• Blut-Tetralogie   Dark Space

A. Weltenbruch

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Als ich die Zeitung aufschlage, wird mir zum ersten Mal bewusst, wie es sich anfühlt, sich unsicher in den eigenen vier Wänden zu fühlen. Dieses Gefühl, das Leute wahrscheinlich haben, wenn bei ihnen mal eingebrochen wurde, diese tiefe, tiefe Unsicherheit, die wie ein Hintergrundrauschen ständig präsent ist.
Ich bin der Schlüsseldienst, wie mich die Zeitungen nennen. Ich bin Einbrecher – also normalerweise bin ich die Person, die solche Gefühle ausliefert und im Gegenzug viel Geld einsteckt. Eigentlich bin ich gar kein Einbrecher gewesen und es ist vollkommen zufällig passiert. Eines Tages kam ich von meiner Arbeit als Metzger und habe nach meinem Schlüssel in der Tasche gekramt und da war ein weiterer an meinem Schlüsselbund. Ein unscheinbarer Schlüssel, den ich nicht zuordnen konnte. Damals hatte ich mich gefragt, ob ich vielleicht einen Schlüssel nachgemacht hätte, aber daran konnte ich mich nicht erinnern – vielleicht meine Freundin? Ich probierte ihn an der unteren Türe aus und er passte. Und … ich kürz das mal ab, er passt ihn jedes Schloss. Meine Freundin hat keinen Schlüssel nachgemacht und auch sonst weiß ich nicht, woher ich ihn habe, er war einfach da und gewährt mir überall hin Zutritt.
Und ich habe angefangen – in der Nachbarschaft – tatsächlich nicht im Sinne eines Diebstahls, aber ich habe da einen Nachbarn, der sich Dinge ausleiht und dann nie oder nur viel zu spät zurückgibt und ich bin in seine Garage eines Nachts und habe mir mein Hab und Gut zurückgeholt.
Dabei blieb es natürlich nicht und mittlerweile breche ich so oft ein, dass ich mir meine Miete finanziert habe. Wenn man ohne Spuren ein Haus betreten kann und immer nur ein bisschen nimmt, fällt es meist nicht einmal auf, dass jemand etwas gestohlen hat. Und wenn sie es bemerken, stellt die Polizei das Verfahren meist ein – ein paar Berichte in der Zeitung, aber die Polizei kann ja nichts machen. Ich bin ja auch kein Unmensch – ich nehme wirklich immer nur ein wenig, nie so viel, dass die Person, der ich es nehme, in wirkliche Schwierigkeiten geraten sollte.
Aber jetzt stehen die Dinge anders. In der Zeitung wird von einer Einbruchsserie berichtet, die ich nicht begangen habe. Sechs Häuser in einer Nacht.
Irgendjemand bricht in die Häuser der Nachbarschaft ein und nimmt sich nicht nur ein paar Scheine oder Münzen, er räumt alles leer – natürlich ohne eine Spur. Keine erkennbaren Einbruchsspuren.

Ich habe mich oft gefragt, woher der Schlüssel kam, aber ich hätte mich fragen sollen, ob ich wirklich der einzige bin, der so einen Schlüssel hat.
 
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