AW: Unterschiedliche entfernungen im Raum hörbar machen
Hallo Boeni,
sorry! Antwort kommt spät, aber kommt. Dafür auch etwas gründlicher.
Der individuelle, akustische Eindruck einer Szene ist immer sehr subjektiv. Jeder nimmt das etwas anders wahr. Insofern solltest Du die nachfolgenden Frequenzangaben nur als Richtlinie sehen und damit ruhig etwas rumprobieren.
Der Wald:
Zuerst einmal gibt es im Wald normalerweise keine glatten, reflektierenden Oberflächen. Es hat Gras, Unterholz, Bäume und eventuell Felsen. Tiefe Frequenzen werden im Wald kaum reflektiert. Daher solltest Du diese mit einem EQ deutlich dämpfen (Highpass-Filter). Ich würde da alles unterhalb von 100 – 200 Hz vorschlagen.
Echos klingen im Wald lang nach und hören sich diffus und etwas dumpf an. Wie schon gesagt, gibt es hier viele unebene Flächen. Diese brechen und streuen den Schall. Das Echo wird daher undeutlich. Hast Du wenig Bäume, ist das Echo nur schwach und kurz. Hast Du mehr oder viele Bäume, zieht sich das Echo mehr und mehr in die Länge. In einem grossen Wald, können das durchaus mehrere Sekunden sein. Aufgrund der starken Streuung ist das Echo (der Hall) aber nicht sehr laut. Falls Dein Reverb das unterstützt, solltest Du den „Dampening“-Parameter nutzen. Der sorgt dafür, dass sich das Echo diffus anhört. Such doch mal in Youtube nach Vogelgezwitscher im Wald. Das sollte Dir einen guten Eindruck davon verschaffen, was ich meine.
Wenn sich das Mikro vom Kampf wegbewegt, hin zu den abseits stehenden Sprechern, muss das Dry-Signal deutlich leiser werden, das Wet-Signal aber nur ein wenig. Das Dry-Signal ist der unbeeinflusste Schall (der Kampflärm, der unverändert und direkt Dein Ohr erreicht). Das Wet-Signal ist der beeinflusste Schall (in diesem Fall das Echo). Bewegst Du Dich also vom Kampf weg, werden nur die Kampfgeräusche leiser. Das Echo kaum. (Es sei denn Du bewegst Dich sehr weit weg. Dann muss das Echo natürlich auch deutlich leiser werden.) Diese Art der Hall-Beeinflussung nennt man übrigens Tiefenstaffelung. Der von mir beschriebene Ansatz ist jetzt sehr einfach dargestellt, funktioniert aber schon ganz gut. Je nach gewünschtem Realismus-Grad, kann man das noch wesentlich weiter treiben (siehe Youtube „Tiefenstaffelung).
Wenn Du jetzt noch eine links/rechts-Platzierung simulieren willst ist folgendes zu beachten: Du musst Dry
und Wet-Signal im Panorama verschieben. Wenn es noch etwas mehr Realismus sein darf: Leite Dry und Wet-Signal auf verschiedene Kanäle. Das Dry-Signal regelst Du soweit nach links/rechts, wie es sein soll. Das Wet-Signal regelst Du genauso weit in diese Richtung, verbreiterst aber dann ein wenig das Stereo-Feld. Das Echo streut sich schliesslich um Dich herum und wirkt daher im Wald immer wesentlich breiter als die eigentliche Klang-Quelle. Das geht sehr gut mit dem kostenlosen Plugin „A1StereoControl“ von
www.a1audio.de. Manchmal wird diese Art-Panning auch direkt von der Audio-Software unterstützt. In dem Fall hast Du nicht nur einen Panorama-Regler pro Kanal, sondern zwei. Der eine Regler stellt die linke Grenze des Signals ein und der andere Regler die rechte. Bei A1StereoControl wird das sehr schön mit einem Dreieck visualisiert.
OK, jetzt müssen wir uns noch mit Deinen abseits stehenden Sprechern beschäftigen. Hier ist es jetzt wichtig, wie nah diese am Zuhörer stehen sollen. Das passende Stichwort hierzu ist „Nahbesprechungseffekt“. Eine Recherche zu diesem Thema kann sehr verwirrend sein. Die Wissenschaftlichen Grundlagen dazu sind komplex und die Meinungen darüber gehen immer noch auseinander. Falls Du ein Mikro besitzt, empfehle ich Dir folgendes einfaches Experiment. Dann verstehst Du ganz schnell, worauf es dabei ankommt: Nimm einen beliebigen, kurzen Satz auf. Mehrmals hintereinander. Am Anfang bist Du ganz nahe am Mikrofon (vorsicht, nicht hineinpusten). Dann entfernst Du Dich etwas und sprichst den Satz noch mal. Dann entfernst Du Dich noch etwas weiter und sprichst den Satz noch mal. Und so weiter... Fange bei ein paar Zentimetern Abstand zum Mikro an und Ende bei einigen Metern. Jetzt höre Dir die Aufnahme an und betrachte sie dabei in einem Spektrum-Analyzer (z.B. dem kostenlosen „SPAN“ von Voxengo:
http://www.voxengo.com/product/span/). Du wirst folgendes feststellen: Je näher Du am Mikro bist, desto deutlicher und aufdringlicher sind die tiefen Frequenzen unterhalb von ca.150 Hz. Mit steigendem Abstand hört sich die Aufnahme immer weniger “basslastig“ an. Indem Du also diesen Frequenzbereich mit einem EQ beeinflusst, „änderst“ Du damit den vom Zuhörer wahrgenommenen Abstand zum Mikro. Frequenzbereich verstärken > kleinerer Mikroabstand. Frequenzbereich abschwächen > grösserer Mikroabstand.
Jetzt ist nur noch eins wichtig: Da Deine Sprecher draussen, in relativer Nähe zum Mikro stehen (im Gegensatz zum Kampf), solltest Du diesen Takes auf keinen Fall Hall verpassen. Im Panorama sollten Sie idealerweise vom Kampf getrennt werden (z.B. Kampf links, Sprecher rechts). Natürlich nicht zu extrem. Da Du aber Tiefenstaffelung benutzt, können die Sprecher auch im Panorama verteilt werden. Das simuliert, das der Zuhörer mittendrin/dazwischen steht. Das wirkt beim zuhören besser, als wenn alle auf einer Seite stehen. Der Kampf wird dabei durch die Tiefenstaffelung räumlich nach hinten geschoben. Wenn Du es richtig machst, wirst Du staunen, wie gut sich das anhört.
Zum Schluss fehlen natürlich noch die passenden Soundeffekte. Tiefenstaffelung, Hall und Panorama reichen alleine nicht aus, um einen Raum für den Zuhörer eindeutig identifizierbar zu machen. Das musst Du auf jeden Fall mit dem für den Raum typischen Geräuschen unterstützen. Im Wald ist das relativ leicht. Pack Vögel rein. Die sollten natürlich auch „verhallt“ werden. Je nach gewünschter Entfernung machst Du es wie bei den Kampfgeräuschen (Kleiner Dry-Anteil, hoher Wet-Anteil). Nur solltest Du die Vögel nicht im Panorama einschränken. Zwitschern kommt im Wald meistens von überall her. Beim Kampf kann es zusätzlich verhalltes Ästeknacken und Laubgeraschel sein.
Der Saal:
Erfreulicherweise wird das jetzt etwas kürzer. Die Notwendigen Mechaniken habe ich ja schon beim Wald erklärt. Im Saal hat es meist grosse, glatte Flächen. Bei einer Rede ist ein Grossteil davon mit Zuschauern gefüllt. Eine Frequenz-Dämpfung (Highpass-Filter) ist hier nicht notwendig. Echos werden über den Köpfen der Zuschauer meist gut reflektiert. Dämpfung spielt hier also eher weniger eine Rolle. (Es sein denn, der Saal ist klein und sehr voll.) Aufgrund der glatten, gegenüberliegenden Flächen ist das Echo allerdings eher länger (aber nicht so lang wie im Wald) und im Gegensatz zum Waldecho auch lauter. Die gängigen Reverb-Presets bilden das eigentlich recht gut ab.
Für die weitere „Modellierung“ ist es jetzt wichtig, wo das Mikro steht. Ich gehe jetzt mal vom Redner als Standort aus. Üblicherweise steht der Redner in der Mitte vor dem Publikum. Hier also keine Panorama-Verschiebung. Der Zwischenrufer sollte jedoch ruhig etwas seitlich im allgemeinen Murmeln platziert werden (hört sich einfach besser an). Die passende Entfernung wird, wie beim Wald, mit Tiefenstaffelung simuliert. Da es sich aber um eine von Wänden begrenzte Fläche handelt, muss sein Echo nicht in der Panoramabreite begrenzt werden. Eine einfache links/rechts-Verschiebung reicht. Das sollte allerdings noch vor dem Reverb erfolgen. Dann hört sich das Zwischenrufer-Echo natürlicher an.
Falls der Redner vor einer Wand stehen sollte, bekommt er natürlich auch ein Echo. In diesem Fall würde ich ein einzelnes Echo (eine einzige Reflektion), einen Delay-Effekt empfehlen. Die nötige Delay-Verzögerung kann man über die Schallgeschwindigkeit ausrechnen. 3ms pro Meter-Entfernung. Steht der Sprecher z.B. 10m vor der Wand, legt sein Echo 20m zurück und benötigt dafür 60ms. Das Echo sollte aber nicht zu laut sein. Da musst Du ausprobieren, was sich gut anhört. Meist reicht es, wenn man es gerade so eben wahrnehmen kann. Diese winzigen Detail-Effekte wirken immer am besten, wenn man sie nur unbewusst wahrnimmt.
Wenn der Redner in ein Mikro spricht, wird es etwas komplizierter. Zuerst einmal muss die kurze Nähe zum Mikro über den Nahbesprechungseffekt simuliert werden. Dann gilt es die im Saal verteilten Lautsprecher zu „Modellieren“. Ist im Prinzip genauso wie bei dem Zwischenrufer. Mit einer Ausnahme: Da jetzt die Stimme (das Echo) des Redners aus dem hinteren Saal-Teil kommt, ist sie gegenüber dem Redner zeitverzögert. Beim Reverb heisst der entsprechende Parameter „PreDelay“ oder „Initial Delay“. Die Berechnung ist ähnlich wie beim vorhergehenden Delay. Mit dem Unterschied, das jetzt nur der einfache Weg berücksichtigt werden muss. (Der Hinweg durch Strom hat keine nennenswerte Zeitverzögerung.) Wenn der Lautsprecher z.B. 40m vom Sprecher entfernt steht, muss das PreDelay also 40*3ms = 120ms betragen.
PlugIns:
Mit Reaper hast Du schon eine ordentliche Plugin-Ausstattung. Über die Schönheit der Reaper-Plugin’s kann man ja streiten, aber sie tun was sie sollen. Und das garnicht mal so schlecht. Wenn Du zu dem Thema gerne noch andere kostenlose Plugins haben möchtest, kann ich folgende empfehlen:
„A1StereoControl“
www.a1audio.de
exzellente Stereo-Manipulation
„SPAN“
http://www.voxengo.com/product/span/
Frequenz-Analyzer
“Glaceverb”
http://www.vst4free.com/free_vst.php?id=458
ein gutes Reverb, mit etwas anderem Ansatz
“LiscDelay”
http://www.saltline.co.uk/liscdelay.html
Ein sehr vielseitiges Delay. Aber nicht unbedingt für Anfänger.
“Nova 67-P”
https://vladgsound.wordpress.com/plugins/nova67p/
Ein parametrischer EQ mit integriertem Kompressor.
Ebenfalls nichts für Anfänger, aber exzellent im Klang.