Poldi

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Ein plötzlicher Todesfall (J.K. Rowling)

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Erster Eindruck: Blick hinter die Kulissen der Kleinstadt

Barry Fairbrother, ein Gemeinderatsmitglied im englischen Pagford, stirbt eines unerwarteten Todes. Doch statt den Lokaljournalisten zu betrauen, stürzen sich die Bewohner der Kleinstadt in Intrigen und Machtkämpfe, um die freigewordene Stelle im Rat zu bekleiden. Und während die Wahl langsam in die heiße Phase übergeht, werden die Waffen immer schärfer…

Was macht eine Autorin, die eine der erfolgreichsten Buchreihen überhaupt und die meistverkauften Romane der letzten Zeit geschrieben hat, die zu den reichsten Frauen Englands gehört und nicht nur mit dem Verkauf der Bücher, sondern auch mit Merchandise, Filmumsetzungen und sogar einem Freizeitpark genug verdient hat, um nie wieder auch nur einen Finger krümmen zu müssen? Die Antwort – zumindest was Joanne K. Rowling betrifft: Sie schreibt etwas völlig anderes, etwas unbekanntes, das ihr aber sehr am Herzen liegt. Und so ist „Ein plötzlicher Todesfall“ entstanden, ein wirklich außergewöhnlicher Roman. Zu Anfang ereignet sich der Tod von Barry Fairbrother, was die nachfolgenden Ereignisse auslöst. In den ersten Kapiteln widmet sich Rowling der Vorstellung gleich mehrerer Charaktere, deren Schicksale geschickt miteinander verwoben sind. Trotz der Vielzahl an verschiedenen Rollen fallen das Verständnis und das Wiedererkennen erstaunlich einfach. Die Geschichte besteht vorrangig aus den Machtkämpfen der Bewohner und der Darstellung extrem kaputter Familienverhältnisse, der Zurschaustellung menschlichen Egoismus. Viele schockierende Szenen reihen sich aneinander, und egal ob Eltern ihre Kinder auf das Wüstete beschimpfen, deren Sprösslinge emotionslosen Sex auf einem Friedhof haben oder immer neue Kapriolen geschlagen werden, die immer mehr an Würde und Taktgefühl vermissen lassen – Rowling hat ein erschütterndes, schockierendes und spannendes Werk geschaffen. Die Sprache ist dabei roh, der Ton rau, die Charaktere ausführlich beschrieben. Und dann am Schluss eine unerwartete Wendung, die aus der sich immer weiter steigernden Handlung resultiert. Natürlich ist die Darstellung der Ereignisse extrem, doch es ist ein realistischer Ansatz erkennbar – was das Ganze nur umso erschreckender macht. Ein sehr ungewöhnlicher Roman, voller Abgründe, und gerade deshalb so hörenswert.

Als Sprecher wurde Christian Berkel ausgewählt, der mir aus noch nicht allzu vielen anderen Produktionen über den Weg gelaufen ist, sodass seine Stimme auf mich frisch und unverbraucht gewirkt hat. Sein Ton ist ebenso rau und hart wie die verwendete Sprache, beides kann sich bestens ergänzen. Er legt viel Energie in seine Worte, sodass die Emotionen der Personen ungefiltert beim Hörer ankommen. Mir gefällt auch, wie er in der wörtlichen Rede mit Betonungen spielt und so viele Facetten der Charaktere herauskitzelt.

Das Hörbuch ist auf drei MP3-CDs gepresst, die Lesung ist ungekürzt. Das schlichte Titelbild, das auch schon von der Buchausgabe bekannt ist, enthält mit dem gelben Rahmen, dem einfarbig roten Hintergrund und dem schlichten Schriftzug nur ein Kreuz wie auf einem Wahlzettel, was durchaus ansprechend ist. Im Inneren wurde ein aus stabiler und ansehnlicher Pappe gefertigtes Digipack untergebracht, das die typischen Kurzinfos zu Autorin und Sprecher bereithält.

Fazit: Deutliche und direkte Sprache, viele verstörende Charaktere, Intrigen, Wut und Hass – all das wird beim Blick hinter die Kulissen der Kleinstadt offenbart. Beeindruckend und eindringlich.

VÖ: 5.November 2012
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-86717-975-1
 
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