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Georg Büchner – Die Hörspiel-Edition

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Erster Eindruck: Umsetzung aller seiner Werke

Inmitten der Wirren der französischen Revolution begehrt eine kleine Gruppe gegen die Jakobiner auf, angeführt von Danton, der für eine friedliche Lösung und ein Ende der Gewaltherrschaft kämpft. Doch Robespierre schießt zurück und will Danton vernichten… (Dantons Tod)
Der junge Schriftsteller Jakob Lenz findet Zuflucht bei einem Pfarrer in einem kleinen Dorf. Doch auch dadurch lässt sich seine psychische Krankheit nicht zurückdrängen, und als im Nachbardorf ein Junge stirbt, verliert ein langsam seinen Glauben… (Lenz)
Prinz Leonce vom Königreich Popo ist alles andere als begeistert von seinen Pflichten als Staatsmann, und auch von der Idee, mit Prinzessin Lena von Pipi verheiratet zu werden, sagt ihm nicht gerade zu. Er flüchtet aus dem wohlbehüteten Leben und lernt eine Frau kennen, in die er sich verliebt… (Leonce und Lena)
Als einfacher Soldat ist Woyzeck nicht gerade mit Reichtum gesegnet, und auch die Demütigungen seines Hauptmannes prägen sein Leben. Als seine Frau Marie Avancen eines reichen Widersachers bekommt, geht er einen radikalen Weg und stellt sich einem wissenschaftlichen Experiment… (Woyzeck)

Gerade einmal 23 Jahre alt ist Georg Büchner geworden, und trotzdem gilt er als einer der bedeutendsten Literaten seiner Zeit. Gerade einmal vier Dramen und Erzählungen sind von ihm bekannt, davon sind nicht einmal alle vollständig. Alle diese Werke sind nicht nur in unzähligen Theaterfassungen und Filmen, sondern auch allesamt in Hörspielen umgesetzt worden. Diese wurden vom Hörverlag nun in einer Box veröffentlicht, nachdem viele jahrelang nicht erhältlich waren. Im Gegensatz zu vielen anderen bedeutenden Schriftstellers des vorletzten Jahrhunderts sind seine Werke recht leicht zugänglich, die Sprache ist klar und verständlich. Sehr intensiv ist seine Charakterbeschreibung, wovon seine Werke leben. Während bei „Dantons Tod“ reale Personen im Mittelpunkt stehen und dort auch intensiv auf die Zeit der französischen Revolution eingegangen wird, sind auch hier schon zahlreiche markante Figuren zu finden. „Lenz“ hingegen widmet sich der psychischen Störung des jungen Mannes, lässt sie nachvollziehbar werden, eindringlich wird hier seine Gefühlslage geschildert. „Leonce und Lena“ ist das mit Abstand humorvollste seine Stücke und persifliert den Adel der damaligen Zeit, stellt aber auch eine ungewöhnliche Liebesgeschichte vor. Und schließlich „Woyzeck“, das trotz seiner Unvollständigkeit als sein bedeutendstes Werk gilt. Die hier geübte Gesellschaftskritik, dass sich einfache Leute nur mit großen Opfern aus ihrer Misere befreien können, die Welt viel zu materiell ist, kommt hier gut zur Geltung und findet seine Begründung erneut in dem nachhaltig beschriebenen Hauptcharakter. Vier wirklich hörenswerte Werke von Georg Büchner, die sein Schaffen respektvoll umsetzen und gut zugänglich machen.

Die Sprecher sind hervorragend und gleichen von ihrem Ausdruck eher Schauspielern und nehmen ihre Rollen sehr ernst. Dieter Mann spricht mit sehr markanter, ausdrucksstarker Stimme den Robespierre und kann die historische Persönlichkeit so sehr glaubwürdig, sehr greifbar erscheinen lassen. In der Hauptrolle des Lenz ist Günther Dockerill zu hören, der die innere Zerrissenheit, die Selbstzweifel und auch den aufkommenden Irrsinn hervorragend intoniert. Martha Marbo spricht in „Leonce und Lena“ die Prinzessin Lena von Pipi und bekommt den Spagat zwischen ernsthaften Schauspiel in dem häufigen komischen Ausdruck des Stückes sehr gut hin, beides hält sich hier die Balance. Als Woyzeck kann Ekkehard Schall begeistern, seine gekonnte und eindringliche Sprechweise kann die sich steigernde Dramatik bis hin zum blutigen Höhepunkt noch steigern. Weitere Sprecher in den vier Hörspielen sind Ursula Braun, Gerd Martienzen, Hans Paetsch und Günter Zschäckel.

Die Hörspiele stammen aus den 50er Jahren – mit Ausnahme von „Dantons Tod“, das im Jahr 1980 produziert wurde. So klingen sie für heutige Ohren etwas befremdlich und unmodern, die heutigen Aufnahmemethoden lassen sich kaum mit damaligen Umständen vergleichen. Trotzdem sind die Hörspiel gut umgesetzt worden, haben ihren Fokus klar auf den Dialogen und den Handlungen gelegt, sind sehr gradlinig. Die eingesetzte Musik dient eher der leichten Untermalung denn der Effekthascherei, und auch Geräusche sind eher spärlich eingesetzt.

Ein tiefes weinrot wurde als dominante Farbe für die Pappbox gewählt, als Kontrast dazu ist die Schrift in Weiß und Gelb gehalten, während das Konterfei des Autoren in einem noch dunkleren Farbton im dezent im Hintergrund abgesetzt wurde. Ein ähnliches Schema haben auch die vier Plastikhüllen, auf deren Klappentext jeweils noch einige einleitende Worte zu dem Stück zu lesen sind. Die Booklet enthalten zudem noch die wichtigsten Informationen zur Produktion sowie zu einigen Sprechern. Eine ausführliche Einleitung von Marcel Reich-Ranitzki und eine Kurzbiographie des Autors runden das positive Gesamtbild ab.

Fazit: Vier Hörspiele, die schon ein paar Jahre alt sind, aber aufgrund der interessanten Geschichten und dem recht leichten Zugang sehr hörenswert sind. Die literarischen Umsetzungen von Büchners Werken sind eindringlich und mit Fokus auf den Charakteren.

VÖ: 9.April 2013
Label: Der Hörverlag
Bestellnummer: 978-3-86717-991-1
 
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