Auch diese Geschichte erschien damals innerhalb der Sinclair-Hefte, obwohl sie ja eher der Fantasy zuzurechnen ist. Aus heutiger Sicht muß ich sagen, das mir die Namen der Personen und Orte überhaupt nicht mehr gefallen. Ich würde heute wahrscheinlich Bezug auf echte Schlachten nehmen, aber na ja, ich war jung und brauchte das Geld.

Die zweite Schlacht um Breturan
von Frank Hammerschmidt

Regentropfen rannen über sein Gesicht. Oder waren es Tränen?
Brian stand fast allein auf dem Schlachtfeld. Nur wenige hatten die Kämpfe um die Provinz Breturan überlebt.
Die toten Körper der Gefallenen bedeckten die weiten Wiesen vor der Stadt. Unter ihnen auch der Lord von Packton, dessen Knappe Brian gewesen war.
Sein Herr lag bäuchlings im Schmutz, durchbohrt von der Klinge eines Heiden. Brian drehte den toten Körper herum. Er schreckte etwas zurück, als er in die gebrochenen Augen seines Herrn blickte. Mit zwei Fingern schloß er sie.
Nie würde Brian sich verzeihen können, daß er seinen Herrn im Stich gelassen hatte. Nur an sein eigenes jämmerliches Leben hatte er gedacht. Feige wie ein Strassenköter war er davongelaufen, als der Feind sich auf sie stürzte.
Brian verbrachte die ganze Nacht damit Steine zusammenzutragen, um sie über die Leiche seines toten Herrn aufzuhäufen. Er band zwei Äste zu einem Kreuz zusammen und steckte es in den Steinhaufen.
Schweren Herzens verließ Brian schließlich diesen Ort, doch etwas von ihm blieb zurück, beerdigt mit seinem Herrn...
*
Eine Hand legte sich auf Brians schweißnasse Stirn. Es war seine Frau Loreena.
"Brian, du hattest wieder einen Alptraum. Wenn ich Dir doch nur helfen könnte."
"Das kannst du nicht. Ich muß allein damit fertigwerden."
Brian blickte seine Frau eindringlich an.
"Seit gut zwanzig Jahren quälen mich schon diese Träume, doch keiner wirkte so real wie dieser. Ich...ich kann das Geschehene nicht länger verdrängen. Ich darf vor meinem Schicksal nicht davonrennen."
Brian stieg aus dem Bett und begann sich anzuziehen.
"Loreena, ich muß Dich und die Kinder einige Zeit verlassen. Es...es ist unumgänglich."
Er streichelte die Wange seiner Frau und ihre Tränen benetzten seine Hand.
"Bitte verstehe mich, ich kann nicht anders."
Entschlossen verließ er das Haus, ohne noch einmal zurückzublicken.
Seine Frau sah ihm noch einige Zeit nach. Auch sie wußte, daß es sein mußte.
*
Wochen vergingen. Die Wanderschaft war mühselig und Hunger plagte ihn. Doch er mußte durchhalten. Nur so, da war er sich gewiß, konnte er die Schuld tilgen und sich von diesen schrecklichen Träumen befreien.
Am Abend des neunzehnten Tages erreichte er Breturan. Er ging durch menschenleeren Gassen. Nicht eine Laterne brannte, kein Geräusch war zu vernehmen bis auf das Tabsen einiger Ratten. Die Stadt schien ausgestorben zu sein.
Brian kam an der alten Weinschänke vorbei, in der er damals so manche Nacht durchgezecht hatte. Auch sein Herr pflegte damals hier zu verkehren und oft genug hatte er sich zu Brian an den Tisch gesetzt. Dabei hatte er sich nicht um seinen höheren Stand gekümmert, nein, sie hatten zusammen getrunken und gelacht.
Brian öffnete die alte Tür der Schänke. Staub wirbelte vom Boden auf. Er mußte niesen.
Langsam gewöhnten sich Brians Augen an die Dunkelheit. Er erinnerte sich an den dickbäuchigen Wirt und an die mehr als aufreizende Tochter, die ihn und seinem Herrn zu bedienen pflegte. Wo war noch gleich der Tisch gewesen, an dem sie immer gegessen hatten? Ah ja, er stand im etwas abgelegenen Teil der Schänke.
Brian zuckte zurück. Eine Gestalt saß an dem Tisch. Sie deutete auf den freien Platz ihr gegenüber.
"Ich habe auf Dich gewartet, Brian." Die Stimme klang dunkel und irgendwie hallend, dennoch erkannte Brian sie.
Es war - die Stimme seines Herrn!
Zögerlich nahm Brian Platz.
"Herr, seid Ihr es?"
"Natürlich, Brian. Seit so langer Zeit warte ich auf Deine Ankunft. Weißt Du es denn nicht? Das räuberische Gesindel von Dretton steht vor der Stadt. Wir müssen sie aufhalten."
Brian nickte nur. Es war tatsächlich sein Herr, der Lord von Packton. Doch er war bleich, und eine gespenstische Aura schien ihn zu umgeben. Seine Gestalt war nicht klar zu erkennen. Es war, als hätte sich ein Schleier über Brians Augen gelegt.
Der Lord erhob sich.
"Worauf wartest Du noch, Junge. Es ist Eile geboten!"
Obwohl ihm sein Verstand davon abriet, folgte Brian seinem Herrn. Sie traten vor die Tür der Schänke und...befanden sich auf einmal auf dem Schlachtfeld!
*
Ja, es war alles wie vor zwanzig Jahren. Die feindliche Übermacht stand vor ihnen. Die meisten Männer des Lords waren bereits gefallen.
Brian stand neben seinem Herrn. Er zog sein Kurzschwert, ein Geschenk des Lords. Etwa fünf bewaffnete Männer näherten sich. Auch sie schienen, wie sein Herr seltsam verschwommen, doch Brian hörte ihre hallenden Kampfrufe.
Diesmal aber verspürte er keine Furcht. Nein, er würde nicht davonlaufen und seinen Herrn dem Schicksal überlassen, diesmal nicht.
Brian stürmte los, hieb auf den ersten Angreifer ein.
Unter der Berührung seiner Klinge löste sich der Feind auf!
Er stolperte, als er sich mit voller Wucht durch seinen Gegner rannte, der einfach verschwunden war.
Brian hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Er stürzte sich auf den nächsten Krieger. Dieser parierte seinen ersten Hieb und stach zu.
Das Schwert bohrte sich in Brians Oberschenkel. Er verspürte den Schmerz, doch als er an sich herabsah, konnte er keine Wunde erkennen.
Brian faßte sich und traf mit dem Schwert eine ungedeckte Stelle seines Widersachers. Auch der verschwand lautlos, löste sich einfach auf.
Brian schlug sich zu seinem Herrn durch, und Seite an Seite bekämpften sie den Feind. Anerkennend nickte der Lord ihm zu.
Brian fühlte nun wieder das Vertrauen seines Herrn, und er würde ihn nicht enttäuschen...
*
Der Morgen brach an. Brian reckte sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Verwirrt sah er sich um. Er befand sich vor den Toren der Stadt - allein.
Was war mit den gefallenen Kriegern? Und wo war sein Herr?
Dann erblickte er einen Steinhügel, aus dessen Mitte ein Holzkreuz emporragte.
Brian blieb noch einige Zeit schweigend und reglos vor dem Grab stehen, dann drehte er sich schließlich um und trat den Rückweg an.
Schon bald würde er seine Frau und seine Kinder wiedersehen. Und er würde feststellen, wie schön die Nächte ohne Alpträume sein würden.
 

AlexS

Mitglied
AW: Die zweite Schlacht um Breturan

Das würde man heute wohl als PTBS diagnostizieren!

Mir gefällt diese Geschichte richtig gut! - Sie kommt ohne Schnickschnack aus und zeigt etwas, womit nicht allzu viele Geschichten aufwarten. Keinen strahlenden Helden, keinen fiesen Anti-Helden, sondern einen ganz normalen Menschen mit einem Problem!
 
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