AW: Die Fahrt
So, dann komm ich jetzt auch mal mit meinem Schema F rüber:
Vorneweg: Jeln hat in diesem Fall bravourös gezeigt, das, was lange währt, auch schliesslich gut werden kann - sehr gut sogar, gemessen an den Gegebenheiten.
Mich hat diese Arbeit sehr positiv beeindruckt - und das diese Produktion auch noch eine ganze Cutterschulung inclusive hat, versieht sie ohnehin mit einer Goldborte.
Die doofen Einzelpunkte hier unten nerven irgendwie, das merk ich schon jetzt - aber vielleicht mach ich diesmal einfach Strichlein, wo ich mir eine Meinung sparen will.
1. Prod
Bei der Fahrt steht an allererster Stelle das Skript, dass dem gesamten Spiel einen tollen Schwung gibt, der das Geheimnis hinter allem spannend bis zum Schluss aufbewahrt. Das muss man erstmal hinkriegen. Alle Protagonisten engagieren sich für jeweilige Anliegen, die Absichtsvolles erahnen lassen - und, wie Dagmar schön genervt anmerkt, in einer Weise, dass man regelrecht rätselt, z.B. was denn den Komissar eigentlich antreibt, warum ist er so ehrgeizig? Soetwas sind genau die richtigen Fragen, die man sich stellen muss, denn ein gutes Drama geizt damit, seine Figuren mit dem Herzen auf der Zunge ins Rennen zu schicken. Jeln hat sozusagen den Dreh- und Angelpunkt der Motive also schön ausserhalb des Stückes montiert - und überrascht regelrecht zum Schluss mit der Pointe, dass hinter all dem mutmasslichen und Kriminellen möglicherweise nur eine Verkettung unglücklicher Umstände liegt. Alle fiebern also hinter einer vertrackten Intrige her und dann ist alles eigentlich so banal..........oder vielleicht doch nicht? ( Ich habe seinerzeit Jeln ja zu einem Sequel überreden wollen: vielleicht wittert der Komissar ja vielleicht, dass er auf den Leim gelockt wurde...und peppelt sein letztes HerculePoirot Gen auf...).
1.1. Technikleistung: technische Aufnahmequalität (nach von den Spezis zu gliedernden Prioritäten)
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1.2. Sprecher/innen:
--- alle engagiert dabei und gut verständlich, und von Swettie's Authenzität müsste ich irgendwie lernen - mal sehen.
1.2.1. angebotene Varianten eines Takes
interessiert mich immer mehr
1.2.2. Akzentfreiheit oder bewusste Akzentnutzung
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1.2.3. situationsangemessene Stimm- und Sprechlebendigkeit, Spieldynamik
spielerisch gibt Jeln eine so gute Vorlage, dass mehr drin gewesen wäre. Gerade das Gespräch mit dem alten von Fähren, Petra und dem Komissar hätte irgendwie mehr Aufenthalt, mehr Subtilität vertragen. Auch die gegenseitigen Offenbarungen im Auto hätten mir besser gefallen, wenn plötzlich Antworten nicht mehr so ad hoc parat gewesen wären, wenn Stille im Umgang miteinander irgendwie hörbar werden könnte. Ich kapiere quasi die Gespräche, und was sie verhandeln, aber ich möchte sie noch mehr fühlen ( Ich weiss, dass hier die Konzession an das Foren-spezifische x-en zu machen ist, aber nicht nur )
1.2.4. Verspieltheit im Umgang mit dem Text (Befreiung vom Papier)
dito
1.3. Regie und Cut:
1.3.1. Kommunikation mit den Sprechern
Jeln lobe ich dafür, uns schön auf dem Laufenden gehalten zu haben. Ich glaube, und bin ja selbst auch froh darum, dass es eine höflichkeitsbedingte Hemmung gibt, gnadenlos Retakes zu verlangen, wo sie helfen könnten ( hängt aber auch mit o.g. Foren-Handycap zusammen )
etc
2. Postprod:
finde ich alles recht gelungen und erstaunlich durchgängig. Eigentlich ein optimales Beispiel für Team-Cut, wenn einer die Zipfelmütze aufhat.
2.2. Technik zu Schnitt und Mischung (wieder für die Spezis; also z.B. Fragen zu Denoisen, Pitchen etc.)
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2.3. Handhabung des Werkzeugs:
2.3.1. Akzente in der Raumbehandlung: hinten, vorne, Bewegung im Raum etc.
hat mich überzeugt
2.3.2. Rhythmus: z.B. bei der Dialogdynamik (wie schnell reagieren die Gesprächspartner aufeinander )
würde ich diesmal eher dem Spiel zuordnen, technisch war das überzeugend- wo kein nachdenken hörbar ist, kann auch technisch keines gezaubert werden.
2.3.3. Einsatz zusätzlicher Menschenlaut-FX ( z.B. dachte ich, heftig atmen zu sollen, weil Mantini beim telefonieren rennt als F. ihn wegen Renzo alarmiert )
könnten grundsätzlich für meinen Geschmack bei hörspielen eine grössere Rolle spielen und müssten sowas wie kolaterale Laute beim Spiel sein, z.B. wenn jemand versucht, in einem Gespräch "dazwischenzukommen" etc; ich finde das lockert manches Gespräch mehr auf. Gespräche sind ja deswegen so interessant, weil sich Menschen zwar in der Regel bemühen, einen Modus in der Ausienandersetzungsweise zu finden, aber der wahre, ehrliche und echte Druck jedes einzelnen Dialogpartners ist völlig individuell und egoistisch - und das muss zu hören sein ( wir sind ja nicht beim "Internationalen Frühschoppen" mit Werner H. )
2.3.4. Einsatz von Musik und zusätzlichen FX
gefiel mir ganz gut. Ich kenn mich da nicht so aus, bin aber immmer froh, wenn mir die Musik nicht dominant etwas an Athmo naheleghen will, was ansonsten garnicht stattfindet.
2.3.5. Gesamtdynamik der Mischung ( Adagio, Andante, Allegro, Piano, Crescendo, Ritadando etc. im übertragenen Sinne )
blöder angeberischer Punkt ! was weiss denn ich !
etc.
Erinnert Ihr Euch, wie Prof. Ambrosius ganz am Schluss im Tanz der Vampire dann leider doch das Böse in die Welt hinausträgt?
Wie könnte man das wohl im Hörspiel machen - das in einer allerletzten Einstellung, quasi schon im Übergang zum Abspann, noch kurz ein Blick hinten auf die Ablage des Unfallfluchtwagens fällt und man sieht da ein geöffnetes Kuvert, aus dem ein Brief ragt, der mit "Deine Petra" unterzeichnet ist o.ä. -....tjaja für sowas gibts ja auch so einen richtigen Fachausdruck. In "Nur die Sonne war Zeuge" mit Alain Delon (Remake ist der "talentierte Mr. Rippley") passiert sowas ähnliches, als ganz am Ende mit dem Segelboot auch die in der Schiffschraube verhedderte Takelage, an der dann die eingewickelte Leiche hängt zu Tage gefördert wird...
Festzuhalten bleibt: es ist eine schöne Tugend, wenn den Charakteren ein Anliegen ausserhalb des hörbaren Stückes mit auf den Weg gegeben wird. Das hilft beim Spiel, mit den diversen Emotionen und Affekten nicht so vordergründig umzugehen. Es gibt eben GUT und BÖSE nur, wenn ein moralischer Massstab angelegt wird ( und der ist, dramatisch gesehen leider immer extrem langweilig) - jenseits davon handelt es sich bestenfalls um den ehrgeizeigen Wettkampf der jeweiligen Anliegen, sich gegen die anderen durchzusetzen.
Ich bedanke mich für die Rolle, lieber Jeln, und hab hoffentlich für weitere dazugelernt.