Keine Gruselstory dieses Mal, sondern eher Richtung Abenteuer. Wer mag, kann sie einlesen!


Die Statue der immerwährenden Jugend
von Frank Hammerschmidt

Doug Brown spie seine Kippe aus. Verdammt, er hatte es geschafft. Vergessen waren die
Strapazen der letzten Wochen. Die stinkenden Sümpfe, die wirklich miese Verpflegung, die
handgrossen Spinnen. Doug hatte sich durch diesen Höllendschungel gekämpft, doch den
Gedanken an den Erfolg hatte er nie aufgeben wollen.
Grimmig lächelte er zu seinen Trägern herüber und deutete auf die Überreste eines uralten
Tempels. Mit seinen Fingern wischte er durch seine Augen, dann sah er langsam abermals in die Richtung des zerfallenen Gebäudes, so als ob er Angst hätte, das es inzwischen
verschwunden sein konnte.
„Ich habe es geschafft,“ murmelte er zu sich und nickte heftig.
„Ich habe es geschafft,“ wiederholte er die Worte diesmal laut und wedelte mit den Armen in der Luft. Wie ein kleines Kind rannte er auf die Ruinen des wohl einst prunkvollen Tempels zu. Am Eingang hielt er zunächst inne, um dann jedoch umso tatkräftiger durch den Torbogen zu gehen.
Im Tempel war es heller, als er angenommen hatte. Das Dach war schon längst in sich zusammengefallen. Überall lagen Teile des Daches, dennoch fand er schnell, wonach er suchte.
In der Mitte des Saales saß aus Stein gemeißelt in einem Thron aus Tropenholz das Abbild des Drom’Kha, dem Gott der Jugend. Vor dem Thron befanden sich in demütiger Haltung, kniend oder liegend etwa ein Dutzend Statuen, kleiner zwar und längst nicht so imposant, aber in einem erstaunlich guten Zustand. Seltsamerweise hatten die Trümmer des Daches keine der Statuen unter sich begraben, so als ob eine unsichtbare Kuppel die Steinfiguren geschützt hatte.
Doug fiel auf, das sie sich, was ihre Kleidung anbelangte, stark voneinander unterschieden. Sie schienen aus den unterschiedlichsten Zeitepochen zu stammen. Wohlgefällig blickte Drom’Kha auf sie nieder.
*
Die Rotoren des Helikopters wurden langsamer, kamen allmählich zum Stillstand. Doch der Fluggast hatte, erstaunlich schnell für sein Alter, seinen Sitzplatz bereits verlassen. Strahlend kam er auf Doug Brown zu und schüttelte ihm die Hand. Joshua Mahonys Stimme überschlug sich vor Freude.
„Mein guter Mr. Brown. Sie können sich nicht vorstellen, was dieser Tag für mich bedeutet. Ich hätte schon fast nicht mehr daran geglaubt, daß ich Drom’Kha’s Statue zu Lebzeiten zu Gesicht bekommen würde. Nun habe ich es doch noch geschafft. Mein Traum geht in Erfüllung.“
Sein Lachen ging in einen Hustenanfall über. Er klopfte sich auf die Brust.
„Ich freue mich für sie, Mr. Mahony. Ich hoffe, sie haben auch meinen Traum nicht vergessen: Reichtum!“
„Ich habe sie nicht vergessen, mein Lieber. Sie werden sich in Zukunft jeden Tag eine neue Nutte leisten können, wenn sie das wünschen. Ein Haus in Beverly Hills, größer als die der Filmstars? Auch das wird kein Problem mehr für sie darstellen. Doch nun zeigen sie mir zunächst die Statue von Drom’Kha. Ich will mit den Vorbereitungen beginnen, sie verstehen?“
Joshua Mahony war nach dem Studium alter Schriften davon überzeugt, das die Statue der alten Gottheit dazu fähig war, die immerwährende Jugend zu schenken. Doug hielt das ganze für ein schwachsinniges Märchen, doch der alte Mann bezahlte wirklich gut, und so hatte er sich vor vielen Monaten aufgemacht, um diesen Ort zu suchen. Sein Auftraggeber war alt, sehr alt und seine Tage waren gezählt. Ihm blieb vermutlich nur dieser Strohhalm, wenn er sich nicht mit dem Unausweichlichem, seinem baldigen Tod, auseinandersetzen wollte.
Doug öffnete seinem Boß die Tür des Jeeps.
„Natürlich, Mr. Mahony. Kommen sie.“
Gegen Abend würden sie den Tempel erreicht haben.
*
„Phantastisch!“ Ehrfurchtsvoll kniete der alte Mann vor der Statue und verharrte so einige Minuten. Dann winkte er einige Träger zu sich. Stumm brachten sie ihm einige Sachen. So breiteten sie vor ihm einen gewebten mit seltsamen Zeichen versehenen Teppich aus, reichten ihm einen kleinen verzierten Becher, ein altes Buch und einen goldenen Dolch. Dann verließen sie, einige Schritte rückwärts gehend den Tempel.
„Verlassen Sie mich nun auch, Mr. Brown!“ sagte der alte Milliardär.
„Aber sicher,“ antwortete Doug gespielt gleichgültig.
Der Alte hatte sich bei seinen Worten noch nicht einmal umgedreht. Doug entfernte sich etwas, blieb dann aber doch stehen. Er war gespannt, was Mahony vorhatte.
Hastig blätterte der alte Mann in dem Buch. Ein kleiner Zettel fiel heraus.
Mahony schien nun in dem Buch zu lesen. Seine Lippen formten Wörter, die Doug Brown jedoch nicht verstehen konnte. Leise schlich er wieder näher. Nun konnte er besser verstehen, was der Alte sagte. Bruchstückhaft zwar nur, da es eine sehr alte Sprache zu sein schien, in der das Buch geschrieben war, doch es ähnelte dem Malaiischen, und diese Sprache beherrschte Doug. So konnte er zumindest sinngemäß erfassen, wovon der Milliardär sprach.
Er preiste den Gott Drom’Kha und sagte so etwas wie:“ Nimm diesen alten verbrauchten Körper und lass ihn verharren in dem Tal der Jugend, die fortan immer wärt.“
Mit diesen Worten schnitt er sich mit dem goldenen Dolch in den Arm und ließ einige Tropfen Blut in den Becher fließen. Wie eine Gabe hielt er das Gefäß mit beiden Händen der Statue entgegen und rief laut den Namen des Gottes. Wieder und immer wieder. Und tatsächlich schien etwas zu geschehen.
Es war ein Geräusch zu hören. Zuerst leise und weit entfernt, dann jedoch immer lauter werdend. Ein Poltern und Rumpeln. Kleine Steine lösten sich von den Wänden und dann bebte der Boden. Doug hörte draußen die Träger wild aufschreien, dann vernahm er Motorengeräusch. Er rannte zum Eingang. Doch zu spät. Die Männer brausten in den Jeeps davon.
Verflucht, hatten denn alle den Verstand verloren? Aber das Beben war nicht zu verleugnen. Hatte damit tatsächlich die Beschwörung zu tun? Doug überlegte nicht lange. Er musste den alten Mahony daran hindern, mit diesem Unsinn fortzufahren.
Als er den Tempel wieder betrat, hatte sich einiges geändert. Es war heller geworden als zuvor. Und Doug sah auch den Grund dafür. Ein gleißendes Licht schien aus den Augen der Statue zu kommen und hüllte den Körper des alten Mahony ein. Die Luft knisterte.
Ein Schrei, langgezogen, der in einem Röcheln und Würgen überging und schliesslich erstarb. Es war Joshua Mahony. Mit dem Schrei endete auch das Beben, das Licht aus den Augen der Statue verlosch und alles war wieder wie zuvor.
Nicht alles! Doug sah zu Mahony herüber. Dieser kniete immer noch, in seinen Händen den Becher haltend, vor der Statue des Drom’Kha.
„Mr. Mahony?“ rief Doug. Keine Antwort.
Erst beim Näherkommen sah er, was wirklich geschehen war. Joshua Mahony hatte seine Jugend wiedererlangt, jedoch anders, als er es wahrscheinlich erwartet hatte. Denn der junge Mann, der kniend der Gottheit das Blut reichte, war aus Stein.
Doug lachte in sich hinein. Immerwährende Jugend, dachte er. Na dann hatte der Alte ja bekommen, was er sich so sehnlichst gewünscht hatte.
Doug entzündete ein Streichholz an dem Steinkopf und steckte sich eine Zigarette an. Er lies einige Rauchringe aufsteigen und verließ dann lachend den Tempel.
 

topracer

Frederic Jacob
Sprechprobe
Link
AW: Abenteuer-Story

Schöne kurze Abenteuergeschichte, mir gefällt sie. :laechel: Die Art erinnert mich etwas an Bermuda 1963.
 

Nightblack

Meinhard Schulte
Sprechprobe
Link
AW: Abenteuer-Story

Gefällt mir. Hab sie grade ganz durchgelesen. Wenn ch Zeit hätte würde ich sie auch "einlesen" aber....
 

Starlight

Schreibe Phantasie...
AW: Abenteuer-Story

gefällt mir, typischer Indiana Jones Stil würd ich sagen. Ein kleiner Hauch Bermuda 1963 und noch ein bissl Jack Hunter...
 
AW: Abenteuer-Story

gefällt mir, typischer Indiana Jones Stil würd ich sagen. Ein kleiner Hauch Bermuda 1963 und noch ein bissl Jack Hunter...

Klar hat mich Indy etwas inspiriert. Bermuda 1963 und Jack Hunter gab es allerdings zu der Zeit, als ich diese Story geschrieben habe noch lange nicht. Muss so in der Mitte der 90er Jahre gewesen sein.
 

laura.mo

Mitglied
AW: Abenteuer-Story

Also das is ne echt coole Geschichte. Ich mag sowas mit Indy eigentlich nich so, aber das war wirklich gut geschrieben. Hut ab! ^^
 
AW: Abenteuer-Story

Freut mich, das dir die Geschichte gefallen hat, laura.mo.

@Treborknarf - Toll gelesen. Mal sehen, vielleicht mache ich aus der Geschichte ja auch nochmal ein Hörspiel.
 

Nightblack

Meinhard Schulte
Sprechprobe
Link
AW: Abenteuer-Story

Jepp - solltest du machen! Gute Idee! Wer ist schon Indiana? Doug Brown ist der Mann der Stunde!
In Jahre 2010 vielleicht mit dem Hinweis versehen " Rauchen gefährdet ihre Gesundheit!":)
 

bob7

__________________
AW: Abenteuer-Story

Hm, wie verschiebe ich die Lesung denn in den freigegebenen Bereich, grübel?
Das geht leider nicht, da die Audios falsch geposted sind. Es gibt hier 2 Bereiche, einen für die Texte und einen für die Audios. Einen Sonderbereich für Freigaben gibt es nicht.
Entweder Du oder der jeweilige Sprecher sollten das Audio nochmal unter "Eingesprochene Geschichten" posten, kann ich auf Wunsch aber auch machen...oder es einfach so lassen wie es ist ;)

Edit: Ich habe den Beitrag von Treborknarf einfach in den Bereich "Eingesprochene Geschichten" verschoben. Hoffe das passt so, sonst bitte laut schreien :)
 
Oben