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Gelöschtes Mitglied 1980

Okay...das Poltergeist-Remake...


Erstmal stellt sich die Frage, warum ein solcher reeehehelativ zeitloser Film ein Remake braucht. Abgesehen von dem im Moment hochsprudelnden "Haunted House"-Trend und dem damit einhergehenden Remake-Trend, sehe ich da überhaupt keinen Grund zur Veranlassung.


Dann die Frage, warum eine Qualität, die das Original ausmachten, nämlich subtiler (!) Grusel mit Spannungsbogen, durch billige und vorhersehbare Jumpscares ersetzt wurde? Warum ein Spannungsbogen, der sich bei einem knapp 2 Stunden andauernden Film langsam und intensiv aufbaut, um sich im letzten Drittel grandios zu entladen, auf 1 1/2 Stunden und nur auf die wesentlichen Handlunssäulen runtergebrochen wurde. Entsprechend runtergerasselt wirken auch diverse Plotpunkte, während sich auf andere stark konzentriert wird, ohne zu einer Auflösung zu kommen. Das versteh ich nicht. Aus Erfahrung weiß ich, das Sam Raimi (hier als Produzent tätig) das eigentlich besser kann. Ich befürchte hier stark das Prinzip des "Heimkinomelkens". Soll heißen: Ich kann mir gut vorstellen, dass der Film in seiner Heimkinoauswertung einen Special-Unratet-Never-Seen-Before-Directors-Cut bekommt, der eine halbe Stunde länger ist und besagte Handlungsstränge zu Ende führt.


Die Eltern, die im Original eigentlich recht coole Charaktere sind, die sich abends auch gern mal nen Joint reinziehen und alles in allem echt liebenswert sind, wurden im Remake ebenfalls...nun...vereinfacht. Hier haben wir die "Schriftstellerin", die versucht, ihr erstes Buch zu schreiben (wo haben wir das nur schon vorher gehört?) und den frisch arbeitslos gewordenen Ehemann (auch nicht unbedingt ein Novum im Genre). Während die Mutter insgesamt zwar recht liebevoll mit ihren Kindern umgeht, bleibt sie charakterlich leider ein totales Abziehbild, bzw. eine recht lieblose Aneinanderreihung von Klischees.
Die Mutter im Orginal hatte buchtstäblich einen Heidenspaß daran, mit dem übernatürlichen Erscheinungen rumzuexperimentieren. Sie hatte Spaß, Herz und vor Allem Charakter.
Der Vater sieht aus wie Low-Budget-Tom Cruise und ist in seinem Verhalten ein Grenzwertiges Arschloch.
Nicht so sein Original, wo er zwar ziemlich sarkastisch war, aber tortzdem ein liebevoller Working-Class-Hero.
In dem Kontext versteh ich übrigens auch eine Sache nicht. Die Famillie hat keinen Job, kein Geld, wie immer wieder betont wird, und keine Ahnung, wie es weitergeht. Was aber scheinbar gar kein Problem darstellt (wer die Anspielung mitkriegt ist gut! ;) ), denn sie kaufen sich ein Haus, die große Tochter hat ausschließlich Apple-Ausstattung (wer DA wohl in der Produktion die Finger drin hatte...), kriegt sogar ein neues Handy geschenkt, der Sohn einen Quadcopter (für Apple-Ipads...) und die Mutter einen teuren Ring. Woher der Vater das Geld für den ganzen Kram hatte, wird nicht klar. Es wird auch nicht weiter drüber gesprochen und wirkt eigentlich nur, wie eine Möglichkeit, den Quadcopter für später einzuführen. Außerdem haben die guten Leute in mehreren Zimmern fette Flachbildfernseher stehen. Letzteres mag inzwischen üblich sein, da will ich mich gar nicht mal drüber aufregen.


Dann sind da noch die Kinder. Die älteste Tochter ist ihrem Vorbild getreu eher Nebensache stört aber auch nicht weiter. Der Sohn, mittleres Kind, ist einer von "diesen" Jungs. Diese Art von unrealistischen ca. 10jährigen, wie wir sie auch schon aus Filme wie "Signs" kennen, die alles wissen, die bessere Übersicht haben und letzten Endes die eigentlichen Helden des Films sind. Seltsamerweise scheint er der intelligenteste der Familie mit der schnellsten Auffassungsgabe zu sein.
Dazu passend ist auch direkt der Fokus von den Eltern zu den Kindern verschoben, die hier deutlich mehr Screentime haben, als die Eltern.
Die kleinste Tochter, die auch später tatsächlich entführt wird, hat eigentlich keine Persönlichkeit, von der man sprechen kann, sondern ist mehr eine Art McGuffin, wegen dem die Geisterforscher ins Spiel kommen.


Ach ja...die Geisterforscher. Einer ist Wissenschaftlerin und tritt auch entsprechend nüchtern und nur wenig warmherzig auf, wodurch sie sich krass vom Original unterscheidet. Einer ist Expertin für Videomaterial und Technik-Gadgets und einer ist, man kann es nicht anders sagen, Arsch vom Dienst, der als nicht sonderlich intelligent hingestellt und generell als Handyman eingesetzt wird.
Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war, oder nur ein blöder Zufall ist, aber es ist interessant zu sehen, dass die Männer (der Sohn zählt noch nicht als Mann) hier bis auf eine Ausnahme, auf die ich später zu sprechen komme, primär unfähig oder Arschlöcher sind.
Im Original zieht zum Beispiel der Vater die Geisterforscher zu Rate, im Remake ist es die Mutter. Die Geisterforscher scheint auch dementsprechend angepasst worden zu sein, so dass der dunkelhäutige Videospzialist aus dem Original zur dunkelhäutigen Gadget-Spezialistin umgeändert wurde.
Wie gesagt, das kann alles Zufall sein, interessant ist es aber trotzdem.


Was ich im Remake außerdem vermisst habe, ist das kleinwüchsige, charismatische und auf ihre verschrobene Art und Weise trotzdem liebenswürdige Medium Tangina.
Sie wurde durch einen Geisterjäger mit eigener Fernsehshow ersetzt, der seine Sache zwar ganz gut macht, und sich sogar indirekt von seiner Show distanziert ("Ich werde diesen Spruch nicht sagen!"), aber trotzdem nicht so viel Charisma hat, wie Tangina.


Besonders aufgeregt haben mich zwei Dinge. Meiner Meinung nach war einer der Faktoren, die den Film gruselig gemacht haben, die Tatsache, dass man als Zuschauer nicht wusste, was auf "der anderen Seite" vorging oder wie sie aussah. Was wir wussten, bekamen wir durch Erzählungen und der geisterhaften Stimme der kleinen Tochter von der anderen Seite vermittelt. Das Kopfkino spielte hier eine große Rolle. Und das find ich gerade in einem solchen Film extrem wichtig.
Im Remake wurde nicht wirklich irgendwas der Phantasie überlassen. Suspense kam so gut wie nie auf, da wir wirklich ALLES gezeigt bekamen, meist mit dem üblichen "das-böse-kommt-mit-großem-Tam-Tam-auf-mich-zugerannt-weil-das-hier-ein-3D-Filme-ist"-Effekt. Da mögen unerfahrene Gruselfilmgucker bei den ersten 3 Malen noch zusammenzucken, danach dann aber auch nicht mehr.
Das zweite Ding ist einer der coolsten Effekte im Original, der auch im Kontext Sinn machte. Während des Finales wird das Haus in sich selbst hinein und von dort in die Geisterwelt gezogen. Im Remake sehen wir das Ende des Hauses nur aus der Ferne und auch das erinnert mehr an die Explosion des Verbannungscontainers aus dem ersten Ghostbusters-Film. Ich weiß nicht, ob der Effekt aus dem Original überhaupt angestrebt wurde, falls ja, hat das nicht geklappt.


Merkwürdig muteten auch diverse Referenzen an das Original an. Allen voran das Gespräch während einer Dinnerparty, in dem klar wird, das das Haus auf einem alten Friedhof, der umgesiedelt wurde, erbaut wurde. Das wäre aber nicht weiter tragisch. Es ist ja nicht so, als wäre es ein alter INDIANERfriedhof gewesen, ahahahahahahar...
Gnarf.
Im Remake erbricht der Vater nach einem guten Schluck aus der Whiskey-Flasche einen Haufen Würmer ins Waschbecken. Ich kann nur vermuten, dass das eine Anspielung auf den Tequilawurm aus dem zweiten Poltergeist-Film ist, die dort aber sehr viel besser ausgeführt wurde und mehr Sinn machte, da der Vater dort Tequila getrunken hat.


Ist das Poltergeist-Remake also ein per se schlechter Film?
Nein. Kann ich so nicht sagen. Für das, was der Film ist, losgelöst vom Original, macht er vieles richtig. Die Effekte gehen in Ordnung, CGI wird relativ dezent genutzt, die Übertragung in die 2010er funktioniert. Auch die Schauspieler machen im Großen und Ganzen einen passablen Job. Also als reines Haunted House-Filmchen, geht das Poltergeist-Remake durchaus in Ordnung, wenn es auch nicht wirklich aus der momentanen Masse heraussticht (hier sei als Alternative "Insidious" empfohlen).


Als Remake ist dieser Film aber total überflüssig, weil er nicht nur hinter dem Original weit zurückbleibt, sondern auch hinter zahlreichen seiner Konkurrenzfilme.
 
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Vollbard

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Sprechprobe
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AW: Poltergeist (Remake von 2015)

kurz gesagt:
ich war im kino und fand den film richtig schlecht .... da lob ich mir immer noch die originalen mit " komm zu mir carol ann" ... ;-)
 

schaldek

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AW: Poltergeist (Remake von 2015)

@Dennis: "Poltergeist - Das Remake" kenn ich zwar nicht, dafür aber:

"Otto- Der Film"

...wenn das die Anspielung war...
 
G

Gelöschtes Mitglied 1980

AW: Poltergeist (Remake von 2015)

Jau! Das war genau die Anspielung, schaldek :) Well done.
 
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