Marco Ansing

Autor und Sprecher
Hallo,
ich wollte einmal Eure Erfahrungen mit den Charakteren Eurer Drehbücher hören: Wie macht Ihr sie einzigartig bzw. so, dass der Hörer schon bei einem Dialog bemerkt, wer wer ist? Wie bekommt man es geschickt hin, dass man Charaktere gut beschreibt, so dass sie sich von restlichen Personen stark genug unterscheiden.

Das Ganze basiert natürlich auf einem praktischen Problem. Bei mir geht es dabei um ein Hörspielskript an dem ich gerade arbeite. Die Charaktere treten nur im Dialog und allein mit ihrer Stimme auf. Ein Erzähler stört, wenn er dazwischen quatscht. Mit welchen Tricks kann ich den Hörer (außer durch eine markante Stimme) sofort erkennen lassen, wer das ist, der da spricht.
Bisher dachte ich daran, dass die Leute Dialekte haben oder besondere Floskeln und Worte verwenden.
Habt Ihr Ideen?

*lauscht aufmerksam*
 

bob7

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[quote author=Grisbert link=topic=1123.msg7207#msg7207 date=1211534053]
Mit welchen Tricks kann ich den Hörer (außer durch eine markante Stimme) sofort erkennen lassen, wer das ist, der da spricht.
Bisher dachte ich daran, dass die Leute Dialekte haben oder besondere Floskeln und Worte verwenden.
Habt Ihr Ideen?

*lauscht aufmerksam*
[/quote]

Das liegt in der Hauptsache schon im Spielvermögen der Sprecher. Die interpretieren ja Dein Skript. Du kannst in einem Skript nicht wirklich festschreiben, wie der Charakter ist/klingt/spricht/atmet/pausen macht usw.

Die Skriptcharaktere müssen natürlich plausibel sein, genauso wie das Skript. Eine unspannende Story mit beliebigen Charakteren, die nur einmal unmotiviert auftauchen macht auch ein Sprachfehler oder ein Dialekt nicht wirklich besser.

Ansonsten sind die genannten "Tricks" eine gute Idee (Floskeln, Ticks, Dinge die sie dabeihaben, ein bestimmtes Raschelgeräusch für den Mantel, Hörgerät-Piepen o.Ä., vielleicht sogar auch musikalische "Themen" im Hintergrund bei Hauptfiguren).
Aber die Sprecher auch ruhig selber bitten hier etwas "anzubieten".
 

mikrima

Michelle Martin
Wenn Du eine ziemlich genaue Vorstellung von Deinen Charakteren hast, wirst Du ihnen beim Schreiben bereits ganz von allein einen unterschiedlichen Sprachstil verpassen.
Da wird ein nachdenklicher Charakter eher vorwiegend grammatisch korrekte und vollständige Sätze haben, die vielleicht sogar etwas länger sind.
("Es ist mir natürlich klar, daß das so einfach nicht zu lösen ist.")
Ein anderer hat deutlich kürzere Sätze, und nutzt auch oft unvollständige Sätze und alle möglichen Laute, um seine Meinung auszudrücken.
("Boah! Ja nee! Schon klar. Is ne kompliziertere Sache. Das weiß ich auch.")
Da brauchst Du Dich gar nicht mehr anstrengen.

Voraussetzung ist, daß du die Charaktere wirklich schon fast im Ohr hast. Denn eines ist bei solchen Sachen immer wichtig: die Konsistenz!
Wenn Dein Charakter am Anfang eher Strassenslang redet und alle Frauen mit "Süße" und "Baby" anspricht, darf er nicht ab der Mitte plötzlich anfangen, in hochgestochenem Deutsch und wohlformulierten Sätzen zu sprechen.

Ich bediene mich da auch gerne mal bei Filmschauspielern als Vorlage. Dann erhält man sich am ehesten die Konsistenz und kann sogar noch eine knappe Charakterbeschreibung für den Sprecher dazuschreiben. Einfach überlegen, wen man am liebsten hätte und beim Schreiben sich immer diesen Charakter vorstellen.
 
T

Thiudareik

Und was auch äusserst hilfreich ist (womöglich steht es schon i-wo an anderer Stelle?):

Gib den Charakteren eine Biographie! Lass sie leben! Denke Dir nicht nur einen Namen und vielleicht ein Alter aus! Gib Deinen Figuren ein richtiges Geburtsdatum und einen Geburtsort, wer sind/waren ihre Eltern? Welche Berufe hatten die? Wie sah das bisherige Leben Deiner Figuren aus? Gab es Highlights oder Schicksalsschläge? Wie sind die Figuren gekleidet?

All das und noch mehr machen Deine Figuren plastisch und lebendig und wenn dann das Casting startet und sich die Leute bei Dir um eine Rolle bewerben, dann wirst Du bei der ein oder anderen Sprechprobe denken: "Das ist er oder sie. DAS ist mein(e) XYZ!!!!"
 
J

joky

..und auch unterschiedliche Sprachgeschwindigkeiten verbunden mit den Stimmungen der jeweiligen Situationen.

Eine gute Methode ist aber auch die Namen der Figuren immer mal wieder in die Dialoge einfliesen zu lassen... zB... "hey Peter, das wußte ich doch" " Wäre toll gewesen, wenn du mir das gesagt hättest, Petra!" ;)
 

Marco Ansing

Autor und Sprecher
Danke ersteinmal!^^ Das mit der Charakterisierung zum Einfinden ist besonders hilfreich bei den Hauptfiguren.

Hmmm, habt Ihr Ideen verschiedene Sprachstile?
"Ich würde meinen, dass Herr Y gesagt hat, wobei ich mich irren könnte, dass der Fisch schon gestunken hat."
"Herr Y meinte der Fisch stank"
"Ech Mann! Der Fisch hat gestunken. Y hat's mir gesagt!"

Das sind nur Beispiele, habt Ihr sonst noch Ideen? Wörter die im Satz auftauchen? Habe in letzter Zeit mal andere und mich selbst genauer beim Reden beobachtet. Man benutzt doch bestimmte "Phrasen". Meine Freunde beginnt gerne Sätze mit "Wenn ich ehrlich bin..."

Man könnte bestimmte Worte durch andere ersetzen. Es fängt schon damit an, dass man statt "Mädchen" "Mädel" sagt oder so...
 

mikrima

Michelle Martin
Ich weiß nicht, ob es nicht zu subtil ist, einfach nur bestimmte Phrasen zu wiederholen. Natürlich kann sowas zum Markenzeichen a la Columbo werden - aber der hat dafür viele viele Folgen gebraucht. Ein Hörspiel ist dafür arg kurz. Entweder es geht unter - oder man wiederholt es so oft, bis der Zuhörer genervt ist.

Die Frage ist auch, ob stark unterschiedliche Sprachstile überhaupt nötig sind. Wenn Du Dich z.B. mal in Deinem Freundeskreis umschaust, werden die Unterschiede vermutlich so groß nicht sein. Trotzdem seid ihr sicherlich sehr unterschiedliche Menschen.
Wichtiger fände ich es, daß die Charaktere erstmal lebendig wirken und nicht wie gesichts- und charakterlose 08/15 Hüllen.
Das bekommst Du eher hin, in dem Du Dir einen tatsächlichen Charakter überlegst (wie Thiu vorgeschlagen hatte, z.B. mit Background Story etc.), statt zwanghaft Phrasen wiederholen zu lassen, Sprachfehler einzubauen etc.
Überleg Dir, was derjenige in dem Moment fühlt und nicht so sehr, was Du als Information an den Zuhörer bringen willst.
 
T

Thiudareik

[quote author=Grisbert link=topic=1123.msg7227#msg7227 date=1211546973]
...

Man könnte bestimmte Worte durch andere ersetzen. Es fängt schon damit an, dass man statt "Mädchen" "Mädel" sagt oder so...
[/quote]

Da gibt es ja dann noch den Word-Thesaurus, aber ob der immer wirklich hilfreich ist bezweifwele ich, denn der bringt zuweilen sehr seltsame Synonyme - aber einen Versuch ist es wert...

Vielleicht hilft es Dir ja auch Zeichnungen und Artworks anzufertigen um in "Stimmung" zu kommen. Ich mach das auch ganz gerne, in dem ich mir ein Cover bastele ehe ich die erste zeile tippsele... Das bringt i-wie schon in stimmung für das was kommt...

So hab ich z.B. schon mal eine Promo gebastelt für "inbetween", was noch ne Weile dauern wird...

cover01.jpg


Und frag mal ThudaDragon, ich denke ihm gehts ähnlich mit "Rick Future"!
 

Jim Zonk

Mitglied
Grüße.
Ich finde Charaktere sollte man genauso ausarbeiten wie es die leute von den Pen & Paper Rollenspiele tun.

das heist:

Name , Vorname
Geburtstag, Geburtsort
Hobbys, Vorlieben
Wie war das verhältniss indem er aufwugs
u.s.w
u.s.w

beschreibe seinen:
- Körper und besondere Merkmale ( Narben, schmuck ect)
- Kleidung, die erträgt oder bevorzugt
- Verhalten, Angewohnheiten, Marotten

Für "Statisten/Nebencharaktere" kann man das ganze natürlich etwas abspecken
 

Karpatenhund

Karpatenhund
AW: Charaktere ausarbeiten

Ganz hilfreich ist es wirklich, wenn man für Charaktere, denen man Tiefe verleihen will, systematisch eine regelrechte Liste mit Fragen abklappert. Das zwingt einen dazu, sich tatsächlich mit der Figur im Detail auseinanderzusetzen.

Beispiel für eine solche Fragenliste:
- Was hat die Figur in ihrem Leben bereits erreicht? Worauf ist sie stolz?
- An welchen Orten ist sie bereits gewesen?
- Was will die Figur noch erreichen? Hat sie ein festgelegtes Lebensziel?
- Gibt es persönliche Probleme, mit denen die Figur kämpft?
- Wovor fürchtet sich die Figur?
- Wofür fühlt sie sich schuldig?
- Was treibt die Figur an und motiviert sie? Was demotiviert sie?
- Über was ärgert sich die Figur?
- An was glaubt die Figur?
- Was ist der Figur wichtig? Was ist ihr egal?
- Welche Ereignisse ihres Lebens haben die Figur zu dem gemacht, was sie jetzt ist? Sowohl im positiven wie im negativen.
- Worüber erzählt die Figur selbst gern anderen? Was verschweigt sie anderen lieber?
- Welche Ereignisse in ihrem Leben hat die Figur so erfolgreich verdrängt, dass sie sich selbst nicht mehr daran erinnert?
- In welchen Bereichen belügt sich die Figur selbst? In welchen Bereichen liegen Selbstbild und Fremdbild nah beieinander, in welchen Bereichen klaffen sie auseinander?

Dann kommen noch Bereiche wie Familie, Herkunft, Beruf, kulturelle Prägungen, Religion, Freunde etc. dazu.

Natürlich löst all dies noch lange nicht direkt das Problem, wie man den Charakter dann im Dialog unverwechselbar macht. Aber hat der Autor sich Antworten auf diese Fragen überlegt, dann ergibt sich häufig schon, was eine Figur in einem Dialog sagen würde. Man legt damit gewissermaßen einen Fundus, aus dem man dann schöpfen kann und durch den es einem zumindest leichter fällt, die Figur in Dialogen prägnanter wirken zu lassen.
 
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