M
Matze Der
- #1
Themenstarter/in
Hier eine autobiografische Kurzgeschichte. Über Feedback oder gar eine Vertonung würde ich mich freuen.
Irgendwie soll diese Geschichte in einer Gummizelle beginnen. Ich war noch nie in einer solchen, habe aber schon eine gesehen. Die Auffangstation in Memmdingen war schon ein komischer Ort. Ich weiss noch wie ich dort ankam und es als Mischung aus Praxis Dr. Hasenbein und dem Ende von Fight Club - dem Buch nicht den Film mit Brad Pitt - betrachtete. In Fight Club endet der Erzähler in einer Psychiatrie und hält sie für den Himmel. Zurück zur Gummizelle bevor ich mich um den Gedankensprung über die Wunderheilerin, die mit karottensaft aufgepeppelt wurde kümmere. In der Gummizelle in Memmdingen lebte ein moderner Kasper Hauser. Sie wurde übrigens Ruheraum genannt und es gab dort nur Plastikbesteck und einen Gummiball. Ich weiss noch wie ich mit diesem sagen wir mal 35jährigen Findelkind kommunizierte. Ich weiss nicht wie alt er wirklich war, unser Kasper Hauser, mit dem Einschätzen von Altern hatte ich es aufgrund meiner Erkrankung damals nicht so. Auf jedenfall nahm ich ihm den Gummiball weg und zeigte ihn ihm und er sagte: "BAAAAL" und ich wollte ja nicht so sein und gab den Ball zurück. Und mit der Gummizelle kann ich auch zur Karottensaftlady überleiten. Eines Tages war nämlich ein kleiner behaarter Mann in dieser Zelle und forderte mich auf ihn rauszulassen als ich an ihr vorbeilief. Dieser Mann erzählte mir als er in der Zivilisation eine Stufe höher gekommen war und unter uns normalen Verrückten weilte, dass er ein Bauer sei. (Bauer sucht Frau schwirrt es mir jetzt im Kopf herum)
Später stellte sich heraus, dass er kein Bauer sondern Handwerker irgendwelcher Art war, aber er suchte wirklich eine Frau und fand sie auch im bereits erwähnten Karottensaft-, ach sagen wir Möhrensaftmädchen. Die Wärter ähem Pfleger mussten ihn zu zweit von ihr wegreissen als er versuchte sie zu verführen. Sie schien nichts dagegen zu haben, aber sie war ja noch ein Kind - ich schätze sie auf 20 - und er ein ausgewachsener, braungebrannter, behaarter Mann. Ich dachte mir so braun gebrannt - das kommt bestimmt von der Arbeit auf dem Feld, aber naja. Später wurden die beiden noch beim Rauchen im Besuchszimmer erwischt und getrennt. Er kam wohl wieder in die Zelle. Keine Sorge, so eine Psychose geht auch wieder vorbei und eines Tages waren wir auch zusammen im Garten, rauchten seine extralangen Zigaretten und führten ein Gespräch, in dem er mir empfahl eine Ausbildung zu machen statt weiter zu studieren - denn er habe einen sechsten Sinn.
Eines Abends teilte mir das Mädchen mit, dass sie eine ausgebildete Heilerin sei und als kleines Kind mit Möhrchensaft aufgezogen wurde. Sie war auch einmal sauer auf mich und sagte "Wer nicht will, der hat schon." Ich wusste nicht was sie wollte. Eine junge alte Dame gab mir den Tipp, dass sie wohl etwas von mir wollte. Was ich dann bekam, als sie mich auf die Frauentoilette schliff hatte ich nicht erwartet. Ich sollte mir die Hände waschen. Ich hätte alles mögliche erwartet, nur nicht das... Dann setzte sie mich vor die Stationsvögel. Bonnie und Clyde und erzählte mir, dass der eine einen gebrochenen Flügel hätte, der schon fast verheilt sei. Ich war wie in Trance und nahm jedes Wort wie eine hypnotische Suggestion auf. Sie sagte mir ich solle auf die Vögel schauen. Ich tat es und fragte sie ob sie dann geheilt würden. Sie sagte, wir werden sehen. Nachdem einige Zeit vergangen war, kam sie und sagte mir ich könne jetzt aufhören. War der Vogel geheilt? Ich weiss es nicht. Bonnie und Clyde - die Stationsvögel - wer hatte sich so etwas ausgedacht? Eines Tages bin ich selbst an Bonnie und Clyde vorbeigegangen und bin aus der Station geflüchtet. Frei wie ein Vogel, frei wie Bonnie und Clyde.