SeGreeeen

Kaaaaarakaluuuuuuuhhhh!!!!
Teammitglied
Eine Geschichte die mir heute zugeflogen ist. Ich empfehle, sie zwei Mal zu lesen. Viel Spaß!

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Warum verfolgt mich dieser Mann? Was will er von mir? Schon seit ich die Arbeit verlassen hatte ging er hinter mir her, beobachtete jeden meiner Schritte, blieb stehen, wenn ich es tat, und ging weiter, wenn ich weiter ging. Ein paar mal hatte ich versucht ihn ab zu hängen, mich in Geschäften zu verstecken, tat, als würde ich Schaufenster betrachten, die mich eigentlich nicht interessierten. Schaufenster mit Schmuck, Schaufenster mit Damenschuhen. Doch immer wenn ich einen unauffälligen Blick hinter mich warf, war er da.
Ich erschrecke, als er auf einmal einige Meter vor mir steht. Gerade war er doch noch hinter mir! Da ich ihm nicht zu nahe kommen möchte, biege ich in eine belebte Seitengasse ein, in der Hoffnung ihn abzuhängen. Unauffällig werfe ich einen Blick hinter mich, doch schon kommt er mir wieder hinter her, scheinbar unbekümmert und harmlos, und doch ist da etwas in seinen Augen, was mich schaudern lässt. Habe ich etwas getan? Habe ich ihm etwas getan? Arbeitet er vielleicht mit mir zusammen und ich habe vergessen ihn zu grüßen, oder habe ihn angerempelt und es vergessen?
Ich bin froh, dass ich nicht alleine auf der Straße bin und möchte eigentlich gerne nach Hause gehen, doch der Gedanke, dass mich dieser Mensch bis vor meine Eingangstüre verfolgen würde, vor der Türe warten würde, bis ich wieder herauskomme... Der Gedanke lässt mir die Nackenhaare zu Berge stehen. Es ist das Gefühl als wäre man alleine im Dunkeln und fühlt sich beobachtet, hat Angst davor sich um zu drehen und jemanden zu erblicken. Nur, dass man eben weiß, dass da jemand ist.
Ich gehe noch ein Stück weiter, werfe ab und zu einen verstörten Blick nach hinten. Immer ist er zu sehen. Er trägt eine Jeanshose und einen Hoodie, unangemessen für sein Alter und doch passt es zu ihm. Vielleicht trägt er diese Art von Kleidung schon immer. Vielleicht ist das einfach sein Kleidungsstil. Es gibt ältere Menschen die sich anziehen wie die jungen Leute, vielleicht damit sie sich jünger fühlen, oder vielleicht weil sie sich einfach jung fühlen. Aber was will er von mir?
Ich komme an einem Kaffee vorbei. „Café Ringelmann“ prangt da in bronzenen, verschnörkelten Lettern. Es ist mir nicht bekannt, ich bin nicht oft in dieser Seitengasse. Genauer gesagt war ich noch nie hier. Es wird schon langsam dunkel und das warme Licht, welches mich durch die großen Fenster anlacht wirkt einladend auf mich, ja fast anziehend.
Ohne es gemerkt zu haben bin ich stehen geblieben, als ich das Café erblickte und auch der Mann hat einige Meter hinter mir angehalten, tut als würde er sich mit einem Bettler unterhalten, der am Straßenrand sitzt. Ich sehe wie er ihm einen Schein in die Hand drückt und wende dann schnell, als er Anstalten macht weiter zu gehen, meinen Blick ab.
Eine Alte Dame kommt auf mich zu. Ich gehe einen Schritt zur Seite, da ich genau vor dem Eingang des Café stehen geblieben war. Ich öffne ihr die Türe, sie strahlt mich an. Anstatt hinein zu gehen hält sie mir die Türe auf und sagt: „Nach Ihnen!“
Ihre freundliche Art entlockt mir ein Lächeln. Ich bedanke mich und betrete das Café.
Es ist angenehm warm. Ich setze mich und suche nach der Bedienung. Sie ist hübsch und jung und gefällt mir auf den ersten Blick. Ihre dunklen Haare fallen glatt auf ihre Schultern, aber sind doch nicht zu Glatt. Man kann ein paar Wellen darin erkennen. Wirklich eine schöne Frau. Schade, dass ich so schüchtern bin, wenn es darum geht fremde Frauen an zu sprechen.
Ein etwas älterer Herr, wahrscheinlich Herr Ringelmann, sitzt auf einem Stuhl hinter dem Tresen und liest, die Brille tief unten auf der Nasenspitze, in einer Tageszeitung. Ich setze mich auf eine gepolsterte Eckbank. Ich mag Bänke viel lieber als Stühle, als Kind saß ich oft mit meiner Mutter auf der Eckbank zu Hause in der Küche. Stühle hingegen geben einem, oder zumindest mir, das Gefühl man wäre isoliert, nicht Teil der Anderen, die auf der Bank sitzen.
Die Kellnerin kommt auf mich zu und fragt mich was ich trinken möchte. Ich bestelle einen großen Espresso und lächle sie an. Sie hat blaue Augen, die irgendwie tröstend auf mich wirken. Sie lächelt zurück, nickt und geht.
Die Türe öffnet sich. Bitte lass es nicht der Mann sein! Es ist der Mann. Mit Hoodie und Jeans. Jetzt erst erkenne ich, wie viele Falten er im Gesicht hat. Dass ich vor ihm Angst habe? Er sieht mich kurz an, grüßt mich und lächelt. Das wundert mich. Warum lächelt er? Wie kann er es wagen mich zu verfolgen und mich dann anzulächeln, dieser unverschämte Kerl? Er setzt sich auf die Bank am Tisch gegenüber, so dass er mich beobachten kann, wahrscheinlich. Allerdings scheint er mich gar nicht weiter zu beachten. Das ist gut. Er bestellt sich Tee. Earl Grey mit einer Zitrone und Kandiszucker. Sehr verdächtig! Obwohl... Naja, gut, eigentlich nicht. Die Kellnerin kommt mit meinem Espresso, nachdem sie die Bestellung meines Verfolgers angenommen hat, zu mir. Ich frage ob ich gleich zahlen kann. Ich kann. Ich zahle 3,20 für meinen Kaffee und sie geht wieder. Na dann geh halt. Ich wollte eigentlich ein Gespräch mit ihr beginnen, aber ich weiß in solchen Situationen nie, was ich sagen soll. Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee und werfe dem Alten gegenüber einen ganz kurzen Blick zu. Der liest in einer Zeitung. Beachtet mich gar nicht.
Erleichtert darüber, dass er mich wahrscheinlich nicht ermorden will, sehe ich mich weiter um. Mein Blick bleibt bei der netten alten Dame von vorhin hängen. Sie trägt eine graue, gestickte Weste und einen dunkelroten Schal. Sie sieht nett aus, wie die Oma die ich gerne gehabt hätte. Sie trägt eine Lesebrille mit goldenem Rahmen und hat ein herzliches, gutmütiges Gesicht. Dann sitzt da noch ein Junge, der irgendwie verdrossen aussieht. Vielleicht hatte er ja eine schlechte Note in der Schule? Oder Liebeskummer? Alt genug dafür scheint er ja schon zu sein. 13, vielleicht 14 Jahre. Irgendwie erinnert er mich an mich selbst.

Ich hatte auch immer Liebeskummer in dem Alter. War nie wirklich aufgeschlossen gegenüber Mädchen gewesen, was wahrscheinlich auf die Hänseleien in der Grundschule zurück zu führen war. „Thomas + Blabla!“ hatten sie immer gerufen. Ich weiß nicht mehr wie sie geheißen hatte, aber sie war die Nachbarstochter gewesen und wir hatten immer zusammen gespielt. Naja, bis es uncool wurde mit Mädchen zu spielen. Jedenfalls hatte mir das lange das Gefühl gegeben, dass Mädchen peinlich sind.
Umso länger ich ihn, den Alten, ansehe, umso vertrauter wirkt er auf mich. Seitdem er gelächelt hat scheint er weniger bedrohlich zu sein, eher gutmütig. Aber wer er ist weiß ich noch immer nicht und immerhin hat er mich verfolgt. Oder vielleicht will er mir etwas sagen, und traut sich einfach nicht? Vielleicht hat er etwas für mich. Eine Nachricht von Mutter vielleicht? Vielleicht ist er der neue Freund meiner Mutter und das ist seine Art sich mir vorzustellen? Na der kann was erleben, dass er mir erst so einen Schreck einjagt anstatt sich einfach vor zu stellen.
Mein Blick schweift wieder durch den Raum und durch die Fenster hinaus auf die Straße. Mittlerweile ist es dunkel. Die Kellnerin ist wirklich niedlich. Vielleicht sollte ich sie ja doch anreden? Mich überwinden... Zu blöd, dass ich schon gezahlt habe. Ich kann ja schlecht einfach ein Gespräch mit ihr beginnen, oder? Nein, das geht nicht. Was würde ich sagen? Außerdem hat sie viele Kunden und ihr Chef sitzt da hinten, hinter dem Tresen, und passt auf, dass niemand seine Arbeitskräfte belästigt. Vielleicht wenn ich auf die Toilette gehe. Dann kann ich ihr einen schönen Tag wünschen... Obwohl das auch seltsam aussehen würde. Aber irgendwas könnte ich ja einfach sagen.
Ich erhebe mich und gehe langsam durch den Raum. Wo ist die Toilette eigentlich? Ha! Das kann ich sie fragen ... Zwar keine perfekte Eröffnung, aber immerhin ein Anfang.
„Hrm...“
Ich räuspere mich leise. Sie sieht mich an. Oh Gott, diese Augen! Da kann man ja drin versinken!
„Ja?“
„Äh, hallo, äh ich suche die Toilette!“
„Die ist gleich diesen Gang da runter. Da wo das Schild ist. Sehen Sie das Schild?“
„Oh...“ ich schwieg einen Moment „Ja, jetzt wo Sie's sagen sehe ich's. Haha! Wie dumm von mir.“
Ich bleibe noch einige Sekunden stehen. Sie sieht mich an. Gleich zieht sie bestimmt die Augenbraue nach oben. Ich überlege was ich sagen könnte, aber mir fällt nichts ein.
„Worauf warten Sie denn? Wollen Sie etwa, dass ich mitkomme?“
Sie kichert, während ich rot anlaufe, wie eine Tomate. Ich gehe einfach aufs Klo, ohne mich nochmal umzudrehen. Das war peinlich. Vor allem hätte sie gerne mitkommen können, das hat sie mir bestimmt angesehen. Jetzt wo ich hier bin muss ich gar nicht mehr auf die Toilette. Ich setze mich trotzdem in eine Kabine und bedecke das Gesicht mit meinen Händen. Wie peinlich! Wie peinlich! Ich gehe nie wieder da raus... Ganz sicher nicht... Halt! Was war das? Die Türe geht auf. Oh nein, wer ist das? Bitte lass es nicht der komische Alte sein. Warum muss der mich jetzt auch noch auf's Klo verfolgen? Was ist das für ein kranker Irrer? Er hustet. Dem Husten nach könnte er es sein. Verdammt. Was jetzt?
„Sie heißt übrigens Katharina. Und sie findet, dass sie hässliche Ohren und eine zu hohe Stirn hat. Sie hat keinen Freund und ist 25, genau wie du. Ich habe meinen Geldbeutel vergessen. Vielleicht kannst du ihn ja abgeben?“
Schritte, Wasserhahn, Händetrockner, fort. Wie um alles in der Welt kann dieser alte Perversling das alles über sie wissen? Wer ist er, ihr Vater? Und hat mich ausgewählt als Freund seiner Tochter? Und woher weiß er, dass ich 25 bin? Meine Güte, die Geldbörse!
Ich haste hinaus, schaue mich um, ernte einen seltsamen Blick von Katharina und gehe dann so langsam es mir möglich ist zum Tisch. Der Geldbeutel ist da. Hm. Ich setze mich mit dem Geldbeutel des Alten auf meinen Platz und denke nach. Ob ich hineinsehen soll? Ich weiß nicht. Wenn, dann nicht vor ihr. Ich muss ihn abgeben, sonst denkt sie noch, dass ich den Geldbeutel klauen möchte. Ich schlucke, stehe auf und gehe auf Katharina zu.
„Entschuldigen Sie... Dieser alte Mann hat seine Geldbörse liegen gelassen.“
„Oh! Das passiert schon mal, wenn man älter wird. Geben Sie sie mir, ich werde sie ihm geben, wenn er wieder kommt.“
„Ja, WENN er wieder kommt. Ist er denn öfter hier?“
„Nein, heute habe ich ihn zum ersten Mal gesehen. Aber wenn er seine Geldbörse sucht kommt er gewiss wieder.“
„Ja... Das stimmt...“ die peinliche Stille. Oh nein. Was hatte er gesagt? Was? Ihre Ohren... Ich nehme all meinen Mut zusammen.
„Sie... Sie haben wirklich sehr schöne Ohren, das... Das wollte ich Ihnen nur sagen.“ Es funktioniert! Sie wird rot! Sie sieht direkt geschmeichelt aus. Haha! Danke alter Opa!
„Danke... Das höre ich selten... Eigentlich hat mir das noch nie jemand gesagt.“
„Naja, irgendwann ist immer das erste Mal, nicht wahr?“
„Ja, das stimmt.“ sie kichert.
„Und, ähm... Sind Sie öfter hier?“
Sie lacht ein wunderschönes lachen. „Ich Arbeite hier Montag bis Freitag. Früh oder Spät, je nachdem.“
„Oh, na klar! Haha, wie dumm von mir!“ Wie dumm von mir! Aaah! „Wissen Sie was, wir sollten den Geldbeutel öffnen. Dann wissen wir, wem er gehört!“
„Das stimmt.“
Ich nehme ihr den Geldbeutel aus der Hand und öffne ihn. Kein Geld, keine Karten. Nur ein Foto von einem alten einsamen Mann. Ich halte es einen Moment in der Hand.
„Traurig, nicht wahr?“ sagt sie und sieht mich an.
„Was?“
„Na dieser Mann. Hat nur ein Foto von sich in der Geldbörse. Und darauf wirkt er einsam. Oder zumindest alleine.“
„Mhm. Und wir wissen weder seinen Namen, noch seine Adresse. Tja. Dumm gelaufen.“
Wir schweigen einige Sekunden. Dann nehme ich all meinen Mut zusammen.
„Sagen Sie,...“
„Sag doch du zu mir!“
„Gut, ähm, sag mal... Hast du Lust mal... Irgendwie was trinken zu gehen oder so?“
„Uh, ein Date?“
„Ja... Genau, ein Date!“
„Sehr gerne. Wann?“
„Nach Dienstschluss?“
„Das ist gut, der ist nämlich in einer Stunde. Hol mich doch einfach hier ab.“
„Ist gut, werde ich machen! Bis später!“
Ich will mich von der alten, freundlichen Dame verabschieden, aber auch sie ist nicht mehr da. Mit hüpfendem Herzen verlasse ich das Café. Dann erst fällt mir auf, dass ich das Foto noch in der Hand halte.
Im Schein des Lichts, das durch die Fenster strahlt, sehe ich es mir noch einmal an. Mir bleibt fast das Herz stehen. Der alte Mann ist nicht mehr alleine, eine ganze Familie ist da zu sehen ... und eine Frau. Eine Frau deren Augen mir noch sehr gut in Erinnerung sind. Ich werfe einen Blick zurück durch das Fenster.
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
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AW: Café Ringelmann

Eine schöne Geschichte. Irgendwann hat es bei mir plopp gemacht, und ich wusste woran sie mich erinnert. ;) Sie ist Dir zugeflogen, Felix? Im musischen Sinne? Oder wie meinst Du das?
 

SeGreeeen

Kaaaaarakaluuuuuuuhhhh!!!!
Teammitglied
AW: Café Ringelmann

Nein, nicht musisch :D. Ich hatte einfach auf einmal einen Schreibfluss. Woran erinnert sie dich denn? Mich erinnert die auch an irgendwas, aber ich weiß nicht so recht an was.
 

Phollux

Robert Kerick
Sprechprobe
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AW: Café Ringelmann

an die Earth Angel Szene von Zurück in die Zukunft 1
;)
 
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