• Blut-Tetralogie   Dark Space

schaldek

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Bestie

Meg war stehengeblieben. Schmal waren seine Lippen geworden, als er das Handy an sein Ohr legte.
"Miguel, ich brauche was von dem Zeug, ja? Dann ist das jetzt eben der Gefallen, den Du mir schuldest!", schrie er.
Ein paar Touristen wichen Meg aus.
"Geht doch, danke."
Meg ging weiter. Schon seit einiger Zeit lief er bereits durch Menschenmengen, die in die Nacht hinein riefen, grölten, die ihn schubsten, wenn auch ohne Absicht. Ihre lauten Rufe und das Lachen schienen ihn zu verspotten. Diese Touristenmeute machte ihn krank. Und doch wußte er, dass sein Unbehagen von ganz woanders kam.
Lange schon hatte sich Meg an die Fersen des DaCopa Clans geheftet und nun schien es ihm, als käme er nicht mehr von ihm los.
Dieser ihm schon viel zu sehr vertraute Ort - Tijuana - war in seinen Augen ein Monster, in das er vor geraumer Zeit nichtsahnend herabgestiegen war.
Sicher getarnt - als Cop Undercover. Sicher behütet und plötzlich auf weichem Grund wankend. Auf dem weichen Magen der Bestie sitzend und realisierend, dass die Bestie dich
schon längst verschlungen hat und mit ihren weiß blitzenden Zähnen klapperte.
Es stimmte. Irgendetwas hatte sich seit kurzer Zeit hier an diesem Ort gewandelt. Hier gab es so viele Menschen, die er zurück schubsen wollte.
Sie lachten und stanken nach Alkohol und Zigarren. Na klar. Nicht einem von ihnen war auch nur ein Haar gekrümmt worden.
Jose aber, sein kleiner Patenjunge, dem war es nicht mehr vergönnt, das Erwachsensein auszuprobieren, mit allen seinen Schluchten und Gipfeln.
Und Don Copas Leute waren daran Schuld.

Meg überquerte die fast taghelle Piaza Melinda und bog in eine Seitenstrasse. Miguel war ein guter Beamter, dachte sich Meg. Korrupt? Nein, aber bei den richtigen Leuten bestechlich.
Meg würde nun zu ihm ins Labor gehen, das kleine Fläschchen Arsen, das seit Jahren zusammen mit einer Armee weiterer Dosen im Giftschrank der polizeilichen Behörde Tijuana schlummerte,
an sich nehmen, ein Taxi rufen und auf eine Geburtstagsparty gehen. Auf die von Dons Sohn Enrique DaCopa. Dort würde er - der bis zu diesem Tage ein ehrbarer Cop war - kein ehrbarer Cop mehr sein. Er würde den Sohn, der ihm nichts getan hatte, vergiften und Dons Herz wäre gebrochen, so wie Megs Herz gebrochen war.
Der dumme, unsägliche Zufall, dass Don in das Privatleben von Meg eingedrungen war und seinen kleinen Jose das Leben kostete, würde an diesem Abend zu Schicksal erwachsen.
Das Arsen würde den Sohn des Don von innen auffressen. Es würde ihn töten, so, wie Jose getötet worden war. So zufällig wie es eben passierte in einer Stadt voller Gewalt.
Und so einsam und unschuldig wie Jose auf dem klebrigen Boden einer Tapas Bar - von Kugeln durchsiebt - verblutet war, so würde auch Dons Sohn sterben.
Als unbeteiligtes Opfer zweier gesichtsloser Gegner, die zu allem bereit waren.
Es würde den Don wütend machen, ja. Und es würde auch ihn bald auflösen, innerlich.
Das Ende seines Wirkens würde gekommen sein und andere Clans, die da waren, würden die Macht zu ergreifen versuchen.
Das aber war Meg egal. Er würde aus dem Schlund der Bestie nie mehr herauskommen; sie hatte längst die Kontrolle über ihn.
Das Einzige wonach er sich sehnte, war, dass andere mit ihm sich auflösten; für immer. Was auch immer nach ihm blieb.

"Quit", antwortete Miguel mit einem Blick, der gleichzeitig Respekt bedeutete. Beiden hier in dieser stillen Zufahrt war der Abschied allen Rechts klar.
Meg bog stumm um die Ecke, überquerte die Strasse und winkte sich ein Taxi heran.
In einem schnellen Schwung schloss Meg die Tür und murmelte unpersönlich, "Chiata Valley bitte."
"Ah! Endlich ein Einheimischer, Sir!"
"Ähm. Bitte?"
"Ja. Eindeutig. Chiata! Da gibt es keine Touristen. Und Touristen gehen nur hin, wo Touristen sind."
Der stark übergewichtige Fahrer kicherte, als sei ihm das grad erst klar geworden, was er gesagt hatte.
"Noch was vor? Eine Party, Sir?"
"Eine Party, ja. Genau eine."
Unbemerkt hielt Meg das kleine Etwas in seiner rechten Hand.
Unglaublich leicht und zerbrechlich wirkte es. Was für eine grauenvolle Wirkung diese Flüssigkeit haben würde, dachte er.
"Lieben Sie Partys?"
"Und Sie etwa nicht?"
Der Fahrersitz quietschte im Takt des kichernden Fahrers.
"Recht haben Sie, Sir. Ja. Und? haben Sie Frau? Kinder?"
"Eine Exfrau. Keine Kinder."
Ein kurzer Moment Stille.
"Gut für die Kinder."
"Da haben Sie jetzt recht, Sir.", raunte Meg kurz amüsiert.
"Mein kleiner Tomasso, wissen Sie? Er ist mein ein und alles. Für ihn habe ich dieses Leben aufgegeben."
Der Fahrer tippte auf ein kleines erblasstes Bild, das sauber auf die Armatur geklebt worden war.
"Früher immer Koks und Weiber am Hals. Tequila mit destilliertem Wasser gestreckt. Erst als Kunde, dann als Geschäftsmann. Reich, süchtig und am Ende war ich.
Das konnte nicht so weitergehen. Ich wollte sehen, wie mein Sohn aufwächst und nicht da oben oder unten auf ihn warten."
Eine längere Stille zog ins Taxi ein.
"Ähm ... " Meg schnaufte."Ja, weiß ich."
Wie ruhig seine Stimme geworden war. Wie klar. So klar, wie die Worte dieses Mannes, der in seinem Leben scheinbar niemand mehr hatte, außer seinen Jungen.
Und der dazu verdammt war, jedem beliebigen Fahrgast seine Geschichte zu erzählen. Er konnte doch froh sein, dass er noch ein Ziel im Leben hatte.
"Sie weinen auch, Sir?"
Tränen rannen dem Fahrer herunter; Meg konnte es im Rückspiegel, durch den er dessen Augen betrachtete, sehen.
"Lassen Sie mich bitte hier raus, ja?"
"Sie weinen nie, Sir, oder? Aber jetzt tun Sie es.", lächelte der Fahrer ihn an und hielt pflichtbewußt am Straßenrand.
"Was bekommen Sie?"

Meg hatte seinen Mantelkragen hoch getan. Es war kühl geworden.
Auf einer Parkbank sitzend, auf der seit Stunden schon kein Tourist mehr gesessen haben konnte, schaute er ins palmrauschende Dunkel des Parks vor sich.
Das Arsenfläschchen, er zog es heraus und betrachtete es. Von diesem Verbrechen wussten nur er und Miguel. Und ... der Fahrer jenes Taxis, das ihn vor Stunden hier im Nirgendwo zurückgelassen hatte, der wusste es auch. Meg hatte ihm alles erzählt, denn er selbst war am Ende eines Weges. Tief im Schlund der Bestie.
"Die Bestie sitzt doch auch im Schlund einer Bestie", hatte der Fahrer ihm immer wieder erklärt.
"Sie füttern die damit."
Das Arsenfläschchen in seiner Hand haltend, erstarrte er. Sollte dieser Fahrer plaudern, dann sei er - der getarnte Cop - bald tot.
Und dieser Fahrer wäre vermutlich reich. Er würde sich brüsten können. Als Retter des Don und vor allem von dessen Sohn.
Das Fläschchen öffnend, war ihm nun klar, er würde sich neu entscheiden müssen.
Ich verrate Sie doch nicht, Sir. Wieso sollte ich das tun? Sie sinnen auf Rache, weil Sie Ihren Sohn verloren haben.
Das habe ich auch. Mein Tomasso starb bei einem Raubüberfall irgendeines Clans. Leben Sie damit. Vergeben Sie! Mich hat er gerettet."
Das offene Fläschchen an seinen Mund führend, verzog er sein Gesicht.
Er lächelte.
Jose.
 
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Heavy

Sprecher und Cutter
Sprechprobe
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Du hast ja in letzter Zeit einen richtigen Lauf :D

Hast du ZU VIEL freie Zeit? ;)
 

schaldek

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Hab ich grad eben geschrieben ;)
Ani hat mir den Begriff vorhin im Chat vorgegeben :)
 
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