aurelin
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Im vorherigen „Kapitel“ habe ich die klanglichen Variationsmöglichkeiten im Kehlkopf erklärt. Hierdurch wird der Ton in seinem grundlegenden Klang verändert. Die weitern Ausführungen beziehen sich mehr auf die Feinarbeit, die nicht im Kehlkopf vonstatten geht. Es wird nun auch ein bisschen Physik in meine Ausführungen reinkommen. Wenn euch das zuviel ist, dann lest einfach drüber hinweg. Aber ein bisschen grundlegende Kenntnisse schaden nicht...
Der Primärton direkt über den Stimmlippen besteht rein physikalisch aus schwingender Luft und ist an sich sehr, sehr leise (man stelle sich zwei ca. einen Zentimeter lange Gummibänder vor und zupfe an denen – da passiert noch nicht viel Lautstärke und vergleichbar ist die Leistung der Stimmlippen).
Um einen Ton zu verstärken brauchen wir Resonanzräume oder –körper. Die haben zwei Eigenschaften, nämlich Größe und Festigkeit. Dabei gilt:
1) Je größer ein Resonanzraum ist, desto eher ist er dazu geeignet, tiefere Schwingungen zu verstärken, je kleiner desto höhere.
2) Je fester/ härter ein Resonanzraum ist, desto besser kann er einen Ton verstärken (einfach nachzuvollziehen, wenn ich mir Klanghölzer aus Holz oder aus Gummi vorstelle).
Der Primärton selbst hat nun verschiedene klangliche Anteile, die ich in meinem Körper verstärken, also lauter machen kann. Man kann sich seinen Körper vorstellen, wie einen Equalizer an der Stereoanlage und den gesprochen Ton dementsprechend wie einen Soundfile. Unser Körper hat quasi einen Vier-Band-Equalizer. Bei dem gesungenen oder gesprochenen Ton können folgende vier Klanganteile verändert werden:
Die bassigen Anteile der Stimme, die tiefen Mitten, die hohen Mitten und die Höhen.
Die bassigen Anteile der Stimme werden im Brustkorb verstärkt, den wir nur dadurch verändern können, indem wir den Fettanteil im Brustgewebe erhöhen. Damit wird die Brust weicher und die tiefen Resonanzen werden abgedämpft. Das erklärt, warum einige beleibtere Menschen eine hellere Stimme haben, als man es erwartet. Singen oder sprechen wir tiefe Töne, dann vibriert unsere Brust, bei höheren weniger. Die bassigen Tonanteile erklingen lauter.
Der nächste Resonanzraum ist der Hals, den man aus verschiedenen Gründen aber möglichst nicht benutzen sollte. Sprecht/singt einfach einen Ton und spannt die Halsmuskulatur an – der Ton kriegt einen unangenehmem Klang. Zudem kann man sich sehr leicht bei Bewegungen die Halsmuskulatur zerren. Ich kann also nur raten, von diesem Resonanzraum die Finger zu lassen.
Für die tiefen Mitten unserer Stimme sind der Kiefer und die Zunge verantwortlich. Singt/sprecht einen Ton und bewegt die Zunge im Mund nach hinten (so als würde man das breite texanische Englisch imitieren). Der Klang verändert sich und wird eher „bullig“.
Die hohen Mitten verstärken wir mit der Wangenmuskulatur und den Nasenebenhöhlen. Wohlgemerkt ist hiermit nicht gemeint, dass wir Luft durch die Nase pressen (das wäre dann nasal), sondern Schwingungen verstärken. Im einfachsten Fall tun wir das beim Lachen. Wir spannen die Wangenmuskulatur an und der Ton wird heller.
Die ganz hellen Anteile werden in den Stirnhöhlen verstärkt. Das geschieht, wie bei der Brust, mehr oder weniger automatisch. Wenn sie die Stirn anspannen, können die hohen weiblichen Stimmen noch ein bisschen Helligkeit aus dem Ton herauskitzeln, aber das war es dann auch schon.
Das klang jetzt alles ziemlich theoretisch, aber jetzt komme ich auch zu dem Clou an der ganzen Geschichte. Unseren gesamten Vorrat, den wir an Emotionen haben, stellen wir normalerweise mit dem Gesicht dar. Da heißt, wir benutzen verschiedene Muskelspannungen um z.B. zu lächeln oder zornig auszusehen. Diese Muskeln und die darunter liegenden Resonanzräume funktionieren dann als Verstärker unserer verschiedenen Klanganteile. Ich spanne also meine Gesichtsmuskulatur auf verschiedene Arten und Weisen an und manipuliere damit meinen Stimmklang - und stelle auf diese Weise Emotionen dar. Probiert es aus. Wenn ihr zornig blickt, dann klingt ihr auch zornig. Und dieser Klang wird auch von Zuhörern meistens als zornig interpretiert. Oder wenn ihr jemanden kennt, der oft mit ausdrucksloser Stimme spricht, dann wird derjenige mit entsprechend „wenig Gesicht“ sprechen. Wenn ich also in einem Hörspiel einen Charakter darstellen will, dann macht es Sinn, sich eine visuelle Vorstellung von dem Gesicht dieser Person zu machen und mit dieser Gesichtsspannung zu sprechen. Unser Gesicht ist ein unglaublich vielfältiger Klangkörper und wenn wir mit viel Mimik sprechen, dann wird unserer Stimme ausdrucksvoll. Auch psychologisch sind wir so gekoppelt. Schaut mal an die Decke und versucht dabei überzeugt zu klingen. Oder lächelt und versucht dabei wütend zu klingen (manchmal kommen dann eher komplexe zusammengesetzte Stimmungen bei raus). Also: Stimme und Stimmung hängen eng zusammen und der „Katalysator“ dafür ist das Gesicht. Dabei gilt als wichtige Regel: Mit je mehr Luftdruck ich spreche, je mehr ich den Ton presse, desto mehr Luft drückt unkontrolliert gegen die Resonanzräume und dadurch wird es schwerer, komplexerer Stimmungen darzustellen. Auch können bei dem anfänglichen Arbeiten mit Spannung, diese Spannungen unkontrolliert übertragen werden auf andere Muskelgruppen. Lächelt man z.B. so breit, dass sich die Halsmuskulatur anspannt, kriegt der Klang etwas verkrampftes. Je mehr ihr wiederum euer Gesicht trainiert, desto mehr verschiedenen Klangfarben werdet ihr entdecken und nutzen können. So spricht man selten eine Stimmung über längere Texte und variiert den Stimmklang. Ganz einfach kann man das nachvollziehen, wenn man bei Live-Konzertaufnahmen mal den Ton ausdreht und dann die Arbeit mit dem Gesicht bewusst sieht. Auch der typische Gospelsänger mit seiner hohen Gesichtsspannung und dem offenen Kiefer tut letztendlich nichts anderes, als den Ton aufzuhellen und zu verstärken.
Apropos Kiefer. Dazu noch eine kleine Regel: Je zuer der Mund, desto Nase der Ton (wenn der Ton sich nicht im Kiefer entfalten kann, drücken mehr Luft und mehr Schallwellen in die Nase bzw. gegen die Nasenresonanzräume).
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Der Primärton direkt über den Stimmlippen besteht rein physikalisch aus schwingender Luft und ist an sich sehr, sehr leise (man stelle sich zwei ca. einen Zentimeter lange Gummibänder vor und zupfe an denen – da passiert noch nicht viel Lautstärke und vergleichbar ist die Leistung der Stimmlippen).
Um einen Ton zu verstärken brauchen wir Resonanzräume oder –körper. Die haben zwei Eigenschaften, nämlich Größe und Festigkeit. Dabei gilt:
1) Je größer ein Resonanzraum ist, desto eher ist er dazu geeignet, tiefere Schwingungen zu verstärken, je kleiner desto höhere.
2) Je fester/ härter ein Resonanzraum ist, desto besser kann er einen Ton verstärken (einfach nachzuvollziehen, wenn ich mir Klanghölzer aus Holz oder aus Gummi vorstelle).
Der Primärton selbst hat nun verschiedene klangliche Anteile, die ich in meinem Körper verstärken, also lauter machen kann. Man kann sich seinen Körper vorstellen, wie einen Equalizer an der Stereoanlage und den gesprochen Ton dementsprechend wie einen Soundfile. Unser Körper hat quasi einen Vier-Band-Equalizer. Bei dem gesungenen oder gesprochenen Ton können folgende vier Klanganteile verändert werden:
Die bassigen Anteile der Stimme, die tiefen Mitten, die hohen Mitten und die Höhen.
Die bassigen Anteile der Stimme werden im Brustkorb verstärkt, den wir nur dadurch verändern können, indem wir den Fettanteil im Brustgewebe erhöhen. Damit wird die Brust weicher und die tiefen Resonanzen werden abgedämpft. Das erklärt, warum einige beleibtere Menschen eine hellere Stimme haben, als man es erwartet. Singen oder sprechen wir tiefe Töne, dann vibriert unsere Brust, bei höheren weniger. Die bassigen Tonanteile erklingen lauter.
Der nächste Resonanzraum ist der Hals, den man aus verschiedenen Gründen aber möglichst nicht benutzen sollte. Sprecht/singt einfach einen Ton und spannt die Halsmuskulatur an – der Ton kriegt einen unangenehmem Klang. Zudem kann man sich sehr leicht bei Bewegungen die Halsmuskulatur zerren. Ich kann also nur raten, von diesem Resonanzraum die Finger zu lassen.
Für die tiefen Mitten unserer Stimme sind der Kiefer und die Zunge verantwortlich. Singt/sprecht einen Ton und bewegt die Zunge im Mund nach hinten (so als würde man das breite texanische Englisch imitieren). Der Klang verändert sich und wird eher „bullig“.
Die hohen Mitten verstärken wir mit der Wangenmuskulatur und den Nasenebenhöhlen. Wohlgemerkt ist hiermit nicht gemeint, dass wir Luft durch die Nase pressen (das wäre dann nasal), sondern Schwingungen verstärken. Im einfachsten Fall tun wir das beim Lachen. Wir spannen die Wangenmuskulatur an und der Ton wird heller.
Die ganz hellen Anteile werden in den Stirnhöhlen verstärkt. Das geschieht, wie bei der Brust, mehr oder weniger automatisch. Wenn sie die Stirn anspannen, können die hohen weiblichen Stimmen noch ein bisschen Helligkeit aus dem Ton herauskitzeln, aber das war es dann auch schon.
Das klang jetzt alles ziemlich theoretisch, aber jetzt komme ich auch zu dem Clou an der ganzen Geschichte. Unseren gesamten Vorrat, den wir an Emotionen haben, stellen wir normalerweise mit dem Gesicht dar. Da heißt, wir benutzen verschiedene Muskelspannungen um z.B. zu lächeln oder zornig auszusehen. Diese Muskeln und die darunter liegenden Resonanzräume funktionieren dann als Verstärker unserer verschiedenen Klanganteile. Ich spanne also meine Gesichtsmuskulatur auf verschiedene Arten und Weisen an und manipuliere damit meinen Stimmklang - und stelle auf diese Weise Emotionen dar. Probiert es aus. Wenn ihr zornig blickt, dann klingt ihr auch zornig. Und dieser Klang wird auch von Zuhörern meistens als zornig interpretiert. Oder wenn ihr jemanden kennt, der oft mit ausdrucksloser Stimme spricht, dann wird derjenige mit entsprechend „wenig Gesicht“ sprechen. Wenn ich also in einem Hörspiel einen Charakter darstellen will, dann macht es Sinn, sich eine visuelle Vorstellung von dem Gesicht dieser Person zu machen und mit dieser Gesichtsspannung zu sprechen. Unser Gesicht ist ein unglaublich vielfältiger Klangkörper und wenn wir mit viel Mimik sprechen, dann wird unserer Stimme ausdrucksvoll. Auch psychologisch sind wir so gekoppelt. Schaut mal an die Decke und versucht dabei überzeugt zu klingen. Oder lächelt und versucht dabei wütend zu klingen (manchmal kommen dann eher komplexe zusammengesetzte Stimmungen bei raus). Also: Stimme und Stimmung hängen eng zusammen und der „Katalysator“ dafür ist das Gesicht. Dabei gilt als wichtige Regel: Mit je mehr Luftdruck ich spreche, je mehr ich den Ton presse, desto mehr Luft drückt unkontrolliert gegen die Resonanzräume und dadurch wird es schwerer, komplexerer Stimmungen darzustellen. Auch können bei dem anfänglichen Arbeiten mit Spannung, diese Spannungen unkontrolliert übertragen werden auf andere Muskelgruppen. Lächelt man z.B. so breit, dass sich die Halsmuskulatur anspannt, kriegt der Klang etwas verkrampftes. Je mehr ihr wiederum euer Gesicht trainiert, desto mehr verschiedenen Klangfarben werdet ihr entdecken und nutzen können. So spricht man selten eine Stimmung über längere Texte und variiert den Stimmklang. Ganz einfach kann man das nachvollziehen, wenn man bei Live-Konzertaufnahmen mal den Ton ausdreht und dann die Arbeit mit dem Gesicht bewusst sieht. Auch der typische Gospelsänger mit seiner hohen Gesichtsspannung und dem offenen Kiefer tut letztendlich nichts anderes, als den Ton aufzuhellen und zu verstärken.
Apropos Kiefer. Dazu noch eine kleine Regel: Je zuer der Mund, desto Nase der Ton (wenn der Ton sich nicht im Kiefer entfalten kann, drücken mehr Luft und mehr Schallwellen in die Nase bzw. gegen die Nasenresonanzräume).
Viel Spaß beim Ausprobieren!
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