schreien wird lauter. Ich stelle fest, dass ich tatsächlich dran bin. Ich knurre kurz, dann stehe ich auf, suche noch kurz meine Schlappen neben dem Bett und gehe durch den Flur ins Nebenzimmer. Das Nachtlicht taucht das Zimmer in ein warmes Orange. Ich höre eine Schreien. Ich gehe an das kleine Bett und nehme sie vorsichtig in meine Arme. Sie schreit weiter. Meine Lippen berühren ihre Stirn. Sie ist ganz warm und weich. Ich rede mit sanfter Stimme auf sie ein, dann wird sie ruhiger. Ich halte sie noch eine ganze zeitlang wiegend in meinen Armen,dann setze mich mit ihr auf den Liegestuhl neben dem kleinen Bett, lehne mich zurück und lege sie auf meine Brust. Ich erzähle ihr die Geschichte von dem kleinen Vogel. Dann schläftsie ein und auch ich schließe wenig später die Augen.
Erwachen.
„Schatz, wie findest du das Kleid?“ Ich schaue vom Sessel auf, ich habe unsere kleine im Arm und wir sitzen in der Umkleide. Ich finde es hübsch, denn schmiegt sich schön an ihren Körper und die Farbe gefällt mir. Es ist ein Sommerkleid. Sie kauft dazu noch ein Jäckchen und zwei Paar Schuhe, ich kaufe mir ein paar neue Hemden. Sie setzt unsere Kleine wieder in den Kinderwagen, dann bummeln wir noch ein wenig durch die Stadt und essen noch ein Eis. Später setzen wir uns noch in das griechische Restaurant am Fluss. Sie isst einen Salat mit Feta, ich esse einen Olympia-Teller mit Reis, unsere Tochter bekommt ein wenig von uns ab. Ich zahle und wir gehen zurück zum Auto und fahren Heim. Wir bringen unsere Tochter noch ins Bett, dann schauen wir uns unsere Lieblingsserie an, später gehen wir zusammen ins Bett und lieben uns.
Erwachen.
„Liebling, ist alles okay?“, fragt sie verängstigt. Ich öffne die Augen und mein Kopf dröhnt. Ja, alles okay, sageich. Ich muss ausgerutscht sein. Ein kleine Delle im Badezimmerschrank schaut mich an.
„Papa, alles klar?“, fragt mich unsere Tochter als sie ins Bad gehastet kommt. Jaja, es geht schon, nichts passiert. Schnell hält sie mir einen Eisbeutel an den Kopf. "Blutet zum Glück nicht!" sagt sie. Ich nehme noch eine Schmerztablette ein, dann mache ich mich fertig und ziehe meinen Anzug an. „Bist du heute abend wieder zum Essen da?“, fragt sie mich. Ich denke schon, sage ich. Ich hab zwar noch zwei Termine außerhalb, aber zum Essen müsste ich wieder da sein. Falls es später wird rufe ich an. Sie korrigiert noch kurz meinen Kragen, dann umschließt sie mich in ihren Armen, drückt mir einen Kuss auf den Mund und sagt, dass sie mich liebt. Ich liebe sieauch. „Geht's wirklich?“, fragt sie noch. Ich nicke und sage ja. Dann steige ich ins Auto, meine Tochter steigt mit Ihrer Tasche neben mir ein und wir fahren los.
Ich soll nicht direkt bei der Schule halten. Sie steigt eine Kreuzung früher aus, drückt mir noch einen Schmatzer auf die Wange und geht das restliche Stück zu Fuß. Dann fahre ich zur Arbeit, nehme noch meine zwei Termine außerhalb war und komme ein halbe Stunde später zum Essen. Später sehe ich mir noch meine Lieblings-Live-DVD vom Konzert an. Schade, dass das bei mir nicht geklappt hat, denke ich mir.
Erwachen.
Ein Vogel weckt mich. Es ist noch hell, aber die Sonne beginnt sich abzusenken. Ich schaue auf den grünen Rasen. Gut gemacht, denke ich. Ich sitze in meinem Schaukelstuhl und beginne wieder zuwippen. Sie sitzt neben mir und hat die Augen noch geschlossen. Zwischen uns steht unser Gartentisch, gedeckt mit Tellern, Kaffee und einem Rest Kuchen. Ich nehme ein paar Krümel auf und esse sie. Dann stehe ich langsam auf, die Beine etwas wacklig vom langen Sitzen. Das Brennen in meinem Rücken ist wieder da, verschwindet aber nach kurzer Zeit wieder. Ich decke den Tisch ab, in der Zwischenzeit steht sie auch auf und wir machen den gemeinsamen Abwasch, dann spielen wir eine Partie Rommé am Wohnzimmertisch. Später im Bad putzen wir unsere Zähne, ich nehme noch die Tabletten ein, die der Arzt mir verschrieben hat, dann gehen wir gemeinsam ins Bett. Ich lese noch einen Moment „Die Abenteuer der Ritter von der Tafelrunde“.
Sie liegt neben mir, das Gesicht zu mir gewandt. Ihre Augen sind wieder geschlossen, aber ich sehe immer noch wie schön sie ist und grade die Fältchen, die sie inzwischen hat, machen ihr Gesicht noch interessanter. Meine Hände fangen wieder an zu zittern, aber ich lasse mir nichts anmerken. Dann beginnen die Tabletten zu wirken und meine Hände werden ruhiger.
Erwachen.
Langsam stehe ich auf. Anscheinend habe ich es doch geschafft noch ein wenig zu schlafen. Ich brauche einen Moment bisder Schwindel nachlässt, dann gehe ich in die Küche, aber ich kann nichts essen. Ich nehme meine Tabletten und trinke zittrig ein Glas Wasser, dann gehe ich langsam ins Bad, dusche meinen Körper soweit es geht, den Rest wasche ich mit einem Tuch. Dann rasiere ich mich, gehe ins Schlafzimmer und ziehe mühevoll meinen Anzug an. Mit leichten Schmerzen in der Schulter binde ich mir die Krawatte um den Hals. Mein Kragen sitzt nicht richtig, aber ich schaffe es ihn noch mühsam zu korrigieren. Wenig später klingelt es und meine Tochter und meine zwei Enkelsöhne stehen an der Tür. Wir sehen uns traurig an. „Hallo Papa...“, sagt sie und nimmt mich in den Arm. „Können wir los?“. Ich nicke. Wir steigen zu meinem Schwiegersohn ins Auto und fahren los. Niemand spricht. An der Kirche angekommen, stelle ich fest, dass bereits Gäste da sind. Wir steigen aus, ich werde umarmt und angesprochen, aber ich verstehe in der Menge nicht mehr alles. Später sagen sie, dass es eine schöne Trauerfeier war. Abends lege ich mich alleine ins Bett. Ich versuche noch, mich zu beherrschen, das habe ich den ganzen Tag getan. Dann weine ich mich in den Schlaf.
Erwachen.
Ich liege in meiner Burg. Es wird mich nie bekommen, denn diese Burg ist uneinnehmbar. Sie ist mein Schutz, meine weiche Wärme, mein zu Hause. Ich weiß genau, wie es unter mir in der Höhle lauert. Dort ist es finster, aber ich kann seine roten Augen und seine schwarzen Klauen genau spüren. Ich weiß, dass es da ist, ich kann es spüren, wenn ich früh morgens im Zwielicht meine Burg verlasse. Es lauert dort und wartet, dass ich des nachts rauskomme, aber solange es dunkel ist, werde ich meine Burg nicht verlassen. Es wird mich nie bekommen...
Erwachen.
Ich schweige, denn es ist ganz ruhig. Ich schweige, denn alles ist trüb. Schweigend und unbeweglich liege ich in einem Bett mit Schläuchen in der Nase, damit ich besser atmen kann. Ich möchte aufstehen, aber ich kann nicht. Es gibt nicht mehr viel zu fühlen und meine Schmerzen sind auch weg. Ich versuche mich daran zu erinnern, warum ich hier bin, aber ich habe es vergessen. Ich schaue aus dem Fenster. Ich erkenne nicht viel. Nur einen kleinen Vogel, der auf dem Fenstersims sitzt und mich anschaut.Er dreht noch seinen Kopf leicht, dann fliegt er davon. Ich schaue ihm noch einen Augenblick hinterher, soweit ich ihn erkennen kann. Dann denke ich an meine Familie und an meine Freunde. Ich denke an die, die ich gefunden habe und an die, die ich verloren habe. Ich denke an das, was ich geschafft habe und was ich versäumt habe. Schade, dass es bei mir nicht geklappt hat, denke ich. Dann denke ich an sie und ich muss lächeln. Dann wird es dunkel...
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