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Tom_Thomsen

1 – Ein Tag nach der Stunde Null

Stille kehrt ein. Die Waffen sind für diesen Augenblick ruhig. Sie lauschen bedächtlich dem Säbelrasseln.
Ein Schauspiel der anderen Art bekommen sie zusehen. Etwas Neues, Unverdorbenes, vielleicht auch Besseres.

Hauptmann ruft >>Laden und entsichern Sol-da-ten, es geht gleich weiter!<<

Schöner hätt ich`s auch nicht sagen können, wenn ich es sagen wollte. Ich will, will leben Herr Hauptmann der du im Bunker am Platze hockst. Will sehen die eine oder andere Schönheit, vielleicht auch mit Bergen, `ne Wiese wäre auch gut. Die Schlacht ist die Schlacht der Schlachten. Ein Weichen, ein Zurück, gar ein Zusammenbrechen ist nicht alternativwürdig.

>>Wer flüchtet bekommt meinen Säbel zu spüren!<< schreit der Hauptmann durch die Linie.
Aber Herr Hauptmann, du Wachmann, ich sag dir nur >>Kannst mich gar nicht bestrafen. Wirst mich ziehen lassen, du der den Geruch des Schlachtfeldes aus den Wege gehst. Schreist in der Stille, schweigst im Lärm.<<
Ich rufe dann >>Zu den Waffen, zu den Waffen! Schlag sie notfalls nieder, aber haltet diese verfluchte Linie, haltet die Stellung, wir schaffen das!<<

Laufe durch die Reihen und empfange den einen und den anderen Blick. Der gemeine Soldat kniet in seinen barackigen Stellungen, dabei das Gewehr im Anschlag, den Feind im Visier. Schuss um Schuss, Mann um Mann, fällt. Laufe weiter, ein provisorischer Schuss hier und da, denn laufen muss ich.

Rufe immer wieder >>Haltet die Linie! Kämpft Männer!<<

Kämpft bis kurz vor Schluss, möchte ich dazu sagen, weil ich weiß das der Kampf eigentlich verloren ging an dem Tag unserer Ankunft. Sie kämpfen wie die Bären, fauchen wie die Löwen den Feinden ins Gesicht. Stolz erfüllt mich. Ein Schuss Übermut überfällt mich. Anfänglich ziehe ich noch einige Flüchtlinge zurück, doch nun liegt meine Konzentration auf der Schlacht der Schlächter.

Rufe wieder >> Seht wie sie rennen, seht wie sie laufen, sie laufen! Bajonete, Bajonete!<<

Ich rufe aus vollen Leibeskräften dieses eine Wort.

Die Antwort lautet >>Bajonete, Bajonete, Bajonete!<<

Sie grölen und grunzen, jauchzen und schielen aus allen Löchern. Siegermut steigt in mir auf. Wieso? Bin ich stolz auf das was ich gleich anfangen werde und nie aufhören wird?

Ich höre jemanden mich anschreien>> Ach, hören sie schon auf das was geschehen ist zu verherrlichen!<<
Ich frage zurück >> Was ist denn passiert?<<

Ich vernehme nur ein Wort, das so eindringlich wie schallend in mein Gehör einschlägt

>> Vieles. <<

Ich kann seine Aufregung nicht verstehen, denn ich bin ein Soldat. Was erwartet er von mir? Etwa das ich der Welt Frieden bringen mag?

Schaue ihn mit meinen Schlachtenblick feste an und sage dann >>Bin Soldat und erledigte meinen Job. Wäre ich ein Schlachter vom Beruf, ja dann hätten sie einen Anspruch auf eine Entschuldigung, aber ich bin nur ein Soldat der seine Arbeit gut und gerne nachging.<<

Schaue in die Runde der Aufrechten. Sehe ich etwa Verachtung und Ächtung? Sie verstehen nicht, sie wollen es nicht, sie müssen es auch nicht, aber eins dürfen sie nicht, mich verurteilen. Haben sie es getan, verurteilt? Nur die, die ein Gewissen besitzen können bestraft werden. Für die Anderen ist es nur ein Missverständnis. Ich habe ja den Willen, aber nicht die Güte.

>>Ich habe Schuld!<< Das kann ich sagen, weil ich rief >>Bajonete, Bajonete, Bajonete aufsetzen!<<

Sie stürmten und krochen, liefen und waren alle miteinander verflochten.

Ich sage den Nichtverstehern >>Wir unterscheiden uns in vielen Dingen, aber eine Gemeinsamkeit haben wir alle, die wir hier sitzen, wir sind alle Menschen. Wir sind damit auf ewig verbunden, weil wir alle das gleiche Blut des Unrechten in unseren Venen haben und nur die Starken es benutzen können, um Dinge zu verantworten, die nicht akzeptabel sind für unser eins.<<

Da ist es wieder das ungläubige Kopfschütteln. Sollte ich sie noch mal auf meinen Beruf hinweisen, denn ich bin nur ein kleiner Soldat im großen Fischbecken der Verdorbenen.

Der Soldat denkt
~Jetzt nen leckeren Kartoffelsalat mit Sahne, Speckwürfeln und schwarz-golden angebratenen Zwiebelscheiben, garniert mit ein paar roten Paprikastreifen. Bei diesen Gedanken läuft mir das Wasser direkt aus meinen Beinen in meinen Mund. Damals, auf der Linie oder eher an der imaginären Linie, habe ich mich oft nach nem Fass Kartoffelsalat gesehnt. Vielleicht auch noch eine Bockwurst und 33 Salatblätter, krumm und schief ist recht, denn perfekt ist nichts außer das Soldatentum.~

Ich rufe ihm zu >>Ich bin im Recht gewesen! Ein Soldat fragt nicht nach dem Sinn eines Befehls. Er fragt nur nach der Ausführung. Man kann von uns Anstand erbeten. Verlangen kann man sie nicht.<<

Selbst wenn ich etwas verhindern konnte, hätte es an der Gesamtsituation was geändert, Herr Richter der du zum zweiten Mal im Sessel sitzt? Deine zweischneidige Hand, die du nun vor mir erhebst, ist ziemlich heuchlerisch oder nicht, Richterchen? Ich bin Soldat und kann mich auf meine Soldatenethik berufen, die mir keine Wahl lies, aber du Schelm, du bist grandios in deinen Handlungen. Dir macht keiner etwas vor, der du nach Gewissen und Rechtsschrift handeln magst. Wo ist deine Entschuldigung?

Du sagst lapidar und hälst dabei die Hände im Schoß des Gerechten >> Ich bin Richter und klage an. Mich kann und darf niemand anklagen, weil ich sonst meinen Richterstatus gegen den eines Angeklagten eintauschen müsste. Ich bin hier immer noch der Richter über Recht und Unrecht -gleich welchen Gesetzestextes- das einzig legitime Werkzeug des Anstands menschlicher Existenz.<<
Lasse nicht locker und frage weiter >> Sag wie hat es sich angefühlt diese armen Burschen in den Tod zu schicken? Ich habe nur geschossen. Das Denken nie zugelassen. Du aber hingegen fandest Erklärungen. Welch scheinheilige Begründungen du fandest. Mal die Rasse, mal das Denken und natürlich das Handeln. Doch nichts erklärt einen heimtückischen Mord nach Gesetz und Wahl. Bin nur froh, dass der Regen die Beweise weggespült hat, denn seinen wir mal ehrlich - was nur selten bewiesen wurde – das war schon ´ne Sauerei damals.<<

Die Schlacht lässt keine Wahl zwischen Gnade oder Ungnade zu. Die Schlacht dauert solange wie es noch Schlachter gibt. Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Wir sind alt geworden - zumindest einige von damals - nicht wahr? Manchmal passiert es und ich werde von Ehemaligen wieder erkannt. Sie tragen die Brandmale von damals immer noch mit sich herum. Wieso eigentlich? Wir hatten ja keine Möglichkeit der Verweigerung. Manchmal erkenne auch ich den Einen oder Anderen wieder. Sofort höre ich die Schreie nach den Bajoneten, die ihre Leiber durchbohrten und mich verantwortlich machten.

Der Soldat denkt
~Bah, von wegen unschuldig. Die und unschuldig? Jeder von denen ist schon schuldig aufgrund ihrer Herkunft. Ja-ja, es ist nur eine Religion, aber ich sage das ist mehr, sogar vielmehr. Es ist eine Lebenseinstellung, die über die Perversität des praktizierten Lebens auskunft gibt. Diese Bande ist von geburtan minderwertig, ja-ja unschuldig, aber ich habe ein Recht auf das Denken eines Soldaten. Ich werde dafür bestraft, damit habe ich wohl das Recht, zugleich die Pflicht, erworben so denken zu dürfen!~

Selten frage ich mich, ob ich recht habe.

Ich sage dann zu meinem Hirn >>Ich bin im Recht, ich kann nichts falsch gemacht haben, weil sonst meine Existenzberechtigung verworfen wäre, die ein jeder, von Beginn seines Lebens, besitzt. Ich muss im Recht sein. Ich hatte nie den Befehl zu fragen, gar zu denken. Habe ich was falsches getan? Du meine Moralphilosophin in mir, sag mir bitte nicht die Wahrheit. Ich kann sie spüren, sag mir nur was ich hören will, bitte.<<

Was ist aus mir geworden? Bin nicht mehr Soldat auf dem Schlachtfeld, doch höre ich noch immer ihre Schreie, ihr Flehen. Ich rief nur >>Lasst das Betteln ihr unwissenden Geister. Ertragt es wie ein Soldat. Gleich is' es wieso vorbei.<<

Laden und entsichern, so hieß das Spiel, laden und entsichern. Keine 10 Sekunden braucht es, um als Massenmörder unter den Nichtverstehern zu gelten. Wenn ich es nicht getan hätte, dann wärst du womöglich derjenige gewesen. Dieses Gefühl der prachtvollen Erhabenheit über das Leben kann sich kein menschliches Lebewesen entziehen. Du streichelst sie, ganz zärtlich, ganz sanft bis sie es auch spürt, dass du sie lieb hast und dann der Finger schnellt nach hinten, sie wehrt sich noch anfänglich, doch du hälst sie ganz feste, will dir entwischen, aber dir entkommt sie nicht. Sie raucht ein wenig. Streichelst sie wieder und sagst leise >>Gut gemacht.<<

Es ist vorbei. Das Einzige was übrig bleiben wird -wie immer- sind die Blutlarchen.

>>Nur die Körper sind wichtig!<< ruft der Hauptmann. >>Den Rest könnt ihr vergessen.<<

Hast du vergessen was war, alter Freund und guter Soldat? Ich habe es nicht und plage mich, denn da war sie. Stand unschuldig da. Das Kleidchen schon ganz zerrissen und doch im Glanze der Sonne makellos. Warum lief sie nicht davon, warum bat sie nicht um Gnade? Bin Soldat, aber doch kein Monster! Ich hätte sie gehen lassen. Ich hätte sie verstecken können.

Niemand hätte was gesagt, außer vielleicht >>Wenn du fertig bist bin ich der Nächste.<<

Ich hätte gelogen, hätte mich für sie verwundet, ach hätt ich nur. Kein Schrei war zu hören, keine Münze ist gefallen und doch dröhnte es in meinen Ohren. Bin alt geworden. Bin still gewesen. Nicht weil ich`s musste, nein, weil ich`s wollte. War in meinem Leben schon laut genug. Diese Rücksichtnahme hätte ich von einigen mehr erwartet. Jeder kann schlecht Handeln, man sollte dann nur leise reden, denn es gibt einen Unterschied zwischen dem schlechten Handeln, dem schlechten Reden und dem schlechten Aussehen. Niemand will schlecht aussehen vor all der Welt gespickt mit Menschen. Gut manch einen wird’s egal sein, weil er unschuldig sei, aber wir -die Schlechten- können uns solch Luxusgut nicht gewähren.

>>Lassen sie mich deutlich erwähnt haben. Es gibt keinen guten Soldaten im moralischen Sinne. Wir haben unsere Soldatenethik, die uns Absolution erteilt!<< schreie ich ihn an. >>Wir sind damit seelisch unverwundbar.<<

Ich fühle mich aber nicht so, nicht mal so ähnlich. Schäbig, ja das ist es was mein Seelenheil ein wenig skizziert. Ich fühle mich schuldig, obwohl ich sagen mag, dass ich keine Schuld auf mich geladen habe egal wie viele Geister ich zum Leben erweckt habe. Bin alt und grau, war nie wirklich intelligent. Nach meiner Soldatenzeit ging es mir eigentlich nie richtig schlecht. Sicherlich gab es auch mal Schwierigkeiten, doch nie welche, die meine Existenz in den Grundsätzen erschüttert hätten. Hab keine Sekunde lang gehungert oder um etwas bitten müssen. Man kann von einem guten Leben reden. Schnell fand ich meine Kriegskollegen wieder. Es waren für mich nie Bewerbungsgespräche im eigentlich Sinne. Es waren mehr Wiedersehensfeiern. Man umarmte sich herzlich, klopfte sich ab und schmeichelte den Anderen so sehr wie es nur worttechnisch möglich war. Kein positives Adjektiv konnte klein genug sein oder fehl am Platze als das man es nicht gesagt hätte. Es war einfach schön altbekannte Gesichter zu sehen, denn die Anderen -in meinem Kopf- konnte ich ja niemals wiedersehen. Ich arbeitete mal ein zeitlang beim Major, dann auch mal für den General, aber besonders gerne arbeitete ich für den Leutnant. Er war immer so ein lustiger Kerl. Das war er auch schon Gestern. Machte immer seine Späßchen mit den Leuten- hab es nie verstanden.

Ich habe ihn deshalb mal gefragt >> Sag mal Leutnant, warum bist du so froh?<< Er strahlte und schoss wie eine Gewehrsalve mit der Antwort heraus >>Schau nach Oben. Was du da siehst ist nicht der Himmel. Es ist die Erfüllung all deiner Träume.<<

Ich schaute nach Oben zum Ort der Träume, wo ich gerne einmal mit den Engel gesungen hätte, aber für mich bleibt nur der Lärm gefolgt von unbändiger Stille zurück. Einen Blick an den Leutnant gerichtet lässt mich sein Grinsen erkennen. Bin alt geworden -das habe nicht erwartet. Schlachten geschlagen mehr als zwei Mal. Habe sie überlebt, aber habe ich sie auch gewonnen? Kann ein Kampf einen Sieger haben? Kann es jemals Glückliche und /oder Siegreiche geben? Ich weiß schon jetzt wo ich einmal landen werde. War beim Priester, er sieht es wie ich. Ich bin ihm nicht böse, denn ein Soldat tut was ein Soldat eben tut- laden und entsichern, laden und entsichern- sonst nichts.

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Also es ist die erste Kurzgeschichte- inspiriert nach dem Anschauen einer Aufzeichnung des Theaterstückes "die Ermittlung" von Peter Weiss- aus einer thematischen Triologie, wobei es noch einen vierten Text geben soll. Inwiefern mich die Muse küsste- vorallem wann- ist unklar. Die Reihe habe ich entsprechend " Die Quadrologie der Schuld" genannt.

Sollte jemand geneigt sein die Geschichte einsprechen zu wollen so sei erwähnt; 1. Ich möchte es gerne vor Freigabe hören, 2. So nervige Hintergrundmusik fortlaufend- am Anfang, sprich Intro, sowie Abspann ist ok- mag ich nicht und gebe deshalb keine Freigabe. Also ein seichtes Jazz- oder Blues- oder Klavierspiel fänd ich gut.

Ich hoffe es gefällt. Gruß Tom
 
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