Der Neue Prototyp
Wir befinden uns im Jahr 2326 auf einem Planeten Namens Buddha-Karlos-Omikron IV. Unser Planet ist der letzte Außenposten der Menschheit im uns bekannten Universum. Die hohe Strahlung und die toxischen Umweltbedingungen haben jedoch dazu geführt, dass die Menschen unfruchtbar wurden. Eine Minderheit von Retortenbabygegnern hatte das Datennetzwerk des Planeten unterwandert und mit Hilfe Computervirus erreicht, dass sämtliche Lebenserhaltungs- und Fortpflanzungssysteme des Planeten synchron kollabierten. Nur an der zentralen antropoistischen Universität hatte es ein isoliertes System gegeben namens Morgenwelt in dem an diesem Tag eine kleine Gruppe Menschen arbeiteten: Wir.
Wir konnten durch Systemanalysen mit 100% sicherheit sagen, dass wir die letzten überlebenden sind. Wir sind in den letzten Tagen zu dem Konsens gelangt, dass es nun an uns liegt eine neue Menschheit zu züchten. Die nötige Technologie steht uns zur Verfügung, wir können für zukünftige Retortenbabys das Genom nach unseren Vorstellungen designen.
Wir kommen jetzt in einem Kolloquium zusammen um einen Konsens zu erarbeiten, darüber wie der neue Prototyp beschaffen sein soll und mit welchen Werten er wie erzogen werden soll. Bis hier hin sind wir uns gestern einig geworden
Protokoll der laufenden Debatte
(Anmerkung: Prof. Dr. Max Trautheim ist Kommunenbeauftragter zur analytischen und exekutiven Glücksicherung von Beruf. Er ist mitte 40, prinzipiell einfühlsam aber den ethischen Grundsätzen seines Berufsstandes zu 100% verhaftet.)
Trautheim:
Meine Damen, Meine Herren, die heutige Sitzung ist eröffnet. Wir haben uns versammelt einen Konsens zu erarbeiten zur Gestaltung und soziallen Einbettung des neuen Prototyps. Sie alle haben sich sicherlich zu diesen Fragen in der vergangenen Nacht schon ihre Gedanken gamacht. Wer möchte beginnen?
(Anmerkung: J. Butler ist Vertretrin der Gender Studies und betreibt Geschlechterforschung. Sie ist Ende 50, alleinstehend und Atheistin.)
Butler:
Wie wir alle wissen, ist das Geschlecht nur ein Produkt unserer Gesellschaft und der Erziehung. Daher würde ich mir endlich eine Menschheit wünschen, die frei ist von Diskirminierung auf Grund des biologischen Geschlechts. Schluss mit Unterscheidung. Freiheit für alle Entfaltung, egal ob Mann oder Frau. Ein Mensch, der nicht durch seine Äußerlichkeit zu Mann oder Frau wird, sondern durch sein Wesen.
(Anm: Rüdiger Neumann ist 73 Jahre alt, Biologe und passionierter Rosenzüchter, emerittierter Professor und wurde dazugerufen, weil er a) Ahnung hat und b) noch lebt. Seine Zeit im Dienst der Universität vermisst er nicht wirklich, diese ganzen Trends hin zu Studenten die ihn sowieso nicht verstehen und nur studieren weil man das halt so tut, ohne Passion, haben ihm den letzten Nerv geraubt und seinen Zynismus gestärkt. Seit dem Krebstod seiner Frau vor über 20 Jahren hat er nur noch Affären und nimmt das Leben sowieso nicht mehr ernst)
Neumann (murmelt zu seinem Sitznachbarn/seiner Sitznachbarin, mit einem Blick auf Butler):
Gibts doch schon, steht ja grad vor uns. (erntet einen fragenden Blick, den er ignoriert. Stattdessen schüttelt er kaum merklich den Kopf, rutscht etwas tiefer in seinen unbequemen Stuhl und murmelt vor sich hin)
Wir klonen das Butler, dann spricht die Menschheit die nächsten 80 Jahre darüber wie es sich anfühlt eine maskuline Frau gefangen in einem asexuellen Männerkörper zu sein, und am Ende sterben alle bevor sie drüber nachgedacht haben, sich fortzupflanzen. Problem gelöst.
Anmerkung: Irena Sazilova, Ende 30, in ihrer Jugend als freiberuflicher „Executive“ tätig, als Spezialistin für feindliche (und vor allen Dingen gewaltsame) Firmenübernahmen. Inzwischen Sicherheitschefin der Morgenwelt.
Sazilova:
(Kopfschüttelnd) Ich glaube wer in der jetzigen Situation noch an ein Geschlechterproblem denkt, hat nicht ganz begriffen wie tief wir in der Schei** sitzen. Allein die Tatsache, dass wir hier hocken, isoliert, gefangen im Nest das wir uns selbst gebaut haben, ohne Möglichkeit auch nur fünf Minuten ohne technische Hilfsmittel zu überleben, ist ein Beweis für die Niederlage der Spezies Mensch.
Ich weiß, viele von Ihnen sehen sich als Schöpfer einer neuen, edlen Rasse, aber mit purem Gutmenschentum endet unsere Geschichte hier und jetzt. Wir haben nichts! Wir leben in einer Welt, die uns feindlich gesinnt ist! Wir sollten also nicht darüber nachdenken, wie wir einen moralisch überlegenen Menschen schaffen, der in Friede und Einklang mit seiner Umwelt lebt, sondern vielmehr über einen Menschen, der in der Lage ist sich das Universum Untertan zu machen.
Stellen Sie sich die Zukunft vor... die Menschen treiben zwischen den Planeten umher, ohne Notwendigkeit Sauerstoff zu sich zu nehmen, oder Wasser. Eine Hochleistungsmaschine die in der Lage ist kosmische Strahlung in Energie umzuwandeln! Unsere jetzigen Körper sind dazu nicht in der Lage, also warum nicht unsere humanoide Form aufgeben, etwas neues entwickeln? Etwas, das in der Lage ist da draußen zu überleben! Alles andere wird unseren Untergang nur noch um wenige Generationen hinauszögern, aber nicht abwenden können.
Trautheim:
Sie sprechen mir aus der Seele, Sazilova, in der Tat, sie sprechen mir aus der Seele. Mein erklärtes Ziel, wie ihnen allen bewusst sein dürfte, ist es, dass unsere Kinder Glückicher sein mögen als wir es waren. Die vielen Versuche durch Terraforming und der gleichen die Umwelt erträglich zu machen konnten seit Generationen niemandem mehr das historische Gefühl von Heimat zurück bringen, da ist es doch plausibel, dass wir der Evolution folgen und uns anpassen. Die Frage wie wir uns Fortpflanzen, ob Einhäusig oder Zweihäusig Herr Neumann es wohl ausdrücken würde, sollten wir vom Biologischen Anpassungsdruck abhängig machen und nicht von soziologischen Problematiken die es in der alten Welt gab. Wer sagt denn, Frau Butler, dass es unter den Geschlechtern der neuen Prototypen Diskriminierung geben muss? Das ist doch allein eine Frage unserer Erziehung, nicht wahr? Vielleicht werden wir beim näheren Hinsehen auch feststellen, dass es Sinnvoll ist fünf Geschlechter zu haben anstatt zwei, wenn sie dann nur glücklich leben können! Nein, nein, die Frage die mich bewegt, weil sie meine Expertise übersteigt: Kann man in so einem Fall bei den neuen Prototypen überhaupt noch von einer "Menschheit" sprechen, oder schaffen wir eine "Ungeheuerlichkeit", die die Menschheit endgültig in den Abgrund stößt?
Butler (zornig, aufgebracht):
Wollen wir uns hier benehmen wie die Götter? Wir können doch keine neue Spezies schaffen. Das ist ... ungeheurlich. Ungeheuerlich sage ich!
Um etwas Neues zu schaffen, müssten wir uns ja erst einmal selbst definieren und schon daran scheitern wir. Was ist denn das überhaupt? "Mensch"? Was macht uns aus? (noch betonter) Wie definieren wir uns als menschliche Rasse eigentlich?
Trautheim:
Ich kann ihnen nicht ganz folgen... Wollten Sie nicht gerade noch die Geschlechter abschaffen? Ist es nicht ein wesentliches Merkmal beinahe aller exirdischen Spezies, dass sie sich zur Fortpflanzung paaren? Ich stelle ihnen die Frage zurück! Was sind wir, wo ist die Grenze ab derer die neuen Prototypen keine Menschen mehr sind?
Butler:
Ich rede nicht davon, die Fortpflanzung abzuschaffen. Fortpflanzen sollen wir uns wohl, nur sollen die Geschlechtsteile äußerlich absolut identisch sein. Eine biologische Abschaffung der Geschlechter, nicht der "Paarung".
Aber wenn wir anfangen im Weltall zu atmen oder mit mehreren Extremitäten herumzulaufen. Nein, meine Damen und Herren, das kann man nicht mehr menschlich nennen.
Sie können meintewegen auch 7 oder 8 Geschlechter schaffen, wenn Sie wollen, aber eine annähernd körperliche Form sollte uns doch erhalten bleiben.
Trautheim:
Scheint ihnen das nicht selbst etwas willkürlich, Frau Butler, oder wie darf ich sie anreden? Genitalien verstümmeln ja, Flügel züchten nein... Bitte erklären sie mir, wie man ihrer Ansicht nach diese Grenzlinie definieren sollte, und vor allem warum?
Butler:
Wie können Sie es wagen? So eine Dreistigkeit. Ich rede hier nicht von verstümmeln, ich bitte Sie. Ich rede von Gleicheit im Körper, aber Unterschiedung im Geiste. Ja, äußerliche Uniformität, wenn man es böse ausdrücken möchte. Die Preteens haben vor 200 Jahren auch alle den gleichen Haarschnitt getragen und doch hat niemand von Verstümmelung geredet.
Welchen Vorteil sehen Sie eigentlich darin, uns in Monster zu verwandeln? Willkürlich geschaffene Abnormitäten. Wo bleibt denn da der Geist, die Spiritualität?
Benito Kundalini,
Anfang 40 und Neurologe mit einem Hang zur Philosophie. Er kommt aus einer streng religiösen Familie und hat noch das ein oder andere aus seiner Erziehung mitgenommen. In seiner Jugend war er Teil der transhumanistischen Bewegung, der offizielle Kontakt brach aber nach einer Haftstrafe auf Bewährung ab. Die liebe Konkurrenz wirft ihm diese Vergangenheit vor, was Kundalini stets als Jugendsünde abtut.)
"Verzeihen sie, wenn ich mich einmische, Madame Butler, aber... seit wann hat der Geist etwas mit der äußeren Erscheinung zu tun...? Sollte es diesem Geist nicht ganz egal sein, ob er nun mit fünf Fingern an einer Hand oder fünfzig Tentakeln nach den Sternen greift...? Sind die inneren Werte so abhängig vom Äußeren? Dann frage ich mich doch, ob es eine so gute Idee ist, die körperliche Ausstattung unseres Projektes überhaupt zu verändern. Sehen wir einmal davon ab das sie das Stutzen toter Hornfäden mit der plastischen Umwandlung erogener Zonen vergleichen... glauben sie, das Geschlecht sei wirklich nur von dem Sitz der reproduktiven Organe abhängig? In Jahrmillionen der Evolution hat sich unser Gehirn so entwickelt, wie wir es heute in unseren Schädeln spazieren tragen. Es kam nur mit Müh und Not diesem schlechten Witz namens Zivilisation hinterher und noch heute, obwohl wir es bis hierher auf eine fremde Welt am Rande der Unendlichkeit geschafft haben, kämpfen wir noch immer gegen die Überreste unseres Höhlenmenschen-Programms. Ganz gleich, was sie mit dem Körper auch anstellen wollen, wenn sie das Gehirn unangetastet lassen und es einfach in einen Hermaphroditen oder einen Tintenfisch mit Superkräften stecken wollen, wird es zu unkalkulierbaren Problemen kommen."
Butler (genervt):
Ja, meine Herren, dann machen Sie doch was Sie wollen. Schaffen Sie sich ein Super-Monster. Schaffen Sie eine neue Spezies. Lassen Sie doch die Menschheit entgültig untergehen. Warum diskutieren wir eigentlich noch? Wir sind doch schon am aussterben. Überlassen wir diesen Lebensraum doch den anderen Kreaturen da draußen. (zynisch) Ach nein, schaffen wir doch am besten eine neue Rasse, damit der intergalaktische Krieg von Neuem ausbricht. "Großes Tennis", wie man früher sagte.
jenseits der Scheibe, also im holographischen Teil des Konferenzraumes entsteht auf Platz 7 ein Schemen, das aber noch keine definitive Form gewinnt. Es ist offensichtlich der Versuch einer Zuschaltung aus der isolierten subkarlotischen Labor- und Technikabteilung unter Prof. Dr. Dr. hc rer nat...lassenwirdas...Mines TR Ohnezweifel, der noch nicht näher charakterisiert wird, da das holographische Identplasma noch unterhalb der notwendigen 75%-Morphe liegt und deshalb nicht eindeutig ist:
Hören Sie uns, Hallo! Leider war es uns bisher nicht möglich auf Traut.....wir konnten ihren letzten Ausführungen nicht mehr wirklich f....urzschluss und ver...........sicherlich noch nicht bekannt, dass wir bereits vor sechs.......ualität im Sinne...................swandler kein Pro.....statisch erschei......benkleister nochm.......mal eine Zusammenfassung der bisherigen Deb.......akel ist das hie....
Die Übertragung bricht ab und das Schemen verschwindet wieder
Trautheim:
Ach herr je, (lacht) die Techs kämpfen wieder mit ihren Stahlhirnen. Lassen Sie uns dem vorerst keine beachtung schenken. Wenn Das System stabilisiert ist kann Prof. Ohnezweifel ohne Zweifel das Holoprotokoll bemühen um seine Informationen.
Frau Butler, ich persönlich bin zum einen der Meinung, dass es einer Konsenzfindung dienlich sein könnte, wenn wir uns alle bemühen unsere Emotionen im Zaum zu halten. Das Thema bewegt uns alle sehr und das Gewicht der Entscheidungen die hier zu treffen sind lässt keinen von uns Mühelos aufrecht stehen.
Zum Anderen denke ich - um auf das Thema zurück zu kommen - dass anatomische Unterschiede innerhalb der Spezies, welche die Evolution sicherlich nicht ohne triftigen Grund hervorgebracht hat zwar immer wieder als willkommener Anlass zur Diskriminierung genommen wurde, das mensch diese Tatsache aber nicht mit einer kausalen Ursache verwechseln darf. Die patriarchalen Strukturen die wir hier vorfinden sind die soziale Konsequenz aus den Bemühungen des alttestamentarischen Judentums die männliche Erblinie zu sichern, weil den Menschen keine Gentechnologie zur Verfügung stand. Bitte bedenken Sie, dass wir nicht zuletzt hier zusammen gekommen sind, um auch die neue Ethik zu definieren in der der neue Prototyp auwächst. Wir schneiden den Hornfaden der Sozialisationsgeschichte hier ab, eine Chance die die Menschheit nie zu vor gehabt hat. Und die neuen Vorraussetzungen sind hier sicherlich andere als 5000 vor Christi.
Also ich möchte sie inständig bitten mit mir das Für und Wider verschiedener möglicher Modifikationen an der Biologie unserer Spezies und ihrem Wererahmen zu erörtern. Ihre Emotionen in allen Ehren, aber darüber können wir nicht Diskutieren. Bitte finden sie nachvollziebare Ursachen für ihre Gefühle über die man reden kann. Ich denke die Geschlechterfrage ist sicherlich auch nicht die einzige die hier von Bedeutung ist.
KALINSKY:
Ich schätze, Sie erwarten eine Erklärung für meine Verspätung. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mich in meiner eigenen Bezugszeit nicht verspätet habe. Vielmehr ist es so, dass Sie sich zu früh verabredet haben. Sei es drum, ich wurde eingeladen, um bezüglich der Zukunft der Menschheit eine Stellungnahme abzugeben oder präziser: der Zukunft des Menschen - des neuen Menschen. Ich halte nichts von diesem... neuen Mensch. Wer sagt uns, dass er besser wird als der alte? Schon klar, Sie manipulieren ein wenig dort, ein wenig da, verändern einige Variablen, geben dem Fleischklumpen vielleicht eine neue Morphologie, eine neue Erziehung, aber dennoch bleibt das Problem bestehen: dieses neue Wesen wird vom Menschen geschaffen sein und über kurz oder lang, dieselben Fehler in sich tragen. Meine Damen und Herren, sie wissen doch von der Evolution. Mir erscheint es seltsam, dass sie dieses uralte, noch immer paradigmatisch geltende Konstrukt ignorieren. Der Mensch und mit ihm die evolutionäre Idee der "Intelligenz" hat ausgespielt, wir haben unsere Chance vertan - so wie die Dinosaurier, der Buckelwal und diese angeblichen Marsbakterien, die sie bis zum heutigen Tag nicht nachweisen konnten. Es erstaunt mich, dass sie alle diese eine Wahrheit nicht ertragen können: der Mensch hat ausgesorgt und ein neuer Mensch wird, so wie sein Vater, an denselben Krankheiten leiden. Deshalb mein Resumee: Lassen Sie uns endlich mit Anstand und Würde von der Bühne des Universums treten. Andere Lebewesen werden vielleicht ein besseres Schauspiel aufführen.