AW: DIE GENEHMIGUNG von Nee zum hören
Lieber Marco, danke für eine anregende kleine Diskussion durch Deinen Einwand. Er ist insofern interessant, da er meiner Meinung nach nicht nur nach dem Motto "dein Geschmack und mein Geschmack" verhandelbar ist. Deine Reaktion liest sich schärfer als Sie wahrscheinlich klingen würde, wenn Du sprächest....
Womit wir genau beim Thema sind. Wie verstärkt sich die "Absicht" einer Geschichte? Diese Verdeutlichung ist doch etwas, was wir uns als Zuhörer ebenso wie als Kreierende eigentlich immer wünschen. Eine Geschichte ohne Haltung des Erzählenden dahinter gibt es ja ohnehin nicht. Sie ist immer Gestaltung und wirft deshalb ja sofort die Frage nach derselben auf, vor allem wenn sie, wie hier z.B., in ein anderes Medium übertragen wird.
Ich glaube jenseits von Geschmack unterwerfen sich die narrativen Umsetzungen in Ton oder Bild jeweils sehr eigenen Regeln.....die es zu erkunden, auszuloten gilt.
An Deiner Kritik würde mich beispielsweise sofort die praktische Veranschaulichung interessieren. Vor meinem inneren Ohr entfaltet sich nämlich entlang an Deinen Ausführungen sofort etwas, dass ich mir als zwar spielerisch gelungen vorstellen kann, aber was sich sofort viel eindeutiger auf einem Tableau der Comedy abspielen würde ( so Rudi Carell und Dieter Krebs- mässig ). Ich gebe zu, es ist letztlich natürlich auch Geschmacksache aber mir käme es dann so vor als sei der Stoff von Nee irgendwie zu schwach verhandelt worden. Denn sie hat ja nicht einfach eine komisch zugespitzte Geschichte geschrieben sondern auch eine Art Parabel auf die absurde Umgangsweise der Menschen mit an und für sich unverhandelbaren Grundsätzen, die wir spätestens seit der Aufklärung als erkannt und selbstverständlich erachten. Z.B. erinnert die Szene doch auf grausige Weise an die Art und Weise, wie Shoa "funktionierte": das Auslöschen von Menschen wird durch "korrekte" Bürokratisierung mit einem mal handhabbar und die Mörder müssen nur ordentlich Buch führen - schon wird entfesselte Barbarei zu einer formal zu beurteilenden Handlung...usw. - das unsagbar Entsetzliche wird vor dem Hintergrund des mit seiner Familie Weihnachten feiernden KZ-Mörders als anständigem Soldaten fast zur Posse also zum Lachhaften verabsurditiert (s. auch Wolf Staudtes Verfilmung von "Rosen für den Staatsanwalt (?)" oder natürlich Ernst Lubitschs Filmhumor in "Sein oder Nicht Sein").
Was mir an Nees Text so gefällt ist das Hintergründige, denn sie badet die Erzählung ja zunächst ausgiebig in diesem Absurdium - innerhalb dessen ich den Bürokraten für mein Empfinden fast zu sehr zur Charge gemacht habe, denn die Protagonisten müssen eigentlich überhaupt nichts beitragen zu dem hanebüchenen Setting (s. "zappelndes Opfer" von Vetter Balin) ausser einen ernsthaften Dialog. Genial wird das Humor generierende Ungleichgewicht ( zwischen todesbedrohtem Opfer und der Frage nach Ruhestörung ab 22 Uhr ) dann schlussendlich und völlig logisch dahingehend aufgelöst, dass der Tod ebenso einleuchtend wie unvermutet sich nun auch auf den Vertreter des Ordnungswesens erstreckt. Die Kritik an der Form des Todes die dessen Hintergrund nicht erfragt wird erstickt und der Sachbearbeiter geht quasi zugrunde an der eigenen Unfähigkeit und wohl auch Unwilligkeit, das wirklich existentielle Problem zu benennen und anzusprechen.
Für mich ist das wie eine Allegorie auf unsere heutige Zeit, in der wir beispielsweise im Mittelmeer Sommerurlaub machen, während unsere Regierungen und damit wir auch hinnehmen, dass tausende verzweifelte Menschen darin gegenwärtig ertrinken.
In Nees Fokus steht also meiner Meinung nach eindeutig der Ordnungsvertreter ( ein wenig auch wie in Frischs Biedermann und die Brandstifter), denn seine Art der Einlassung ist es, die ihn letztlich ums Leben bringt; der Wille zum Töten bei seinem Dialogpartner wird ja dramaturgisch schlicht gesetzt, als handle es sich um den Tod höchstselbst ( das dabei in diesem Fall die Religion die Kulisse gibt, ist nur eine Spielvariante - wenn auch sehr bitter - von vielen denkbaren...es könnte auch um Mafia oder Banking, um Textilfabrikation oder eben Grenzschutz gehen ).
Alles in allem eine kleine viel zu feine Geschichte als dass den Protagonisten im bewegteren Sinne eine Art lebendiger Charakter eingehaucht werden dürfte...ein wenig mehr vielleicht dem Mann vom Ordnungsamt, dem ich aber im vorliegenden Falle den vorgeblichen Schutz durch "Uniform" gern belassen wollte.
Viel Worte, ich weiss, aber immerhin....nicht um nichts.