Spirit328

Everything - STOP!
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Unbestritten ist der werte Kollege Edwin Pfanzagl-Cardone ein großer Könner seines Fachs.
Doch seine Arbeit zum BPT Mikrofon-System ... nun ja.

Nach der Lektüre des "dicken Schinkens": The Art and Science of Surround and Stereo Recording Including 3D Audio Techniques habe ich mich an die Arbeit gemacht und mir aus meinen Beständen ein BPT-ähnliches System aufgebaut. Also drei "Achten", davon zwei im 90° Winkel zueinander (=Blumlein) und das dritte darunter in der winkelhalbierenden Ausrichtung direkt auf die Signalquelle. Das sieht dann in etwa so aus.

BPT_like1.jpg

Die Mikrofone sind so angeordnet, dass die Mitte der Membran die vertikale Achse bildet, um größtmögliche Koinzidenz zu haben. Eigentlich sind in dieser Hinsicht Kleinmembranmikrofone überlegen (weil kleiner und deswege nicht so weit weg von einander), doch ist das dies der kleinere Nachteil, der durch die wesentlich höheren Signal / Rauschabstände bei den heutigen Großmembranmikrofonen überwogen wird.
So weit die Theorie!

Dann Balkontür auf, raus mit dem BPT an die frische Luft und einfach mal "Rec" gedrückt. Da kam so gar noch ein Binnenschiff vorbei und das hört sich dann so an: (alles pur ohne irgendwelches Prozessing, außer einem "Schutzlimiter", damit beim Rendering nach MP3 keine Übersteuerungen auftreten)


Wer jetzt sagt: "Das ist aber unspektakulär", dem gebe ich uneingeschränkt Recht.

Hinzufügen möchte ich, daß der Sound grottenschlecht war, als ich die Balkontüre anlehnte und damit eine Art Reflektionsfläche geschaffen habe.
Dadurch wurden die gegenphasigen Signale der "Achten hinzugemischt und das war ... :poop:
Der Autor empfiehlt von hinten eine Absorbitionsfläche anzubringen und da hakt es bei mir dann aus. Wieso sollte ich dann Achten verwenden, wenn ich sie von hinten bedämpfen soll. Dann kann ich nämlich gleich Nieren nehmen und die sind da noch besser geeignet, weil noch unempfindlicher von "hinten". Die Nieren gehen sogar noch etwas weiter "hoch" im Frequenzbereich als die Achten (bauartbedingt). Also?

Für mich zeigt sich wieder einmal, daß man seine Ohren entscheiden lassen sollte. Egal wie dick die Bücher sind, die über ein Thema geschrieben werden und wieviele akademische Grade der Autor führt und welch großartigen Mischungen er zusammenbringt.
Nun, der Edwin ist vollkommen zu Recht der Cheftonmeister der Salzburger Festspiele. Nur mit diesem Mikrofonsystem (auf das er ein weltweites Patent hat!) bin ich nicht so recht einverstanden.
Ja es bietet ein homogenes und sehr stabiles Stereobild. Es hat eine schöne Tiefenstaffelung und nicht ein "Loch" in der Mitte des Stereobildes, wie etwa ORTF.
Aber wenn ich diese Aufnahmen mit denen vom EBS-System vergleiche, bin ich mir nicht sicher, ob ich da Unterschiede höre. Außer eben in den oberen Höhen, aber da ist der Unterschied auch eher fein, als wirklich signifikant.

... und der Hammer ist, daß Nevaton sogar ein BPT Mikrofon anbietet. Wenn man den Preis sieht, denkt man zunächst, dass das die Bestellnummer sei. ;)

Wie ich schon sagte: Traut Euren Ohren und der Kaiser hat manchmal wirklich keine Kleider an.
Die Aufnahmen, die er damit macht bzw. gemacht hat sind auch über jeden Zweifel erhaben; als Gesamtkunstwerk!
Wenn man das BPT alleine hören würde, könnte es sein, dass es nur halb so großartig klingt. ;)
 
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Spirit328

Everything - STOP!
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Klasse finde ich die Passage, wo er über Ambisonic ablästert, das diese Systeme ja keine gute Lokalisation und Ortung einer Schallquelle bieten, doch dann in der "Surround 5.1" Stellung ein noch nicht mal richtiges Ambisonic System verwendet, aus dem er dann noch Surround 5.1 matriziert.

Wie gesagt, alles auf hohem Niveau, aber manchmal ...
Wenn man aus Ambisonic mindestens dritter Ordnung (also mind. 16 Mikrofone, besser mehr) eine 5.1 Surround Mischung rendert, dann wird das ganz ordentlich. Weil man von vielen Informationen auf weniger Informationen herunter mischt. Wenn man aber (so zusagen) mit einem Ambisonic System 0,5 Ordnung (es fehlen alle Höhen Informationen und die Verteilung auf das Surround Klangbild ist jetzt auch nicht so prall!), dann wird kann das nicht so gut werden.

Ich habe, als ich vor über zwei Jahren anfing mich mit Ambisonic zu beschäftigen, genau so ein System aufgebaut. Also zwei Achten in 90° (=Blumlein) und eine "Kugel". Das ganze durch die IEM Plugin-Suite gedreht und schon war Surround, aber seit ich die höherwertigen Systeme kenne ... ist das nicht mehr ganz so toll.

Nun sind die Kollegen bei den Salzburger Festspielen eher hinter Stereo-Aufnahmen her, also passt es schon wieder. Aber Surround (und das auch "nur" in 5.1) ist das eher theoretisch, denn praktisch.
Der liebe Edwin hat sicherlich eine Menge Geld in die Patente gesteckt und versucht es jetzt zu vermarkten. Das ist ehrliche Arbeit und nicht verwerflich. Aber das Preis-/Leistungsverhältnis ist nicht auf der Seite der Leistung ;)

Ich versuche das nachher vielleicht noch mal mit meinen "Großmembranern" (AKG C 414). Das sind keine Nevatons, aber auch nicht ganz schlecht.
Vielleicht klingt es ja dann ein bißchen besser. :)
Bis dahin bleibe ich bei Ambisonic, weil ich daraus wirklich alles mischen bzw. rendern kann. :)
 

Spirit328

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So, jetzt habe ich mal den Aufbau mit vier AKG C 414ern gemacht:

20230717_195800.jpg
Dem aufmerksamen Beobachter wird aufgefallen sein, daß hier VIER C414 zu sehen sind, obwohl man für BPT "nur" drei mit Achter-Charakteristik benötigt.
Das ist korrekt. das ganz rechte C 414 XLS ist eine koinzidente "Kugel", für den zusätzlichen Bass.
Die beiden goldenen C414 XL II bilden den typischen Blumlein Anteil und das untere, silberne C 414 XLS bildet die zusätzliche "Acht", mit der aus dem Blumlein ein BPT wird.

Jetzt regnet es hier seit Tagen immer dann, wenn ich mal Zeit habe, deswegen stehen die Aufnahmen noch aus. Ich bin da bekennender Feigling, mit solchen Mikros rauszugehen, wenn auch nur die Möglichkeit eines Regens über 5% liegt. :)
 
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Spirit328

Everything - STOP!
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Irgendwie hat das jetzt alles länger gedauert, als geplant!

Ich habe aus den originalen Aufnahmen (3! Spuren) eine ITU 5.1 Surround Mischung gemacht. (nach dem Rezept des Erfinders)
Leider ist die Datei ca. 270 MB groß, also viel (!) zu groß für hier. Also gibt es einen Link zu dieser Datei und der ist HIER.

Obwohl die Achten eingeschränkte Fähigkeit im Hochtonbereich (bis rund 16 kHz, -6dB) haben, hat diese Aufnahme dennoch einen ganz gut um- bzw. einhüllenden Sound.
Auch die Ortung ist nicht schlecht. Doch, wenn ich vergleichbare Aufnahmen mit einem nativen Ambisonic B-Format Mikrofon-System mache, klingt das nicht nur natürlicher, sondern sowohl im Bassbereich, als auch im Hochtonbereich transparenter, klarer und druckvoller. Obwohl auch im Ambisonic B Format mit 3 "Achten" gearbeitet wird, jedoch kommt hier eine "Kugel" hinzu, die an vielen Stellen ergänzt.
Da ich eh mit einem 4 Kanal-Handheld Recorder arbeite und ein 4-fach Multicore verwende, ist der Aufwand nicht wirklich größer, wenn man von dem einen zusätzlichen Mikrofon ("Kugel") und seiner Halterung absieht.

Für BPT spricht, das man hier ganz einfach eine Stereo-Summe ("Blumlein") abgreifen kann, die nicht nur sehr homogen und ausgewogen klingt, sondern sehr einfach zu erzeugen ist: Man verwendet "nur" Spur 1 & 2. Fertig! :)

Ehrlich gesagt, ist der Aufwand aus Ambisonic B-Format eine Stereo-Summe rendern zu lassen zwar höher, aber nicht wirklich viel. :)

Da ich bei BPT meine C 414 verwenden kann, komme ich, was das Eigenrauschen betrifft in Bereiche, die mit dem anderen System bzw. Mikrofonen nicht machbar sind.
Zwar kommen die Membranen bei den C 414 bauartbedingt nicht so nah an einander, wie bei den Kleinmembranmikrofonen, aber ich bin mir nicht sicher, ob man den Unterschied wirklich hören kann, bzw. ob sich Probleme durch die kleinen Abstände ergeben.
Rein rechnerisch, sollte das nicht ins Gewicht fallen, wenn der Abstand von der Schallquelle zum Mikrofon-System groß bzw. sehr groß ist, im Verhältnis der Abstände zueinander. Nun, die Abstände sind im Bereich von ein paar Millimetern und die Schallquelle ist rund 30 m entfernt gewesen. Also durchaus ... groß. :)
 
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