Lupin Wolf

Klaus S. - The Evil Master of Deasaster
Sprechprobe
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Kleine Akustische Hörschule (for Beginners)

Wirklich? - Noch eine Schule? - Und wozu ist das gut?

Ja, tatsächlich. Denn, immer wieder, gerade bei jedem der eine Freigabe erhaschen will, bekommt es mit dem gefürchteten "Raumhall" zu tun. Und nicht wenige fragen sich, wie man den überhaupt wahrnehmen kann?

Das man ihn "hören" kann wäre jetzt eine zu kurze Antwort. Das ihn viele andere gar nicht bewußt Wahrnehmen und ein bisschen training benötigen, wäre meine Erweiterte Antwort. Insofern hab ich mir einmal Gedanken darüber gemacht, wie man das mit dem Raumhall, und allgemein auch mit dem Wahrnehmen von unterschiedlicher Raumakkustik, am besten trainieren kann. Und dieser kleine Text, den ich ursprünglich in einem ganz anderem Diskussionsfaden (HIER - Post 61) geschrieben hatte ein wenig überarbeitet um ihn noch einmal als Hilfestellung unter dem Technik/Studio Bereich zu veröffentlichen. Das ganze in Form von kleinen Übungen für jeden Interessierten, angehenden Cutter, Musiker und Akkustikbastler.

Und braucht man das jetzt zwingend?

Abgesehen von den schon oben erwähnten Gruppen: Nein, es gibt eine Menge anderer Tipgeber die einen zumindest passend beraten können bei den Sprechproben. Schaden tuts aber auch nicht, und weh tuts ebenfalls nicht.

Was ich in dem Text bewußt vermeiden werde sind Zahlen, Diagramme und Effektfiltererklärungen. Schließlich soll es so einfach wie möglich zu verstehen sein. Auf der anderne Seite ist das ganze andere Zeug mehr etwas für die Cutterschulen, was das hier ja nicht ist. Ich werde hier auch nicht irgendwelche Dinge aufzählen wie und mit was und überhaupt man gewisse dinge dämmen muß um bestimmte Geräuscheffekte zu vermeiden. Auch dafür gibt es schon massenhaft Threads im Forum. Nein, ich beschränke mich rein auf das, was ihr mit Euren Ohren hören und wahrnehmen könnt.

Dann legen wir mal los.

Grundvorraussetzungen: Fenster schließen, kein störender Lärm, kein laufendes Radio oder Waschmaschine usw.
Idealerweise zusätzlich: Ein Fieldrekorder oder ein Mikrofon mit Ständer für Parallele Aufnamen. Und gute ausgewogenem Kopfhörer zum späteren Gegenhören. Lautsprecher eigenen sich dafür eher weniger. (Entsprechende Techniktips dazu finden sich auch reichhaltig hier im Forum).

WICHTIG: Achtet bitte darauf das Ihr beim Gegenhören nicht zu laut aufdreht um Eure Ohren nicht zu schädigen wenn ein plötzliches Geräsusch rein "trommelt"! Lieber leiser vorhören und dann lauter drehen als später mit Dauertinitus durch die Welt zu marschieren zu müssen.

Grundsätzliches: Jedes Gerät, auch Mikrofone, PreAmps, Mischpulte, Soundkarten usw. usf. hat ein gewisses Eigenrauschen. Und je mehr rauschdinge man hintereinander schaltet, umso mehr rauscht es dann auch bei der Ausgabe. Wer sich beim Gegenhören wundert, das da noch ein Rauschen ist, das mehr oder weniger gut zu hören ist - das ist normal. Ab wieviel Rauschen dann eine Sprechprobe nicht mehr zugelassen ist überlasse ich an der Stelle den dafür zuständigen Forumsmoderatoren. Ich wollte das nur der vollständigkeit halber erwähnen. Wer sich davon bei den Übungen mit Gegenaufname gestört fühlt sollte darüber nachdenken, wie man dem Rauschen (ohne Filtereinsatz) Herr wird. Und wenn auspegeln nciht hilft, dann kommt man um die Anschaffung eines neune Aufnameequipments nicht herum. Aber genug davon, kommen wir zu den Übungen.

1a) Der Klatschtest
Dazu in die Mitte jedes Raumes der eigenen Wohung (oder sonstiger Umgebungen) stellen, die Augen schließen und in die Hände klatschen. Evt. mehrfach wiederholen (in einem ruhigen langsamen Tempo) und sich dabei auf der Stelle drehen. Dann darauf achten woher ein gewisses "Echo" kommt und in welcher stärke es auftritt.
Das Kaltschen ist ein sehr intensives Mittel wie ein Sonar oder das, was Fledermäuse im Ultraschallbereich machen, um sich zu orientieren. Damit bestimmt man auf einfache Weise Raumhall und woher er kommt. Und man kann auch Unterschiede im Klang und Echoverhalten ausmachen (nur so als Akkustisches Beispiel: gefließte Badezimmer sind wahre Kirchenschiffe in Sachen aktiven Raumhalls)

1b) Sprech und Schreitest (für Sprechproben)
Das richtet sich wieder mehr gezielt an Sprechprobenersteller und Tests. Ich schrieb ja schon, das das Klatschen recht intensiv ist. Da es hier um das Sprechen geht sind auch laute Sprechproben und auch mal Schreien nötig und für die bestimmung von trockenem Raumklang auch wichtig. Denn wo man bei normaler Stimmlautstärke nichts hört kann man bei eben lauteren Passagen plötzlich von raumhall überrascht werden.
Ich denke für die Stimmproben an sich sollte es genügen, in seiner bevorzugten Aufnameumgebung auch mal was lautes einzusprechen und dann Gegen zu hören. Aber Experimentell kann man die Übung mit lauter Stimme auch gern wie beim klatschtest in jedem Raum machen. Empfehlen würde ich allerdings eine Aufname davon zu machen und diese sich dann später anzuhören.

2) kleine Schule der Raumakkustik
Eine schöne Grundübung für Cutter, die nicht nur Atmosphären bauen, sondern die Sprecherstimmen auch an diese Umgebungen mit Effekten anpassen müssen und auch für jeden, der dafür ein bewußtes Akkustisches Raum-Wahrnehmungsvermögen entwickeln möchte. An sich kennt jeder Raumumgebungen, man merkt das Stimmen und Geräusche in jeder Umgebung anders klingen. Aber nimmt man diese Akkustischen veränderungen immer bewußt wahr? Man weiß das es da ist, man hört es, registriert es und ordnet es unbewußt zu. Aber man achtet nicht weiter darauf. Und dafür ist diese kleine Übung.
Dafür diverse hohle Gegenstände und verschiedene Räume nutzen. Darin ein Mikro postieren und selbst mit dem Kopf "eintauchen". Und dann neben Klatschtest (wenn möglich) auch einige Worte sagen, sprechen und schreien. Oder qauch andere Geräsuche darin erzeugen, Musik ablaufen lassen oder von mir aus auch auf einem Waschbrett schaben. Auch wenn man es dann selbst hört, das Aufgenommene ruhig gegenhören.
Damit entwickelt man ein wenig akkustisches hören mit verschiedenen Räumen und Gegebenheiten. Eine Holzkiste oder ein Plastikeimer klingen anders als ein Metalleimer, ein Badezimmer oder oder oder... Und man bekommt ein gewissen Verständnis dafür was derjenige meint, wenn man bei Akkustikproben plötzlich sowas erzählt bekommt wie: "das klingt noch zu sehr nach Kiste" oder "da wift irgendwas noch Schall zurück - Tischplatte oder Holzvertäfelung vieleicht?"

3a) große Schule der Akkustik
Das wird jetzt Musikalisch, aber keine Angst - Musikalisch muss man dafür nicht sein.
Nimm Dir irgendein Musikstück und lausche konzentriert, am besten mit geschlossenen Augen. Schlüssel auf, welche Instrumente und Geräusche du hörst.
Etwas erweitert benenne dazu auch die Effekte, die in diversen Passagen insgesammt oder nur bei einzelnen Instrumenten/Geräsuchen zu hören sind. Das schult ein wenig das Ohr für eben Klang und Harmonie. (Und Nein, niemand kennt die realen Namen aller Instrumente oder Effekte. Ersatzbezeichnungen nach deinem eigenen Gusto reichen dafür zur Not auch aus).

3b) Hier mache ich keine Überschrift. Im Grunde ist es dasselbe was ich in 3a schon beschrieben habe. Aber nun lauschen wir auf alles in Filmen und Hörspielen. Und zwar nicht nur das, was wir im Vordergrund hören, sondern auch bewußt auf das was im Hintergrund abläuft. Nebengeräsuche, Gespräche, aber auch welche Effekte und Raumverhältnisse aktuell in der szene vorhanden sind und macht Euch Notizen darüber. Gerade bei Film sollte man zusätzlich ncoh die Augen schließen.

3a und 3b läßt sich auch als Gruppenübung verwenden, wenn alle soweit still sind. Und durchaus mehrmals über das Musikstück oder die Szene lauschen um dann am Ende die nieder geschriebenen Eindrücke zu vergleichen.

Das alles braucht natürlich seine Zeit, wie alles was man neu lernen muss. Doch mit diesen kleinen Hausmittelchen kann man seine Ohren, nenen wir es: mit "Finetuning", versehen. Und Übung 3 hat auch den Nebeneffekt, das man Musik (und Hörspiele) irgendwann ganz anders genießt: völlig egal welcher Stil es dann ist. Man lauscht mehr nach der Harmonie statt seinem Lieblingsstil und erkennt auch in elektronischen Musikformen den Unterschied zur Konserve gegenüber den Stücken, wo noch viel Hand-/Feinarbeit mit eingeflossen ist. Und glaub mir, das ist wie eine Bewußtseinserweiterung. Niemand achtet bewußt auf alle Feinheiten die ein Künstler in seine Werke vertont hat. Etwa die hälfte nimmt man bewußt als normaler Hörer gar nicht erst wahr. Selbst wenn man sich intensiv darauf konzentriert, bekommt man alle Akkustischen Feinheiten erst nach mehrmaligem Durchhören mit. Und ja, auch wenn man diese Übungen erfolgreich absolviert hat, wird es nicht ausbleiben das man nicht alles an "verdichteten" akkustischen Einzelheiten wahr nimmt.

4) Audio Games (Spiele ohne Bild, nicht nur für Blinde)
Das Blinde mittels spezieller Screenreader auch erfolgreich so manches Spiel bestreiten können, ist kein Geheimnis. Und es sind durchaus nicht nur Textadvntures darunter, die einfach nur Vorgelesen werden. Nein, spezielle Audiogames, in denen man sich nur mit dem Gehör orientieren kann. Nur nach Geräusch und Stereo verhalten, oder als Binaurale Abmischung (was leider bei jedem unterschiedlich funktioniert) oder in Surround. Kombiniert sind manche auch mit gesprochenen Textpassagen und bei Smartphones/Tablets kommt noch das haptische Feedback (Vibration) dazu. Strategie, Ego Shooter, Escape Games und Adventures, alles mögliche wird auf diese Art geboten. Leicht sind diese Spiele natürlich nicht, und noch viel weniger für sehende. Aber für uns in dieser Hörschule ein Zweckentfremdetes spielerisches Training für unsere Ohren auf allen Ebenen. Ein kleiner Auszug an vorhandenen Spielen (leider sind nicht alle auf deutsch und kostenfrei erhältlich):

A Blind Legend (Android, iOS, Windows, Mac)
AGRIP (Audio Quake) (3D Shooter - Windows, Mac, Linux - Free)
Blindscape (Android und iOS - Free)
Blindside (iOS, Windows, Mac)
ChangeReaction (Mac)
Der Tag wird zur Nacht (Windows - Free)
Grail to the Thief (Windows, Mac, Linux - Free)
SixthSense (Binauraler 3D Horror Shooter - iOS - Free)
Sound Nnja (iOS)
SoundRTS (Echtzeitstrategie - Linux, Mac - Free)
The Blind Swordsman (Browsergame/Flash - Free)

5) Bonus: Gehörtest (eigentlich kein Gehörtraining in dem Sinn)
Dank Badda bin ich in einem anderen Thread auf einen Online Gehörtest gestolpert (Hearing Test Online). Hier geht es mehr darum seine Ohren auf Funktion zu testen, nicht das was ich bisher beschrieben habe. Beeinflusst wird dieser Test allerdings leider auch durch verwendete Kopfhörer, Soundkarte & Audiointerfaces etc.. Dennoch kann man sich damit ein ungefähres Gefühl dafür verschaffen, welche Klangfrequenzen man hören kann, wie sie sich anhören und ob das im entsprechendem Alter normal ist oder die Ohren schon angegriffen sind. Wie gesagt, kein Gehörtraining im eigentlichen Sinn, aber eine recht gute ungefähr Analyse der eigenen Ohren die man ruhig ausprobieren sollte.

6) Bonus 2: Gehörtraining für Soundengineers
Das sprengt etwas den Rahmen dessen, was ich mit der kleinen Akustischen Hörschule erreichen wollte. Doch folgende Seiten und deren Informationen möchte ich Euch noch mit geben:

Train Your Ears to Recognize Frequencies in Equalization
Alles über Frequenzen: verständlich und umfangreich + Frequenztabelle

7) Bonus 3: Besondere Hörspiele und Features
Das ganze hat Ähnlichkeit mit den Punkten 3b und 4. Diverse Feature oder besondere Arten von Hörspielen oder Audio-Dokumentationen, die sich ausschließlich mit dem Klang von Umgebungen befassen. Eines der bekanntesten Features ist

Eigengrau von Ludwig Berger, das den Hörer in einem Mittelding zwischen Dokumentation und Feature durch 4 absolut dunkle Räume schickt.

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Wer bis Punkt 4 alles schön verinnerlicht hat kann sich gern diesen Kurs noch antun. Hier erfahrt ihr noch einiges über die hörbaren Frequenzbereiche und was wo am besten abgedeckt wird. Für jeden angehenden Cutter sind die Informationen in den Link's ein muss und nicht nur für die Musikabmischung wertvoll.

So, das war es auch schon und ich hoffe ich konnte damit dem ein oder anderen ein wenig "die Ohren öffnen".

PS: Wenn ich Zeit finde hänge ich noch ein paar Soundbeispiele an.
 
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Parzifal

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Hallo Klaus,
habe gerade dein 3a ausprobiert! Also erst mal musste ich feststellen das ich kaum Instrumente benennen kann.... (ganz wenig Musiker halt) und habe auch leider keinen Beipackzettel gefunden auf dem es drauf steht.

Aber mir sind ein paar Dinge aufgefallen, dieses Musikstük habe ich nicht zum ersten Mal gehört, das ist wichtig:
Jetzt fiel mir auf das eine Flöte die im Stück vorkommt, quasi durch meinen Kopf wandert, wobei ein Instrument was wie ein Dudelsack klingt immer an der akustisch selben Position blieb. Dann hat sich der oder die Künstler auch noch etwas, für mich kurioses, ausgedacht. Bei einem Instrument Gitarre oder ähnliches, kommt das Geräusch aus einer Richtung die abhänig der Tonhöhe ist, also hohe Töne rechts und dann die Tonleiter hinunter nach links. Ausserdem konnte ich den Bass nicht lokalisieren er kam von überall her.

So nun würde mich interessieren ob das ein Ergebnis ist wie Du es in 3a erwartet hast oder ob ich mir noch das kleine Lexikon der Instrumente "durchhören" muss um alle Instrumente bezeichnen zu können.
 

Lupin Wolf

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Ich weiß nicht was Du dir da angehört hast, aber wenn du das alles bisher nicht bewußt gehört hast, ist es genau das was diese Übung bezweckt. :)

Und nein, es geht nicht darum das du alles exakt mit dem richtigen Namen bennenen mußt, nur um die Akkustische Wahrnehmung.
 

Lupin Wolf

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Ich habe meiner kleinen Gehörschule noch eine neuen Punkt hinzugefügt:

4) Bonus: Gehörtest

Bonus insofern: kein Training, aber gut zur "in etwa" Selbstanalyse der Leistungsfähigkeit der eigenen Ohren und um sich ein Gefühl für das hören verschiedener Frequenzen anzueignen.

(vielen Dank an Badda für den Onlinetest, den ich bis dahin noch nicht kannte nd das was ich bisher kannte war dafür nicht wirklich brauchbar)
 

Lupin Wolf

Klaus S. - The Evil Master of Deasaster
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Kleines Update. Eine Idee die mir schon länger vorschwebte, indem man sein Gehör durch reine Audio Games trainiert. Eigentlich sind diese Spiele für Blinde gedacht. Sind aber auch prima geeignet um sie für diesen Zwecke für JEDEN zu nutzen.

Eingereiht als neuen Punkt 4, wodurch der frühere Punkt 4 mit dem Bonus Gehörtest zu Punkt 5 wird.
 
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