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#2254 muss bleiben: Deutschlandradio will demokratischste Radiosendung Deutschlands einstellen

Veröffentlicht am 07.06.2014 von Franz-Josef Hanke


2254 wird eingestellt. Deutschlands demokratischste Radiosendung will Deutschlandradio Kultur am Samstag (21. Juni) zum letzten Mal ausstrahlen. Offenbar sind den Verantwortlichen des Senders die Hörer zu unbequem.

Seit 22 Jahren dürfen die Hörer dort zwischen 1 und 2 Uhr zum Nachttalk anrufen. Die Redaktion gibt ein Thema vor, zu dem die Anrufenden sich dann äußern können. Wer die Rufnummer 0800-22542254 wählt, kommt erst einmal in die Warteschleife und später oft auch life ins Radio.

In manchen Nächten herrscht regelrechter Stau vor den acht Leitungen. Dann ist die Nummer minutenlang nicht erreichbar. In anderen Nächten müssen die Moderatoren zwischendurch auch schon einmal einen Musiktitel einspielen. Dann dürfen die Anrufer auch schon mal etwas länger reden. Die Redaktion wählt sehr vielfältige Themen aus. Das reicht von “Lektüre für die schönsten Wochen – welche Bücher lesen Sie im Urlaub” über ”Mit Down-Syndrom aufs Gymnasium – Wie weit soll Inklusion gehen?” oder “Bedrohen Google, Facebook und Co Freiheitsrechte? bis hin zu “Dann eben nicht – soll die EU auf Großbritannien verzichten?” und “70 Jahre D-Day – welches historische Ereignis hat Sie am meisten beeindruckt?”.

Je nach dem Hörerinteresse und der Aktualität des Themas ist der Ansturm unterschiedlich. Ebenso unterschiedlich sind auch die Standpunkte, die da zu Wort kommen. Sehr unterschiedlich ist auch das Niveau der Beiträge.

Die Moderatoren sorgen jedoch mit großem Einfühlungsvermögen souverän dafür, dass die Diskussion nicht entgleist. Beschimpfungen anderer Hörer werden freundlich gerügt oder Anspielungen auf angebliche “jüdische Verschwörungen” in US-Großbanken als völlig unannehmbar zurückgewiesen.

Derlei Entgleisungen sind allerdings die absolute Ausnahme. In weit mehr als 99 Prozent der Anrufe geht es ausgesprochen gesittet und oft sehr kenntnisreich zu.

Die meisten Moderatoren lenken die Debatte nur sehr wenig. Feinfühlig haken sie nach oder bremsen den allzu sprudelnden Redefluss aus.

Mit den Jahren hat sich eine Gemeinde vor den Rundfunkempfängern zusammengefunden, die dem Nachttalk regelmäßig oder gar täglich zuhört. Einige Stammanrufer sind diesem Stammpublikum inzwischen auch schon so vertraut wie die Moderatoren.

Da war Hermann Schmidt aus Bochum, der aus seinem sozialen Herzen keine Mördergrube macht. Der Sozialdemokrat Manfred Kirsch aus Neuwied hält die Tradition der Arbeiterpartei hoch. Uwe Gutzeit aus Leipzig ereifert sich über soziales Unrecht oder Kriegspolitik.

Josef Matthes aus Meckenheim bedenkt bei seinen Äußerungen getreu der Ausbildung bei den Jesuiten das Für und Wider. Hannelore Harnack aus Berlin argumentiert ruhig und klar. Peter Knebel aus Hamburg beeindruckt mit viel Wissen.

Martin Macker aus Hamburg hingegen ist meistens unverständlich. Peter Metzger aus Geislingen sagt fast jede Nacht so gut wie nichts Eindeutiges.

Die Anrufer sind genauso unterschiedlich wie im “normalen Leben”. Irgendwie sind sie dem Stammhörer inzwischen aber vertraut; und man möchte auch die eher nervigen “Nachtgeister” nicht mehr missen.

Der Nachttalk ist in der Regel vielseitig und anregend. Unterschiedliche Meinungen reiben sich aneinander. Verschiedene Gesichtspunkte ergänzen einander.

Das Alter der Teilnehmenden variiert von knapp 20 bis über 90 Jahre. Den weitaus größten Anteil stellen aber die Rentner.

Auffällig ist auch die große Zahl von Behinderten, die sich an der nächtlichen Sendung beteiligen. Immer wieder berichten Anrufer, dass sie im Rollstuhl sitzen oder sehbehindert sind. Für manche von ihnen ist 2254 die einzige Möglichkeit, ihre Meinung öffentlich kundzutun.

Wer nachts mitgeredet hat, erhält in den darauffolgenden Tagen mitunter sogar mehrere Mails oder Anrufe von Bekannten, die die Sendung gehört haben. Selbst längst verschollene oder eher entfernte Kontakte erweckt der Nachttalk zu neuem Leben.

Wer als Verantwortlicher eine solche Sendung abschafft, hat nichts verstanden von Kommunikation. Kommunikation ist “Miteinander reden” und nicht “jemanden berieseln”. Wer das nicht beherzigt, sägt an dem Ast, auf dem er selber sitzt.

2254 ist Hörerbindung pur. 2254 ist gewachsene Kultur im Radio. 2254 ist gelebte Demokratie.

Aber das Deutschlandradio schafft die Hörerdemokratie ab. Offenheit ist hier nicht angesagt. Die Hörerdiskussion wurde ohne Einbeziehung der Hörer aus dem Programm gestrichen.

Die Neusprech-Werbung des Senders verheißt nun ein “runderneuertes Programm”. Für die Verantwortlichen scheinen die Sendungen dann wohl Reifen zu sein, die dann vermutlich auch nur voller Luft sein dürften. Platzen ist da vorprogrammiert.

Die Hörer des täglichen Nachttalks verweisen die Programmverantwortlichen als Ersatz für 2254 auf eine Sendung am Samstagmorgen. Auch dort dürfen Anrufer mitreden. Allerdings werden sie dort nur mit kurzen Fragen in eine Expertenrunde einbezogen.

Außerdem gebe es ja auch noch die Facebook-Seite “DRadio”. Dort könnten Hörer ja auch ihre Meinung äußern, erklären die Radiomacher. Wer Facebook als demokratische Alternative empfiehlt, kann es angesichts des Umgangs dieser Firma mit dem Datenschutz aber nicht allzu ernst meinen mit der Demokratie.

Demokratie ist für die Verantwortlichen beim Deutschlandradio offenbar nur ein schönes Wort. In der Berichterstattung über Russland oder China fordert man Demokratie ein; im eigenen Sender hingegen würgt man echte Demokratie ab.

Bemerkenswert war auch, wie die Moderatoren mit der Einstellungsankündigung und den Diskussionen darüber umgegangen sind. Offenbar waren sie nicht frei, ihre eigene Meinung dazu klar zu äußern.

Nach dieser publikumsfeindlichen Entscheidung ist die Scheidung vom Deutschlandradio die naheliegende Konsequenz. Zumindest ist der Sender in seiner Berichterstattung über Demokratie künftig kaum noch glaubwürdig.

Eine letzte Chance haben die Verantwortlichen noch: Wenn sie sich dem Wunsch der Hörerschaft beugen, können sie den Nachttalk und damit auch sich retten. 2254 ist nämlich das Radioformat der Zukunft. Hörer an die Macht: Rettet die Freiheit im Radio! 2254 muss bleiben!


QUELLE:
http://fjhmr.wordpress.com/2014/06/...tischste-radiosendung-deutschlands-einstellen

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Aktuelle 2254-Sendung zum Thema "Time to say goodbye - wie gehen Sie mit Abschieden um?"
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/06/09/drk_20140609_0105_a3ee290e.mp3
 
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