AW: Webinar: Wie starte ich als Synchronsprecher durch?
Also weil ihr wegen des Tempos grade diskutiert mal ein Beispiel:
Ich habe in Berlin für ein paar DVD-Filme ca. 80 Takes synchronisiert.
Folgendes lief dann ab:
* Hallo-Sagen an alle, kurz vorstellen, ins Studio gehen, Kopfhörer aufsetzen, kurze Anweisung kriegen und check ob die mich hören, ich sie höre
* im 1000-seitigen Dialogbuch meinen grad anstehendenTake jeweils herblättern
* kurzer Hinweis: "Du bist die mit der Brille, die steht gleich irgendwo hinten rechts (da war noch kein Bild da) (parallel während der Regisseur spricht lese ich den Take durch und versuch ihn mir einzuprägen)
* Film wird abgespielt: "3-2-1 - Take läuft ich suche panisch nach dem Mädel mit der Brille, bis ich sie gefunden habe ist der Take rum" (ich versuche mir parallel Sprechtempo, Melodie des Takes einzuprägen und wo meine Figur stand, damit ich sie jetzt dann gleich finde!)
* während der Tonmensch digital wieder an den Anfang des Takes springt lese ich den Take nochmal und stopf ihn ins Kurzzeitgedächnis. "Kann ich nochmal sehen" trau ich mich nicht zu sagen!
* Regie sagt: "gut, dann los". 3-2-1 selber schnippsel wird abgespielt, ich finde meine Figur, fokussiere sie und in dem Moment in dem ich sehe dass sie einatmet sprech ich meinen auswendig gelernten Text.
* Regie: Super, sitzt, nächster.
dann wiederholt sich das Spiel. 80 Takes lang. Nach 2,25h bin ich wieder draußen. Glücklich. Und geistig so kaputt wie nach nem Tag Tourneetheater.
Das ist das Tempo (bei Kino ist es langsamer! Aber DVD: 30-40 Takes die Stunde, sonst bucht dich keiner mehr). Und drum buchen die Studios die Leute immer und immer wieder, die das Tempo bringen. Es gibt viele gute Sprecher, und vermutlich sogar viele viele die auch das Tempo und die Qualität bringen können. Aber warum sollte man das Risiko eingehen die zu buchen, wenn es doch genug andere gibt, bei denen man schon sicher weiß, dass sie es können.
So ist es leider. Und drum haben so wenige Neueinsteiger ne Chance

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In Berlin geben Sie dir die Chance noch, da gibt es auch Agenturen. In München bist du auf dich allein gestellt.
In Berlin wirst du anfangs wenn du hartnäckig bist immer mal wieder für Ensemble gebucht, dann kannst du bei Kleinstrollen zeigen ob du was drauf hast, und dann kriegst du erste normale Rollen. Und DANN musst du schnell sein. Wenn du das bist, hast du ne Chance. Auch als Quereinsteiger. Berlin ist hart, fordert viel, vor allem dass du unglaublich flexibel bist. Janne kann ein Lied davon singen. Kind? Feste Termine? Mehrmals Anfragen und du sagst "Sorry, da bin ich schon gebucht"? - Das wars, raus, tschüß. Noch ein Grund warum immer dieselben zu hören sind: DIE sind nämlich in der Agentur, machen nur Synchron den ganzen Tag und daher weiß jeder wie sie buchbar sind. 8/15-Mensch lebt auch noch von was anderem, hat Sperrtermine, Familie, sonstwas. Wenn da Abends um 20h ein Anruf kommt ob du am nächsten Tag um 9 im Atelier sein kannst kann da nicht jeder "Ja, klar" sagen. Tja, Pech. Das wars.
Hart. Schnell. Aber in der Hinsicht zumindest berechenbar und dadurch auch wieder fair, finde ich. So habe ICH Berlin zumindest kennen gelernt. Und drum hat es mich so frustriert mich in München zu bewerben, wo man mir trotz Synchronerfahrung und trotz Synchronausbildung nur die Tür vor der Nase zugeschlagen hat. SChade dass Köln auch so weit von uns weg ist, die Kölner sind auch sehr viel offener!