OldNick

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Ich stelle hier mal in unregelmäßigen Abständen ein paar kleine Schreibübungen ein; wer sie vertonen will, der kann dies gerne tun (auch, wenn sie tendenziell eher düsterer Natur sind).

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Die Sonne bäumt sich hinter dem Firmament auf, hinterläßt ihre blutroten Spuren wie Hämatome auf der glatten Haut des Wolkendachs. Ein dumpfer, untergehender Schrei, erstickend unter der Allmacht des mächtigen, sich spannenden Weltenkörpers. Die Sonne, zu einem letzten Schlag ausholend, verliert und der Himmel verbleibt blutleer.
Stimmen reihen sich ein in die Abendstille. Ein wuchtiger Brei aus Geräuschen, der nichts mitzuteilen vermag. Ein Junge steht an den Gleisen, den Kopfhörer auf den Ohren, der Musik lauschend, die ihm die Stille vertreibt.
Eine Taube liegt auf dem Boden. Den Körper zerfetzt, wahrscheinlich von dem Einschlag gegen eine der Eisenbahnen. Die leblosen Eingeweide sind zu sehen. Blut klebt am Federkleid, eingetrocknet. Es ist nicht mehr rot, wenn es da je war. Violett schimmert es im Dämmerlicht der Laterne, als wäre es die Sorte Tinte, die kleine Mädchen für ihre Liebesbriefe verwenden.
Friedlich liegt sie da – den Kopf geneigt, den Körper aufgerissen, schlummert sie im ewigen Dornröschenschlaf. Das Blut leuchtet im Schein der Laterne, triumphierend, befreit. Es hat den Kampf gegen die spannende, drückende Haut gewonnen. Fast, aber nur fast, scheint es in der Stille zu zwinkern – ein Stückchen Leben im Tod.
Der Zug naht. Gespenstisches Grollen. Ein Bote der Vergangenheit – schneidend, laut, ach, so laut.
Das Eisen spricht zu mir … Es pocht gegen meine Haut, laut, deutlich, unerträglich. Bilder der Vergangenheit, ach, Vergangenheit, hier in der Wüste aus Gegenwart – kalt, still, schwarz und tot. Ihm drängt es nach Freiheit, möchte den Klammergriff des Todes lösen, hinaus aus der Wüste der Gegenwart, hinaus aus der Blutleere, hinab in die Tiefe …
Das Geräusch wird noch lauter. Scheinwerfer erhellen das Dunkel, wie der Strahl eines Leuchtturms, der den Verirrten die Richtung weist.
Das Blut schlägt gegen meine Haut – unaufhörlich … Es scheint zu rufen. Ich werde es erhören, es aus seiner Tiefe befreien.
Die Haut spannt so sehr, die Muskeln drängen … Es gibt kein Morgen in der Gegenwart.
 
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michelsausb

Laphroaig forever!!!
AW: Fragmente

Hurra, hurra,
der alte Nick ist da :yahoo:
Der Text würde zu den typischen "Songs" von "Goethes Erben" passen.
 

OldNick

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AW: Fragmente

24. September 2042

Das Wasser streichelte meine Wangen. Ein vertrautes, willkommenes Gefühl, wie wenn man einen guten Freund empfängt.
Mit gleichmäßigen, müden Bewegungen trug ich das Rasieröl auf, dann rührte ich die Rasiercreme an.
Es dauerte eine Weile, bis sich der Schaum bildete. Ich massierte ihn mithilfe des Pinsels ein. Wie ein weicher Flaum legte er sich auf das Gesicht.
Meine Hand glitt zur Badkommode. Ich nahm den Sicherheitsrasierer von der Ablage und begann mit meiner morgendlichen Routine.
Stets sorgte ich dafür, der Erste im Bad zu sein, da meine Rasur mehr Zeit in Anspruch nahm, als die meiner Mitbewohner. Die hypermodernen Infrarotrasierer mögen schnell sein - gründlich sind sie nicht.
An diesem Morgen brauchte ich nur zwei Rasurgänge. Ich betrachtete das durchaus ansehnliche Ergebnis im Spiegel und ließ noch etwas Wasser über die gereizte Haut fließen, ehe ich das Aftershave auftrug.


Im Wohnungsflur war noch alles dunkel, als ich in die Küche ging.
Am Küchentisch startete ich den Tablet-PC und rief sofort die Spielsoftware auf.
Backgammonspieler aus aller Welt waren eingeloggt und warteten auf Gegner. Jemand schlug ein Spiel um 500 Euro pro Punkt (Limit: 20.000) vor, und ich willigte ein.
Es war ein unaufgeregtes Spielchen. Ich überlebte eine frühe Blitzattacke (mit darauf folgender Verdopplung) und hatte ein 5-Point-Holdinggame. Mein Gegner nutzte seinen kleinen Vorteil im Rennen und verdoppelte - zu früh, wie ich fand, und der Computer würde mir später beipflichten. Ich würfelte einen 6er Pasch und verdoppelte meinerseits - er nahm die Verdopplung an und ich gewann knapp. Der Anbieter erhielt 150 Euro Rake, ich bekam 1.850 und wüste Beschimpfungen im Chat als Gratisbonus. Mein Gegner verließ die Seite und ich schmiß den Kaffeeautomaten an.
Ein unspektakulärer Sieg - aber dennoch hatte ich ein gutes Gefühl. Es ist schwer zu beschreiben, vielleicht vergleichbar mit dem ersten Orgasmus am Morgen - der erste Höhepunkt, auf dem man sich gut fühlt und verdrängt, daß es danach nur noch bergab gehen kann.

Ich öffnete das Nachrichtenfenster auf dem Display.
„... so müssen wir aber auch darüber informieren“, erklang die Stimme des Moderators, „daß es sich bei den Demonstranten um eine Minderheit handelt, die sich jenseits von Recht und Grundgesetz bewegt.
Der Vollautomat ächzte und quälte sich bei jedem Tropfen der braunen Flüssigkeit, die mühselig aus der Brühgruppe hinausfloß. Das Ergebnis sah fast so wie Kaffee aus - und es schmeckte nach Jahre alten Bohnen, abgestanden, und durch einen findigen Mitbewohner, dem zwei Wochen vor Monatsende das Geld ausging, aus einer Grube im Keller zu Tage gefördert.
Trotz der besorgniserregenden Ereignisse im Berliner und im Frankfurter Bankenviertel als auch der Straßenschlacht in Köln, ruft Bundeskanzler Lindner die Bürger zur Besonnenheit auf.
Ein Videointerview wurde eingespielt. Der Kanzler, aschfahl und verschwitzt, sagte kampferprobt:
Wir werden uns unsere Politik nicht von diesen arbeitslosen Chaoten diktieren lassen! Jeder Berliner, jeder Frankfurter und jeder Kölner sollte sich nicht durch einzelne gewaltbereite Extremisten an seinem gewöhnlichen, produktiven und geliebten Tagesablauf hindern lassen.
Es wurde wieder zurück ins Studio geschaltet.
Auch sollte nicht unerwähnt bleiben, daß der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Martin Raffer, bereits geäußert hat, daß die Aufstände kein Grund zur Krankmeldung sind. Er warnt Arbeitnehmer davor, sich aufgrund der Demonstrationen ein verlängertes Wochenende zu erlauben.

Ich schloß das Fenster, in dem das Nachrichtenprogramm lief.
Eine Tür öffnete sich und einer meiner Mitbewohner trat in die Wohnküche. Er lachte mich an - ein metallenes, zynisches Lachen. Nicht, daß er mir gegenüber negativ eingestellt gewesen wäre - er konnte nur nicht über seinen Schatten springen. Die wenigsten Leute können das - insbesondere dann, wenn ihr Mensch gewordenes schlechtes Gewissen direkt nebenan wohnt.
„Na, hat Opa dir heute wieder seinen Rasierapparat hingelegt?“, fragte er mich grinsend.
„Uropa“, korrigierte ich ihn, „aber er ist so komisch in letzter Zeit, seit wir ihn mit dem Vodoozauber zurückgeholt haben. Dankbarkeit sieht anders aus, finde ich.“
Er lachte sein gedämpftes, zahnloses Lachen und öffnete die Tür zum Bad. Gerade als er sie hinter sich schließen wollte, fragte ich:
„Bist du heute im Einsatz?“
Er fuhr herum. Sein Blick verdunkelte sich für eine Sekunde. Vielleicht lag‘s aber auch nur am Licht. Es dauerte keine weitere Sekunde, bis er die Contenance zurückgewann - nicht vollständig, aber immerhin.
„Ja“, sagte er und räusperte sich, um es nicht all zu weinerlich klingen zu lassen.
„Alles Gute“, sagte ich und hoffte, daß ich den Kopf nicht all zu sehr gesenkt hatte.
„Ach, die Schweine scheppern `wa einfach weg“, entgegnete er mit einer wegwerfenden Geste - nun wieder der unerschütterliche Bulle, der er sein wollte. Zumindest zur Hälfte.
Nachdem er sich unter der Dusche einen `runtergeholt, seine Halbrasur durchgeführt und sich das Haar dürftig gefönt und die allheilige Uniform angelegt hatte, war die andere Hälfte komplett. Alles Menschliche abgelegt, weggewaschen und weggewichst und dann war es Zeit, wen „wegzuscheppern“, im vollen Bewußtsein, ein bedürfnisloser Diener zu sein.
Spätestens, nachdem er seine Uniform angelegt hatte, konnte man kein vernünftiges Wort mehr mit ihm wechseln - denn dann war er kein normaler Mensch mehr - er war Polizist. Die Fleisch gewordene Ordnung.

Es gab viele Dinge, die Haralds Persönlichkeit ausmachten. Eigentlich war er nicht besonders aggressiv, er war ein netter Kerl, ein Antiheld im Herzen, keiner, mit dem es eine Frau besonders lange aushielt (aber mit wem halten sie‘s schon lange aus?), hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und die Intelligenz, alternative und funktionierende Problemlösungen zu finden - aber all dies galt ihm nichts. Mit all diesen Eigenschaften wollte oder konnte er sich nicht identifizieren, sie waren nicht das Kleid, das er sich wünschte. Er wollte einen Stoiker aus sich machen, einen klassischen Helden - einen, der nicht wichste, keine Sehnsüchte hatte, einen, der nicht selbstständig „fühlte“, nicht selbstständig handelte, einen, der nicht trauerte, nicht weinte, keine Selbstzweifel hatte, sondern der nur für ein ihm überlegenes Kollektiv funktionierte, weil es denn eben seine „Aufgabe“ war, die er höher schätzte, als jede seiner eigenen Regungen.
Eine Ameise, die alles für die Königin tat - und brächte es sie auch um.

Als ich ihm antworten wollte, hatte er die Tür bereits geschlossen. Mein Telephon klingelte, ich nahm ab. Katharina war am anderen Ende zu hören.
„Mein ... mein ... Kater ... ist ... tot“ - Wortfetzen, die nur gepreßt zu hören waren.
„Bist du bei dir zuhause?“, entgegnete ich schnell. Ich sprang auf und ging in Richtung der Garderobe.
„J-j-j-a“, war es langsam, schleppend am anderen Ende zu hören.
„Ok, bleib‘, wo du bist, ich bin in fünfzehn Minuten da - in Ordnung?“
Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu sprechen, doch das Sprechtempo wollte sich dem abgeklärten Klang meiner Worte nicht anschließen.
Ich schlüpfte hastig in meine Schuhe, zog mir einen Mantel über (wir haben einen verdammt kalten September - nur das Feuer wärmt dieser Tage) und eilte hinaus.


Die Situation auf den Straßen war dramatischer, als es in der Presse berichtet wurde. Die Straßen waren wie leergefegt. Dumpfes Donnergrollen war aus dem Bereich der Innenstadt zu hören - ein Vorbote, unheilvoll, unentschlossen, wen oder was er verschlingen wollte.
Unregelmäßig fuhren Polizeiautos vorbei, die via Megaphon bekannt gaben, daß alles in Ordnung sei und daß man aus reiner Vorsicht daheim bleiben solle, so man es einrichten könne.
Auch die öffentlichen Verkehrsmittel hatten ihren Betrieb eingestellt, seitdem gestern im Frankfurter Bankenviertel ein verlassener Linienbus in Brand gesetzt worden war.

Innerhalb weniger Minuten erreichte ich Katharinas Wohnhaus.
Die Tür zu ihrem Appartement stand auf. Ich trat ein und schloß die Tür hinter mir. Wohnzimmer - und Badtür standen weit offen. Mein erster Blick fiel ins Bad. Scherben lagen auf dem Boden, jemand hatte den Spiegelschrank zerschlagen. In die Badewanne war Wasser eingelassen. Auf der Oberfläche trieb der leblose Körper Katharinas Kater. Ich atmete tief durch und ging zurück in den Korridor.
Als ich das Wohnzimmer betrat, fand ich Katharina auf dem Boden liegend, weinend und nackt vor.
Eine ganze Weile legte ich mich neben sie, umarmte sie, doch sie schien von meiner Anwesenheit kaum Notiz zu nehmen. Nach gefühlten 30 Minuten fuhr sie herum.
„Was ist passiert?“, fragte ich. Es klang heiserer und tonloser als ich wollte. Männer wollen immer sicher und abgeklärt klingen, wollen ein Fels in der Brandung sein, aber dann sind sie doch wieder nur kleine Jungen, die sich unter der Dusche einen `runterholen und hoffen, daß sie niemand dabei erwischt, weil es ihnen unangenehm sein könnte. Nur die wenigsten von uns sind Mensch gewordene Polizisten.
„Sie ... sie waren plötzlich da ... wollten das Geld eintreiben und ich ...“
„Die Schutzgelderpresser?“, fragte ich.
Sie nickte. „Ich hatte kein Geld da und da haben sie ...“ Sie schluchzte.
...Findus ertränkt, setzte ich im Geiste fort. „Haben sie dir etwas getan?“, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich ... ich wollte duschen, als ...“ Sie senkte den Blick. „Aber sie haben mich nicht ...“ Sie beendete den Satz nicht.
Ich ging ins Schlafzimmer und kam mit einigen Kleidungsstücken wieder. Dann half ich ihr, sich anzukleiden und tat mein möglichstes, sie zu beruhigen. Was nicht besonders viel war.
Wir vereinbarten, den Kater irgendwo im Wald zu begraben. Sie hing sehr an dem Tier - er war viele Jahre ihr treuer Begleiter gewesen. Wut stieg in mir hoch, als ich den Leichnam aus dem Wasser barg und ihn provisorisch in einen Karton legte.
„Ich werde zur Polizei gehen“, sagte ich.
Sie lächelte müde. „Weißt du, warum ich mich in dich verliebt habe?“, fragte sie tonlos. Die Antwort gab sie wenige Sekunden darauf: „Trotz allem Zynismus bist du immer noch naiv.“
Ich nickte und holte meine Geldbörse aus der Innentasche und warf meine Credcard auf den Tisch.
„Wenn sie wiederkommen sollten“, sagte ich, „gib‘ ihnen meine Credcard. Da sind noch 10.000 Euro drauf. Das ist nicht die Welt, aber das sollte ihre Forderungen befriedigen.“
Sie nickte, steckte die Credcard ein und antwortete nicht.
„Ich äh“, sagte ich zögerlich, „bin in spätestens zwei Stunden wieder da, wenn Du magst. Soll ich Deine Ma anrufen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde sie selbst anrufen ... Gleich. Bitte komm‘ wieder.“
Ich nickte und gab ihr einen Kuß.


Als ich auf die Straße trat, fischte ich meine E-Zigarette aus der Manteltasche. Der Akku war am Vortag stark beansprucht worden - ich war froh, daß er noch etwas geladen war.
Die Gewalt auf den Straßen schien zuzunehmen. Die Polizisten waren zu Wasserwerfern übergegangen und einige Viertel waren kaum noch aufsuchbar.
Das Schutzgeldgeschäft hatte sich in den vergangenen zehn Jahren vollends entfaltet. Es wurde gedroht, geprügelt und hier und da mal gemordet - teils auch unter stiller Duldung einiger Polizisten.
Das Geschäft mit der Angst ist eine der verheerenden Folgen der Dumpinglohngesellschaft, gegen die die Leute heute demonstrieren - die Menschen haben nicht genug Geld, um über die Runden zu kommen und sie haben nicht den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt - also verdingen sie sich als Handlanger der Mafia und ähnlicher Bandenstrukturen.
Daß hier und da die Polizei, motiviert durch einige 100.000 Euro, ein Auge zudrückt, ist weithin bekannt.

Bis zur nächsten Polizeidienststelle war es ein weiter Weg. Es war gespenstisch ruhig - das dumpfe Donnergrollen war einem leisen Wimmern gewichen, einem Erstickenden gleich, der sich ein letztes Mal gegen seinen Würger auflehnt.
Es gibt Tage, da fühlt man sich schlecht und beklagt sich darüber, daß man sich schlecht fühlt. Lautstark, unüberhörbar und nervig für jeden, der einem in die Quere kommt.
Dann gibt es Tage, an denen man wütend ist - an denen man, wie es Harald ausdrückte, jemanden „wegscheppern“ möchte.

Aber dann gibt es Tage, an denen man sich leer fühlt. Wie als habe jemand das teure Porzellangeschirr kaputtgeschmissen - man steht davor, sieht die Verwüstung und kann nur noch die Scherben zusammenkehren. Das tut man eifrig und in aufgesetztem Aktionismus - doch wenn die Scherben zusammengekehrt und weggeschmissen sind, steht man vor dem Papierkorb und weiß, daß man nichts weiter wird tun können. Hilflos erträgt man die Zerstörung, die geschehen und das „Opfer“, das unabänderlich erbracht worden ist.
Dies ist ein verheerendes, ein kaltes Gefühl, das einem wie eine Klinge aus Eis erwischt, sich in das Herz bohrt und es zu einer deprimierten Mördergrube macht. Giftig zwar, aber jeder Widerstand ist zwecklos - ist ein Schaden angerichtet, dann ist er durch nichts in der Welt wieder rückgängig zu machen.


Im Polizeirevier wurde ich sogleich in Empfang genommen.
„Ich möchte eine Anzeige erstatten“, sagte ich.
„Soso“, nuschelte der Beamte. „Was machen Sie denn beruflich?“
„Ich bin Freiberufler.“
„Freiberufler“, äffte er nach. Es klang ätzend. „Und was freiberufeln Sie so?“
„Strategiespiele. Schach.“ Schach klingt immer besser als Backgammon - zumindest für den Unwissenden.
Lachen. „Oho, ein ganz feiner, was? Na, was wollen Sie denn anzeigen?“
„Schutzgelderpressung.“
Hätte ich ihm gestanden, letzte Nacht seine Tochter mit K.O.-Tropfen betäubt und mißbraucht zu haben, hätte dies seinen Blick nicht noch mehr verdunkelt jetzt.
„Du, Fred“, rief er in den Raum, ohne seinen Blick von mir abzuwenden, „da will ein Freiberufler Schutzgelderpressung anzeigen.“
Lachen. Lauthals. Aus unterschiedlichen Richtungen. Das Gesicht schien sich noch mehr zu verdunkeln - aber ich täuschte mich. Als ich mich umdrehte, hatte mich eine Traube an Polizisten umzingelt.

Wie selig ist der Gedächtnisverlust! Als ich wieder zu mir kam, hatte man mich irgendwo in eine Gasse geschmissen.
Langsam rappelte ich mich auf. Meine Stirn hatte einen Cut abbekommen. Offenbar war einer der Bullen besorgt genug, die blutende Stelle provisorisch zu verbinden - wie fürsorglich! Aber ein halbtoter Schwerverletzter macht immer Ärger.
Meine vorderen Schneidezähne waren ausgeschlagen, der Mund blutig. Ich spuckte aus. Als ich prüfen wollte, ob meine Brieftasche noch da war, merkte ich, daß mein linker Mittelfinger schmerzte. Höchstwahrscheinlich gebrochen.
Meine Brieftasche hatten sie entwendet.
Ich torkelte weiter durch die Straßen.


Als ich endlich daheim angekommen war, führte mich mein erster Weg ins Bad. Das Wasser streichelte meine Wangen - nur, daß es jetzt wie ein Stich wirkte. Ausgeführt mit größter Heimtücke. Im Becken sammelte sich Blut, nur um Sekunden später mit dem Wasser eine Verbindung einzugehen, und dann im Abfluß zu versinken. Eine kurze Liaison - zeitlos, heftig, aber genauso böse und verheerend.
Aus Destruktivität kann nichts Produktives entstehen. Allein das Wasser hat eine reinigende Wirkung - möge es das Destruktive hinwegspülen, filtern, die Zerstörung an sich binden, nur, um sie loszulassen, zu entschärfen, und schlußendlich zu vernichten.
Wasser ... nicht zerstörend, sondern neutralisierend. Hinwegziehend, in sich aufsaugend - alles, restlos. Die Demonstranten dort draußen auf den Straßen, all die Arbeitslosen, die Anarchisten und Kommunisten, die Demokraten, die Friedenstauben - hinweggeschwemmt, „gereinigt“, neutralisiert im Wasser. Kater Findus in seinem dunklen Kasten - hinweggeschwemmt, „gereinigt“ neutralisiert.
Beide Male, um etwas zu „erhalten“, das verflucht ist zur Destruktivität.


Ich hätte zum Arzt gehen sollen. Als ich zurück in die Wohnküche torkelte, merkte ich, daß ich mir ebensogut eine innere Blutung zugezogen haben könnte.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Harald platzte in den Raum, aggressiv, den See Genezareth in den Augen.
„Du verfluchtes Dreckschwein!“, brüllte er, tränenverzerrt, mehr ein Weinen als ein Schrei, kehlig, hart, metallern. Er trat gegen einen Stuhl.
„Du verfluchtes Arschloch!“, brüllte er wieder.
„Hab‘s kapiert“, sagte ich, eine lässige Handbewegung vollführend, „ich bin richtig doll verflucht.“
Er packte mich am Kragen und schubste mich, ohne den Griff zu lockern, mit dem Rücken gegen den Küchentisch.
„Weil du verfluchter Mistkerl“, er schluchzte, bemerkte es aber nicht in seiner Wut, „eine Schutzgelderpressung anzeigen musstest, haben sie mich gefeuert! Weil ... du bei mir wohnst! Ein notorischer Querulant!“
Er verpasste mir einen harten Schlag ins Gesicht, seine Faust landete in der Magengrube.
Als ich mich vor Schmerz krümmte, landete die Spitze seines Springerstiefels direkt auf meinem Mund. Vor Schmerz laut aufschreiend fiel ich zurück, verschluckte dabei einen Teil meines ausgeschlagenen Zahnes.
Er traktierte mich weiter, aber zum zweiten Mal wurde ich ohnmächtig.

Das Nächste, was ich sah, war das Gesicht von Jerome, einem weiteren Mitbewohner, der mich ohrfeigte, was, im Vergleich zu der vorherigen Prügel, wie zärtliche Streicheleinheiten wirkte. Er schüttelte mich.
„Boah, Alter, komm‘ mal klar!“, rief er.
„Wird gemacht, Chef“, brachte ich mühselig hervor.
Jerome hatte Verbandszeug dabei und behandelte mich. Es ist immer gut, einen Medizinstudenten im Haus zu haben - fast eine Flirtempfehlung, aber nur fast.
Als er mich notdürftig verarztet hatte, sagte er: „Mann, damit mußt du ins Krankenhaus! Warst du bei einer Demo?“
Ich rappelte mich auf und ging zur Kaffeemaschine.
„Mittlerweile“, erwiderte ich, „komme ich mir so vor, als wäre ich die ganze Woche auf einer Demo gewesen. Falls du einen Sparringspartner brauchst, der viel einsteckt und sich wenig wehrt - ich bin dein Mann.“
Jerome lachte. Ein silbernes, freundliches Lachen. „Alter, so viel, daß dir die blöden Sprüche ausgehen, kannst du gar nicht abkriegen.“
„Ich mach‘ uns `nen Kaffee“, sagte ich, während ich den Inhalt der Kaffeedose dahin füllte, wo heute Morgen die alten Bohnen gewesen waren.

Während die Maschine das Wasser aufheizte, rief ich bei Katharina an. Ihre Mutter ging ans Telephon. „Sie schläft jetzt“, sagte sie. „Hat sie sich einigermaßen erholt?“, fragte ich.
Ja, antwortete ihre Ma, aber sie habe nach mir gefragt. Sich Sorgen gemacht. Ich sagte, daß die Sorgen berechtigt gewesen seien, und erklärte knapp und kurz - die schmutzigen Details und meine anstehende Bereicherung der Zahnarztzunft auslassend - was geschehen sei.
„Du klingst, als hättest du einen Korken zwischen den Zähnen“, sagte sie. „Ich wäre froh, wenn das überhaupt noch möglich wäre“, entgegnete ich und sie verstand. Jedenfalls so viel, daß sie nicht weiter nachfragte.

Als ich auflegte, warf mir Jerome einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Ey, Alter, guck‘ dir die Scheiße an!“
Er zeigte mir die Kaffeetasse, die er sich gerade gekocht hatte. Die Brühe sah ziemlich grün und schlammig aus.
„Du hast das gesamte Weed, das wir noch hatten, in die Kaffeemaschine geschüttet!“
Eine Sekunde lang musterte ich Jerome verständnislos, dann fing ich aus vollstem Herzen zu lachen an.
„Alter, das ist nicht witzig! Ich hab‘ 15.000 für das Zeug bezahlt!“
Ich konnte nicht aufhören, zu lachen. Er schüttelte mit dem Kopf.
„Du gibst mir das Geld wieder!“
Er ging in Richtung Bad. „Ich hab‘ da irgendwo noch eine kleine Zange - du hilfst mir, das Teil aufzuschrauben und das Weed daraus zu holen, klar?“
Er wartete nicht auf meine Antwort, sondern ging ins Bad. Wir brauchten die Polizei und den Notarztwagen gar nicht mehr zu alarmieren - Jeromes Schrei versetzte das ganze Haus in Angst und Schrecken.


Harald hatte sich ein Bad eingelassen. Möglicherweise hatte er ursprünglich wirklich nur die Absicht, zu baden, als er das Maniküreset gesehen und es ihn auf dumme Gedanken gebracht hatte. In jedem Falle hat er sich mit allerhand Werkzeug heftig zugerichtet. Er muß wohl schon einige Stunden dort gelegen haben. Der Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen, und ihn dann aus der Badewanne fischen lassen.
Menschen, die wütend sind, machen eine Menge dummer Sachen. Und Helden, die wütend sind, machen noch dümmere Sachen - vor allem dann, wenn sie die Gewißheit haben, Helden zu sein.
Und wieder verliert sich alles im Wasser - hinweggespült, unwiderbringlich. Ich sitze im Wohnzimmer, kann nicht reden, nicht schreien, nur schreiben. Ich glaube, ich werde gleich das Porzellangeschirr aus dem Schrank holen und es zertrümmern, bloß, damit ich mir die Verwüstung ansehen, dem Gefühl ein Bild geben kann.
Vielleicht frage ich auch die Nachbarin, ob ich bei ihr ein Bad nehmen kann. Ein reinigendes Bad ... streichelnd, ölig, barmherzig.
 
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OldNick

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Ein unbedeutendes Fragment - zu Ostern ...

Stimmen aus dem Olymp dringen an mein Ohr. Ich schaue zum Mittelpunkt der Wand hinauf, ans Himmelszelt, von dem aus die Götter zu mir sprechen, sich mir zeigen in ihrer gnadenlosen Belanglosigkeit.
Dicke sind peinlich, Dicke sind lustig. Ich blicke in den Spiegel. Bin ich lustig? Kann ein Untermensch sich selbst erkennen?
Ich schalte weiter. Der Heilige Zorn ergießt sich nicht nur über die Maßlosen, auch die Faulen werden nicht geschont. Eine Arbeitslosendebatte, bei der kein Betroffener zugegen ist. Kann ein Untermensch seine Probleme erkennen?
O Satan, erbarme Dich!
Günter Grass will den Weltfrieden vor Israel verteidigen. Ich habe mir einen Rettungsschirm aus Butterbroten gebaut.
Die Brille rutscht mir von der Nase, fällt auf den Teppich. Ich zertrete sie, denn ich werde sie nicht mehr brauchen. Wieso hat mir der Elektronikverkäufer nicht gesagt, dass Fernsehen blind macht?
Man müsste ein Gedicht schreiben ... So viele ungeweinte Tintentränen fließen durch meinen Kopf.
O Satan, erbarme Dich!
Die Götter schweigen auf Knopfdruck. Der Glockenturm beginnt seinen Abendschrei.
Mein Nachbar hat eine Gruppe auf „Facebook“ gegründet: „Schwanz ab für Kinderschänder!“ Sein Sohn ist dieses Wochenende zu Besuch, um bei Papa Eier zu suchen.
Ich stehe auf, öffne das Fenster. Die gereinigte Luft im Raum wird verpestet.
Ein Priester läuft geradewegs auf die Kirche zu. Schaut nicht zurück, nicht zur Seite.
Auf der Straße liegt der tote Kadaver einer überfahrenen Katze. Ein Obdachloser beugt sich über den leblosen Körper, weint bitterlich, schreit. Selbst die Schönheit töten sie hier ...
O Satan, erbarme Dich!
Ich versuche, ein Gedicht zu schreiben, aber die Tinte wird trübe und verwischt zu schnell.
Aus der Wohnung des Nachbarn dringt ein greller Kinderschrei. Das Haus schweigt.
Etwas regt sich in mir. Ich wünschte, ich wäre impotent.
Satan,
 

OldNick

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AW: Ein unbedeutendes Fragment - zu Ostern ...

ABSCHLUSSFEST


Wir waren eine Prozession. Feierlich, die weißen Gewänder tragend, marschierten wir im Gleichschritt auf den Schulvorplatz. 1-2-3, 3-2-1, im stillen Takt der Herzen, die gerade erst zu schlagen anfingen.
Girlanden flatterten im seichten Frühlingswind. Die Eltern, stolz und noch feierlicher, schossen Photos mit ihren Digitalkameras. Die Ewigkeit währt nur einen Moment.
Nackte Mädchen tanzten in Käfigen, die den Vorplatz säumten. Lasziv räkelten sie sich, warfen uns aufreizende Blicke zu. Allein wir konnten sie nicht berühren, noch den Käfig betreten - die Türen waren fest verschlossen.
Ein Junge, der mit aller Macht versuchte, die Tür zu öffnen, wurde des Platzes verwiesen.
Mit sorgenvoller Strenge begleitete der Schulleiter die Prozession. Seine Lenden waren durch einen Gürtel mit Sperrschloss bedeckt. Den Schlüssel hatte nur der Priester. Dieser stand am Altar, auf den die Prozession zusteuerte.

Thea warf mir aus der Reihe, in der sich die Eltern aufgestellt hatten, einen besorgten Blick zu. Obgleich sie einen kurzen Rock trug, hatte sie sich nicht rasiert. Das Ziegenfell schimmerte deutlich unter der Strumpfhose hervor. Ein wohliges Gefühl stieg in mir auf, als ich sie sah. Wie sehr ich sie begehrte!

Der Priester breitete seine Flügel aus. Beide mündeten in den schwarzen Flammen der Kerzen, die durch seine Berührung höher zu lodern begannen. Dann reckte der Priester seinen Krähenschnabel feierlich dem strahlenden Himmel zu.
»Ich bin gekommen, Euch das Licht zu schenken«, intonierte er mit hoher, krächzender Stimme. »Ich bin gekommen, zu wüten, zu toben, zu räubern, zu brandschatzen« - er senkte den Kopf ein wenig und ein Lächeln fuhr in sein Krähengesicht. »Zu verführen«, endete er.
Der Schulleiter wurde durch zwei schwarzgekleidete Schüler (die Einzigen, die keine weiße Examensuniform trugen) an den Altar geführt. Der Schulleiter sagte nichts - nur seine Mimik protestierte.
Der Priester öffnete das Schloß des Keuschheitsgürtels mit bloßen Krallen.
»Seht, wie ich Euch das Leben schenke!«, rief er an die Prozession gewandt.
Nur mit der Kraft seiner Krallen entmannte er den Schulleiter. Dieser schrie laut und schmerzverzerrt auf. Das Blut sickerte auf den Altar.
Wieder breitete der Krähenpriester seine Flügel aus, bewegte sie rhythmisch auf und ab. Und abermals blickte er gen Himmel. Laut, mit einem hohen, verzerrten Krähenschrei rief er:
»Io Pan! Io Pan! Io Pan!«
Der Himmel stieß einen mächtigen Schrei aus. Die Farbe des Firmaments veränderte sich. Es strahlte erst in einem schimmernd-rosafarbenen Ton, wurde bald rot.

»Ich bin gekommen, zu erschaffen« - die Prozession wiederholte das Intonierte. Ich tat es den anderen gleich. Es war fast ein innerer Drang, wie ein Instinkt.
»Ich bin gekommen, zu zerstören« - abermals wiederholte die Prozession das Gesagte.
»Io Pan!«, krächzte der Priester und die Prozession wiederholte es. Immer und immer wieder, bis bald jeder in einer Art Trance arhythmisch in den Himmel schrie.

Das Krähengesicht transformierte sich. Aus dem Inneren des spitzen Kopfes wuchsen Hörner. Dickflüssige Tropfen rannen das Gesicht hinab. Zumindest schien es so, bis ich feststellte, dass die Flüssigkeit von oben kam. Der Himmel blutete. Und der Priester öffnete weit den Mund, um die Tropfen in sich aufzunehmen. Jetzt intonierte er nichts mehr, sondern schnappte gierig nach den Blutstropfen.
Bald war der asphaltierte Vorplatz ein See aus Blut. Die Mädchen hatten aufgehört zu tanzen, stattdessen ließen sie verzweifelt die Zungen aus den Gitterstäben hängen, um ebenfalls etwas von dem Regen in sich aufzunehmen. Jene, die es nicht vermochten, brachen leblos in sich zusammen.

Auch ich spürte, wie mir das Atmen schwerer wurde. Gierig leckte ich nach dem Blutregen.
Ein anderer Junge kam auf mich zu. Sein weißes Gewand war schlammrot geworden. Er hatte sich den Examenshut in den Mund gesteckt, um die Tropfen aus dem Stoff zu saugen. Plötzlich, ohne, dass ich es im ersten Moment registrierte, nahm er die rechte Hand aus der Tasche. Der Dolch zischte blitzschnell auf mich zu. Schnell sprang ich zur Seite, rollte mich auf den Boden.
Der Junge nahm den Hut aus dem Mund, sagte gepresst, aber wie in einem Wahn:
»Dein Blut! Schnell! Schnell
Er kniete über mir. Das getrocknete, aus dem Hut gesogene Blut hing an seinen Mundwinkeln. Ein Gedanke überkam mich, vielmehr ein Instinkt. Ich reckte den Kopf nach vorne, wie um ihn zu küssen. Stattdessen biß ich ihm in die Lippen. Sein Speichel rann auf meine Zunge. Der Schrei war gedämpft, aber er vibrierte in meinem Mund, als sei er mein eigener Puls.
Ich saugte mich an seinen Lippen fest, aus denen das so wertvolle Leben rann.
Das seltsame Gefühl einer Verbundenheit machte sich in mir breit - er war Blut von meinem Blut, sein Tod war mein Leben. Und während sich seine Lebenskraft in mir manifestierte, empfand ich eine merkwürdige Form sexueller Erregung. Ich drückte den jungen Männerkörper fest an mich, wie um mit ihm zu verschmelzen.

Der Schlag auf den Hinterkopf traf mich plötzlich und unvorbereitet, weshalb er mir heftiger erschien, als er war. Ich ließ von dem Mitschüler ab, fuhr herum. Thea stand vor mir, mir einen strengen, aber nicht bösartigen Blick zuwerfend.
»Komm´ mit«, forderte sie mich sanft auf.
»Wohin?«, fragte ich.
»Fort«, entgegnete sie und zog mich mit.
Ich warf einen Blick zurück. Der Priester bohrte seinen Schnabel in den aufgerissenen Körper eines der Knaben. Die anderen waren ebenfalls damit beschäftigt, sich gegenseitig anzugreifen. Ein See aus Blut floß über den Vorplatz.
Mein letzter Eindruck, bevor das Bild in der Ferne verschwand, war ein junger Mann, der durch die Gitterstäbe versuchte, das Bein einer der Tänzerinnen mit dem Taschenmesser aufzuschneiden.
Je weiter wir uns entfernten, desto weniger Blut regnete hinab.

Erst als wir ein abgelegenes Waldstück erreicht hatten, machte Thea halt. Ihre Ziegenfüße schienen ermüdet.
»Das ist es«, sagte sie und vollführte eine Geste, als wolle sie den ganzen Wald damit umschließen.
»Das ist was?«, fragte ich.
»Hier wollen sie hin. Um hierher zu gehen, vollführen sie ihre Rituale und berauben sich ihrer Lebenskraft.«
»Aber ... es ist doch nur einen Fußweg entfernt.«
»Ja«, entgegnete sie lächelnd, »sie gebrauchen ihre Münder, dabei bräuchten sie nur zu tanzen, um hierher zu gelangen.«
»Aber die Tänzer sperren sie in Käfige«, stellte ich fest.
Sie lachte. »Aus Angst, dass sie ihnen davonträumen.«
Der Frühling leuchtete. Der Wald hatte unendlich viele Gerüche zu bieten, die in der Summe einen neuen ergaben: Leben.
Ich betrat die Lichtung. Ich hatte keine Wanderschuhe, aber Amalthea würde sicherlich dafür sorgen, dass mir Hufe wuchsen.
 
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Y

Yüksel

AW: Ein unbedeutendes Fragment - zu Ostern ...

Alsooooo ... da ich jan nun die Texte von Marcel sehr gut finde, ganz speziell diejenigen eher etwas "ausgefallener" Natur, habe ich mich zweimal am "Unbedeutenden Fragment zu Ostern" vergangen:

Version 1:
 

Version 2:
 

(... und hoffe ganz stark, daß Marcel jetzt noch mit mir spricht)
 

OldNick

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Was uns trennt

Was uns trennt

Der Fremde steht direkt vor mir, wirft mir einen argwöhnischen Blick zu, als versuche er, den Boden eines Abgrundes zu finden.
Ich kann ihn deutlich sehen - und doch bin ich nicht imstande, ihn zu erkennen.
Ein zeitloser alter Mann mit rotbraunem Vollbart. Als er sich mit der Zunge über die Unterlippe fährt, fällt mir auf, dass ihm der Schnauzbart über die Oberlippe gewachsen ist.
Er kneift seine suchenden blauen Augen zusammen, als die Klimaanlage im Bad anspringt.
Ich wende mich vom Spiegelschrank ab, fahre mir mit der Hand durch das Gesicht, lasse sie einen Augenblick bei den Augen verharren, so als hoffte ich, dort etwas zu finden. Aber in der blauen Tiefe, hinter der meine Seele wohnt, finde ich nichts weiter als einen Tropfen Wasser, der langsam mein bärtiges Gesicht hinabperlt, der Freiheit entgegen, die doch nur dazu verdammt ist, im Salz meiner Haut zu verenden. Jedem Anfang wohnt sein Ende inne.
»Aussichtslos«, flüstere ich, um mir die aussichtsreichen Träume zu vertreiben, mich zu enttäuschen, bevor die Wirklichkeit mich wuchtig in meine Realität zurückschleudert, die sich mit keiner anderen kreuzen lässt. Allein ich will mir meine geflüsterte Eingebung nicht glauben. Leise hallt sie im gefliesten Badezimmer wider und formt, als würden die Fliesen die Imagination in meinen Kopf zurückschleudern, ein Bild, das sich in ein stechendes, bitteres Gefühl verwandelt, nur um bald von der Strömung des Gedankenmeeres mitgerissen zu werden und lautlos zu ertrinken.

Sie ist immer noch nicht erwacht, als ich aus dem Bad trete. Ihr rabenschwarzes Haar glänzt im Schein der aufgehenden Sonne. Wenn ich die Luft anhalte, kann ich ihren Atem hören. Die Decke ist bis zu ihrem Bauchnabel hinabgerutscht, und ihre Brüste heben und senken sich.
Kein Verlangen regt sich in mir. Allein ich lausche ihren gleichmäßigen Atemgeräuschen. Im Rausch meiner Gedanken haben sie einen nahezu vollkommenen Klang. Sie sind nicht zu laut, nicht zu leise. Sehr regelmäßig, wie das Ticken eines Uhrwerks. Ruhig, unaufgeregt, leidenschaftslos. Gesund.
Ich selbst atme immer ungleichmäßig - mal schnell und hektisch, dann wieder zu flach, zu gepresst, aus dem Brustkorb heraus, so als wollte ich ihn von einer Last befreien. Wenn ich es recht bedenke, hatte ich noch nie so etwas wie einen »gesunden« Atem. Mein Herz schlägt viel zu schnell für diesen kleinen Körper und manchmal habe ich Angst davor, dass es mir davonspringen könnte.
Ist es am Ende der Atem, der uns trennt? Der Schlag unserer Herzen? Meine Gedanken rauschen im Takt des Meeres, hoffend, sich verzehrend nach einer Wirklichkeit, die diesmal nicht auf dem Boden meiner eigenen korrupten Realität endet. Aber warum, frage ich mich, sollte es diesmal anders sein, als all die anderen Male zuvor?
Da ist diese Mauer zwischen uns, die Staudämme, die errichtet wurden, um das Meer vom Fließen abzuhalten.
Ich kann es ganz deutlich fühlen. Es fließt wie der Stich einer erhitzten Klinge durch den Körper, vom Bauchnabel aufwärts bis zum Brustkorb, in den ich verzweifelt hineinzuatmen versuche. Doch es fühlt sich an, als säße dort ein Stein, der den Atemfluss blockiert.
Ich stehe auf, um mich anzuziehen. Während ich meine Kleider auf dem Teppichboden zusammensuche, beobachte ich still, wie die Klinge in mir zu Werke geht. Und während sie jetzt meine Hoffnungen herausschneidet, setzt sich ein Schrei in meiner Kehle fest.
Als ich den Mantel anziehe und zur Tür schleiche, um sie nicht aufzuwecken, ihren gleichmäßigen Atem höre, der sich ruhig hebt und senkt, wird mir klar, was uns trennt.
Mein Herz tritt gegen den Brustkorb und der Schrei in meiner Kehle vergrößert sich. Schnell öffne ich die Hotelzimmertür und hoffe, dass der Aufzug mich bald in die Tiefgarage bringen würde, damit ich den Schrei endlich aus der Kehle entlassen konnte.
 

OldNick

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Gehversuche

Gehversuche
Zaghafte, leichte Schritte auf dem schmierigen Waldboden. Meine Gamaschen sind noch verdreckt von dem Morast, den die Regenzeit mit sich brachte, als ich auf die Lichtung trete. Die Sonne strahlt so hell, dass ich mir die Hand vor die Augen halten muss, damit sie mich nicht blendet.
Die Dunkelheit - ein gewohnter Begleiter - wird vertrieben durch den einfallenden Lichtstrahl, der die kalte Außenfläche meiner Hand wärmt.
Während ich blind darauf warte, dass sich meine Augen an das Sonnenlicht gewöhnen, nehme ich den Klang von Jazzmusik wahr, die von einem Knistern begleitet wird. In der Wärme der Sonne habe ich fast das Gefühl, ich befände mich vor einem Kamin und die Musik dahinter - irgendwo in einem unsichtbaren Mauerwerk hinter der Feuerstelle.
Als ich die Hand senke, erspähe ich einen Regenbogen am Horizont. Er erstrahlt in Tausenden von Farben, die ich nur schwer zuordnen kann. In der Gänze ergeben sie eine wunderbare Harmonie, die mir so fremd und doch vertraut vorkommt.
Im nassen Gras findet mein Blick ein Koffergrammophon, auf dem sich eine Schellackplatte dreht, die Musik von Django Reinhardt spielt.
Meine Schritte sind noch sehr langsam. Die Beine fühlen sich weich an, lassen sich kaum kontrollieren. Wie ein schicksalshaftes Pendel schlagen sie immer wieder aus, führen mich mal nach links, mal nach rechts, ohne, dass ich das Gefühl habe, selbst die Richtung vorgeben zu können.
Schutzsuchend blicke ich zurück in den dunklen Wald, aus dem ich gekommen bin. Es ist ein Blick zurück in die vertraute, dumpfe Umgebung - das Zurücksehnen des Kindes in die Dunkelheit der Plazenta, die, obschon sie so eng und stickig ist, dass sie keinen befreiten Atemzug zulässt, doch so wohlvertraut ist.
Doch meine Füße führen mich weiter die Lichtung hinab, zum Grammophon. Die Musik wirkt leise, als würde sie irgendetwas dämpfen, doch als ich mich hinknie und mein Ohr ganz nah an die Muschel halte, wird die Musik lauter, deutlicher.
Unwillkürlich macht sich ein Lächeln auf meinem Gesicht breit. Noch habe ich das Bedürfnis, es fortzuwischen, aus Angst davor, dass es erlöschen könnte. Meine ersten Gehversuche sind nicht perfekt, aber sie haben mich hierher geführt.
Ich habe etwas gefunden, das sich »Heimat« nennt. Noch wehre ich mich dagegen, aber - wenn ich Dich beschreiben wollte, wie könntest Du etwas anderes sein als meine Lichtung?
 

OldNick

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Der Morgen

Der Morgen
Die letzte Geige klingt noch nach, während sie mit hoher Geschwindigkeit vom Himmel fällt.
Ein kratziges, gutturales Geräusch, wie das Wehklagen eines Verbrennenden.
Die Realität kehrt laut mit der Stille zurück, die nur von dem erdenden Klang der Turmglocken gebrochen wird.
Ich weiß den Spiegel in meinem Rücken, fühle mich durch seinen messerscharfen Blick beobachtet.
Die Vorstellung, die Imagination verflüchtigt sich und zurück bleibt nichts als das leere Grab der Realität, in das ich wie auf einen Betonboden zurückfalle.
Als ich aufstehe, muß ich frösteln. Unwillkürlich streife ich den Blick des Spiegels, dem trügerische Imaginationen fremd sind, und schüttele traurig den Kopf. Während ich die Knöpfe meines Hemdes schließe, zähle ich leise von 10 beginnend bis auf 1 runter. Ein wohlgepflegtes Ritual.
Nun bin ich in der Realität angekommen. Der Tag hat mich wieder. Jetzt bin ich der, der ich nicht bin.
 

OldNick

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Rohdiamanten

Rohdiamanten

Unbeirrt glühte die blutverschmierte Zigarette weiter, den leblos zusammengekauerten Körper vor sich sitzend. Die hellrote Farbe des Lippenstifts auf dem Filter spiegelte sich auf der Oberfläche des Glastischs.
Er wollte die Zigarette ausdrücken, den Aschenbecher zu Boden schleudern, bloß um dem Moment eine Spur der Veränderung zu geben. Oder um die Beklemmung auszudrücken, die allmählich in ihm aufstieg, den Gedanken, dass man doch etwas tun müsse - irgendetwas, bloß, um es zu tun -, die sich mischten mit dem ambivalenten Gefühl der Liebe, dem doch kein Verständnis innewohnte. Liebe, von Fassungslosigkeit vergiftet, die doch nicht in Hass umschlägt. Noch nicht.
Mit einer mechanischen Bewegung zur Ablage nahm er den Hörer vom Telefon. Das Amtsfreizeichen bohrte sich in seinen Gehörgang. Nur ein monotones, nichtssagendes Geräusch, ohne eigene Identität und Persönlichkeit, aber mit der freien, unbeirrbaren Aussicht, alles zu werden, was man sich wünscht. So würden ungeschliffene Rohdiamanten klingen. Und so klingen schreiende Babys, deren Worte sich noch formen aus dem Nichts des emotionalen Potenzials, die sich noch unsicher sind, ob sie „Ich liebe Dich“ oder „Ich werde Dich töten“ ausdrücken wollen.
Wann wird aus einem Rohdiamanten eine Ausschlussware, die bestenfalls noch für 100 Euro an einen ahnungslosen Ehemann verkauft wird, der seiner Frau ein Gefühl von Reichtum und großer weiter Welt zu verschaffen hofft? Und an welchem Punkt entscheidet sich, ob das Baby zu einem bösen, asozialen Subjekt mutiert? Sagt es bösartige Dinge? Schubst es später, im Kleinkindalter andere Kinder vom Spielgerüst? An welchem gottverdammten Punkt setzt die Transformation ein, und warum hatte er sie nicht bemerkt?
Immer noch mehr unbewusst, denn aus klarer Absicht handelnd, drückte er die Kurzwahlspeichertaste 1. Der Freiton erklang und transformierte die Leere in die monotone Abfolge des Anwahltons.
Die ihm so wohl bekannte Männerstimme erklang am anderen Ende der Leitung, das so weit entfernt schien, wie die Stadt für den verirrten Wüstenwanderer.
„Hallo? Robert? Warum sagst Du nichts?“
„Oh, Verzeihung“, entgegnete er und räusperte sich, um dadurch den Sand aus dem Getriebe zu pusten. Allein es wollte ihm nicht recht gelingen. Zu massiv war die Staubschicht, die Kehlkopf und Psyche gleichermaßen belagerte.
„Du musst herkommen“, fuhr er fort, „so schnell wie möglich. Am besten sofort. Sage niemandem, dass ich Dich angerufen habe.“
„Robert“, sagte die besorgte Stimme am anderen Ende der Leitung, „was ist los? Du klingst so ...“
„Bis gleich“, erwiderte er tonlos und legte auf.
Wieder allein mit der Stille. Und allein mit der Entschlossenheit. Die Toten sind zu ehren, was aber war mit den Lebenden? Ist es nicht wichtiger, zu aller erst ihnen zu helfen?
Rings um das Wohngebiet verlief ein großer Wald. Sein Freund würde ihm helfen, wenn er das Unheil sah. Daran bestand für ihn kein Zweifel. Er würde seine Frau in einen Teppich einrollen - nicht in irgendeinen, sondern in ihren Lieblingsteppich, den sie in Ägypten gekauft hatten - und sie würden ihr zu Ehren Gebete sprechen und ihr ein würdiges Begräbnis im stillen Frieden des Waldes bereiten.
Ein Wimmern entfuhr ihm. Seine Kehle brannte. Die Tochter, die auf der Couch saß, blickte zu ihm empor. Ein fragender, glasiger Blick. Kein Quentchen Mitgefühl darin. Er ging auf sie zu, nahm ihre Hand und umfasste das Heft des Messers. Ohne Gegenwehr entließ sie den Griff aus ihrer Hand.
Er legte das Messer behutsam auf den Couchtisch, fast so, als handle es sich dabei um einen rituellen Gegenstand.
Sie würden es verschwinden lassen müssen. Eine lange Autofahrt in die Dämmerung hinein, irgendein beliebiger weit entfernter Rasthof das Ziel. Gereinigt, von Fingerabdrücken befreit, nicht aber von der Schuld des Tages, würden sie es in die Nacht hinauswerfen, auf den Asphalt eines Rastplatzes oder in die Büsche eines nahegelegenen Waldstücks.
Sie würden alle Spuren beseitigen - nur nicht jene, die die Ereignisse der vergangenen Minuten in ihrem Herzen hinterlassen hatten.
„Was jetzt?“, fragte seine Tochter. Die Stimme fest, aber ohne Betonung. Nicht zitternd, nicht traurig, keinen Jota des Bedauerns darin. Was sollte er mit seiner Tochter tun? Seiner Tochter, die, die Hände blutverschmiert, das todbringende Messer, das Corpus delicti gerade erst aus den Händen entwunden, keine andere Bemerkung findet, als die nüchterne, sachliche Frage „was jetzt?“? Wie sollte er mit seiner Tochter verfahren? Ihr das Taschengeld streichen? Oder ihr - mit erhobenem Lehrerfinger - sagen: „Du hast Deine Mutter getötet, Jenny, Du gehst heute ohne Abendessen ins Bett!“?
Er lachte laut auf. Ein gequältes, trauriges Lachen. Dann holte er aus und schlug sie. Einmal. Zweimal. Keine Gegenwehr. Dreimal. Viermal. Ein japsendes Geräusch. Fünf. Sechs. Sieben. Er schlug jetzt mit der geschlossenen Faust. Qual. Frustration. Was hatte er falsch gemacht? Scheitern. Selbsthass. Verzweiflung. Mit jedem Schlag distanzierte er sich mehr von den Emotionen, die sich gleichermaßen in ihm aufbäumten und abebbten, aufbäumten und abebbten, mit jeder neuen Ausholbewegung.
Erst nach einer Weile bemerkte er das Blut an seinen Händen. Zuerst dachte er, dass er sich beim Schlagen verletzt hatte. Als er hinabschaute, blickte er in das blutüberströmte Gesicht seiner Tochter. Irritiert, orientierungslos, nicht wissend, was er angerichtet hatte, wandte er sich ab.
Sein Blick fiel auf den Aschenbecher. Die Zigarette war bis zum Filter abgebrannt. Er beugte sich nach vorne, kniete vor dem Couchtisch nieder, und begann, an dem Filter, der nach ihren Lippen schmeckte zu saugen.
Eine monotone, merkwürdige Tätigkeit, fast so, als wolle er den Filter küssen, leckte er die Spuren des Lippenstifts ab, saugte fest, aber zärtlich an der rauen dunklen Oberfläche.
Weinend drehte er den Körper zu ihr, die leblos in dem Sessel saß, gekrümmt von den vielen Stichen in den Bauch. Die Hand war ihr in den Schoß gefallen, nachdem sie sich noch die Brust gehalten, die das Messer zuletzt erwischt hatte. Sanft streichelte er ihre Handfläche, die immer noch warm, immer noch lebendig war.
„Los, steh´ auf“, flüsterte er. Immer und immer wieder, bis aus dem Flüstern ein Ruf wurde, der in einem wimmernden Tonfall erstarb.
„Es ist gut“, flüsterte er ruhig, „Du musst Dich nur etwas erholen. Nur erholen. Ich wecke Dich. Ich werde da sein.“
Er legte sein Gesicht auf ihren Bauch, vergrub den Kopf in dem Blut, das noch warm war und griff, unwillkürlich, durch den zerschnittenen Stoff ihrer Bluse in ihren aufklaffenden Bauchraum hinein.
In der Wärme ihres Blutes fühlte er sich merkwürdig friedlich. Sie schlief, um sich zu erholen. Bald schon würde sie die Augen öffnen und sie würden sich gemeinsam eine Bestrafung für Jenny ausdenken. Fünfzig Prozent weniger Taschengeld. Hausarrest. Oder die Sommerferienfreizeit streichen. Was es auch sein würde - sie musste wirklich begreifen, dass sie hier eine Grenze überschritten hatte.
 
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OldNick

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Schlaf

Die Sonne lacht nicht mehr, schöpft nichts mehr als Tränen. Umarmt den Weltenkörper kalt und glitschig, wie ein ungestümes Urzeitreptil. Wo Wärme war, lässt nur noch Kälte erzittern. Wo einst Vertrautheit lag, existiert nur noch Zweifel und Entfremdung.
Körper, die sich empfindungslos berühren. Die Tageslichtlampe spendet Trost und Zuflucht. Der Tod wirkt aussichtsreich im Angesicht des Lebens, das alle Hoffnung zerschmettert. Das Nichts kennt keinen Verlust - die Unendlichkeit des Leidens wird durch das endliche Blut fortgespült.
Wärme, Zuversicht und Hoffnung - fassbar in der endlich gewordenen Unendlichkeit - blutend, sterbend und wie nie zuvor lebend in Deinen Armen, in der süßen Unverletzlichkeit.
 
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